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Hochbegabung und Hochsensibilität E-Book

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Beschreibung

Hochbegabung ist vielfältig! Das ABC des Lebens von hochbegabten und hochsensiblen Menschen Großes Ziel: Lösungsansätze rund um das Leben mit Hochbegabung bzw. Hochsensibilität finden, Wechselwirkungen verstehen und unnötige Ausgrenzung verhindern Zielgruppe: Allgemeinverständlich geschrieben für Professionelle aus dem Gesundheitswesen (ÄrztInnen, Psychologinnen, PsychiaterInnen), der Pädagigik und dem Sozialwesen (LehrerInnen, AusbilderInnen, DozentInnen, SozialpädagogInnen, SchulsozialarbeiterInnen) bis hin zu Führungskräften und SeelsorgerInnen sowie natürlich Betroffene selbst und ihr unmittelbares Umfeld Zielgenaue Cartoons: Illustrationen von Nathalie Bromberger, selbst hochsensibel und hochbegabt wie die meisten aus dem AutorInnenteam  Sie fühlen sich oft »fehl am Platz«? Vielleicht konnte Ihnen auch eine Psychotherapie bisher nicht helfen? Oder Sie sind selbst TherapeutIn und Ihre PatientIn hat psychiatrische Diagnosen, Sie haben aber den Eindruck, etwas stimmt dabei nicht? Dieses Buch ist eine Entdeckungsreise, um hochbegabte Kinder, Jugendliche und insbesondere Erwachsene zu erkennen bzw. sich selbst zu erkennen. Die Beiträge werden Betroffenen und deren Bezugspersonen sowie therapeutischen Fachleuten die Augen öffnen und ein leichteres Leben ermöglichen. Auch das Zusammenleben von Hochbegabten und Normalbegabten kann mit diesen Erkenntnissen harmonischer gestaltet werden. Hochbegabte sind weder Genies noch arrogante Besserwisser. Hochsensible sind weder Mimosen noch überempfindlich – und viele Hochbegabte sind hochsensibel. Sie denken und fühlen facettenreicher, vernetzter, unmittelbarer, was ihr Leben und das Leben mit ihnen nicht unbedingt leichter macht. Aber wenn alle besser darüber Bescheid wissen, wie diese Potenziale auf gesunde Weise gefördert und genutzt werden können, gibt es mehr Entwicklungsmöglichkeiten: auf persönlicher Ebene, in der Partnerschaft, in Schulen, in der Wirtschaft, in der Politik – und nicht zuletzt hilft es uns, diejenige Welt zu gestalten, in der wir leben wollen. Das Buch vertritt erstmalig einen ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz, es berücksichtigt Inhalte aus der Psychologie, Medizin, Psychiatrie, Pädagogik, Psychosomatik und alternativen Medizin wie Green Care. Es schließt die Lücke zwischen der allgemein üblichen Betrachtungsweise kognitiver Hochbegabung und einem breiteren Ansatz, wie zum Beispiel musische, kreative wie naturzentrierte und hochsensible Hochbegabung. Diese Diversität lässt sich neurowissenschaftlich belegen und therapeutisch wie persönlich nutzen!

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Seitenzahl: 491

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Cover for EPUB

Germann-Tillmann ■ Joder ■ Treier ■ Vroomen-Marell (Hrsg.)

Hochbegabung und Hochsensibilität

Grundlagen, Erfahrungswissen, Fallbeispiele

Mit Beiträgen von

Theres Germann-Tillmann

Karin Joder

Thomas Walter Köhler

Ulrike Kubetzki

Brigitte Küster

René Treier

Renée Vroomen-Marell

Claudia Weiss

Ada Gertrud Wolf

Mit einem Geleitwort von Ulrike Kubetzki

Mit Abbildungen von Nathalie Bromberger

Schattauer

Impressum

Adressen der Herausgeberinnen und Herausgeber

Theres Germann-Tillmann

Kruggasse 21

CH – 5462 Siglistorf

[email protected]

Dr. Karin Joder

Ostringstrasse 16

CH – 4702 Oensingen

[email protected]

Dr. med. René Treier

Langhaus 5

CH – 5400 Baden

[email protected]

Renée Vroomen-Marell

Eurenderweg 50 A

NL – 6417SH Heerlen

[email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2021 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von © Adobe Stock/EvgenyPyatkov

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Friederike Moldenhauer

Illustrationen: Nathalie Bromberger

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40089-2

E-Book: ISBN 978-3-608-11881-0

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20570-1

Inhalt

Geleitwort

Vorwort oder weshalb schreiben wir dieses Buch?

Anschriften der Autorinnen und Autoren

A Allgemeine Merkmale von Hochbegabung und das Anderssein

Wie definiert sich Hochbegabung?

Wie lautet unsere Definition?

Wie verhält es sich mit den Begriffen rund um die Hochbegabung?

Welche Persönlichkeitsmerkmale kennzeichnen Hochbegabte?

Übersicht Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen Hochbegabter

Welche Wechselwirkungen rufen die Verhaltensweisen von Hochbegabten und Normalbegabten im Alltag hervor?

Wie können Hochbegabte ihr Anderssein erkennen?

Seelenverwandtschaft oder Brainspotting – was bedeutet das?

Kernaussagen

B Bewunderung und ihre Auswirkungen

Warum Bewunderung für Hochbegabte?

Wie steht es mit der Bewunderung bei normalen Hochbegabten?

Weshalb schlägt Bewunderung in Machtkämpfe und unfairen Umgang um?

Kernaussagen

C  Der Chamäleon-Effekt

Ada G. Wolf

Wie wirkt sich Hochbegabung auf den Wunsch nach Teilhabe aus?

Welche Auswirkungen zeigt der Anpassungsdruck in der Kindheit?

Welche Bedeutung hat der Chamäleon-Effekt in der Paardynamik?

Welche Auswirkungen hat der Chamäleon-Effekt?

Welche Lösungsansätze können den Chamäleon-Effekt entschärfen?

Kernaussagen

D Differenzialdiagnosen und die Auswirkungen für Betroffene

Weshalb kommt es oft zu psychiatrischen Diagnosen bei Hochbegabten?

Wie fatal sind die Auswirkungen für Betroffene?

Welche Bedeutung haben Fehldiagnosen für das Umfeld?

Wie kann die Diagnose Hochbegabung bestätigt werden?

Wie können Fachpersonen sensibilisiert werden?

Kernaussagen

E Erfahrungsberichte

Marie Noëlaineza Augustin Bearda, verheiratet, zwei Töchter

Einer von wenigen unter vielen von anderen: Thomas Hayoz, 46, verheiratet, Vater von vier Kindern

Meine Reise zu mir: Paul Schnabel

Leben mit einem hochbegabten und hochsensiblen Kind: Petra Sommer, verheiratet, zwei Söhne, Hundetrainerin und Tierpsychologin

Aufwachsen mit Hochsensibilität und Hochbegabung: Noah, 14, Schüler

F Freiheit und Kreativität von Hochbegabten

Welche Bedeutung hat Freiheit?

Welche Bedeutung hat Freiheit für Hochbegabte?

Stimmt die Behauptung: Ohne Kreativität gibt es keine Hochbegabung?

Definitionen von Kreativität

Welche Bedeutung hat Kreativität in Modellen von Hochbegabung?

Wie unterscheiden sich Kreativität und Intelligenz?

Welche Bedeutung haben unsere Hirnhälften im Zusammenhang mit Kreativität?

Wie äußern sich innere Freiheiten und äußere Unfreiheiten des kreativen Denkens?

Kernaussagen

G Gesundheit und Psychosomatik mit Hochbegabung und Hochsensibilität

Was beinhaltet Gesundheit?

Was bedeuten die Definitionen für die Gesundheit von Hochbegabten?

Welches sind die häufigsten psychosomatischen Symptome?

Wie entstehen diese Symptome bei den Betroffenen?

Wie können Hochbegabte ihre Psychohygiene verbessern?

Welche Rolle spielen Medikamente?

Welche Maßnahmen eignen sich, um die verschiedenen Symptome zu lindern?

Kernaussagen

H  Hochsensibilität

Brigitte Küster

Ist Hochsensibilität ein neues Thema?

Was ist Hochsensibilität?

Wie lauten die vier Kriterien für Hochsensibilität nach Aron?

Gründliche Informationsverarbeitung

Was heißt es praktisch, hochsensibel zu sein?

Hochsensibilität und Emotionale Intelligenz/Kompetenz – Wie verhält es sich damit?

Kernaussagen

I Intelligenzquotient oder Sinn und Unsinn von Testverfahren

Was messen Intelligenztests und was bedeuten IQ-Werte?

Welche Definitionen gehören zu den bekanntesten?

Welche Tests werden international häufig eingesetzt?

Wie wird das Konzept der Intelligenz grundsätzlich definiert?

Wie wird anhand der Gaußschen Normalverteilung die Intelligenz bestimmt?

Wie sinnvoll sind Testverfahren und wo liegen die Grenzen?

Intelligenztest versus Persönlichkeitsmerkmale?

Was sind die Vorteile eines Intelligenztests?

Welchen Einfluss hat die Vereinigung »Mensa« auf die Diskussion von Hochbegabung?

Welche alternativen Institutionen und Plattformen existieren für Hochbegabte?

Kernaussagen

J  Job und Arbeitswelt

Karin Joder

Job, Beruf oder Berufung?

Welche besonderen Stärken haben Hochbegabte im Job?

Vor welchen Herausforderungen stehen Hochbegabte im Job?

Hochbegabte und ihre unerkannten Stärken

Wie sieht eine artgerechte Arbeitsumgebung für Hochbegabte aus?

Welche Typisierungen gibt es im Arbeitszusammenhang?

Welche Berufsfelder sind für welche Typen geeignet?

Wie sehen Laufbahnen aus?

Wie gehen Hochbegabte mit der digitalen Entwicklung um?

Wie vertragen sich Selbstständigkeit und Hochbegabung?

Kernaussagen

K Kehrseiten der Medaille

Wie manifestieren sich die zwei Seiten der Medaille?

Wie stellen sich Spannungsfelder dar?

Wie steht es um die Resilienz im Alltag?

Sonnen- oder Schattenseiten?

Kernaussagen

L Leistung – Perfektionismus – Energiehaushalt

Wie zeigt sich Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft?

Wie sieht die Leistungsbereitschaft aus?

Wie zeigt sich Perfektionismus?

Welche Auswirkungen hat Perfektionismus auf die Betroffenen?

