Homo Touristicus - Claudio Michele Mancini - E-Book

Homo Touristicus E-Book

Claudio Michele Mancini

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Beschreibung

…wenn einer eine Reise tut, so kann er etwas erleben. Stets mit einem Augenzwinkern nehmen die Autoren Mancini und Felden die "typischen“ Marotten und kleinen Schwächen unserer Grenznachbarn auf Korn. Klischees geraten zur Groteske und reizen die Lachmuskeln zum Äußersten. Und immer spiegeln die Autoren liebevoll eigenes Verhalten am Urlaubsort und die Erwartungen bei unseren Reisen. Goethe war der Meinung, die beste Bildung fände ein gescheiter Mensch, wenn er in der Fremde weilt. Kein Vorurteil wird ausgelassen und immer wieder humorvoll ad absurdum geführt. Ein lesenswertes Schmankerl für jeden.

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HOMO

TOURISTICUS

Ungewöhnliche Reisetipps

von

Claudio Michele Mancini

Sanna Felden

Impressum

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

EPUB ISBN 978-3-95865-008-4

MOBI ISBN 978-3-95865-009-1

© 110th / Chichili Agency 2014

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Inhalt

Der Ägypter

Der Grieche

Der Spanier

Der Däne

Der Holländer

Der Kanadier

Der Schweizer

Der Brite

Der Schwabe

Karibische Nächte

Winterurlaub

Cinque Terre

Der deutsche Urlauber

Basta mit Pasta

Auf dem Weg in den Süden

Der Ägypter

Wer eine Reise tut, kann Überraschungen erleben. Als neuzeitlicher „homo touristicus“ will man nicht nur andere Länder, Sitten und Gebräuche kennen lernen, man will auch die Überlegenheit eigener Nationalität in vollem Umfang genießen. Im Allgemeinen fällt das dem Deutschen leicht, besonders dann, wenn er beispielsweise das Land der Pharaonen bereist. Nun ja, jedes Land hat seine Wunden: England den Nebel, die Walachei die Heuschreckenplage, Griechenland die Griechen, Ägypten das Augenleiden und ein paar Terroranschläge.

Herkömmliche Ägypter sind heilfroh, dass überhaupt noch jemand kommt, weil das Land in letzter Zeit ein wenig unsicher geworden ist. Hätten ihre Vorfahren nicht so viel Spaß am Steine klopfen gehabt, würden sie heute nichts zu lachen haben. Nur gut, dass das uralte Volk im Norden Afrikas mit großer Leidenschaft Quader aufeinander häuften, sonst gäbe es rechts und links des Nils nichts zu sehen und der Fremde würde den Ägypter heute gar nicht mehr besuchen. Mit großer Präzision hat der alte Ägypter seinerzeit frisch gehauene Riesensteine zu geometrisch bemerkenswerten Bauten errichtet, die ein paar tausend Jahre später immer noch da stehen und Wind und Wetter trotzen.

Die Rätsel der alten Ägypter geben dem modernen Bewohner immer noch ungeklärte Rätsel auf. Wo sie die Steine gefunden haben, ist längst in Vergessenheit geraten, was die alten Bauwerke noch beeindruckender macht, zumal heute selbst neue Wohnhäuser in Kairo ohne Vorankündigung einstürzen. Offenbar hat der Vorfahr des Ägypters einiges an Wissen mit in die Grabkammer genommen – übrigens auch die Antwort darauf, weshalb Comics früher in Steine gemeißelt wurden, obwohl das mit Abstand der unhandlichste Weg ist, Bildchen festzuhalten. Die Amerikaner sind ganz begeistert und fest davon überzeugt, dass die Vorfahren von Lucky Luke und seine Verwandten eigentlich aus Ägypten stammen, was den Ägypter dazu bringt, die tollsten Geschichten zu erfinden. Man stelle sich Odysseus mit einer Marlboro vor, ein Halloween-Spektakel in der Cheops-Pyramide, Ariadne im Grand Canyon oder General Custer vor Troja! Nein, die geschichtslosen Amerikaner haben die Antike nicht verdient.

Wer zu früheren Zeiten feinmotorisch versierter war, als die Steine klopfenden Verwandten, durfte für tote Könige Masken herstellen. Heutzutage werden sie in Hochsicherheitstrakten hinter Panzerglas gegen horrenden Eintritt vorgezeigt. Alles zur Begeisterung der Zugereisten. Zuvor hatte der Nachkomme der Pharaonen – zumeist hochqualifizierter Grabräuber - die Gruft der toten Könige ausgehoben und hinter der Maske vorgepult, um das Kunstwerk auch werbewirksam ausstellen zu können.

