Hitze, Flut und Tigermücke - Michaela Koschak - E-Book

Hitze, Flut und Tigermücke E-Book

Michaela Koschak

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Beschreibung

Der Klimawandel ist auch vor unserer Haustür angekommen und verändert unser Leben. Ob durch Großereignisse wie Hitzewellen oder Starkregen, ob durch alltägliche kleine Veränderungen wie die Tigermücke in der Regentonne. Seit 2019 verfolgt die Meteorologin Michaela Koschak das komplexe Thema in Deutschlands reichweitenstärkstem Newsportal t-online. Und nun erscheint auch endlich ihr Buch dazu. Leicht verständlich und bildstark erklärt sie Klimaschutz und Nachhaltigkeit und macht einem breiten Publikum Lösungen für eine klimaneutrale Welt schmackhaft. Die Bandbreite reicht von der Gletscherschmelze bis zum Vegetarismus. Mit QR-Codes zu Beiträgen und Videos auf t-online und Interviews mit den Meteorologen Sven Plöger und Eckart von Hirschhausen.

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Michaela Koschak

Hitze, Flut und Tigermücke

(Fast) alles zum Klimawandel

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rohrdorf

Umschlagmotiv: © ArtKio - shutterstock, kathykonkle - GettyImages

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster

ISBN Print 978-3-451-39671-7

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83171-3

Für alle, denen unser Planet wichtig ist – die sich für guten Klimaschutz engagieren und die unseren Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen

Inhalt

Warum es dieses Buch auf alle Fälle geben muss mit einem Interview mit Sven Plöger

Was ist der Klimawandel?

Warum ist der Klimawandel so gefährlich?

Das Ewige Eis – wie lange ist es noch ewig?

Gebirgsgletscher – wie viel ist schon verloren?

Werden Hurrikans stärker?

Trockenes Land – der Landwirtschaft macht die Dürre sehr zu schaffen

Lebensmittelverschwendung – ein komplett unterschätztes Thema

Fleisch und Klimaschutz – sollen wir jetzt alle verzichten?

Ist Fisch eine Alternative?

Bienen in großen Schwierigkeiten

Meeresschildkröten – wo sind sie hin?

Was ist Biodiversität?

Zecken, Mücken – was erwartet uns?

Hitze und Sonne – Klimakiller und Klimanotfall

Welche Auswirkungen hat die Klimakrise noch auf unsere Gesundheit?

Hitzefalle Stadt – die Zukunft unserer Citys

Schwammstädte

Comedy for Future – mit Spaß und Humor die Welt retten

Trinkwasser – unser kostbarstes Gut

Ausgetrocknete Flüsse – auch bei uns ein Thema

Waldbrände – eine Folge des Klimawandels?

Mit welchem Antrieb sollen die Autos der Zukunft fahren?

Der Straßenverkehr der Zukunft: Busspuren, Radwege – wer bekommt mehr Platz?

Methan – Von Kühen, Müll und Energieversorgung

CO2-neutrales Reisen – wie sieht der Urlaub der Zukunft aus?

Müll – auch das gehört zum Klimaschutz

Kleidung – wie viel brauchen wir wirklich?

Seegras – ein nachhaltiges Multitalent

Braucht jedes Haus ein Solardach?

Streitpunkt Windkraft – wie viele Windräder soll es geben?

Woher soll die Energie der Zukunft kommen?

Womit werden wir in Zukunft bauen?

Der Wald der Zukunft

Dekarbonisieren, was ist das überhaupt?

CO2-Besteuerung – wer muss wie viel bezahlen?

Warum Moore nicht nur sumpfig, sondern vor allem großartig sind

Die Waffen der Werbebranche nutzen

Wie können Großveranstaltungen nachhaltiger werden?

Nachhaltiges Weihnachten

Was sind der ökologische Fußabdruck und der Wasserfußabdruck?

Nachwort

Danksagung

Quellen

Über die Autorin

Warum es dieses Buch auf alle Fälle geben muss mit einem Interview mit Sven Plöger

Bücher über den Klimawandel gibt es mittlerweile etliche – warum nun noch eins? Das fragt sich sicher der eine oder andere unter Ihnen. Da gibt es eine ganz klare Antwort: Weil das Thema eines der wichtigsten unserer Generation ist und bleiben wird und weil ich glaube, dass wir alle gemeinsam neu Laufen lernen sollten. Das hört sich vielleicht erst einmal ein wenig komisch an, aber ich glaube, das trifft es ganz gut.

Wenn wir geboren werden, haben wir natürliche Reflexe wie beispielsweise das Atmen, Weinen oder Nahrung-zu-uns-Nehmen. Aber das Laufen müssen wir erlernen, das schauen wir uns von unseren Eltern ab, sie sind geduldig und nehmen uns an die Hand und bringen es uns Stück für Stück bei. Bei dem einen geht es schneller, bei dem anderen dauert es etwas länger – aber letztendlich lernen wir alle das Laufen. Und im Laufe des Lebens verändern wir unseren Laufstil, mal zum Vorteil, mal aber auch zum Nachteil.

Was meine ich damit und was hat das Ganze jetzt mit einem neuen Klimawandelbuch zu tun?

Unsere Welt ändert sich gerade massiv, nicht nur das Corona-Virus und der Krieg in der Ukraine haben dabei ihren Anteil, sondern vor allem auch der Klimawandel. Vor 30 Jahren gab es auch mal kräftige Gewitter, extreme Sturmtiefs und sehr heiße Sommer – aber das waren die Ausnahmen. Klimaforscher haben schon damals vor extremem Wetter in einigen Jahrzehnten gewarnt, wenn wir die Treibhausgase, die wir Menschen in die Atmosphäre pusten, nicht reduzieren. Damals waren die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels weit weg, trafen, wenn dann, hauptsächlich Entwicklungsländer. Wir hier in Deutschland haben davon kaum etwas gespürt.

Aber das hat sich geändert und das haben, glaube ich, mittlerweile auch viele Menschen erkannt. Der Klimawandel ist da, wir spüren ihn nun auch hier in Deutschland mehr und mehr. Es gibt Wochen, da überschlagen sich die Hiobsbotschaften von Waldbränden, Hitzewellen, neuen Rekordtemperaturen, Dürren, bislang unbekannten Schädlingen und Trinkwasserknappheit. Der Klimawandel greift jetzt auch in unseren Alltag ein, er verändert unser Leben. Und wenn wir nicht jetzt und alle gemeinsam – das heißt die Politik, die Wirtschaft und jeder Einzelne – wirklich anpacken und unseren Lebensstil ändern, fürchte ich, zerstören wir wunderbare Teile unseres schönen Planeten Erde.