Warum ist ein ausgeglichener Energiehaushalt so wichtig?

Wie können Hochbegabte ihren Perfektionismus reduzieren, um sich zu schützen?

Kernaussagen

M Medien und ihr Bild von Hochbegabung

Welchen Einfluss haben Medien auf das Thema Hochbegabung?

Wie können Filme und Literatur für das Verständnis von Hochbegabung eingesetzt werden?

Kernaussagen

N Natur, Musik, Sport – Weg vom Denken

Weshalb benötigen Hochbegabte einen Ausgleich zur Kopflastigkeit?

Wie verhält es sich mit Hochbegabung und Entspannung?

Wie steht es mit »Kopf, Herz und Hand«?

Wie können sich Hochbegabte und Hochsensible erholen?

Kernaussagen

O Orientierung zwischen Norm und Hochbegabung

Wie beeinflussen Normen unser Leben?

Was bedeutet die Differenz zur Norm für Hochbegabte?

Wie unterscheiden sich Orientierungen bei Normal- und Hochbegabten?

Können sich Normen zugunsten von Hochbegabten ändern?

Kernaussagen

P Pädagogik

Pädagogik: Erziehung oder Bildung?

Welche Profile zeigen hochbegabte Kinder und Studierende?

Worauf ist bei der Erziehung zu achten?

Wie geht es hochbegabten Eltern?

Zum Schluss …

Kernaussagen

Q Quotenregelung – Keine Chance für Hochbegabte

Welche Bedeutung hat die Quotenregelung allgemein?

Wie steht es mit einer Quotenregelung für Hochbegabte?

Welche Chancen haben Betroffene als Führungskraft im Unternehmen?

Kernaussagen

R Rat-Schläge und Ratgeber für Hochbegabte und Hochsensible

Was bedeuten Rat-Schläge für Hochbegabte/Hochsensible?

Welche Bücher sind hilfreich?

Kernaussagen

S  Soziale Kontakte

Karin Joder

Wofür benötigt der Mensch soziale Kontakte?

Welche besonderen Herausforderungen haben Hochbegabte und/oder Hochsensible im sozialen Umgang mit Normalbegabten?

In welche Stolperfallen geraten Hochbegabte in sozialen Situationen?

Welche Herausforderungen stellen soziale Kontakte in Zeiten von Corona dar?

Wie beeinflussen Kontakte das Selbstwertgefühl?

Wie finden Hochbegabte befriedigende Sozialkontakte?

Wie ist das Verhältnis von Hochbegabung und Partnerschaft?

Kernaussagen

T  Therapie – Coaching – Beratung – Green Care

Karin Joder

Wie unterscheiden sich Therapie, Coaching und Beratung?

Aus welchen Beweggründen suchen Hochbegabte Unterstützung?

Wann ist eine Therapie sinnvoll?

Warum ist Psychotherapie mit Hochbegabten anders?

Welche alternativen Therapien gibt es?

Was ist Green Care?

Kernaussagen

U Unsicherheit und Selbstzweifel im Umgang mit der eigenen »Normalität«

Welche Facetten umfassen Unsicherheit und Selbstzweifel?

Wie wirken sich Unsicherheit und Zweifel auf den Alltag aus?

Wie wirken sich Zweifel auf die Leistung aus?

Wie wirkt sich Unsicherheit auf das Selbstvertrauen aus?

Wie können Unsicherheit und Selbstzweifel abgebaut werden?

Kernaussagen

V  Verzweiflung

Ada G. Wolf

Wie zeigt sich Verzweiflung in Kindheit und Jugend bei Hochbegabten?

Weshalb verzweifeln Hochbegabte an sich selbst?

Warum verzweifeln Hochbegabte an der Welt?

Wie führt der Weg von der Verzweiflung zur Hoffnung?

Kernaussagen

W Wissenschaft und interdisziplinäre Trends in der Begabungsforschung

Thomas Walter Köhler

Wie lautet die Definition von Begabung und Sensibilität?

Was sind die aktuellen Trends in den Geisteswissenschaften?

Wie gestalten sich Bildungs- und forschungspolitische Aktivitäten?

Was sind aktuellen Trends in den Kultur- und Naturwissenschaften?

Welche Literatur war vor 2010 wegweisend?

Kernaussagen

X X-mal oder es gibt Dinge, die wiederholen sich ein Leben lang

Um welche Situationen geht es?

Was sind die Auswirkungen auf die Befindlichkeit?

Wie finden Betroffene Erleichterung?

Kernaussagen

Y Y/X-Chromosomen und hochbegabte Frauen und Männer

Welche Bedeutung hat das Chromoson Y?

Sind Männer und Frauen hinsichtlich Hochbegabung unterschiedlich?

Wer ist »schlauer«, Männer oder Frauen?

Wie äußert sich Hochbegabung bei Frauen und Männern?

Kernaussagen

Z Zuversicht im Umgang mit der eigenen Hochbegabung/Hochsensibilität

Wie gewinnen Hochbegabte und Hochsensible mehr Zuversicht im Alltag?

Wie werden Hochbegabung und Hochsensibilität erkannt?

Welche Voraussetzungen gibt es für das Erkennen von Hochbegabung bzw. Hochsensibilität?

Wie lässt sich die Resonanz in der Gesellschaft zum Positiven verändern?

Warum ist der Austausch mit Gleichgesinnten so wichtig?

Gleichgesinnte und Coaching?

Wie können die Betroffenen aus ganzheitlicher Sicht gefördert werden?

Zu guter Letzt

Kernaussagen

Schlussgedanken

Claudia Weiss

Danksagung

Anhang

1. Auflistung typischer Merkmale für einen Selbst- oder Fremdtest nach Germann-Tillmann, Treier, Vroomen-Marell

2. Mögliche Hinweise auf Hochbegabung nach Joder

Autorinnen und Autoren

Autorinnen und Autoren der Erfahrungsberichte

Anlaufstellen für hochbegabte und hochsensible Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Bezugspersonen und Fachleute

Schweiz und Liechtenstein

Liechtenstein

Deutschland

Österreich

Tirol

Niederlande

Länderübergreifende Internetplattformen

Bildungsangebote und Studiengänge für Lehrpersonen in CH, D, Ö

Literatur

Internetquellen

Mit Angabe der Autorinnen und Autoren

Ohne AutorInnenangabe

Sachverzeichnis

Bücher lesen heißtwandern gehenin ferne Weltenaus den Stuben,über die Sterne

Jean Paul

Wir widmen dieses Buch erkannten und noch nicht erkannten Hochbegabten und Hochsensiblen sowie den Menschen in ihrem Umfeld – insbesondere den Menschen aus Gesundheits- und Sozialberufen von der Psychotherapeutin bis zum Schulsozialarbeiter –, damit alle gemeinsam die Herausforderungen dieser besonderen Talente meistern lernen.

Geleitwort

Das vorliegende Buch ist ein wichtiger Beitrag, um die Wissenslücken zum Thema Hochbegabung zu schließen. Noch immer ranken sich darum viele Mythen, Vorurteile und falsche Vorstellungen, denn viele Menschen verbinden damit in erster Linie die Wunderkinder, Genies und Überflieger wie Einstein oder Mozart. Das sind jedoch selbst in der Gruppe der Hochbegabten die großen Ausnahmen. Für die Medien sind überragende Leistungen und spektakuläre Lebensläufe meist jedoch interessanter und so ist die Mehrheit der Hochbegabten in der medialen Berichterstattung unterrepräsentiert. Durch mangelnde Aufklärung werden Hochbegabte zudem von ihrem sozialen Umfeld, von pädagogischem und therapeutischem Personal, dem Kollegium und Vorgesetzten oft falsch eingeschätzt. Das Gegenüber nicht einordnen zu können kann Irritationen, Missverständnisse und Ablehnung nach sich ziehen. So machen viele Hochbegabte von Kind an die Erfahrungen von Ausgrenzung, Isolation und Einsamkeit, was verständlicherweise einen hohen Leidensdruck erzeugen kann. Im medizinischen und psychiatrischen Bereich sind Betroffene sogar der Gefahr von fatalen Fehldiagnosen ausgesetzt. Aber auch die Förderung von Hochbegabten ist noch immer keine Selbstverständlichkeit. Die Vorstellung, dass sich dieses Potenzial von ganz allein entfalten und in Leistung verwandeln wird, hält sich hartnäckig, doch das Gegenteil ist der Fall. Ebenso wie eine talentierte Musikerin oder ein vielversprechender Sportler braucht auch ein schlauer Geist die passenden Lehrpersonen, Förderinnen und Förderer, Anleitungen und Lerntechniken, die erheblich von den Methoden für durchschnittlich Begabte abweichen können.

Zurzeit liegen die meisten Studien und Forschungsergebnisse zu hochbegabten Kindern und Jugendlichen vor. Hierzu gibt es auch die meisten Ratgeber, Infoportale und Anlaufstellen. Über hochbegabte Erwachsene, besonders diejenigen, die ihre Hochbegabung erst spät entdeckt haben, findet man jedoch deutlich weniger Informationen. Neben dem Themenfeld Pädagogik wenden sich die Autorinnen und Autoren daher mit Schwerpunkt an die Zielgruppe der erwachsenen Hochbegabten und verstehen ihr Werk als Alltags- und Lebenshilfe. Dazu gehören die grundsätzlichen Fragen, wie man eine Hochbegabung überhaupt erkennt, welches Lebensgefühl sie erzeugt und welchen immensen Einfluss sie auf das Leben der Betroffenen und ihres Umfelds haben kann, im positiven wie im negativen Sinne. Somit ist das Werk auch für alle Menschen aus Lehr-, Gesundheits- und Sozialberufen eine unschätzbare Hilfe.

Die einzige Hochbegabung, die sich derzeit mithilfe von speziellen Intelligenztests messen lässt, ist die kognitive Hochbegabung, die nach der gängigen Definition ab einem IQ von 130 beginnt. Ungefähr 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung gelten als hochbegabt, das sind allein in Deutschland um die zwei Millionen Menschen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der IQ-Wert alleine kaum weiterhilft, sondern vor allem das Wissen um die individuellen Stärken und die typischen Persönlichkeitsmerkmale von Hochbegabten. Inzwischen sind sich Fachleute einig, dass die typischen Merkmale bereits bei formal gemessenen IQ-Werten ab 120 auftreten können, was den Kreis der Betroffenen deutlich erweitert.