War eine Maske besonders gut gelungen, wurde der damalige Kunsthandwerker zur Belohnung gleich mitbestattet. Wenn heute der Pharao sterben sollte, dessen offizieller Titel inzwischen geringfügig anders lautet, wird – nach allem was man hört – niemand einfach so als Beilage dazu beerdigt. Ein Beweis dafür, dass sich die Landessitten im Laufe der Jahrhunderte zum Vorteil gewandelt haben. Attentate auf Nildampfer und Touristenhotels jedoch machen das Ferienerlebnis für einige unentwegte Besucher zum unvergesslichen Abenteuerurlaub. Deshalb herrscht vielerorts, auch in Hourghada, meist eine Bombenstimmung!

Die Frau des Nilbewohners gilt seit Jahrtausenden als Schönheitsideal. Namen wie Kleopatra und Nofretete stehen für die Erfindung von Kosmetikbehandlung und Wellness-Urlaub, während Ramses heute allenfalls noch als Rufnahme für Nachbars Pitbull herhalten muss. Die größte Berühmtheit unter all den eingewickelten Königen ist Pharao Tut-anch-Amun, der zwar historisch gesehen völlig unbedeutend, aber sein Grab mit einer bis dato nicht für möglich gehaltene Menge an kunsthandwerklichen Gegenständen ausgestattet worden war. Nichtsdestoweniger findet sein Vorname im heutigen Alltag keine Verwendung mehr.

Der Ägypter feilscht übrigens gerne. Deshalb hat er überall dort, wo der Fremde gelegentlich vorbeischaut, eine Reihe bunter Stände aufgebaut oder im baufälligen Erdgeschoss seines Hauses einen Laden eingerichtet, weil der Nachbar ja auch einen hat. Dort gibt es manchmal auch Dinge, die man brauchen könnte, und solche, die mehrheitlich absolut entbehrlich sind und sich wahrscheinlich deswegen besonders gut verkaufen. Papyrus-Bildchen von fremden Leuten aus dem Altertum, industriell gefertigte Grabbeigaben, Pharaonen aus Plastik, Pyramiden in allen Größen und T-Shirts mit programmatischen Aussagen wie: „I like Egypt“. Die meisten dieser Souvenirs werden nur deshalb verkauft, weil der Verkäufer urplötzlich und ohne gefragt zu werden eine Preisforderung über den Tresen schleudert, so dass der Fremde sich unwillkürlich zum Kontern veranlasst sieht. Er nennt die Hälfte des Preises, bekommt das Teil und merkt erst am übernächsten Stand, dass er es erstens gar nicht haben wollte und zweitens übervorteilt wurde. Darin ist der Ägypter sehr geschickt.

Neuerdings will der Tourist nicht mehr so viele alte Bauwerke angucken, wie noch zuvor, sondern er geht lieber schwimmen. Im Nil allerdings ist das nicht so richtig gesund, zumal das heimische Krokodil hinter dem Assuan-Staudamm wohnt. Zu seinem Leidwesen erwischt es nur noch selten einen Fremden. Statt im Nil zu baden, kann der Besucher aus einer gigantischen Anzahl schicker Hotels auswählen. Die meisten heißen Hurghada und liegen am roten Meer, obwohl es blau ist. Gleich vor deren Türen gibt es jede Menge Ausflugsboote. Damit geht der Fremde ganz begeistert Korallen und Fische besuchen, was dem Ägypter den einen oder anderen Arbeitsplatz und gute Einnahmen beschert.

Aufpassen müssen Taucher und Schnorchler nur, dass nicht plötzlich ein charismatischer Herr mit seinem Gefolge angewandert kommt, all das viele schöne Wasser beiseiteschiebt und das Meer teilt, um trockenen Fußes auf die andere Seite des Ufers zu gelangen. Aber laut Medienberichten der dortigen Fernsehanstalten und Zeitungen soll das nur noch sehr selten vorkommen. Wer mehr erleben will, muss sich auf die Al Quaida verlassen und darauf hoffen, dass eines der Touristenzentren in die Luft gesprengt wird oder eine vernünftige Revolution stattfindet. Dank des Terrors spielen die Ursachen der Konflikte auch bei den Ägyptern keine Rolle mehr.

Der Grieche

Um es gleich vorweg zu sagen: Athen ist wunderbar. Es ist die einzige Stadt, in der sich alles bewegt und nichts passiert. Und der Grieche? Im Prinzip ein freundlicher Geselle. Genauer gesagt, der misslungene Versuch, einen Türken zum Italiener zu machen. Stets trägt er sein Hemd offen und im Ausschnitt baumelt ein Kreuz aus Gold. Außerdem riecht er nach Knoblauch. Doch das stört nicht weiter, weil alle Griechen dasselbe Aroma ausstrahlen. Lediglich den Neuankömmling trifft im direkten Umgang mit Einheimischen der Schlag. Allerdings beginnt die Immunisierung gleich nach der Einnahme von Mahlzeiten. Und weil Besucher nach der langen Reise einerseits hungrig, andererseits fremde Gerüche gewöhnungsbedürftig sind, eröffnete der Grieche an Hafenpromenaden, Stränden, vor Hotels und in überhaupt in jeder kleinen Gasse landestypische Restaurants und Tavernen, in denen es überall das Gleiche gibt.

