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Im Himmel ist manchmal die Hölle los, so könnte man glauben. Zwar ist der Himmel aus klimatischer Sicht angenehmer, die Hölle in gesellschaftlicher Hinsicht jedoch weit interessanter. So zielen die beiden Autoren Mancini und Felden auf die Lachmuskeln der Leser, wenn Unternehmensberater die Strukturen im Himmel optimieren und Engel sich heimlich in die Unterwelt des Satans schleichen, um dort ein wenig Spaß und Ablenkung zu finden. Der Teufel hat dabei stets seine Hand im Spiel und versucht Gott hinters Licht zu führen, indem er ihn zu sportlichen Wettkämpfen animiert. Auch wenn so mancher Leser das Fegefeuer bereits auf Erden erlebt, mit diesem Büchlein wird er ein himmlisches Vergnügen erfahren.
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Seitenzahl: 65
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Himmlische Geschichten
&
Teuflische Fabeln
von
Claudio Michele Mancini
Sanna Felden
Impressum
Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency
EPUB ISBN 978-3-95865-006-0
MOBI ISBN 978-3-95865-007-0
© 110th / Chichili Agency 2014
Urheberrechtshinweis:
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Das jüngste Gericht
Ein teuflisches Pokerspiel
Hole in one
Lou Cifer
Himmlisches Management
Der Chef
Die ehrliche Schneiderin
Langeweile kann tödlich sein
Justus saß in der Tinte. Flankiert von zwei Erzengeln wurde er in den himmlischen Gerichtssaal geführt, der vor Überfüllung aus allen Nähten platzte. Dicht an dicht drängten sich die Engel auf den Zuschauerwolken. Keiner wollte einen Prozess verpassen, der nicht nur gute Unterhaltung, sondern auch Sensationen versprach. Gabriel schob Justus zu der Wolke für Angeklagte, auf der sich der Büßerstuhl befand und postierte sich neben ihn. Scham und Schuld standen dem Unglückseligen auf die Stirn geschrieben.
Der Verteidiger, ein hagerer Engel mit scharfen Gesichtszügen und brennenden Augen schwebte herein. Der geflügelte Seraph mit Namen Kurt Tucholsky streifte den schwarzen Talar über sein zerfleddertes Gefieder, entnahm eine Akte aus seiner Ledertasche und ließ sich auf den Stuhl neben dem Delinquenten fallen. »Keine Sorge! Wir haben alles im Griff«, raunte er seinem Mandanten zu. »Tun Sie, was ich gesagt habe und alles wird gut!«
Justus räusperte sich und nickte unsicher.
Posaunen, die vor mehr als zweitausend Jahren die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht hatten, erfüllten das Gewölbe des Himmeltribunals mit einem infernalischen TÄTERETÄÄÄ...
Ein Raunen ging durch die Menge, als die Anklägerin erschien. Johanna von Orleans! Im Vorbeischweben warf sie Justus und dessen Anwalt ein geringschätziges Lächeln zu und senkte sich würdevoll auf der Wolke des Anklägers hernieder. Grelle Blitze zuckten auf, gefolgt von grollendem Donner, als die Staatsanwältin ihren Stuhl zurecht rückte. Die Lightshow, begleitet von Sphärenklängen und sanfter Harfenmusik begann. Hinter dem Richterstuhl stieg Nebel auf, bläuliche Wolken stiegen empor und waberten über dem Gestühl des hohen Gerichtes. Aus dem Dunst materialisierte sich eine bärtige Gestalt. Der Herr und Richter! Schemenhaft zeichneten sich neben ihm die Konturen der Schöffen ab, die wie von Zauberhand Gestalt annahmen. Das Tribunal war komplett. In der Mitte Gott, links Jesus, rechts der Heilige Geist, dessen Namen niemand genau kannte.
Gott hasste Effekthascherei. Auf der anderen Seite wollte er sein Publikum nicht enttäuschen. Die Anwesenden klatschten ekstatisch. Auch frenetische Bravorufe waren zu vernehmen. Der Himmel toste vor Beifall. Die Augen des Herrn machten die Runde, und er schien zufrieden. »RUHE BITTE! RUHE IM SAAL!«, rief er und rückte sein Gewand zurecht.
Die Menge beruhigte sich zögerlich, nur die jüngeren weiblichen Engel hielten brennende Feuerzeuge hoch und schwenkten sie leise summend hin und her. Gott griff nach einem Holzhammer und ließ ihn mit solcher Wucht auf den Richtertisch knallen, dass Kalifornien, - es befand sich zufälligerweise gerade unter ihm -, von schweren Erdbeben heimgesucht wurde und in der Südsee ein Tsunami halb Indonesien überschwemmte. Er warf einen kurzen Blick auf die Erde. Was er sah, tat ihm zwar ein wenig leid, aber er war nun einmal ein Freund großer Gesten.