Die Merkmale können weitreichende Auswirkungen auf das zwischenmenschliche Miteinander und wichtige Lebensentscheidungen haben und werden im Buch ausführlich erläutert. Dieses Wissen ist essenziell für die gesunde Entwicklung und das Selbstbild der Betroffenen, denn wie formuliert es der französische Philosoph und Autor Frédéric Lenoir so treffend: »Für das Glück müssen wir erst wissen, wer wir sind und wozu wir geschaffen wurden.«

Die Autorinnen und die Autoren, fast alle selbst hochbegabt, bringen neben ihrem umfangreichen Wissen ihre persönlichen und beruflichen Erfahrungen mit ein, was das Buch praxiserprobt und hilfreich macht. Auch das Thema Hochsensibilität bekommt Raum, da diese mit einer Hochbegabung einhergehen kann, bislang aber noch wenig erforscht ist.

Lesenswert ist das Werk aber ebenso für Normalbegabte, da diese hiermit quasi ein Handbuch zum Umgang mit Hochbegabten vorfinden, das als Brücke zur besseren Kommunikation, Einschätzung und gegenseitigem Verständnis nützlich sein kann.

Unsere Welt steht vor großen Herausforderungen. Die globalen Probleme sind hochkomplex und machen vor Ländergrenzen keinen Halt. Umso wichtiger ist in Gegenwart und Zukunft die Fähigkeit, schnell, komplex und vernetzt denken zu können. Keine Gesellschaft kann es sich leisten, das diesbezügliche Potenzial von Hochbegabten zu ignorieren oder auszugrenzen. Aufklärung und Informationen sind wesentliche Voraussetzungen für ein konstruktives Miteinander und so ist das Buch auch ein Mutmacher für alle Talente, die ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden haben oder ihr Potenzial noch nicht ausschöpfen konnten.

In diesem Sinne wünsche ich dem Buch eine gute Verbreitung.

Dr. rer. nat. Ulrike Kubetzki, Universität Kiel

Vorwort oder weshalb schreiben wir dieses Buch?

Laufe nicht der Vergangenheit nach. Verliere Dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft noch nicht gekommen. Das Leben ist gegenwärtig.

Richard M. Keller (2015)

Um eines gleich vorwegzunehmen: Wir werden uns als Fach-Quartett und Direktbetroffene nicht auf die kontroversen Diskussionen in Wissenschaft und Fachliteratur über die verschiedenen Definitionen von Hochbegabung und Hochsensibilität einlassen. Während der Recherche wurde uns klar, dass zu diesem Thema viele Widersprüche und Sichtweisen existieren, die von den entsprechenden Fachrichtungen oder der Wissenschaft vertreten werden. Mit diesem Buch bieten wir ein Praxishandbuch und einen Ratgeber für professionell Tätige im Gesundheits- und Sozialwesen sowie Direktbetroffene und Angehörige von diagnostizierten oder noch verkannten Hochbegabten, insbesondere für die Erwachsenen unter ihnen. Bei der Recherche fiel uns auf, dass ca. 70 Prozent der Bücher über Hochbegabung/Hochsensibilität über Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern geschrieben wurden. Im Internet behandeln unter dem Stichwort Hochbegabung ca. 70 Prozent der Artikel, Studien und Fachliteratur Kinder und Jugendliche. Das bedeutet, dass erwachsene Hochbegabte zu wenig Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft bekommen. Zudem werden die Kinder von heute in ein paar Jahren zu der Gruppe der Erwachsenen gehören.

Dieses Buch ist für die Begegnung mit verkannten und erkannten Hochbegabten bzw. Hochsensiblen in Familie, der Schule, im Berufsalltag, in der Gesellschaft und im persönlichen Umfeld gedacht. Zu wenig wurde in der Literatur bisher die Kombination von Hochbegabung und Hochsensibilität berücksichtigt. Hier fassen wir praxisbezogene Hinweise mit theoretischem Hintergrund zusammen. Unser Anliegen ist es, realistisch aufzuzeigen, wo die Schwierigkeiten im Zusammenleben von Hochbegabten und Normalbegabten liegen. Genauso wichtig ist es uns, Lösungsansätze und konkrete Maßnahmen aufzuzeigen, wie ein entspannteres Miteinander möglich ist und welche Ansätze für Gesundheit und Prävention existieren.

Es sollte für alle Zielgruppen – von Direktbetroffenen über Normalbegabte bis zu Profis aus dem Gesundheitswesen – überzeugend und gut lesbar sein. Deshalb kommt einiges, was wir an Inhalten skizzieren, nicht in der landläufigen Sichtweise der Fachliteratur oder der Wissenschaft daher. Die Autorinnen und der Autor sind im Gesundheits- und Sozialwesen tätig, daher sind uns Erfahrungswissen und unser eigenes Erleben im Alltag und im Berufsumfeld mindestens so wichtig wie wissenschaftliche Erkenntnisse. Beide werden ergänzt um Erfahrungsberichte von Betroffenen oder ihren Bezugspersonen, die ihre individuellen Wahrnehmungen präsentieren.

Mit diesem Buch wollen wir keinen Sonderstatus für Hochbegabte erwirken. Wir möchten lediglich, dass Betroffene in ihrem Anderssein besser wahrgenommen und verstanden werden. In der Tierwelt spricht man in einem solchen Fall von »artgerechter Behandlung und Haltung«. Wir wünschen uns, mit dem Buch einen Beitrag dazu zu leisten, dass Hochbegabten und Hochsensiblen eine »artgerechte«, also angemessene, Behandlung zuteilwird. Jedoch werden wir weder beschönigen noch beschwichtigen und das Thema nicht auf die Ebene »Geschenk« oder »Potenzial« reduzieren. Doch werden wir auch nicht nur von Schwierigkeiten und Stolpersteinen sprechen. Wir möchten die Normalität, unsere (Alltags-)Normalität, die keine psychische Krankheit darstellt, weil sie sich durch Hochbegabung/Hochsensibilität auszeichnet, darstellen.

Nach wie vor werden bei vielen hochbegabten/hochsensiblen Kindern, Jugendlichen und insbesondere Erwachsenen aufgrund von Unwissen und falscher Interpretation ihrer Verhaltensweisen psychiatrische Diagnosen gestellt. Dadurch wird Hochbegabung in vielen Fällen nicht oder nur spät erkannt, deshalb die Formulierung der verkannten Hochbegabten. Bei Erwachsenen wird eine Hochbegabung häufiger als bei Kindern und Jugendlichen nicht erkannt. Auch deshalb haben wir dieses Praxishandbuch geschrieben. Doch viele weitere Gründe trugen auch dazu bei:

Erstens ist es nach wie vor Realität, dass die meisten Menschen das Wort »Hochbegabung« unter anderem mit Besserwisserei, Klugscheißerei, Arroganz, Überheblichkeit oder Rechthaberei assoziieren. Darüber hinaus werden in Filmen extrem Hochbegabte oder Genies porträtiert, die wenig mit der Realität von »normalen« Hochbegabten zu tun haben.

Zweitens wird mit dem Begriff »Hochsensibilität« allzu oft »Mimose, dünnhäutig, überempfindlich, Weichei oder beleidigte Leberwurst« verbunden.

Drittens könnte man aufgrund der zahlreichen Bücher, die seit 2015 zu unserem Thema insbesondere für Erwachsene erschienen sind, annehmen, dass vieles für Hochbegabte in unserer Gesellschaft und in der Berufswelt einfacher und selbstverständlicher geworden ist. Leider erleben wir in der Regel das Gegenteil. Folgende Beispiele illustrieren unsere Erfahrungen.

Fallbeispiel

Im Jahr 2020 ruft Frau Langkorn verzweifelt wegen einer hundegestützten Therapie an, weil bei ihrer Tochter ADHS diagnostiziert wurde und sie nun Ritalin verschrieben bekommen soll. Im Gespräch stellt sich heraus, dass das Kind viele Merkmale von Hochbegabung zeigt. Frau Langkorn spürt irgendwie, dass die Tochter nicht wirklich unter ADHS leidet. Weitere Abklärungen ergeben die Diagnose »Hochbegabung«.

Christine, 23 Jahre alt, ruft an, sie möchte nach einem Suizidversuch mit Klinikaufenthalt und Depressionen hundegestützte Therapiebegleitspaziergänge in Anspruch nehmen. Davon verspricht sie sich mehr als von einer Therapie mit dem Psychiater. Sie ist auf der Suche nach Antworten. Während des dritten Spaziergangs wird ihr klar, dass sie hochsensibel und hochbegabt ist. Zum ersten Mal fühlt sich Christine verstanden und ernstgenommen. Sie ist erstaunt, dass die hochbegabte Therapeutin ihr Denken und Fühlen in Worte fassen und die Hintergründe für ihre Depressionen und den Suizidversuch aufzeigen kann. In den folgenden Wochen reduziert Christine in Absprache mit dem Psychiater die Dosis ihrer Antidepressiva und liest Bücher zu ihrem Anderssein. Sie sucht einen Psychiater mit dem Spezialgebiet Hochbegabung auf. Heute studiert sie Psychologie, früher war sie Malerin.

Wegen stark gesunkener Leistungen auf dem Gymnasium wird Matthias zur Therapie angemeldet. Er leidet unter Schlafstörungen, Antriebsmangel und Konzentrationsstörungen. Ein ADHS ist anamnestisch bekannt. Matthias wird nicht in die nächste Klasse versetzt, er muss die 10. wiederholen. Als Ursache des Leistungseinbruchs sehen er und seine Eltern am ehesten den Suizid seines besten Freundes ein Jahr zuvor an. Der Therapeut tappt ziemlich im Dunkeln, ein Puzzleteil scheint zu fehlen. Ein Gespräch mit Matthias’ Eltern bringt Licht ins Dunkel. Schon in der Grundschule wurde Matthias untersucht und neben ADHS wurde auch eine Hochsensibilität angenommen. Dies ändert die Diagnose: Hauptsächlich liegt keine depressive Episode vor, sondern eine Anpassungsstörung mit depressiven Symptomen im Zusammenhang mit Hochsensibilität.

