Hochdosiert Plus - Jeff T. Bowles - E-Book

Hochdosiert Plus E-Book

Jeff T. Bowles

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  • Herausgeber: MobiWell
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Jeff T. Bowles ist in Deutschland durch seinen Bestseller „Hochdosiert“ bekannt, doch das wird seinem Schaffen nicht gerecht. Auf Englisch hat er bereits mehrere Werke veröffentlicht, die durch einen unkonventionellen Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse gekennzeichnet sind. Stets führt er den Leser vergnüglich durch eine Mischung aus hochkarätigen wissenschaftlichen Fakten, auf denen seine Überlegungen und Selbstexperimente aufbauen. Dieser Band enthält zwei seiner Bücher: „Das gejagte Gen: Sex, Hormone und das Geheimnis des Alterns“ sowie seinen Klassiker „Hochdosiert: Die wundersamen Auswirkungen extrem hoher Dosen von Vitamin D3“. In „Das gejagte Gen“ schreibt Bowles gegen den genfixierten Darwinismus eines Richard Dawkins an und fragt sich, warum Säugetiere wie wir Menschen Sex haben und warum die Evolution immer zugunsten von Sex und Alterung selektiert. Bei der Betrachtung der damit verbundenen Hormone und diverser Organismen, die aus der Norm schlagen, kommt er zu dem Schluss, dass der Alterungsprozess programmiert sein muss. Darauf bauen seine Tipps auf, wie man ihn mit natürlichen Hormonen, Vitaminen und anderen Mitteln verlangsamen kann. „Hochdosiert“ dokumentiert das einzigartige Selbstexperiment des Autors. Mit extrem hohen Dosen von Vitamin D3 ist es Bowles gelungen, sämtliche chronischen Krankheiten auszuheilen, die ihn teils mehr als 20 Jahre lang geplagt hatten. Er schreibt: „Nachdem ich erkannte, dass die Einnahme von 4.000 IE/Tag für mich nicht ausreichend waren, entschied ich mich für ein ‚gefährliches‘ Experiment, das allem widersprach, was mir Ärzte seit Jahren gesagt hatten: DASS DIE EINNAHME VON ZU VIEL VITAMIN D GEFÄHRLICH SEI. Ich begann mit der Einnahme von täglich 20.000 IE/Tag – was der 150-fachen empfohlenen ‚sicheren‘ Dosis entsprach – und dann steigerte ich meine Dosis auf 100.000 IE/Tag, oder auch auf das 300-fache der als ‚sicher‘ eingestuften Dosis! Und was, meinen Sie, passierte dann mit mir in den letzten 10 Monaten? Bin ich gestorben? Oder krankgeworden? Nein! Genau das Gegenteil!“

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Jeff T. Bowles

Hochdosiert PLUS

Das gejagte GenSex, Hormone und das Geheimnis des Alterns

Das gejagte GenDie wundersamen Auswirkungen extrem hoher Dosen von Vitamin D3

Erste Auflage, 2019

Deutsche Übersetzung: Peter Hiess

Korrektur: Alexander Böhm

Layout: Inna Kralovyetts

www.mobiwell.com

© Mobiwell Verlag, Immenstadt 2019

Nachdrucke oder Kopien dieses Buchs, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

ISBN: 978-3-944887-55-5

HAFTUNGSAUSSCHLUSS DES VERLAGS

Die in diesem Buch wiedergegebenen Ratschläge des Autors stellen keinen medizinischen Rat dar und können einen solchen auch nicht ersetzen. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt, bevor Sie die folgenden Empfehlungen umsetzen. Unser Verlag kann keine Haftung für etwaige Risiken bei der Einnahme ungewöhnlich hoher Dosen von Vitamin D übernehmen.

Einleitung zur Einleitung

„Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass ihre Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.“

Max Planck, 1949

Die erste Ausgabe des vorliegenden Buchs trug einen anderen Titel und hätte eigentlich ein Bestseller werden sollen – aber aus irgendeinem Grund vegetierte sie auf dem Markt vor sich hin. Dabei hatte sie hervorragende Rezensionen, deren nützlichste unter der Überschrift „Das beste Buch über Evolution, das je geschrieben wurde“ erschien und von jemandem stammte, der praktisch alle wichtigen Bücher über Evolution gelesen hatte.

Der Titel der besagten ersten Ausgabe lautete „Das selbstlose Genom“ und bezog sich eindeutig auf das berühmt-berüchtigte Werk „Das egoistische Gen“ von Richard Dawkins. Wie Sie auf den kommenden Seiten sehen werden, habe ich Dawkins’ Buch sozusagen als Vorlage benutzt, um jedes einzelne seiner Argumente zu widerlegen.