Und nun komme ich wieder zum Neu-Laufen-Lernen: Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten einen ziemlich trampligen, schludrigen Laufstil angewöhnt. Wir alle wollen schnell vorankommen, gefühlt hat niemand mehr Zeit, und da geht man gern auch mal einfach los, ohne nach rechts und links zu schauen und vor allem ohne zu gucken, was man gerade kaputtgetrampelt hat. Wir sollten lernen, wieder anders durch die Welt zu gehen, nicht immer höher, schneller, weiter – sondern der Natur gegenüber respektvoll, ehrfürchtig und bescheiden sein. Vorsichtig einen Schritt vor den anderen setzen und das Ganze überlegt und mit Bedacht.

Damit meine ich nicht, dass wir auf sehr viel verzichten und zum Leben der Jäger und Sammler zurückkehren sollen, vielmehr müssen sich unser Denken und unsere Herangehensweise gegenüber so vielen Dingen dringend ändern.

Etliches können wir dabei auch von unseren Eltern und Großeltern lernen, die zum Teil sehr bescheiden und nicht so verschwenderisch gelebt haben. Beispielsweise haben meine Eltern quasi nie Essen weggeworfen. Aber unsere Gesellschaft ist durch so viele Einflüsse zu einer Wegwerfgesellschaft geworden. Wir haben von allem zu viel, brauchen wenig Rücksicht zu nehmen, gefühlt gibt es alles immer und überall.

Aber so kann es nicht weitergehen, bei diesem Lebensstil vor allem in den Industrieländern verbrauchen wir zu viel Energie, Ressourcen und Wasser, wir produzieren zu viel Müll und machen unsere wunderbare Natur kaputt.

Aber es ist noch nicht zu spät, wir können es noch schaffen, und ich habe das Gefühl, es gibt auch gerade einen Ruck in der Gesellschaft. Die Bereitschaft und Offenheit gegenüber einer umweltfreundlichen, ökologischen Lebensweise werden in so vielen Teilen der Gesellschaft immer größer. Dieses Buch möchte diesen Effekt verstärken und ermutigen, zuversichtlich, aber mit klarem Ziel in die Zukunft zu sehen.

Wenn ich Ihnen sage, Sie sollen am Abend dicke Socken anziehen, obwohl September ist, schauen Sie mich sicher komisch an und denken sich: Warum sagt sie das, gestern waren doch noch sommerliche 25 Grad Celsius. Aber wenn ich Ihnen vorher erkläre: Gestern hatten wir noch Südwestwind, und damit erreichte uns aus dem Mittelmeer noch einmal in diesem Jahr extrem warme Luft. Heute allerdings dreht zum Abend hin der Wind auf Nord und bringt das erste Mal wirklich kalte polare Luftmassen zu uns, sodass die Temperaturen rasch in den einstelligen Bereich rutschen – dann verstehen Sie, was ich meine, und holen beruhigt Ihre warmen Socken aus dem Schrank.

So in etwa möchte ich das hier im Buch auch mit dem komplexen, teils sehr komplizierten Thema Klimawandel handhaben: Wenn Sie verstehen, warum was wie passiert, wird Ihnen eine Umstellung Ihrer Gewohnheiten nicht schwerfallen. Das empfinde ich selbst jedenfalls immer wieder so. Wir können nicht von jetzt auf gleich alles ändern. Ich mag bei vielen Entscheidungen in meinem Leben den goldenen Mittelweg, und den können wir zusammen gehen. Etwas weniger von allem, ein etwas einfacherer und reduzierter Lebensstil würde uns allen ganz gut zu Gesicht stehen. Und es tut auch noch unserer Seele gut und lässt uns besser und gesünder leben. Selten wird das auf Kosten des Genießens gehen, das finde ich sehr, sehr wichtig. Dinge einfach anders angehen, anders machen, von einer anderen Seite betrachten ist gar nicht so schwer.

Wenn wir das alle machen und vor allem die Politik die Rahmenbedingungen dafür vorgibt und in der Wirtschaft nicht nur klimaneutrale Leuchttürme zu finden sind, sondern eine allgemeine Umstellung auf ökologisches Produzieren Normalität wird, dann sind wir auf einem guten Weg.

Auch Sven Plöger steckt den Kopf nicht in den Sand, er ist ein sehr guter Freund von mir, wir kennen uns schon unglaubliche 25 Jahre. Mit ihm habe ich mich getroffen und über die Idee des Buchs geredet. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Klimakrise, und schon sehr lange versucht er beharrlich und ausdauernd, auf seine wunderbare Art Dinge zu erklären und das Thema in die Welt zu rufen.

Sven, du füllst seit Jahren große Hallen, die Menschen lieben deine Vorträge über das Klima – was denkst du, sind wir wirklich weiter als beispielsweise vor zehn Jahren?

Auf alle Fälle, es ist so schön zu sehen, wie sich immer mehr Menschen für das Thema interessieren. Dabei ist spannend, dass die Menschen immer jünger werden, die meinen Vorträgen lauschen, das freut mich sehr. Zudem stelle ich fest, dass immer häufiger Anfragen von großen Firmen kommen. Die Führungsriege dieser Unternehmen möchte Unterstützung, um ihren Mitarbeitern Nachhaltigkeit und Klimaneutralität näherzubringen. Für mich ist das ein Schritt genau in die richtige Richtung, denn vor allem in der Wirtschaft liegt ein großer Hebel, um Emissionen einzusparen. Wenn sich nun große Unternehmen professionelle Hilfe holen, um ihre Arbeitsweise und ihre Firmenmentalität zu ändern, bin ich gern dabei. Aber auch kleinere und mittelständische Betriebe, Familienunternehmen laden mich ein: Der in Rente gehende Chef möchte seinen Enkeln ein klimafreundliches Unternehmen hinterlassen, und auch dieses Bewusstsein gibt mir Hoffnung! Global gesehen besteht das große Problem, dass jedes Land mit anderen Voraussetzungen und Zielen beim Thema Klimaschutz ins Rennen geht und die Kompromissfindung somit sehr schwierig ist, darum sind wir in Summe immer noch viel zu langsam.