Viertens wird Hochbegabung nach wie vor häufig auf einen IQ, der mit einem klassischen Test eruiert wurde, ab dem Wert 130 »reduziert«. Gleichwohl ist dies dem Umstand geschuldet, dass die einzige Möglichkeit, die bisher zur einigermaßen zuverlässigen Erfassung einer Hochbegabung besteht, ein Intelligenztest ist, der zumindest die intellektuelle Hochbegabung erfasst. Dabei werden hauptsächlich die kognitiven Fähigkeiten, wie Sprache bzw. Sprachverständnis, Mathematik, logisches oder räumliches und analytisches Denken gemessen. Sehr unterschiedliche Faktoren können hier die zu testende Person beeinflussen, so dass ein Intelligenztest nur von erfahrenen und spezifisch ausgebildeten Fachpersonen durchgeführt werden sollte (▶ Kapitel I = Intelligenzquotient). Inzwischen ist bekannt, dass andere Bereiche, wie zum Beispiel die musikalische, emotionale, soziale oder praktische Intelligenz, bisher noch nicht mit einem herkömmlichen Testverfahren erfasst werden können. Dazu gehört bspw. auch die naturalistische Intelligenz, das Interesse und die Fähigkeit, Phänomene in der Natur detailliert zu beobachten und zu interpretieren.

Fünftens ist eine klare Zuordnung, was Hochbegabung in diesen Bereichen bedeutet, derzeit somit leider noch nicht möglich. Darüber hinaus ist mittlerweile erkannt, dass eine Hochbegabung bereits ab einem testdiagnostisch erfassten IQ von 120 vorliegen kann, darüber beginnt der Bereich der überdurchschnittlichen Begabung. Des Weiteren nehmen zum Beispiel die Aspekte Kreativität, Neugierde und Hochsensibilität mit Hochbegabung kombiniert einen hohen Stellenwert ein, auch wenn diese, wie bereits erwähnt, bisher noch keiner testdiagnostischen Einschätzung zugänglich sind.

Sechstens zeigen wir auf, dass weder wissenschaftliche Studien die Anforderungen an Hochbegabte in ihrem sozialen Alltag erklären noch der Testwert von 120. Er gilt als formaler Grenzwert, da ihn die meisten Hochbegabten im Testergebnis erreichen.

Siebtens möchten wir mit diesem Praxishandbuch Hinweise, Erklärungen, und Analysen der Wechselwirkungen zwischen Hochbegabten und Normalbegabten bieten und so dabei helfen, Lösungsansätze rund um das Leben mit Hochbegabung bzw. Hochsensibilität zu finden.

Achtens wünschen wir uns, einen Beitrag dazu zu leisten, vielen hochbegabten Kindern, Jugendlichen und insbesondere Erwachsenen eine psychiatrische Fehldiagnose bzw. Differenzialdiagnose und damit eine falsche Behandlung zu ersparen.

Die Inhalte haben wir nach der Struktur des Alphabetes von A bis Z geordnet, um so die Facetten einer Hochbegabung bzw. Hochsensibilität darzustellen. (Und nein, die Kapitel sind nicht willkürlich entsprechend den Buchstaben gewählt worden.) Die unterschiedlichen Themen basieren auf unserem Erfahrungswissen und unserem persönlichen Erleben im Alltag als Hochbegabte oder aus unserem beruflichen und privaten Umfeld. Fallbeispiele bzw. Berichte unserer Klientel illustrieren, was es im Leben der Betroffenen heißt, hochbegabt oder hochsensibel zu sein. Die Kapitel spiegeln die Facetten einer Hochbegabung bzw. Hochsensibilität in ihrem Alltag wider.

Zu guter Letzt einige Hinweise an unsere Leserinnen und Leser: Wenn wir Begriffe wie »Normalbegabte« oder »Normalos« verwenden, ist das nicht wertend gemeint. Es vereinfacht die Darstellung der verschiedenen Wahrnehmungen und deren Wechselwirkungen im Zusammenleben mit Hochbegabten. Hin und wieder greifen wir auf die Abkürzungen HB für Hochbegabte und NB für Normalbegabte zurück. Im Text schreiben wir in der Ich- und Wir-Form. Viel Erfahrungswissen ist uns allen Beitragenden aus unserem Berufsalltag, unserem persönlichen Umfeld sowie unserer eigenen Betroffenheit mit Hochbegabung bzw. Hochsensibilität gemeinsam. Spezielles berufliches Wissen und Erleben werden wir in der Ich-Form darlegen und den Namen der jeweiligen Autorin bzw. des Autors in Klammern hinzufügen. Zu einem großen Teil gibt der Text unsere Sicht bezüglich des Lebens mit Hochbegabung oder Hochsensibilität wieder. Das bedeutet, dass unsere Wahrnehmungen, Beobachtungen und unser Erfahrungswissen von 20 Jahren nicht zwingend mit Studien oder Sichtweisen von Expertinnen und Experten oder der Hochbegabungsforschung übereinstimmen.

Wir als Herausgeberinnen und Herausgeber haben in unserem interdisziplinären Fach-Quartett viele Aspekte diskutiert, gegenseitig unsere Sichtweisen hinterfragt und unser Erfahrungswissen mit der Wissenschaft und verschiedenen Studienergebnissen verglichen. Die spezifischen Kapitel zu einem Schwerpunktthema, verfasst von Expertinnen und Experten oder Betroffenen, ergänzen unsere Sicht der Dinge enorm und bereichern unsere Inhalte im Sinne von vernetztem Denken, ausgeprägter Wahrnehmung und Beobachtung und vielseitigem Erleben – wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. So wie viele Hochbegabte sich aus eigener Motivation Projekte suchen und diese engagiert umsetzen, so haben wir uns die Aufgabe gesucht, dieses Buch zu schreiben. Aus dem Eindruck, dass zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum die Literaturlage dünn ist, wandte sich die Initiatorin an den Schattauer Verlag, um in einem Buch die unterschiedlichen Perspektiven von Fachleuten darzustellen.

Die Auseinandersetzung während des Schreibens war hilfreich sowie anspornend und der ganz persönliche Lerneffekt gestaltete sich wie eine interne Fortbildung. Wir sind überzeugt, dass ein Praxishandbuch, geschrieben von verschiedenen Fachleuten aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, das Theorie, Praxis und Erleben vereint, den meisten betroffenen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und deren Bezugspersonen gerecht werden kann. Zudem haben wir darauf geachtet, für eine allgemeine Leserschaft verständlich zu formulieren.

Die Kapitel können in der vorgegebenen Reihenfolge oder einzeln gelesen werden. Das Kapitel A ist jedoch »Pflichtlektüre«, denn es stellt die Grundlage für alle anderen Kapitel dar. Querverweise führen je nach Vorliebe zu anderen Themen oder Sie bekommen Lust, sich intensiver mit einem Schwerpunkt auseinanderzusetzen: Kapitel E zum Beispiel sammelt vielfältige Erfahrungsberichte von direkt Betroffenen. Es führt sie direkt ins Leben von Hochbegabten und Hochsensiblen. Mit diesem Aufbau versuchen wir, den verschiedenen Lerntypen und Interessen unserer Leserschaft gerecht zu werden. Da die Kapitel auch einzeln gelesen werden können, kann es vereinzelt zu Wiederholungen kommen, die aber dem Spaß an der Lektüre keinen Abbruch tun sollten.

Anschriften der Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. Thomas Walter Köhler

Dapontegasse 7/15

A – 1030 Wien

[email protected]

Brigitte Küster

Untersteinstrasse 6

CH – 9450 Altstätten

[email protected]

Dr. rer. nat. Ulrike Kubetzki

Hafentörn 1

D – 25761 Büsum

[email protected]

Claudia Weiss

Grossackerstrasse 51

CH – 3018 Bern

[email protected]

Dr. Ada Gertrud Wolf

Heerstr. 30

D – 53111 Bonn

[email protected]

A Allgemeine Merkmale von Hochbegabung und das Anderssein

Es gibt nichts Ungerechteres als die gleiche Behandlung von Ungleichen.

Paul F. Brandwein

Wie definiert sich Hochbegabung?

Es gibt viele Definitionen zu Hochbegabung, die wir in den verschiedensten Büchern und auf Internetplattformen für Hochbegabte gefunden haben. Feger und Prado (1998) sprechen von mehr als 100 Definitionen im Jahr 1988. Die große Anzahl – im Jahr 2020 waren es um die 500 – zeigt auf, dass die Begriffsbestimmungen von unterschiedlichen Fachrichtungen wie Psychologie, Wissenschaft, Pädagogik, Soziologie oder der praktischen Auseinandersetzung geprägt sind. Zudem unterscheiden sich die Definitionen nach Ländern bzw. Kulturen oder werden nur einen bestimmten Zeitraum lang verwendet, das ist auch heute noch so.

Leider wird der traditionellen Lesart der (Hoch-)Begabung nach wie vor zu viel Beachtung geschenkt. Als hochbegabt wird demzufolge bezeichnet, wer in einem Intelligenztest(1), der insbesondere intellektuelle, kognitive, logische oder analytische Fähigkeit erhebt, einen Intelligenzquotienten (IQ) von 130 erreicht. Doch es regt sich immer mehr Kritik seitens Hochbegabtenforscherinnen und -forschern sowie Expertinnen und Experten: Hochbegabung könne nicht allein mittels eines Testverfahrens mit der Punktzahl 130 als Hauptkriterium festgelegt werden. Hochbegabung äußert sich auch in emotionalen (EQ, Emotionaler Quotient(1)), sozialen Intelligenzformen sowie in Hochsensibilität(1) und Hochsensitivität(1), in Aspekten der Kreativität, Neugier und Feinfühligkeit. All diese Persönlichkeitsmerkmale werden mit den klassischen Intelligenztests nicht erfasst. Ziegler (2018, S. 24) stellt fest: »Der IQ ist ein reines Vergleichsmaß, das angeben soll, wie die intellektuelle Leistungsfähigkeit einer Person relativ zu derjenigen einer vorab bestimmten Vergleichsgruppe [derselben Altersklasse] liegt.«

Wir sind der Meinung, dass der Mensch, der hinter dieser Zahl steht, nicht ganzheitlich erfasst wird. In den 1980er-Jahren stellte Gardner (2005) den Abschied vom reinen klassischen IQ in Aussicht. Aufgrund jahrelanger Forschung vertritt er eine These einer allumfassenden Intelligenz und differenziert mindestens neun Bereiche: sprachliche, logisch-mathematische, räumliche, musikalische, körperlich-kinästhetische, naturalistische, intrapersonelle, interpersonelle und existentielle Intelligenz. Gardner zeigt auf, dass viele dieser Intelligenzbereiche sich nicht mit standardisierten Tests erfassen lassen.