Aber nun erscheint das Buch unter einem anderen Titel und erstmals auch in deutscher Sprache, damit es mehr Leser findet. Ansonsten hat sich nichts daran geändert – abgesehen von der Hinzufügung eines neuen Kapitels gegen Ende, das ein letztes verwirrendes Rätsel aufklärt.

Einleitung

Die meisten Leser, die wenigstens ein bisschen mit der Evolutionstheorie vertraut sind, haben eine allgemeine Vorstellung davon, wie Evolution funktioniert. Der vorherrschenden Meinung zufolge schreitet sie durch einen Kampf zwischen Individuen voran – es geht um das Überleben der Stärkeren beziehungsweise der am besten Angepassten. In diesem Kampf strebt jedes Individuum danach, möglichst viele seiner Gene zu verbreiten, indem es überlebt und sich fortpflanzt. Arten entwickeln sich weiter, indem gute Gene schlechte verdrängen. Dieses Konzept wurde auf eine einfache und heute sehr bekannte Phrase verkürzt: „das egoistische Gen“.

Es war Richard Dawkins, der in seinem gleichnamigen Buch dieses Bild der Evolution am populärsten machte. In „Das egoistische Gen“ beschreibt der Autor, wie es in der Evolution einfach nur darum geht, dass Gene mehr und mehr Kopien von sich selbst anfertigen wollen, indem sie Menschen und andere Organismen als Werkzeug für ihre Replikation benutzen. Diese Ansicht erklärt zwar vieles von dem, was wir in der Realität wahrnehmen, liefert jedoch keinerlei Erklärung für ein paar eklatante Ausnahmen.

Sex – also geschlechtliche Fortpflanzung – und Altern sind die offensichtlichsten Ausnahmen vom Paradigma des egoistischen Gens. Warum? Nun ja, wenn sich zur Vermehrung zwei Individuen im Geschlechtsverkehr vereinigen müssen, bedeutet das, dass jeder Elternteil nur die Hälfte seiner Gene an die Nachkommenschaft vererben kann. Ginge es bei der Evolution wirklich ausschließlich darum, möglichst viele Kopien von Genen herzustellen, dann dürfte es keinen Sex geben, sondern jeder Elternteil müsste sich klonen können, um dem Nachwuchs 100 Prozent seiner Gene weiterzugeben.

Klonale (also asexuelle) Vermehrung ist nicht unmöglich und kommt im Tierreich ziemlich häufig vor. Interessanterweise ignorieren die Vertreter der These vom egoistischen Gen aber meist jene Tierarten, die sich ausschließlich oder gelegentlich durch Klonen fortpflanzen – wahrscheinlich, weil es ihnen dadurch noch schwerer als ohnehin schon fällt, die geschlechtliche Fortpflanzung zu erklären. Stattdessen versuchen sie krampfhaft und mit allerlei theoretischen Tricks, Sex in ihr Denksystem einzubauen. Wie wir später noch sehen werden, ist dies aber nicht möglich.

Ein Beispiel für Tiere, die sich ohne zweigeschlechtliche Befruchtung fortpflanzen können, sind etwa die in Arizona und New Mexico vorkommenden Schienenechsen, von denen bei einigen Arten nur Weibchen existieren, die sich ausschließlich durch Selbstklonung fortpflanzen. Sie legen lebensfähige, aber unbefruchtete Eier, aus denen nur identische Klone ihrer Mutter schlüpfen. Damit vererben sie 100 Prozent ihrer Gene statt nur 50 (siehe Foto).

Es gibt noch einige andere Beispiele aus dem Tierreich, auf die ich später genauer eingehen werde – zum Beispiel die Stab- und Gespenstschrecken, die sich seit mehr als 100 Millionen Jahren ohne Sex fortpflanzen.

Anscheinend ist das Paradigma vom egoistischen Gen zumindest in diesem Punkt falsch, sonst würden sich ja alle Organismen auf unserem Planeten durch Klonen fortpflanzen. Stattdessen vermehrt sich der überwiegende Großteil der Arten geschlechtlich.

Doch es gibt noch einen anderen schweren Mangel in der Theorie von Dawkins und Konsorten: die Tatsache des Alterns. Wenn ein Organismus verfällt, bis er schließlich an Altersschwäche stirbt, kann er sehr viel weniger egoistische Gene weitergeben als ein nicht alternder Organismus, der sich unendlich lang fortpflanzt.