Welches Thema liegt dir besonders am Herzen?

Vor allem unsere Gesellschaft liegt mir sehr am Herzen, und deshalb spreche ich neben aktuellem Wissen über den Klimawandel immer mehr über gesellschaftspolitische Themen. Durch meine Vorträge, Dokumentationen und auch den Wetterbericht im Fernsehen habe ich einen regen Austausch mit den Menschen und konnte dabei sehr viel darüber lernen, was sie bei dieser Jahrhundertaufgabe bewegt – im Großen wie im Kleinen. Deshalb nehmen Gedanken dazu einen breiten Raum ein. Trotzdem bleibt im Mittelpunkt eines Vortrags eines Diplom-Meteorologen natürlich die Wissensvermittlung. Wo stehen wir? Das will ich ungeschönt vermitteln. Klarmachen, dass der Klimawandel und unser Umgang damit die Jahrhundertaufgabe schlechthin ist. Diese Krise wird alle anderen obsolet machen, wenn wir sie ignorieren oder nur halbherzig handeln. Ich will ein Gefühl für Naturwissenschaft und für die Größenordnung von Zahlen vermitteln. Dass 3 Grad globale Erwärmung nicht »ein bisschen« ist, sondern schlicht den Lebensraum von ganz vielen Menschen, Pflanzen und Tieren zerstört – auch bei uns vor der Haustür. Wer jetzt denkt, ich will die Apokalypse verkünden, weit gefehlt. »Bauchlandung« ja, um das Thema ernst zu nehmen und sich nicht die Welt schönzureden. Aber der zweite Teil des Vortrags ist immer der Ausblick auf Chancen, das Mutmachen, Leuchtturmprojekte zeigen, Start-ups nennen, auf Menschen mit tollen Ideen hinweisen, die oft schon umgesetzt wurden. Ich möchte, dass die Leute nach Hause gehen, mit Nachbarn und Freunden darüber diskutieren. Deren Gespräche müssen gegenseitig motivieren und Lust machen, etwas zu tun. Eine schwierige Situation einfach nur tatenlos zu beklagen, genügt einfach nicht. Ich will dazu beitragen, dass wir davon Abstand nehmen!

Aber was macht dir vor allem Sorge?

Das ist eine schwierige Frage, über die ich schon lange Zeit intensiv nachdenke. Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob oder wie sehr wir Menschen überhaupt dazu in der Lage sind, mit so einem komplexen, globalen und weit in die Zukunft reichenden Problem umgehen zu können. Schon seit 40 Jahren sprechen Klimaforscher darüber, dass es nicht gut ist, weiter so viel CO2 in die Atmosphäre zu bringen. Lange Zeit wurde das komplett ignoriert, mittlerweile ist das Problem bei vielen angekommen, weil wir heute spüren, dass die damaligen Vorhersagen eintreffen. Aber zwischen darüber reden, gute Vorsätze formulieren und der stringenten Umsetzung mit entsprechendem Handeln liegen Welten – das passt bisher nicht zusammen. Wir behaupten von uns, die intelligentesten Lebewesen auf diesem Planeten zu sein, und zerstören wissentlich die Lebensgrundlagen der Welt, in der wir leben. Das ist schwer zu begreifen.

Aber wie machen wir den Menschen Mut? Was machen wir denn schon ziemlich gut?

Eine ganze Menge: In Europa sanken in den letzten drei Jahrzehnten die Emissionen um ein Drittel, das hört man kaum in den Medien, aber das haben wir geschafft, und das ist toll. Aber dennoch wird insgesamt sowohl in Deutschland als auch global gesehen politisch zu wenig und zu langsam umgesetzt, um die von allen gewollte Klimaneutralität durchzusetzen. Um hier besser zu werden, brauchen wir die richtigen politischen Rahmenbedingungen, um Planbarkeit zu haben. Aber wir sollten vor allem daran anknüpfen, Vorzeigeformate so oft es geht zu kopieren. Es gibt schließlich jede Menge Start-up-Unternehmen, Leuchtturmprojekte und gute Ansätze.

Hast du schon einmal etwas von dem Australier Tony Rinaudo gehört? Ihm wurde der Alternative Nobelpreis verliehen und zu Recht. Mit mühsamer, jahrelanger Arbeit hat er eine wüstenähnliche Landschaft beispielsweise in Äthiopien in fruchtbares Ackerland verwandelt. Er hat Kleinbauern in Afrika angeleitet, Bäume zu schützen und nicht als Feuerholz und Futter für die Viehwirtschaft zu sehen. Mit seiner Hilfe haben viele Afrikaner ihre Heimat wieder ergrünen lassen, so gibt es hier weniger Dürre, bessere Ernten und sauberes Wasser. Zudem wurden Ernteüberschüsse verkauft, und von dem Geld konnte die Schulbildung der Kinder verbessert werden. Eine kleine nachhaltige Welt ist mit Tonys Hilfe entstanden. Sein Ansatz ist, dass in den zerstörten Wäldern das unterirdische Wurzelwerk fortlebt und wiederbelebt werden kann, wenn man die nachwachsenden Triebe schützt. Diese Art von Entwicklungshilfe ist traumhaft, sie kostet wenig – die Idee ist Gold wert und ich finde, das macht Mut, oder?

In der Wissenschaft passiert in den letzten Jahrzehnten eine Menge. Warum kommt das bei vielen Menschen nicht an? Und wird aus der Forschung deiner Meinung nach schon viel umgesetzt?

Ja, am Wissen scheitert es nicht. Ständig gibt es neue Erkenntnisse in der Forschung, und das Verstehen von vielen Prozessen geht stetig voran. Doch ich höre immer den Satz: Forscher sollen forschen und Politiker sollen entscheiden, wie man als Gesellschaft angesichts der gewonnenen Erkenntnisse handelt. Aber ich glaube, dass Wissenschaftler, also die Menschen mit dem größten inhaltlichen Sachverstand auf ihrem Gebiet, sich mehr an politischen Debatten beteiligen sollten. Sie müssen sich besonders dann Gehör verschaffen, wenn erkennbar wird, dass die getroffenen Entscheidungen eben nicht genügen, um die für uns alle so wichtigen Ziele zu erreichen. Das gehört aus meiner Sicht zur wissenschaftlichen Verantwortung. Man darf sich nicht hinter dem Dogma »der Forscher forscht nur« verstecken oder sich dort von anderen verstecken lassen.