Trotz der Kritik an Gardners Theorie können wir seine Sicht eindeutig bestätigen. Unter anderem wirft ihm die akademische Intelligenzforschung konzeptionelle Schwächen sowie mangelnde empirische Nachweise vor. Zusätzlich wird betont, dass die Intelligenzbereiche von Gardner nicht zwingend in die Kategorie der Leistungsmessung, sondern eher in den Bereich der Persönlichkeitsmerkmale(1) oder Kompetenzen einzureihen sind.

Es stellt sich die Frage, inwieweit es sich auch hier um verschiedene Sichtweisen und Ansätze entsprechend den Fachgebieten der Kritikerinnen und Kritiker analog den Definitionen handelt. Viele Expertinnen und Experten, unter ihnen auch Psychologinnen und Psychologen, setzen bei der Begleitung von Hochbegabten auf die Intelligenzbereiche von Gardner in Kombination mit den Persönlichkeitsmerkmalen in Ergänzung zur IQ-Punktzahl. Denn Intelligenz ist nicht einfach das, was ein Test misst. Darüber hinaus handelt es sich bei einem IQ-Test nicht um eine Schuhgröße, die mit einem eindeutigen Maß(-stab) festgelegt werden kann. Es geht um den Menschen und dessen Persönlichkeitsprofil, mit seinen Prägungen und seiner Biografie, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst wurde und wird. Dennoch ist eine fundierte und ordnungsgemäß durchgeführte Intelligenzdiagnostik(1) bis heute der sicherste Weg, die intellektuelle Hochbegabung zu erfassen. Ein Intelligenztest(2) ist freilich nicht dafür geeignet, emotionale oder musikalische Hochbegabung festzustellen, da er ausschließlich dazu konstruiert wurde, den kognitiven Anteil der Hochbegabung zu erfassen zu berücksichtigen. (Auf die »Risiken und Nebenwirkungen« bei der Durchführung der Intelligenzdiagnostik geht Kapitel I = Intelligenzquotient oder Sinn und Unsinn von Testverfahren konkreter ein.)

Wie lautet unsere Definition?

Nachdem wir feststellen mussten, dass aktuell nahezu 500 Definitionen von Hochbegabung existierenn, sie je nach Fachrichtung oder auftraggebenden Institutionen von Studien »gefärbt« sind und sie sich darüber hinaus dem Zeitgeist anpassen oder aus einer bestimmten Kultur entspringen, skizzieren wir unsere eigene Definition von Hochbegabung.

Definition

Hochbegabung äußert sich in speziellen Persönlichkeitsmerkmalen, die auffallend häufig bei verkannten und erkannten Hochbegabten (Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen) auftreten. Eine Hochbegabung betrifft die ganze Persönlichkeit. Sie macht sich nicht nur intellektuell, sondern auch emotional, sozial und ökologisch bemerkbar,Letzteres bedeutet unter welchen Rahmenbedingungen und in welcher Infrastruktur und Kultur jemand lebt. Zusätzlich fallen Hochsensibilität(2), Kreativität(1) und Neugier(1) auf. Oder in Anlehnung an Brackmann (2018, S. 21): »schneller und mehr denken, mehr vernetzt denken und kombinieren, mehr beobachten und wahrnehmen, mehr fühlen und spüren, mehr handeln und agieren.«

Wie verhält es sich mit den Begriffen rund um die Hochbegabung?

Mit der Begrifflichkeit zum Thema Hochbegabung verhält es sich ein wenig wie bei den Definitionen. Es existiert eine breite Palette von Begriffen, der man in der Fachliteratur begegnet. Wir gehen davon aus, dass es letztlich der Versuch ist, die verschieden gelagerten und ausgeprägten Formen von Hochbegabung zu umschreiben und ihnen gerecht zu werden. Hochbegabte werden beschrieben als: begabt, normal begabt, teilhochbegabt, hochbegabt, überbegabt, höchstbegabt, besonders begabt, extrem begabt, außerordentlich begabt, talentiert, befähigt, hochbefähigt, leistungsstark, hochintelligent, spitzenbegabt, gescheit, besonders gescheit, übergescheit oder leistungsorientiert. Außerdem werden Hochbegabte als Wunderkind, Genie oder Überflieger bezeichnet. Anhand von IQ-Werten, Stärken und Schwächen, Leistung und manchmal auch dem Zeitgeist entsprechend wird nach der korrekten Bezeichnung gesucht. Zudem sind die Umschreibungen auch hier von den verschiedenen Fachrichtungen geprägt.

Wir verwenden im Folgenden die Bezeichnungen Hochbegabung und Talent, da sie den Synonymen Begabung(1) und Befähigung nahekommen. Zudem erachten wir es nicht als unseren Auftrag, in diesem Praxisbuch die Differenzierung anhand einer IQ-Zahl von Hochbegabung vorzunehmen. Des Weiteren sprechen wir von normalen Hochbegabten und nicht Höchstbegabten und Genies, wie Brackmann sie in ihrem neuen Buch (2020) vorstellt. Trotzdem vertreten wir die Ansicht, dass sich bestimmte Merkmale bzw. Verhaltensweisen bei allen Hochbegabten zeigen, unabhängig von ihrem Intelligenzquotienten, der Familiengeschichte, ihrer Schul- oder Berufslaufbahn bzw. ihrem Lebenslauf.

Welche Persönlichkeitsmerkmale kennzeichnen Hochbegabte?

Wenn wir im Folgenden von den »typischen« Merkmalen sprechen,(1) die Hochbegabte meistens in der Begegnung mit anderen zeigen, oder durch die sie im beruflichen Umfeld auffallen bzw. irritieren, geht es nicht darum, die Betroffenen als besonders, außergewöhnlich oder speziell darzustellen. Hochbegabte wollen das in der Regel auch gar nicht. Weder geht es darum, sie in Schubladen zu stecken noch Normalbegabte abzuwerten. Unter den Hochbegabten gibt es zahllose Ausprägungen, weil die Talente verschieden gelagert und unterschiedlich stark ausgeprägt sind, außerdem bestehen sie in unterschiedlichen Kombinationen. Es geht vielmehr darum, dieses Anderssein aufzuzeigen und zu erklären. Die Andersartigkeit darf nicht einfach unter den Teppich gekehrt, ignoriert oder abgelehnt werden.

Die Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die Hochbegabte vielfach auszeichnen, sind für uns zentral, um Hochbegabung und Talente zu erkennen. Sie bestimmen ihr Leben. Immer wieder erzählen uns Betroffene, dass sie getestet wurden und ihren Intelligenzquotienten mitgeteilt bekamen. Oft wurde schon im Kindes- oder im Jugendalter ein erster Test durchgeführt. Die Getesteten und ihre Bezugspersonen verknüpfen damit natürlicherweise ihre allgemeine Gescheitheit bezogen auf »kognitive« Schulfächer, auf die unser Bildungssystem nach wie vor ausgerichtet ist. Von vielen Betroffenen, ihren Eltern oder Angehörigen hören wir oft, dass ihnen das Wissen um den IQ-Wert nicht geholfen hat, ihr Anderssein und ihre Schwierigkeiten im Alltag, in der Gesellschaft, in der Schule und im Beruf zu erklären. Wir erleben im beruflichen und privaten Umfeld, dass viele Betroffene oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten durch die Auseinandersetzung mit diesen Persönlichkeitsmerkmalen ihr Selbstbild(1) und Selbstverständnis(1) besser einordnen können.

Die folgende Liste skizziert die Merkmale, die wir bei erkannten und verkannten Hochbegabten immer wieder antreffen. Oder anders gesagt kennzeichnen diese Eigenschaften bestimmte Verhaltensweisen von Betroffenen, denen wir unabhängig von sozialer Schicht, beruflicher Position oder Höhe des IQs begegnen. (Zudem kennen einige Autorinnen und Autoren diese Verhaltensmuster von sich selbst.) In fast jedem Fachbuch begegnet man solchen Checklisten, die zum Teil von anderen Autorinnen und Autoren übernommen sind. Wir erstellen eine Checkliste von Merkmalen in Anlehnung an vom Scheidt (2004) und Brackmann (2007). Die Aufzählungen von vom Scheidt können vor allem für die Selbsterkennung(1) von potenziell Hochbegabten sehr hilfreich sein. Wir verzichten auf eine Unterteilung nach Altersgruppen, nach Bereichen wie Schule, Beruf oder soziales Umfeld bzw. allgemeine Verhaltensweisen wie den Umgang mit Information (etwa die Geschwindigkeit der Verarbeitung oder Aufnahme).

Wir erleben bei uns persönlich und anderen Hochbegabten, dass Persönlichkeitsmerkmale unabhängig von Alter, Aufgabe, beruflicher Position, sozialem Umfeld, Freizeit oder Lernumfeld immer und ähnlich auftreten. Des Weiteren verstehen wir unter den Merkmalen die Verhaltensweisen oder Grundmuster, es geht uns nicht darum, Hochbegabte in eine bestimmte Schublade zu stecken. Wir wählen das Grundraster von Brackmann (2007) und ergänzen es, denn die Erfahrung zeigt, dass diese Variante bei den Betroffenen am besten zur Selbst- und Fremderkennung dient bzw. am ehesten ein Aha-Erlebnis auslöst, was uns immer wieder von unserer Klientel sowie von Privatpersonen bestätigt wird. Zudem eignet sich die Liste prima, um die Menschen im Umfeld von Betroffenen aufzuklären: Eltern, Lehrpersonen, Vorgesetzte, Ausbildende, Freundeskreis, Hausärzte, Psychologinnen oder Psychologen. Unser Raster soll das Erkennen von potenziell Hochbegabten durch Professionelle oder Bezugspersonen ermöglichen und erleichtern sowie erkannten und verkannten Betroffenen dabei helfen, Gleichgesinnte zu finden.