Was den Griechen aber eigentlich ausmacht, sind die vielen Ruinen und verfallenen Überbleibsel hellenischer Baukunst, die überall in seinem Land herumstehen. Beschädigte dorische Säulen, geflickte attische Kapitelle, jede Menge ramponierte Götter aus Marmor, Tempel ohne Dach – ein paar tausend Jahre alte Architektur, die entgegen allen Versprechungen damaliger Bauträger das zweite Jahrtausend nicht überstanden haben.

Auch die Griechin ist unverwechselbar. Speziell wenn sie etwas in die Jahre gekommen ist. Dann trägt sie nur noch schwarz, schlurft wie auf Schienen durch die verwinkelten Gassen, verschwindet irgendwann hinter einem Topf blühender Geranien und schleudert hinter sich die blau gestrichene Tür krachend ins Schloss. Solang sie unverheiratet ist, feiert sie ausgiebig und lacht gerne. Spätestens nach der Hochzeit ist das schlagartig vorbei und wenn ihr nach Bewegung zumute ist, dann reckt sie die Arme nur noch, um die Wäsche aufzuhängen oder sie klöppelt ein paar Deckchen. Die verhökert sie in der Stadt, während der Ehemann mit seinem Fischkutter auf dem Meer ein paar Kisten Kalamares fängt. Die sehen zwar nicht sehr appetitlich aus, aber mit viel Knoblauch schmecken sie gut. Dem Griechen und dem Fremden.

Zu später Stunde hocken sie dann alle zusammen, die Touristen und die Einwohner von Hellas. Auf eingeschrumpften Stühlen sitzend kauen sie Tintenfisch, reden in mehreren Sprachen aneinender vorbei, mögen sich aber und man prostet sich herzlich zu. Manchmal kommt ein bärtiger Pope auf einen Löffel Tsatsiki vorbei und trinkt alle Anwesenden unter den Tisch. Danach verschwindet er wieder im weiß getünchten Kloster und stimmt seine melancholischen Gesänge an.

Und die Stadt? Kein bisschen Chaos, und von wegen Staus. Ich habe in keinem einzigen gesteckt und auch keinen gesehen, was aber auch daran liegen kann, dass es in Athen im August kaum Athener hat. Wer kann, der flüchtet der Hitze wegen ans Meer. Zurück bleiben genervte Restaurantbesitzer, etwa 100.000 schlecht gelaunte Taxifahrer und ebenso viele Kellner, die gefährlich lächelnd vor ihren Tavernen herumlungern.

Taxifahrer erkennt man an ihren tiefbraunen linken Unterarmen, die obligatorisch aus dem linken Seitenfenster ihrer Gefährte ragen. Mit den rechten Händen lenken, hupen, drohen und schalten sie. Der gemeine Kellner dagegen ist an seiner devoten Körperhaltung nebst einer elegant ausladenden Handbewegung zu erkennen, die arglose Gäste an wacklige Tische zwingen soll. Und wer erst einmal sitzt, hat verloren. Man hockt bei Korinthos Kakis an einem einfachen Holztisch und bestellt in völliger Verkennung der Tatsachen eine Flasche Retsina, in der Annahme, es sei Weißwein. Er schmeckt trotzdem.

Der Inland-Grieche steht sehr hoch in der Gunst der Gäste aus dem Ausland – auch deshalb, weil bei ihm –, anders als beim Exilgriechen, alles echt ist. Die Weinreben an der Restaurantwand stammen nicht aus der Chemieküche der BASF. Auch die antiken Götter in den Mauernischen sind getöpfert und nicht aus Kunststoff. Sogar seine Taverna atmet den Hauch von Perikles oder Poseidon. Seit der Grieche weiß, wie viel Bewunderung der Fremde den griechischen Göttern und Helden entgegen bringt, ist er stolz auf die Hinterlassenschaften seiner Ahnen, besonders auf deren Tempel. Manchmal kopiert er sie sogar. Für sein Fertighaus bestellt er beim örtlichen Bauunternehmer ein paar dorische Fertigsöller oder einen sandfarbenen Dreieckvorsprung aus Beton und klebt ihn über seine Haustür.

Athen ist tatsächlich eine Reise wert. Ich habe es getestet. Das empfohlene Touristenprogramm für den jungfräulichen Griechenland-Besucher. Einmal durch die Plaka – Athens Altstadt – hinauf zur Akropolis. Ich besteige die nagelneue Metro. An der Station Monastiraki verlasse ich den Untergrund. Die Mittagshitze trifft mich wie eine Keule auf. Ich schaue mich um.