»Im Namen der himmlischen Gerechtigkeit eröffne ich das Verfahren. Verhandelt wird die Causa Engel Justus Meier, angeklagt wegen fahrlässiger Unachtsamkeit am Arbeitsplatz. Frau Staatsanwältin, ich erteile Ihnen das Wort.«
Johanna von Orleans erhob sich mit affektierter Attitüde, klappte die Flügel hinter ihrem Rücken mit einem eindrucksvollen Schlag zusammen und blickte böse hinüber zur Anklagebank. »Ich verlese die Anklageschrift«, begann sie mit schneidender Stimme. »Der Angeklagte Engel Justus war zum Dienst als Schutzengel eingeteilt. Die Bedeutung einer solchen Aufgabe wurde ihm zuvor eindringlich klar gemacht. Sein Auftrag lautete, den Wissenschaftler, Professor Dr. Robert Oppenheimer zu beschützen, damit er in Pasadena unbeschadet seinen Forschungen nachgehen konnte.«
Sie blätterte in ihrer Akte und fuhr mit eindringlichem Ton fort: »Oppenheimer beschäftigte sich an der Harvard University als wissenschaftlicher Leiter mit der Quantenphysik, um zukünftige Energieprobleme auf der Erde zu lösen. Entgegen seinem Auftrag vernachlässigte Engel Justus Meier seine Aufgabe sträflich. Anstatt sich um Oppenheimer zu kümmern, gab er sich dem süßen Leben hin. Insbesondere stellte er jungen Studentinnen auf dem Universitäts-Campus nach und ließ keine Gelegenheit aus, sich unkeuschen Gedanken hinzugeben. Wäre er seinen Pflichten nachgekommen, konnte ihm nicht verborgen geblieben sein, dass sein Schutzbefohlener unter seinen Augen eine Atombombe entwickelte. Zwar hat Engel Meier dem Physiker Oppenheimer ins Gewissen geredet, doch zu spät. Die Bombe war fertig. Der Fall ist klar! Ich beantrage die Höchststrafe.«
Die gefiederte Anklägerin setzte sich mit siegessicherem Lächeln auf ihren Platz. Ihre kämpferischen Augen waren auf Justus gerichtet und sie weidete sich an seiner Seelenqual. Gott dagegen hatte die Verlesung der Anklageschrift mit regungsloser Miene verfolgt und wandte sich mit gütigem Gesicht an den himmlischen Rechtsbeistand. »Sie haben das Wort, Herr Verteidiger.« Doch bevor dieser beginnen konnte, hob der Herr die Hand, wandte sich unvermittelt nach links und fixierte die Staatsanwältin. Seine Blick lag tadelnd auf der Jungfrau, die aufreizend an ihren Flügelfedern zupfte, als ginge sie dass alles gar nichts an. Johanna vermittelte ihrem Prozessgegner den Eindruck, die Verteidigung sei nur schmückendes Beiwerk und ohnehin völlig überflüssig. Taktik, dachte Gott und meinte streng: »Im Übrigen bitte ich die Anklägerin um ein wenig mehr Respekt!«
Kurt Tucholsky erhob sich, breitete seine Arme wie ein Heilsbringer aus und begann: »Oh himmlischer Richter, hoch verehrte Schöffen, werte Frau Staatsanwältin! Mein Mandant hat die Tat bereits eingeräumt. Versuchungen, Verführungen und Ablenkungen auf der Erde hat er wahrlich nicht zu verantworten. Seien wir doch ehrlich...« Tucholsky griff nur allzu gerne auf suggestive Floskeln zurück, da sie selten ihre Wirkung verfehlten, »...wissen wir nicht alle, wer der eigentliche Schuldige ist? Leider sitzt er nicht auf dieser Anklagebank. Der Erfinder von Sodom und Gomorra ist ein paar Etagen tiefer zu finden und der Zugriff auf ihn ist nahezu unmöglich...!«
Der gefiederte Tucholsky deutete demonstrativ in Richtung Hölle, dessen Fegefeuer man sogar von den Zuschauerrängen sehen konnte, wenn man sich ein wenig nach vorn beugte. Beifälliges Gemurmel der Anwesenden drang an sein Ohr und er fuhr mit affektiertem Gestus und erhobener Stimme fort: »Nichtsdestoweniger ist sich Engel Justus seines Müßiggangs und seines lasterhaften Verhaltens bewusst. Er bereut zutiefst. Dennoch....«, der Verteidiger machte aus dramaturgischen Gründen eine Kunstpause und suchte den Blickkontakt zu den Gaffern auf den vorderen Rängen. Er blickte in sensationsgierige Mienen allenthalben. Es musste ihm gelingen, eine positive Stimmung herzustellen.
Mit theatralischer Stimme fügte er an. »Engel Justus Meier hat Robert Oppenheimer über die katastrophalen Folgen seiner Erfindung eindringlich gewarnt und ihn zu guter Letzt von seinem Frevel überzeugt. Wie wir alle wissen, hat sich der Physiker später gegen den Bau der Bombe gestellt. Ja, Oppenheimer hat sich selbst die schwersten Vorwürfe gemacht und sich gegen die eigene Regierung aufgelehnt. Ich stelle also fest: Engel Meier hat Oppenheimers Gewissen auf die rechte Bahn gebracht, wenngleich nicht rechtzeitig. Es liegen eindeutig mildernde Umstände vor. Ich beantrage, die Beweisführung abzuschließen und ersuche das Gericht, eine geringe Strafe zu verhängen. Ein Jahr Küchendienst auf Bewährung halte ich für angemessen, zumal sich mein Mandant bislang nichts hat zu Schulden kommen lassen. Die Verteidigung ist bereit, mit der Staatsanwaltschaft einen Kompromiss zu schließen. Mein Mandant würde sich bereit erklären - nur unter Protest, versteht sich - auf dem Münchner Oktoberfest vierzehn Tage Hosianna zu singen und an die Besucher Myrre verteilen.«
Gottes Stirn lag in Falten. Er nahm den Bleistift und schickte sich an, einige Notizen auf seinem Block zu vermerken, als ihn die hysterische Stimmer der Anklägerin aus dem Konzept brachte.
»Euer Ehren, ich protestiere entschieden! Die niederen Beweggründe des Angeklagten, sein zügelloses Treiben, seine Pflichtverletzungen haben schließlich dazu geführt, dass in Hiroshima und Nagasaki Hunderttausende umgekommen sind. Ich beantrage Kreuzverhör.«
Frigide Lesbe!, dachte Justus.