Da hast du quasi meine nächste Frage schon fast beantwortet, denn ich finde, die Politik sollte mehr Rahmenbedingungen vorgeben – unsere Gesellschaft schafft vieles nicht allein. Wenn es mehr Klimaregeln gäbe, würde es vieles leichter machen?

Am Ende brauchen wir Regeln, denn wir sehen aktuell weltweit, was mit unserer Umwelt passiert, wenn wir keine oder viel zu wenige haben. Aber wer erlässt die Regeln? In einem Land mit freiheitlich demokratischer Grundordnung, in dem wir Gott sei Dank leben, braucht es dafür Mehrheiten. Es muss debattiert und darum gerungen werden. Aber das müssen wir zeitlich begrenzen, denn in der Klimakrise spielt die Zeit ständig gegen uns. Wir können nicht einfach mal 50 Jahre überlegen. Ich würde mir wünschen, dass wir da besser und schneller werden, denn mit der Alternative »ordnungspolitische Regeln und Verbote« nimmt man Menschen nicht unbedingt mit. Aber weil »gar nichts tun« ja nun mal keine Probleme löst, müsste ein Schiedsrichter irgendwann wohl abpfeifen. Wenn bis dahin kein Ergebnis erzielt wird, gibt es eben ein Verbot schädlicher Handlungen. So konsequent wie in den Niederlanden zum Beispiel: Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte führte von heute auf morgen ein Tempolimit von 100 km/h auf allen Autobahnen ein. Er spricht selbst von einer »beschissenen Maßnahme, aber sie senkt die Emissionen und ist unumgänglich«. Das könnten wir uns abgucken und nachmachen.

Aber kannst du dir vorstellen, dass das einer in Deutschland macht?

Im Moment fällt es mir schwer. Wir schaffen es ja noch nicht mal, ein Schild »130 km/h« aufzustellen und damit sofort eine von vielen Maßnahmen einzuführen, die uns wieder einen Schritt weiterbringt – schließlich gibt es nun mal nicht »die eine Maßnahme«, die all unsere Probleme auf einen Schlag löst. Und noch etwas Grundsätzliches: Deutschland war immer ein Land voller Erfinder, Made in Germany ist immer noch weltweit geschätzt. Wir sollten daran anknüpfen und uns auf uns und unsere Fähigkeiten konzentrieren: Nicht, während man selber nicht besser handelt, anklagend auf andere schauen und damit begründen, warum man auch nichts zu tun gedenkt. Sondern wir sollten an uns glauben!

Wie ein Sportler, der Lust drauf hat, einen Wettkampf zu gewinnen. Er schaut auf sein Rennen und misst sich dabei mit anderen. So sollten wir es beim Klimaschutz machen: Versuchen, die besten zu sein und damit andere motivieren, das auch sein zu wollen! Sonst wird es uns nicht gelingen, unsere Welt enkelfähig zu machen!

Weise Worte und tiefsinnige Gedanken, die uns Sven Plöger mit auf den Weg gibt. Dann legen wir mal los und tauchen tiefer in unseren Planeten mit all seinen Schönheiten und verletzlichen Seiten ein.

Dabei möchte ich hier der Transparenz wegen klarstellen, dass dieses Buch nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Abhandlung erheben will. In der heutigen digitalen Welt findet man überall zu allem Informationen, aber welchen wissenschaftlichen Background sie haben, wird oft nicht immer kenntlich gemacht. Deshalb an dieser Stelle: In diesem Buch gibt es keine Fake-News. Ich habe mich nur seriöser Quellen bedient und Fakten zusammengetragen und gebündelt. Aber vor allem geht es mir darum, das aktuelle Wissen, das es zum Klimawandel gibt, zu interpretieren – es für jeden, der nicht so tief in der Materie steckt, zu übersetzen. Ich möchte uns alle wachrütteln, endlich muss etwas passieren – wir müssen schleunigst unseren Lebensstil ändern und an unseren Gewohnheiten arbeiten. Wir haben nur diese eine Erde, und das soll uns allen bewusst werden.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns loslegen.

Was ist der Klimawandel?

Wer kennt sie nicht, die Klimaskeptiker? Es ist ein Thema, bei dem man sich leicht die Finger verbrennen kann, aber der Klimawandel ist sehr komplex und schwierig. Wenn man nicht eine ganze Menge Wissen hat, ist es sehr schwer einzuschätzen, was da gehauen und gestochen wird. Und deshalb möchte ich hier in Kurzform mal das »Große Ganze« in Light-Version erklären:

Die meisten von Ihnen haben, wenn vom Klimawandel die Rede ist, wahrscheinlich die menschengemachte, anthropogene Erderwärmung vor Augen, und das passt auch sehr gut. Seit der Industrialisierung hat sich unser Klima durch Treibhausgase, die wir Menschen in die Atmosphäre bringen, deutlich verändert. Vor allem ist das Verbrennen von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl schuld daran. Aber das ist nicht das Einzige, wir dürfen nicht unter den Tisch fallen lassen, dass es schon immer in der Erdgeschichte Klimaschwankungen gab und gibt.

Unsere Erde ist rund 4,6 Milliarden Jahre alt, und das Klima hat sich in dieser Zeit immer wieder geändert. Verantwortlich dafür war nicht nur der Mensch, es gab und gibt auch natürliche Ursachen. Dazu gehören externe Verursacher wie die Sonnen- und Vulkanaktivitäten, die Plattentektonik, die Bahnänderung der Erde um die Sonne und die Zusammensetzung unserer Atmosphäre. Außerdem gibt es noch interne Ursachen für Klimaänderungen, denn man kann die Atmosphäre, in der das Wetter entsteht, nicht isoliert betrachten. Es ist ein komplexes System, in dem es ständig Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen sowie den Eis- und Landflächen gibt.

Allerdings veränderte sich das Klima auf der Erde durch die natürlichen Ursachen in einem ganz anderen Tempo, in einem naturgetreueren Tempo als im Moment und in anderen Dimensionen. Beispielsweise verursacht eine größere Sonnenaktivität alle elf Jahre (die sogenannte Sonnenflecken) in etwa einen globalen Temperaturanstieg von rund 0,1 bis 0,2 Grad Celsius. In Phasen geringer Sonnenaktivität sinken die Temperaturen um ähnliche Werte wieder.