Übersicht Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen Hochbegabter

Denken – Denkarbeit – Verstandestätigkeit

schnelles (2)(1)und komplexes Denken (vernetztes Denken(1)(1)(1))

hohe und rasche Auffassungsgabe

schnelles Erfassen von komplexen Zusammenhängen und Grundmustern

Fähigkeit, verschiedene Betrachtungsweisen bzw. Aspekte einzubeziehen

rasches Erfassen von Ursache und Wirkung

gutes logisches, analytisches und abstraktes Denkvermögen

ausgeprägtes Erinnerungsvermögen (Langzeitgedächtnis) anhand von Situationen und »Bildern«

hohe Konzentrationsfähigkeit

hohes Sprechtempo

sprunghaftes und vorauseilendes Denken

kritisches Denken

Ungeduld und innere Anspannung, wenn andere nicht auf den Punkt kommen

Lernen – Wissen – Interessen

hohes Lerntempo(1)(1)

Bedürfnis nach lebenslangem Lernen und Weiterentwicklung

Lernen und Arbeiten aus Eigenmotivation(1), selbstgewählte Projekte oder Aufgabenstellungen

unbefangenes Herangehen an anspruchsvolle Aufgabenstellungen

ausgeprägtes Reflektieren und Ableiten von Schlussfolgerungen

Flow, wenn am Thema und den Inhalten großes Interesse besteht

Freude am eigenständigen Weiterentwickeln von Gedanken

Hinterfragen von Fakten und Meinungen

gutes Detailwissen oder Erfassen übergeordneter Zusammenhänge, wenn der Inhalt bzw. das Wissensgebiet von Interesse sind

Schwierigkeiten bei Entscheidungsfindung (vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen)

Schwierigkeiten bei einfachen, wiederkehrenden Aufgaben und Alltagsroutine

Sozialverhalten – Kommunikation – Verständigung

Fähigkeit zur Selbstironie(1)(1)(1)

oft Wahl von älteren Gesprächspartnerinnen oder -partnern (bei Kindern und Jugendlichen)

Fähigkeit, die Sichtweise des Gegenübers einzunehmen

Abneigung gegen oberflächliche Gespräche bzw. Small Talk

wenige Freundschaften

kritisches Hinterfragen von Hierarchien, Normen und Autoritäten

Nonkonformismus

hohe Ansprüche an Beziehungen

unkonventionelles Verhalten (»schwimmt gegen den Strom«)

Fühlen – Spüren – Empfinden (mit Anteilen von Hochsensibilität)

gute Detailwahrnehmung mit allen Sinnen(1)

hohe (1)emotionale Wahrnehmung

reiches Innenleben

hohes Einfühlungsvermögen und Mitgefühl (in das Gegenüber »schlüpfen«)

starker Gerechtigkeitssinn

große Bedeutung von Idealen, Werten, Respekt, Umgang mit Natur und Tieren …

geringe Frustration(1)sgrenze betreffend Langsamkeit und Kompliziertheit der anderen

Misserfolge und Unangenehmes werden schwer verarbeitet

gesteigerte Sensibilität und Reizempfindlichkeit: Lärm, Licht, Gerüche, körperlicher Schmerz, Berührung, Menschenmenge

starke Emotionen und Stimmungsschwankungen

hohe Sensibilität, »Dünnhäutigkeit«

starke Selbstzweifel und Selbstkritik

Gefühl der Einsamkeit(1) und Isolation(1) (fühlt sich wie außerirdisch, wie von einem anderen Planeten)

Handeln – Agieren – Engagement

bringt kreative Ideen ein(1)(1)

unkonventionelles Vorgehen in der Umsetzung von Aufgaben oder Projekten

rasches und konkretes Handeln

eigenständiges Handeln und Umsetzen

starkes Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Freiheit

hohes Engagement (viel Herzblut) bei neuen Herausforderungen(1)(1)

klappt etwas nicht auf Anhieb, Tendenz das Handtuch zu werfen

Interessant scheint die Tatsache, dass in der Diskussion der (2)Persönlichkeitsmerkmale und deren »Kategorisierung« in der Literatur keine Verbindung zu den Funktionen der linken und rechten Gehirnhälften hergestellt wird (▶ Kapitel F = Freiheit und Kreativität insb. Tab. 2 Prozesse der beiden Gehirnhälften). Auch werden nur in Ausnahmen die sogenannten nicht intellektuellen(1) Intelligenzbereiche, wie interpersonale Intelligenz(1) (Einfühlungsvermögen(1)), musikalische und künstlerische Intelligenz sowie ein großes Verständnis für Abläufe in der Natur (naturalistische Intelligenz(1)) berücksichtigt (vgl. Gardner 2005). Wir müssen einfach akzeptieren, dass die Hirnforschung erst am Anfang steht, Intelligenz und Sensitivität zu verstehen.

Im Anhang 1 findet sich eine Checkliste mit den oben aufgeführten Verhaltensweisen und Charaktermerkmalen. Mit deren Hilfe lässt sich im Selbst- oder Fremdtest eine Hochbegabung feststellen. Eine weitere Merkmalliste für Betroffene ab dem Babyalter über Schulkinder, Jugendliche bis hin zum Erwachsenenalter steht im Anhang 2 zur Verfügung.

Welche Wechselwirkungen rufen die Verhaltensweisen von Hochbegabten und Normalbegabten im Alltag hervor?

Im Folgenden skizzieren wir vor dem Hintergrund(2) unserer praktischen Arbeit mit Hochbegabten (zum Thema Hochsensible ▶ Kapitel H = Hochsensibilität) deren Merkmale und die Wechselwirkungen im Zusammenleben mit Normalbegabten(1). Damit zeigen wir auf, wie sich wiederkehrende Verhaltensweisen von Betroffenen auf ihre Mitmenschen auswirken und wie sie die weitere Interaktion prägen. Es geht um alltägliche Situationen und Gegebenheiten, wie sie im sozialen Umfeld oder im Beruf vorkommen. Diese Situationen sind es, in denen Missverständnisse entstehen und gegenseitige Verletzungen passieren, die das Gegeneinander statt Miteinander begünstigen. Im Folgenden listen wir einige häufige Verhaltensweisen auf. Das Wissen um das Verhalten und die Reaktion darauf kann die Kommunikation und den Umgang mit Hochbegabten – gerade im schulischen, beruflichen oder im therapeutischen Zusammenhang – unterstützen (▶ Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht über Verhaltensweisen von Hochbegabten und Reaktionen der (1)Umwelt.(2)(2)(2)(2)(2)(2)(2)(2)

Denken – Denkarbeit – Verstandestätigkeit

Verhaltens-

weisen Hochbegabte (HB)

Wirkung auf Normalbegabte (NB)

Wechsel-

wirkungen und allgemeine Ergänzungen

schnelles und komplexes Denken (vernetztes Denken)

hohe und rasche Auffassungsgabe

schnelles Erfassen von komplexen Zusammenhängen und Grundmustern

oberschlau, klug, clever und kann Neid und Missgunst erzeugen. Oft sind die Normalbegabten mit dem Tempo überfordert. Überforderung erzeugt Gefühle von unterlegen sein, nicht mithalten können. Das wiederum bewirkt Frustration und den Eindruck, nicht genügen zu können. Minderwertigkeits-

gefühle entstehen, also wird die hochbegabte Person als Streber und arrogant abgetan.

Es stimmt, dass HB oft arrogant wirken – mit Betonung auf wirken. Sie werden häufig ungeduldig und sind genervt, weil das Gegenüber Sachverhalte langsamer begreift oder mehrfach etwas erklärt werden muss. Den Ausspruch »Das habe ich dir doch schon x-mal erklärt, weshalb muss ich mich so oft wiederholen?« kennen wir HB nur zu gut. Je nach Situation unterstreichen HB das Ganze mit entsprechender Mimik und Gestik. Das führt bei NB häufig zu hitzigen Reaktionen. Denn der NB versucht ja zu verstehen, wenn ihn das Thema interessiert. Der HB wirft ihm dann vor – oder denkt es zumindest –, sich nicht anstrengen zu wollen. Im ärgsten Fall glaubt die hochbegabte Person, die normalbegabte wolle sie ärgern. Fakt ist, dass beide ihre Hirnleistung bzw. ihr Denkvermögen und das Tempo nicht beeinflussen können. Und wichtig: HB wirken oft arrogant, sie sind es aber nicht.

rasches Erfassen von Ursache und Wirkung

umfassendes logisches, analytisches und abstraktes Denkvermögen

Kann nicht folgen. Denkt linear und nicht vernetzt. Fragt nach, sogar häufiger. Möchte in der Regel auch verstehen oder erfassen.

Kann Logik nicht einordnen. Ist überfordert mit den vielen und schnell aufeinander-

folgenden Informationen in Kombination. Hat den Eindruck, dass HB ihn abfertigen und außen vor lassen will. Reagiert empört und beleidigt, da er sich in der Regel bei Interesse wirklich anstrengt.

HB erklären vielleicht zweimal, beim dritten Mal sind sie nicht mehr so freundlich und ziemlich genervt. Für HB ist alles so klar und logisch und normal. Sie können nicht nachvollziehen, dass NB so viele Teilschritte brauchen, um zu verstehen. Diese Denkleistung und Kombination ist für die HB selbstverständlich. Sie sind genervt, der NB frustriert. Es gibt Blockaden und Missverständnisse. Beide können nicht über ihren Schatten springen.

sprunghaftes und vorauseilendes Denken

Das oft assoziative Denken wirkt ohne roten Faden und wirr. Der NB versucht vergeblich, dem Thema zu folgen. Die Denkschritte sind ihn viel zu groß. Er kann nicht mehr folgen und fühlt sich nicht ernst genommen. Daher muss der NB den HB abwerten, um sein Selbstwertgefühl zu schützen.

HB werden schnell ungeduldig, da für sie alles sonnenklar ist. Sie sehen das Ganze in Zusammenhängen und bereits die Lösungsansätze. Langsamkeit bewirkt bei ihnen innere Anspannung. Der Bogen wird immer mehr gespannt, bis er plötzlich losschießt. HB ertragen es nicht, wenn NB viel mehr Zeit benötigen, um einen »einfachen« Sachverhalt einzuordnen. Oft unterstellen sie den NB, dass sie sich zu wenig anstrengen, um begreifen und mithalten zu können. Der NB jedoch strengt sich in der Regel extrem an, kommt jedoch mit seinen Fähigkeiten an seine Grenzen. An die Grenzen kommen bedeutet: Stress, Anspannung und negative Gefühle.

hohes Sprechtempo

Muss sich und will sich in Szene setzen. Will im Mittelpunkt stehen. Braucht viel Aufmerksamkeit, so dass NB nicht mehr zu Wort kommen oder Mühe haben, sich noch einzubringen.

HB kommen in Diskussionen oder Gesprächen so viele Aspekte in den Sinn. Sie sprudeln über, da auf ihrer cerebralen »Festplatte« verschiedenste Sichtweisen, Situationen und Erfahrungswissen abgespeichert sind. Es ist ihnen wichtig, alles, was es zum Thema zu sagen gibt, gesichert zu haben, nichts darf vergessen werden. HB legen keinen Wert auf Mittelpunkt und Macht.

kritisches Denken

Kann nie was stehen lassen. Nervensäge und will immer das letzte Wort haben. Skeptiker und Zweifler bis hin zum »Verschwörungs-

theoretiker«. Denkt zu viel nach.