Die Erde ein Eisklotz

Vielen bekannt ist sicher die »Kleine Eiszeit« von Anfang des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein, in der es auffällig viele Phasen geringer Sonnenaktivität gab. In Europa wurde es dadurch extrem kalt, Ernteausfällen und Hungersnöte waren die Folge. Allerdings ist weiterhin umstritten, wie groß der Einfluss der geringeren Sonnenaktivität tatsächlich war, denn zeitgleich kam es zu vielen heftigen Vulkanausbrüchen, die natürlich auch ihren Einfluss auf das Klima hatten.

Wirklich andere Temperaturen gab es in Europa aber in der letzten Eiszeit. Sie setzte vor etwa 115 000 Jahren ein, hatte ihren Höhepunkt vor etwa 21 000 Jahren und ging vor etwa 10 000 Jahren zu Ende. Die globale Durchschnittstemperatur lag etwa sechs Grad unter der heutigen. Gewaltige Eisschilde bedeckten Europa, die teils drei Kilometer dick waren. Es war so viel Eis auf den Kontinenten gebunden, dass der Meeresspiegel etwa 130 Meter tiefer lag als heute. Da herrschte also ein ganz anderes Klima bei uns. Aber Sie sehen schon, diese Eiszeit dauerte etwa 100 000 Jahre – das sind andere Zeitskalen.

Seit dem Zeitraum von 1880 bis jetzt sind die Temperaturen global im Schnitt um etwa 1,2 Grad Celsius gestiegen, aber das waren rund 150 und nicht 100 000 Jahre!

98 Prozent der Wissenschaftler sind sich einig, dass wir Menschen für die Erderwärmung seit der vorindustriellen Zeit mitverantwortlich sind. Sicher spielen auch natürliche Parameter eine Rolle, aber der Hauptgrund für den enormen Temperaturanstieg in so kurzer Zeit sind vor allem Treibhausgase, die aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen und durch das Abholzen von Wäldern in die Atmosphäre gelangten.

Aber wissen Sie was? An sich sind diese Treibhausgase in unserer Atmosphäre gar nicht nur schlimm, denn wir brauchen sie, allerdings in der richtigen Konzentration. Hier geht es jetzt um den »natürlichen Treibhauseffekt«, der ausgesprochen wichtig für ein Leben auf unserer Erde ist. Ohne ihn lägen die Temperaturen nämlich bei minus 18 Grad Celsius – wir wären ein Tiefkühlschrank.

Einige Spurengase wie Wasserdampf, Kohlendioxid und Methan müssen sich in unserer Atmosphäre befinden, denn sie speichern das Sonnenlicht. Ein Teil der Wärmestrahlung, die von der Sonne auf die Erde gelangt, wird so nämlich nicht direkt ins Weltall wieder zurückgeworfen, sondern sie wird zum Glück gespeichert. Durch diesen »natürlichen Treibhauseffekt« haben wir im Durchschnitt eine globale Temperatur von 15 Grad Celsius.

Das Für und Wider zum CO2

Aber seit etwa 150 Jahren sorgen wir Menschen dafür, dass die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre kontinuierlich steigt.

Auch da gab es schon immer Schwankungen, große Schwankungen sogar. 2022 betrug laut der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA (NOAA) der CO2-Gehalt der Atmosphäre 417 Teile pro eine Million Luftteile, kurz ppm. Das war in der Erdgeschichte auch schon einmal anders: Zum Beispiel lag die CO2-Konzentration in den letzten 420 Millionen Jahren zeitweise bei über 2000 ppm, in anderen Periode betrug der Wert nur 100 ppm. Die Gründe für solche Schwankungen sind unterschiedlich: Erdplatten verschieben sich und verändern die Erdoberfläche, teils wird der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen. Auf der anderen Seite steigt die CO2-Konzentration durch viele Vulkane, die es auf unserer Erde gibt. Enorme Massen kalkhaltiger Gesteine, die aus den Ozeanen herausgehoben wurden und an der Erdoberfläche verwitterten, setzten riesige Mengen von Kohlendioxid frei.

Es gibt also immer ein Auf und Ab bei der Menge des Kohlendioxids in der Atmosphäre.

Vor rund 300 Millionen Jahren entstand zudem eine gigantische CO2-Senke. Riesige Urwälder versanken für Jahrmillionen in sumpfigen Böden, und mit ihnen verschwand das in den Bäumen gespeicherte Kohlendioxid. Die Folge war, dass der CO2-Gehalt von 1000 ppm auf 100 ppm zurückging. Wussten Sie eigentlich, dass aus genau diesen versunkenen Urwäldern die Kohle, das Erdöl und das Erdgas entstand, das wir Menschen seit Jahrzehnten als hauptsächliche Energiequelle nutzen und damit das damals gespeicherte Kohlendioxid nun wieder in die Atmosphäre bringen?

In den letzten 800 000 Jahren hat sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre jedoch kaum verändert, dies belegen Eisbohrkerne aus der Antarktis. Bis zum Anfang der Industrialisierung lag der Wert um 290 ppm herum, erst in den letzten 150 Jahren ist wieder etwas passiert – und zwar sehr viel: Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre ist in extrem kurzer Zeit stark angestiegen, nämlich um 130 ppm auf 417 ppm. Sehen Sie sich mal das Verhältnis 800 000 Jahre zu 150 Jahren an – unglaublich! Dieser Wert war übrigens das letzte Mal vor drei Millionen Jahren so hoch.

Schauen wir uns dieses Kohlendioxid nun mal ein bisschen genauer an. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Kohlenstoff und Kohlendioxid? Kohlendioxid hat die chemische Summenformel CO2 und entsteht, wenn sich ein Kohlenstoffatom mit zwei Sauerstoffatomen verbindet. Das passiert zum Beispiel bei der Verbrennung von Kohle. Dort verbindet sich der Luftsauerstoff mit dem Kohlenstoff aus der Kohle, und es entsteht das geruchlose, farblose Treibhausgas Kohlendioxid, was Sonnenenergie speichern kann. An sich kein schlechtes Gas, wenn es in der richtigen Konzentration auftritt.

Kohlenstoff-Kreislauf

In der Natur ist immer alles im Fluss. So auch beim Kohlenstoff, es gibt einen natürlichen Kohlenstoff-Kreislauf, ein ständiges Geben und Nehmen zwischen Atmosphäre, Land und Ozean.

Organismen brauchen Energie zum Leben. Dafür betreiben Pflanzen Fotosynthese, das heißt, sie wandeln Wasser, Sonnenlicht und CO2 in Zucker um, wobei Sauerstoff als Nebenprodukt entsteht. Dabei wird der Atmosphäre CO2 entzogen. Wir Menschen, Pflanzen und Tiere atmen und produzieren dadurch wieder Kohlendioxid, das in die Atmosphäre gelangt. Viel Kohlendioxid wird also in Pflanzen gebunden. Am Ende ihres Lebenszyklus werden die Pflanzen dann durch Zersetzung von Bakterien und Insekten zu Biomasse, es entsteht zwar CO2, aber ein Großteil dieses Kohlenstoffs wird im Erdboden gespeichert. In den Ozeanen passiert Ähnliches, wobei die Ozeane über 50-mal mehr Kohlenstoff aufnehmen als die Atmosphäre. Hier wird das CO2 chemisch umgesetzt und gespeichert. Damit wirken die Ozeane als Kohlenstoffsenke. Etwa 30 Prozent des Kohlendioxids sind permanent im Erdboden und in den Meeren gebunden.

Nun kommt der Mensch ins Spiel und bringt diesen natürlichen Kreislauf durcheinander. Durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas gelangt gebundener Kohlenstoff auf unnatürliche Weise in die Atmosphäre, und damit steigt dort der Anteil des Treibhausgases und verursacht eine unnatürliche Erderwärmung. Sie sehen, das ist nicht unkompliziert und ziemlich komplex. Somit sollte man sich wirklich auf das Thema einlassen, bevor man darüber urteilt. Ja, es gibt auch natürliche Ursachen für den Klimawandel, aber die Erderwärmung in den letzten 150 Jahren ist hauptsächlich vom Menschen gemacht, und das hat radikale Folgen für Natur und Mensch.

Wussten Sie schon, wie viele Prominente sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen? Hier eine kleine Auswahl: Hannes Jaenicke, die Punkrockband Die Ärzte, Arnold Schwarzenegger, Heike Makatsch, Cosma Shiva Hagen, Lucas Reiber und Judith Holofernes.

Warum ist der Klimawandel so gefährlich?

Das Problem ist: Kohlendioxid in der Atmosphäre ist träge, das beutetet, es hält sich dort sehr lange und wird nur sehr langsam abgebaut. Wissenschaftler sind sich uneinig, aber man geht davon aus, dass nach etwa 1000 Jahren noch rund 15 bis 40 Prozent des CO2 in der Atmosphäre übrig sind. Das bedeutet: Mit dem Kohlendioxid, das wir jetzt in die Atmosphäre pusten, müssen sich noch unsere Enkel, Urenkel und Ururenkel herumschlagen. Derzeit stoßen wir Menschen jährlich etwa 35 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus, damit steigen die Temperaturen weltweit in einer gefährlichen Geschwindigkeit. Hinzu kommen die anderen Treibhausgase wie Methan und Lachgas, die zum Teil noch viel klimawirksamer sind als Kohlendioxid. Auch sie verursachen eine Erderwärmung mit entsprechenden Folgen. Diese Gase sind zwar nicht so langlebig wie CO2 – Methan zum Beispiel zerfällt etwa nach neun Jahren wieder –, aber dennoch haben sie einen enormen Einfluss auf unsere Atmosphäre und auf unser Klima. Auch sie dürfen wir nicht vernachlässigen und sollten sie eindämmen.

Wir müssen diesen Temperaturanstieg verlangsamen, am besten stoppen. Aber wenn das so einfach ginge! 1992 sprach man auf der UN-Klimakonferenz erstmalig über globalen Klimaschutz. Auf dem Pariser Klimagipfel 2015 wurde das 1,5-Grad-Ziel aufgestellt. 195 Staaten haben sich geeinigt, die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen. Mittlerweile, acht Jahre später, gab es noch so einige Klimakonferenzen, und inzwischen ist den meisten Wissenschaftlern klar, das 1,5-Grad-Ziel ist nahezu unerreichbar, man spricht gegenwärtig davon, »deutlich unter 2 Grad« zu bleiben. Aber auch für diese 2 Grad muss es sehr schnell klugen Klimaschutz weltweit geben, und dabei zählt jedes einzelne Zehntel Grad. Aber leider sieht es danach ganz und gar nicht aus. Das könnte dramatische Folgen haben. Experten warnen vor sogenannten Kipppunkten. Das sind Entwicklungen, die, einmal angestoßen, nicht mehr zu bremsen wären und unser Erdsystem grundlegend verändern könnten, sie sind unumkehrbar, irreversibel. Dazu gehören zum Beispiel das Abschmelzen der Eisschilde und Gletscher, die Zerstörung des Regenwalds und der Tundra, das Tauen der Permafrostböden, das Absterben der Korallenriffe oder das Erlahmen des Golfstroms.

Klar ist, wir müssen unbedingt verhindern, dass es zu diesem Kipppunkten kommt. Denn wenn einmal ein Kipppunkt erreicht ist, geraten komplette Ökosysteme aus dem Ruder, Teufelskreise können entstehen, die weitere schwerwiegende Folgen auf unserem Planeten mit sich bringen würden. Wir müssen ernsthaft etwas beim Klimaschutz tun, unsere Lebensart in so vielen Bereichen ändern.

Klar ist auch, wir können den Klimawandel nicht rückgängig machen. Wir müssen mit dem leben, was wir jetzt schon angerichtet haben, und uns anpassen. Dabei wird Klimaschutz immer günstiger und lebensrettender sein als der Wiederaufbau nach Klimakatastrophen. Auf extremeres Wetter, längere Dürren, häufigere Hitzeperioden, weniger Winter und teils stärkere Stürme müssen wir uns jetzt schon einrichten. Das hört sich alles sehr nach Schwarzmalerei an. Und: Ja, die Fakten stehen nicht gut. Aber ich finde, Aufgeben ist keine Option, und alle zusammen schaffen wir das, vor allem mit der Vorstellung, dass das Leben auch ohne »höher, schneller, weiter« schön sein kann.