Sie brauchen viel Sicherheit und Gewissheit, dass etwas so ist, wie es sich präsentiert. Zudem kommen ihnen viele Details und Zusammenhänge zu einem Sachverhalt in den Sinn. Also stellen sie das Geschehen, die Begebenheit, die Lösung durch kritische Fragen zur Diskussion. Das ist für NB meistens unnütz und Zeitver-

schwendung bzw. eine Überforderung.

Lernen – Wissen– Interessen

Verhaltensweisen Hochbegabte

Wirkung auf Normalbegabte

Wechsel-

wirkungen und allgemeine Ergänzungen

Schwierigkeiten bei einfachen, wiederkehrenden Aufgaben und Alltagsroutine

Du willst hochbegabt sein und kannst nicht mal eine einfache Aufgabe lösen oder dir Namen von wichtigen Personen merken und abrufen. Angeber und Möchtegern.

Der NB kann nicht verstehen, weshalb sich ein sogenannter HB mit einfachsten Aufgabenstellungen oder dem linearen Auswendiglernen schwer tut. Also zieht er den Schluss, dass es sich um einen Gernegroß handelt. Der HB fühlt sich ungerecht behandelt und ist gekränkt oder fühlt sich »dumm« und minderbemittelt.

Flow bei hohem Interesse für das Thema und die Inhalte

Besserwisser, Streber

Wenn HB etwas interessiert, gehen sie dem Thema so lange nach, bis sie sich ihrer Meinung nach genug Wissen angeeignet haben.

NB können nicht einordnen, dass HB das Wissen für ihre Sicherheit, zum Wohlfühlen aber auch als Nahrung für den Geist brauchen.

Sozialverhalten – Kommunikation – Verstandestätigkeit

Verhaltensweisen Hochbegabte

Wirkung auf Normalbegabte

Wechsel-

wirkungen und allgemeine Ergänzungen

kritisches Hinterfragen von Hierarchien, Normen und Autoritäten

Machtmensch. Will mir den Platz streitig machen.

Kann sich nicht unterordnen. Fühlt sich allen überlegen. Wichtigtuer. Möchte immer die Nummer eins sein und die Welt verbessern.

HB mögen es nicht, wenn ihnen von außen Dinge vorgeschrieben werden, die unlogisch oder sinnlos sind oder nur einen Machtanspruch manifestieren. Normen sind für sie ein Korsett. Zudem laden Normen und Autoritäten nicht zum Mitdenken ein. NB schätzen Vorgaben und mögen nicht gern viel mitdenken. Regeln geben ihnen Sicherheit und Orientierung. Aufgrund des kritischen Hinterfragens hat der NB das Gefühl, dass HB ihm nicht glaubt. Aber HB sind interessiert und brauchen mehr Hintergrund-

wissen.

mag keine oberflächlichen Gespräche bzw. Small Talk

wenige Freundschaften

asozial und abgrenzend oder sehr wählerisch. Fühlt sich als was Besseres.

HB werden ausgegrenzt und als hochnäsig abgetan. NB meinen, diese hielten sich für etwas Besonderes und wollten nichts mit NB zu tun haben.

Er ist gegen mich und verstößt mich. Der HB grenzt sich ab, da er Small Talk und Freundschaften mit NB für langweilig, uninteressant und Zeitver-

schwendung hält. HB wirken in jungen Jahren langweilig auf NB, weil diese es vorziehen, Partys und ähnliches zu besuchen. Bei Anlässen und Festen brauchen HB viel Zeit, um auf jemanden zuzugehen. Nimmt oft die Rolle des Beobachtenden und des Zuschauers ein, wirkt wundersam. Hat Mühe, in Gruppen auf jemanden zuzugehen, da unsicher, ob es passt. Hat auch Sorge, abgewiesen oder komisch angeschaut zu werden. Oft auch verletzend und unfair.

Im Holländischen nennt man HB auch »alte Seelen«.

Fühlen – Spüren – Empfinden

Verhaltensweisen Hochbegabte

Wirkung auf Normalbegabte

Wechsel-

wirkungen und allgemeine Ergänzungen

hohes Einfühlungs-

vermögen und Mitgefühl (in das Gegenüber »schlüpfen«)

sehr verständnisvoll, rücksichtsvoll, »mitleidend«, hilfsbereit, empathisch

Irritation bei NB. Passt nicht ins Bild, das der HB sonst abgibt (abgrenzen, viel denken, »hart« mit Mitmenschen). HB identifizieren sich zu stark mit dem Gegenüber, NB »delegieren« eigene Aufgaben an HB oder »saugen« Energie ab. Alternativ werden NB wütend und gemein, wenn sie nicht die erwartete Hilfe erhalten.

gesteigerte Sensibilität und Reizempfindlichkeit: Lärm, Licht, Gerüche, körperlicher Schmerz, Berührung, Menschenmenge

Mimose, Jammerlappen, wehleidig, Simulant

HB fühlen sich nicht ernst genommen. Müssen sich oft rechtfertigen für ihre Sensibilität. HB fühlen sich in solchen Situationen ungerecht behandelt.

hohe emotionale Wahrnehmung

NB realisiert, dass HB komisch auf ihn wirkt, zudem immer stiller wird und sich noch mehr zurücknimmt. NB interpretiert das als Abweisung.

HB empfindet sehr früh Unstimmigkeiten, Doppelbödigkeiten, Unehrlichkeit. Können dies aber häufig nicht sofort beim Namen nennen.

Handeln – Agieren – Engagement

Verhaltensweisen Hochbegabte

Wirkung auf Normalbegabte

Wechsel-

wirkungen und allgemeine Ergänzungen

eigenständiges Handeln und Umsetzen

starkes Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Freiheit

egoistisch, nicht teamfähig. Will sich profilieren. Besserwisser.

Die Zusammenarbeit mit NB ist für HB schwierig, denn sie müssen sich an NB anpassen. Allein zu arbeiten ist für sie schneller und weniger stressig. Dies bedeutet nicht, dass HB glauben, alles besser zu wissen, und dass die NB nicht so gut seien wie sie. HB wissen genau, was sie wollen, und es ist einfacher, dies unabhängig zu tun, als zuerst dem NB erklären zu müssen, was man vorhat. HB werden deshalb oft in der Schule und im Berufsleben ausgegrenzt, wenn nicht gar gemobbt.

Wie können Hochbegabte ihr Anderssein erkennen?

Der erste Schritt im Umgang mit dem Anderssein ist, auf Basis der oben genannten Wechselwirkungen oder anhand der Persönlichkeitsmerkmale (▶ Anhang) die eigene Hochbegabung zu erkennen. Dabei geht es einerseits um Selbsteinschätzung(2) und andererseits um eine Fremdeinschätzung(1) durch eine Person im persönlichen Umfeld oder eine Fachperson, die auf Hochbegabung/Hochsensibilität(1) spezialisiert ist (▶ Kapitel H = Hochsensibilität). Im besten Fall ist sie ebenfalls hochbegabt. Hochbegabte können nur lernen, anders mit ihrem Anderssein umzugehen, wenn sie erkennen und akzeptieren, dass sie zur Gruppe der Talentierten gehören. Das gilt für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene. Letztere trifft die Erkenntnis oft spät und deshalb haben sie es schwerer, ihre Besonderheit zu akzeptieren und mit ihr umzugehen. Vieles in ihrem Leben ist und war geprägt von der Unwissenheit um ihre Talente und Veranlagung, was Spuren hinterlassen und den Lebenslauf bestimmt hat.

Sobald sie von ihrer Hochbegabung erfahren, wird den meisten Betroffenen klar, dass ihre Fähigkeit komplexer ist als ein klassisches Testergebnis. Die Eigenschaften und Grundmuster lassen zwar keine wissenschaftlichen Rückschlüsse auf den angeblich genau messbaren IQ eines Menschen zu, wir erleben jedoch, dass die Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen dieser Menschen wertvolle Hinweise auf eine überdurchschnittliche Intelligenz oder Hochbegabung geben. An diesem Punkt kann eine IQ-Testung bzw. eine Hochbegabtendiagnostik, die die Persönlichkeit und deren Biografie erfasst, wertvoll sein. Aufgrund unseres Erfahrungswissens erachten wir diese zusätzliche Diagnostik nicht als zwingend. Einige Persönlichkeiten möchten mit einem zusätzlichen Test oder einer speziellen Diagnostik jedoch Details erfahren bzw. Sicherheit und Gewissheit erhalten.

In den folgenden Kapiteln versuchen wir anhand von Prägungen, Spuren, Fragezeichen, Zweifeln, Facetten, Missverständnissen und letztlich auch Verletzungen durch das Unverständnis auf beiden Seiten mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Zugleich werden wir in verschiedenen Kapiteln Lösungsansätze und Vorschläge für einehöhere Lebensqualität von Betroffenen skizzieren. Im Kapitel Z = Zuversicht zeigen wir umfassend auf, welche Bedingungen und Voraussetzungen nötig sind, damit hochbegabte Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Zukunft mehr Akzeptanz und Normalität in der Gesellschaft erleben können. Wir werden zwischen Verhaltensweisen bzw. Persönlichkeitsmerkmalen immer wieder Querverbindungen aufzeigen, die sich quasi wie ein roter Faden durch das Leben von Hochbegabten ziehen. Dabei führen wir beide Sichtweisen auf, das Leben mit der unerkannten Begabung und das Wissen um sie.

In unseren Praxen und auch persönlich haben wir erlebt, dass es eine Entlastung, ja fast eine Erlösung ist zu wissen, was der eigentliche Grund für Kummer im Leben ist und war. Entgegen vielen Meinungen und euphorisch anmutenden Aussagen in der Fachliteratur empfinden wir das Leben nach dieser Erkenntnis jedoch nicht nur als Geschenk und neue, unübertreffliche Lebensqualität. Das wäre zu einfach gefasst. Eine persönliche Anmerkung: Wir drei hochbegabten/hochsensiblen Autorinnen sind weder schwermütig noch introvertiert. Wir sind eigenständige Frauen, lebensfroh und voller Ideen und engagieren uns für eine realistische Aufklärung bezüglich Hochbegabung und Hochsensibilität. Es geht auch nicht nur darum, das eigene, ungeahnte Potenzial auszuleben, denn das Leben wird auch nicht einfach »leichter«, sondern vielmehr besser versteh- und nachvollziehbar.