In diesem Kapitel kam viel das Wort »natürlich« vor, und genau an der Natur sollten wir uns orientieren und von ihr lernen. Die Natur als Vorbild nehmen für unseren zukünftigen Lebensstil, das täte uns allen sehr, sehr gut.

Wussten Sie schon, wie viele Prominente sich für den Klimaschutz einsetzen? Ende August 2022 haben sich 30 Prominente und Führungspersönlichkeiten in der Wochenzeitung Die Zeit für mehr Klimaschutz starkgemacht und die Regierung zu mehr Engagement aufgefordert. Sie wünschten sich dabei zum Teil mehr Regeln, mehr Verbote. »Ich würde mir sehr gerne von Robert Habeck was verbieten lassen«, sagt etwa Moderatorin Barbara Schöneberger. »Ich finde, wir brauchen strenge Verbote, denn jeder kann fast alles anders machen, wenn die anderen es auch tun müssen.« Auch Ballermann-Star Ikke Hüftgelenk, Influencerin Aminata Belli, Bestsellerautor Frank Schätzing oder SPD-Politikerin Gesine Schwan haben ihr klares Statement abgegeben.

Das Ewige Eis – wie lange ist es noch ewig?

Das Ewige Eis, das sagt man im Deutschen so, und wer schon mal nach Amerika geflogen ist, hat davon auch eine Vorstellung, denn wenn man über Grönland fliegt, sieht man eine Wüste in Weiß. Wohin das Auge schaut, es ist einfach alles voller Eisberge, Schnee, Schnee und nochmals Schnee. Aber leider sieht es sowohl für den Nord- als auch für den Südpol gar nicht gut aus, denn hier macht sich die Erderwärmung noch deutlich stärker bemerkbar als an vielen anderen Orten auf der Welt. In den letzten 50 Jahren erwärmte sich die Antarktische Halbinsel im Jahresmittel um 2,6 Grad Celsius, in Spitzbergen stieg die mittlere Jahrestemperatur um 4,0 Grad Celsius – das ist besorgniserregend. Ich habe mich mit einigen Wissenschaftlern getroffen, die mit dem Forschungsschiff Polarstern sowohl in Grönland als auch in der Westantarktis unterwegs waren, und ihre Sorgenfalten sind tief. Es gibt große Unterschiede zwischen Grönland und der Antarktis, aber beides ist extrem wichtig für unser komplettes Erdsystem und wird indirekt auch das Wetter bei uns vor der Haustür beeinflussen.

Die Antarktis

Starten wir mit der Antarktis: Hier ist es nicht nur kalt, hier ist es richtig kalt, und die Forscher haben immer nur wenige Monate Zeit, um Messdaten aufzunehmen, weil die Temperaturen einfach so eisig sind, dass man es nicht aushält. Vor allem friert das Forschungsschiff ein. Anhand von Messungen und dank guter Modellierungen haben die Forscher aber herausgefunden – diese Zahl ist unfassbar: Der Meeresspiegel würde weltweit um 58 Meter steigen, wenn die Antarktis komplett abschmelzen würde. Jetzt denken Sie sich: Das wird doch nie passieren – die wollen uns nur Angst einjagen. Das würde ich gern bestätigen, aber in intensiven Gesprächen mit den Wissenschaftlern wurde auch mir klar, dass es bei der derzeitigen Entwicklung der Treibhausgasemissionen und der damit verbundenen Erderwärmung nur eine Frage der Zeit sein wird und nicht eine Frage, ob es überhaupt passiert. Das hört sich jetzt sehr dramatisch an, und ich kann Sie beruhigen, es wird nicht morgen und auch nicht in 100 Jahren passieren, aber es tut sich eine Menge am Südpol, und so einiges wissen wir noch nicht einmal.

Klar ist, sowohl die Luft- als auch die Ozeantemperaturen steigen stetig deutlich an, dadurch schmelzen die Eisschelfe, die um die Antarktis herumschwimmen. Sie allein sorgen für keinen direkten Meeresspiegelanstieg, denn sie sind wie Eiswürfel im Wasserglas, sie schwimmen. Wenn sie schmelzen, ist nicht mehr Wasser im Glas. Aber es geht um das Inlandeis in der Antarktis. Die Gletscher und Schelfe am Rand stützen und schützen das Inlandeis vor dem Schmelzen. Wenn nun die Gletscher schmelzen und anfangen zu fließen, lösen sie sich irgendwann und stabilisieren nicht mehr. Und dann ist es so, als würde man einen Stöpsel aus dem Abfluss der Badewanne ziehen. Sie können sich vorstellen, dass dann, wenn das ganze Inlandeis verschwindet, natürlich der Meeresspiegel steigt, denn das Eis muss ja irgendwohin. Dabei schmelzen die Gletscher in der Antarktis wegen der tiefen Temperaturen quasi von unten. Durch höhere Wassertemperaturen und Strömungen entstehen unter den dicken Eisschichten so etwas wie Wasserfälle, und die bringen eine Menge Eis ins Rutschen. Und so schmilzt das so kompakt wirkende Eis. Der Vorgang verstärkt sich im Lauf der Zeit und ist dann nicht mehr aufzuhalten. Vor allem ist er irreversibel, das war auch für die Wissenschaftler ernüchternd: Die Temperaturen müssten deutlich tiefer liegen als vor 100 Jahren, um Eis wieder fest werden zu lassen. Im August 2022 kam eine Studie in der Fachzeitschrift Nature Geoscience zum Thwaites-Gletscher heraus. Gemeinsam mit dem Pine-Island-Gletscher hält er das noch viel größere westantarktische Eisschild davon ab, ins Meer zu fließen. Diese beiden Gletscher übernehmen eine entscheidend Bremsfunktion für extrem viel Inlandeis. Und allein der Thwaites-Gletscher hat eine unglaubliche Größe: 192 000 Quadratkilometer, das ist die zweifache Fläche von Österreich. Messungen haben ergeben, dass er sich schneller zurückziehen könnte als bisher gedacht, wenn er sich nämlich von einem Meeresrücken löst. Das passierte in den letzten 200 Jahren schon einmal. Daraufhin zog sich das Schelfeis doppelt so schnell zurück, jährlich um 2,1 Kilometer, doppelt so schnell wie in den vergangenen zehn Jahren.

»Der Thwaites hält sich nur noch mit den Fingernägeln fest«, sagt der Meeresgeophysiker und Mitherausgeber der Studie Robert Larter. Wenn sich beide Gletscher lösen, hätte das einen globalen Meeresspiegelanstieg von etwa einem Meter zur Folge. Vor allem die Westantarktis ist von den hohen Temperaturen betroffen. Zur Ostantarktis gibt es noch nicht viele Messungen, die Lage ist hier weniger eindeutig, wie die Forscher zugeben müssen. Doch auch hier gibt es einen Eisverlust, und auch wenn man immer wieder hört, dass es in der Antarktis teils heftiger schneit als früher, kompensiert dieser Schneezuwachs den Eisverlust nicht.

Grönland

Schauen wir nun nach Grönland und in die Arktis. Hier steigen die Temperaturen ja noch schneller, im Winter liegen die Werte mittlerweile 5 Grad Celsius höher als noch vor 30 Jahren. Die Gletscher werden kleiner, das Eis schmilzt, und viele Fjorde samt der Barentssee sind eisfrei. Das hat zwar für den Schiffsverkehr einige Vorteile, ansonsten aber sollten bei allen die Alarmglocken läuten. Das Eis zieht sich hier rapide zurück und wird immer dünner, was auch Folgen auf das Wetter in Europa hat. Dazu gleich mehr. Schauen wir uns erst mal das Eis Grönlands genauer an: Auch hier gibt es mit rund 1,8 Millionen Quadratkilometern riesige Flächen Eis. Grönland verliert die größte Menge an Eis an der Oberfläche, das ist etwa die Hälfte. Hier schmilzt das Eis von oben und fließt ab. Die andere Hälfte des Eises verliert Grönland durch sogenanntes Kalben. Riesige Stücke des Gletschers brechen ab und fallen ins Meer. Nach dem sechsten Weltklimabericht verlor Grönland zwischen 1992 bis 2020 rund 4890 Milliarden Tonnen an Eis und hat damit einen globalen Meeresspiegelanstieg von rund 13,5 Millimeter verursacht. Würde allerdings Grönland komplett abschmelzen, hätte das einen unvorstellbaren Meeresspiegelanstieg von sieben Metern weltweit zur Folge. Das hätte fatale Konsequenzen: Viele Küstenbereiche würden unter Wasser stehen. Es könnte häufiger zu Sturmfluten kommen, das Grundwasser könnte versalzen, und sogar der Golfstrom könnte langsamer werden.

Arktis

Nun müssen wir aber auch noch über die Arktis sprechen, und hier sieht es nicht anders aus. Wie in der Antarktis, in der Prozesse entstehen, die sich selbst verstärken und zu einem Teufelskreis werden, gilt das auch für die Arktis: Eis ist weiß und reflektiert das Sonnenlicht, es kommt zu keiner Erwärmung. Nun schmelzen Unmengen an Eis, und wo früher weiße Flächen waren, ist jetzt dunkler Ozean, der das Sonnenlicht aufnimmt. Das Wasser wird also wärmer und wärmer, und das führt dazu, dass das Eis noch schneller schmilzt. Forscher des Max-Planck-Instituts gehen aufgrund verschiedener Klimaszenarien davon aus, dass die Arktis noch vor dem Jahre 2050 im Sommer komplett eisfrei sein wird. Die Wissenschaft spricht von den Polarregionen als einem Frühwarnsystem für unseren Planeten – das macht mir große Sorge.

Nun kommen wir zu unserem Wetter in Deutschland, das zeitweise von der Arktis geprägt ist, nämlich vom sogenannten Polarwirbel. Haben Sie davon schon einmal gehört? Es handelt sich um einen kalten Wirbel über dem Nordpol, der am Boden über der Arktis ein Hochdruckgebiet verursacht, in der Höhe aber ein Tief. Am Rand dieses Wirbels befindet sich der Jetstream, ein Starkwindband in der Höhe, das für unser Wetter in Deutschland mitverantwortlich ist. Der Polarwirbel wird angetrieben durch die Temperaturunterschiede zwischen Äquator und Nordpol. Normalerweise ist diese Differenz vor allem im Winter sehr groß, sodass ein starker Polarwirbel existiert. Und der hat zur Folge, dass es bei uns meist westliche Winde gibt, die häufig überwiegend milde, teils nasse Winter bringen. Durch die Erderwärmung wird es vor allem im Winter am Nordpol wärmer, der Polarwirbel ist geschwächt, und das kann bei uns eine andere Windrichtung zur Folge haben. Der Wind könnte aus Nord und Ost kommen und wirkliche Hochwinterphasen in Deutschland bewirken, auch Kaltlufteinbrüche mit Schneefällen wären die Folge. Ja, Sie haben richtig gehört: Durch die Erderwärmung können bei uns die Winter zeitweise kälter und teils auch schneereicher werden – das widerspricht sich nicht.

Ich muss manchmal schmunzeln. Wenn es mal eine kalte Winterphase gibt, hört man immer wieder Stimmen, nun könne man ja eindeutig sehen, dass es den Klimawandel gar nicht gebe – aber das stimmt einfach nicht. Finnische und japanische Forscher haben herausgefunden, dass es sogar im Norden Europas und Asiens vor allem im Herbst mehr Schnee geben wird. Diese Entwicklung ist durch Messdaten der letzten 40 Jahre schon belegt. Der Grund dafür leuchtet ein: An den Polen schreitet die Erderwärmung schneller voran als anderswo auf der Welt.

Das betrifft nicht nur die Landflächen, sondern beispielsweise auch den Arktischen Ozean. Im Herbst ist er noch eisfrei, weswegen über ihm viel Feuchtigkeit verdunstet. Mit den Windsystemen gelangt diese Feuchtigkeit in den Norden Europas und Asiens und verursacht in Kombination mit polarer Luft häufigere Schneefälle. Genau das wurde von japanischen Klimamodellen berechnet und konnte dank finnischer Messdaten bewiesen werden. Klimawandel heißt also nicht immer nur wärmeres, sondern auch extremeres Wetter. Unser Wetter- und Klimasystem ist so komplex, dass auch scheinbar widersprüchliche Phänomene auftreten, die aber für uns Meteorologen und die Wissenschaft vollkommen logisch sind. Das heißt jetzt dennoch nicht, dass jeder Winter bei uns eisig kalt und schneereich sein wird, nein, ganz und gar nicht. Aber es schließt auch keine extremen Wintereinbrüche aus.