Ein Leben mit Hochbegabung in Kombination mit Hochsensibilität ist auch im 20. Jahrhundert für die Betroffenen nicht leicht, sie stellen die Minderheit unter ca. 90 Prozent Normalbegabten(1) dar, die wiederum unterteilt werden in verschiedene Stufen der überdurchschnittlichen, der normalen und der Minderbegabung. Selbst wenn die meisten Hochbegabten einfach gerne ein normales Leben führen möchten, werden sie in der Gesellschaft auffallen und nur selten auf verwandte Seelen treffen. Die eigene Hochbegabung/Hochsensibilität zu erkennen mindert nicht das Anderssein, doch das Leben wird etwas einfacher.

Seelenverwandtschaft oder Brainspotting – was bedeutet das?

Die Fremdeinschätzung(2) durch eine Person aus dem persönlichen Umkreis oder eine Fachperson, die auf Hochbegabte spezialisiert ist (Beratung, Coaching oder Therapie) geschieht auf zwei Arten. Erkennen wir gleichgelagerte Personen, sprechen wir von einer »Seelenverwandtschaft(1)«. Vom Scheidt (2004) prägte in ähnlicher Hinsicht den Begriff »Brainspotting(1)«. Es bedeutet die Konzentration auf ein einfaches und je nach Interesse, manchmal sinnlos scheinendes Ereignis oder eine Begebenheit (zum Beispiel das Identifizieren von Flugzeugtypen am Himmel oder das Bestimmen von vorbeifahrenden Fahrzeugen nach Typ, Hersteller und Jahr). Das Erkennen von Hochbegabten hat Parallelen, nur ist es etwas anspruchsvoller und komplexer.

Die betroffenen Autorinnen können berichten, dass sie aufgrund ihrer Selbsterfahrung, ihrer »feinen Antennen«, der Wahrnehmung durch denken, fühlen, lernen und handeln eine 99-prozentige Trefferquote erreichen, wenn es darum geht, eine oder einen Seelenverwandten zu erkennen. Dabei verlassen sie sich auf die prägnantesten Erkennungsmerkmale, die Betroffene zeigen. Präzise beschreiben lässt sich dieses Erkennen nicht. Unter Seelenverwandtschaft versteht man auch Verbindung, Einklang, Gemeinsamkeit, Übereinstimmung und Herzenssache oder Herzensneigung. Genau das spüren wir in der Begegnung mit nichterkannten oder erkannten hochbegabten bzw. hochsensiblen Menschen. Wir erkennen eine Übereinstimmung, unser Radar empfängt quasi die Gemeinsamkeit unseres Talents.

Kernaussagen

»Hochbegabung« ist kein einheitlich genutzter Begriff. Daher ist es wichtig, die jeweils gemeinte Definition zu klären, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Hochbegabung hat viele Facetten. Davon ist die »intellektuelle Hochbegabung« diejenige, die nach aktuellem Stand am besten mithilfe einer fundierten Intelligenzdiagnostik erfasst werden kann.

Die typischen Merkmale von Hochbegabten führen im Umgang und in Wechselwirkung mit Normalbegabten häufig zu Missverständnissen und Fehlannahmen.

Durch sachliche und wohlwollende Aufklärung können diese Missverständnisse zum Teil ausgeräumt werden, um einen möglichst großen Konsens zwischen Hoch- und Normalbegabten zu erreichen.

B Bewunderung und ihre Auswirkungen

Was wir gestern bewundert, hassen wir heute, und morgen,

vielleicht verspotten wir es mit Gleichgültigkeit.

Heinrich Heine

Warum Bewunderung für Hochbegabte?

Wird in der Literatur überhaupt die Bewunderung für Hochbegabte thematisiert, fallen darüber nicht viele Worte. Ausnahme bildet das Buch von Scheer (2020). Er spricht von Hochbegabten, die vornehmlich bewundert werden, wenn wir uns mit ihnen als »unsere« Helden identifizieren können. Als Schweizerinnen und Schweizer kommt uns aktuell natürlich das Tennisidol Roger Federer (körperlich-kinästhetische(1) Intelligenz) in den Sinn, als Holländerin denken wir an André Rieu ((2)musikalisch-künstlerische(1) Intelligenz) und als Deutsche an Helmut Schmidt (soziale Intelligenz) oder Vicco von Bülow, bekannt als »Loriot« (humoristische Intelligenz(1)). Interessanterweise sind sich die meisten Normalbegabten und normalen Hochbegabten in ihrer Bewunderung von vielen Personen einig. Zu ihnen gehören Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven (musikalische Intelligenz(2)), Albert Einstein, Galileo Galilei (abstrakt-logische Intelligenz(1)), Käthe Kollwitz, Vincent van Gogh, Pablo Picasso (räumlich-visuelle Hochbegabung), Sigmund Freud (introspektionsbezogene Hochbegabung), Hannah Arendt (abstrakt-philosophische Intelligenz(1)) oder Pina Bausch (motorisch-kreative(1) Intelligenz). Verehrt und geachtet werden sie vor allem aufgrund ihrer großen und einzigartigen Leistungen. Allen gemeinsam ist aber auch, dass sie oft zugleich als ver-rückt, bizarr, befremdlich, befremdend und zum Teil als egoman und schwierig beschrieben werden.

Diese Art von Bewunderung bezieht sich fast ausschließlich auf die Leistung des Menschen und nicht auf seine Person als Ganzes. Wir erleben oft, dass Hochbegabte nicht als vielschichtige Menschen akzeptiert werden, sondern entsprechend ihrer Leistung, ihrem Können. Es gibt sie also, die Bewunderung für Höchstleistung oder extreme Leistung. Dieser Respekt für aufsehenerregende Hochbegabung ist eine Momentaufnahme und leistet keinen Beitrag dazu, Hochbegabte mit einem IQ zwischen 120 und 145 zu verstehen (▶ Kapitel A und I). Im Alltag dieser Ausnahmetalente sieht es meistens nicht viel anders aus als im Leben von Normalbegabten. Wir sind der Überzeugung, dass die Facetten der Aus- und Wechselwirkungen von Bewunderung bei extrem Hochbegabten stärker ausgeprägt sind. Je höher der IQ, desto stärker »die Nebenwirkungen« wie etwa Energie/Flow-Phasen und Erschöpfung oder Visionen und Selbstzweifel (vgl. Brackmann, 2020).

Wie steht es mit der Bewunderung bei normalen Hochbegabten?

Auch normal Hochbegabte rufen Bewunderung hervor, die oft mit Irritation einhergeht. Besonders auffällig ist es, wenn Kinder und Jugendliche nicht altersentsprechend Fragen beantworten, einen Wortschatz verwenden, der schon fast erwachsen klingt, differenziert Fragen stellen, die die Vielfalt ihrer detaillierten Wahrnehmung und ihren Wissensdurst zeigen. Um herauszufinden, was bei Erwachsenen Bewunderung auslöst oder oft als Irritation wirkt, haben wir dazu verschiedene Personen aus dem Berufsfeld, der Familie und dem Bekanntenkreis befragt. Auf die Frage »Was ist eine Hochbegabung?« bekamen wir eine interessante und breite Palette an hervorstechenden Kennzeichen zur Antwort: »an einer Sache dran bleiben, ein Ziel ›verbissen‹ zu verfolgen, hohe Ausdauer, rasche Auffassungsgabe, Schnelligkeit des Denkens, analytische Fähigkeiten, Wissbegierde für verschiedene Themen, vorhandenes Wissen auf verschiedensten Gebieten, ernsthafte und tiefreichende Recherche bei Mangel an Wissen, fast immer eine fundierte Antwort auf Fragestellungen abrufen können, mit wenig Informationen eine Situation erfassen und einschätzen, vorausschauend, unermüdlicher Einsatz für Gerechtigkeit (nicht locker lassen, bis das Ziel erreicht ist oder auch die letzte Chance genutzt wurde), ein großes Herz für Tiere und/oder Menschen in schwächeren Positionen, Kreativität, ein langer Atem, wo Normalbegabte schon längst den Bettel hingeworfen hätten, kompromisslos im positiven Sinn, also kein Fähnlein im Wind sein, ehrliche und gradlinige Kommunikation (wie ein Kind unverblümt), Ideenreichtum …«

Leider ist es so, dass Bewunderung oder letztlich Respekt und Achtung Hochbegabten meist nur von den Menschen entgegengebracht wird, für die sie keine Konkurrenz darstellen oder kein Verhältnis von Rivalität oder Machtanspruch besteht.

Weshalb schlägt Bewunderung in Machtkämpfe und unfairen Umgang um?

Wie das Eingangszitat erleben viele Betroffene, dass die Bewunderung oder manchmal Faszination früher oder später in Abwertung, Abgrenzung, Ungerechtigkeit, Mobbing(1) oder Hass ausarten kann. Dabei geht es oft um Selbstbewusstsein, Minderwertigkeitskomplexe und Angst vor Gesichtsverlust des Gegenübers. Diese Problematik stellt sich nicht nur im Berufsalltag, sondern auch im Verein, bei Partys, im Verwaltungsrat, in der Politik, in der Verwandtschaft, in der Familie und in Partnerschaften. Letztlich zeigt sich in allen Bereichen ein ähnliches Muster: Die Normalbegabten(2) ordnen die Verhaltensweisen der Hochbegabten falsch ein (▶ Tab. 1 in Kap. A) oder fühlen sich schlichtweg bedroht, infrage gestellt oder haben Angst um ihre Position. Es ist für Normalbegabte bestimmt nicht einfach, die vermeintliche »Überlegenheit« von Hochbegabten auszuhalten, zu akzeptieren und sie richtig einzuordnen.

Menschen, die uns nahestehen, bestätigen, dass es manchmal schwer sei, immer im Denken langsamer zu sein, langsamer zu sprechen und Ideen oder Vorschläge einzubringen. Ebenso schwierig sei es, dass diese Tätigkeiten Hochbegabten auch noch mit Leichtigkeit gelinge, während sie sich viel mehr abrackern müssten, um ein nicht annähernd so gutes Resultat zu erreichen. Des Weiteren werden Hochbegabte häufig von ihrem Umfeld als anstrengend wahrgenommen. Manchmal kommen sich Normalbegabte wie »im Schatten« von Talentierten vor.