Wie die Egoistisches-Gen-Theoretiker dieses Problem umgehen konnten? Ganz einfach: Indem sie erklärten, dass „Tiere in freier Wildbahn nicht alt werden“. Das impliziert, dass alle Organismen in wahnsinnig gefährlichen natürlichen Umgebungen existieren, wo sie nicht lange genug am Leben bleiben, um zu altern. Die offensichtlichste Tatsache zur Widerlegung dieser Idee ist die weibliche Menopause. Sie sorgt dafür, dass Frauen in relativ jungem Alter und einer im Allgemeinen sicheren Umgebung die Fähigkeit zur Fortpflanzung verlieren. Man könnte aber durchaus sagen, dass Frauen „in freier Wildbahn alt werden“.

Ergänzt man das Paradigma vom egoistischen Gen jedoch durch das neue Konzept der „Jäger-Selektion“, dann lassen sich die erwähnten Ausnahmen problemlos erklären. Das gilt auch für andere nur schwer zu beantwortende Fragen in der Mainstream-Evolutionslehre – zum Beispiel, warum Homosexualität im Tierreich so häufig vorkommt.

Ich habe den Begriff „Jäger-Selektion“ geprägt, um damit die evolutionäre Kraft zu erklären, die der Ausbreitung des egoistischen Gens entgegenwirkt, indem sie die Vermehrungstätigkeit des einzelnen Individuums einschränkt. Die Verbreitung der Gene eines Individuums wird durch die Jäger-Selektion begrenzt, sodass die Art, der dieses Individuum angehört, nicht aus einem Mangel an genetischer Vielfalt ausstirbt. Wie im Folgenden gezeigt wird, schränkt die Jäger-Selektion den Beitrag des einzelnen Individuums zum Genpool ein, indem sie zugunsten geschlechtlicher Fortpflanzung und Alterung sowie anderer, nur schwer erklärbarer Merkmale wie Homosexualität selektiert.

Sind es nämlich nur wenige Individuen, die für die meisten Gene im Genpool einer Spezies verantwortlich sind, dann wird die Population zunehmend identisch. Dadurch erhöht sich die Gefahr ihres Aussterbens, wenn sie auf einen massiv wirksamen Tötungsfaktor trifft. Das kann ein Virus, eine Bakterie, ein Pilz, aber vor allem ein sich evolutionär entwickelnder Jäger (= Prädator) sein.

Spätestens an dieser Stelle werden die meisten Anhänger der Theorie vom egoistischen Gen wahrscheinlich empört ausrufen: „Halt! Es gibt keine logische Erklärung dafür, wie etwas, das für ein Individuum negativ ist, sich trotzdem entwickeln kann, weil es gut für die Gruppe ist.“ Aber keine Angst – ich werde solche Einwände auf den folgenden Seiten auf logische und ganz einfache Art ausräumen.

Eigentlich könnte man ja die Jäger-Selektion genauso gut auch als „Artenselektion“ bezeichnen. Das hätte ich auch getan, wäre dieser Begriff nicht durch andere Evolutionstheoretiker entwertet worden, die mit der Idee herumgespielt, sie aber in keine produktive Richtung weiterentwickelt haben.

So stellte beispielsweise der berühmte und mittlerweile verstorbene Biologe Stephen Jay Gould die These auf, dass es eine Artenselektion auf absolut hohem, makroevolutionärem Niveau geben könnte, die sich in Massenaussterben durch Meteoriteneinschläge und Ähnlichem manifestiert. Er vermutete, dass manche Artengruppen mit bestimmten gemeinsamen Merkmalen ein derartiges Massenaussterben überleben könnten, während größere Artengruppen ohne diese Merkmale untergehen würden. Allerdings fand er keine Beispiele für diese These und war nicht einmal imstande, sich ein plausibles hypothetisches Fallbeispiel auszudenken.

Ich konnte feststellen, dass die Artenselektion nicht auf einem Makro-Niveau, sondern vielmehr in sehr kleinem Maßstab auf der Ökosystem-Ebene stattfindet. Meiner Definition nach agiert sie auch nicht in riesigen Abständen von mehreren Jahrmillionen gleichzeitig auf dem gesamten Planeten; vielmehr arbeitet sie kontinuierlich und fast überall gleichzeitig, aber eben auf einer niedrigen Ökosystem-Ebene.

Da sich diese Definition so sehr von der allgemein bekannten unterscheidet, beschloss ich also, den ohnehin geeigneteren Begriff „Jäger-Selektion“ ins Spiel zu bringen.

Wenn Sie das vorliegende Buch ausgelesen haben, werden Sie nicht nur wesentlich mehr über die Evolutionstheorie wissen, sondern auch darüber informiert sein, dass Darwin und Dawkins weite Bereiche dieser Theorie einfach übersehen haben. Die beiden hatten nur zur Hälfte recht. Dennoch wird Darwin auch nach Veröffentlichung meines Werks ein wahrer Held der Wissenschaft bleiben, weil es ihm zu seiner Zeit einfach an den nötigen Informationen fehlte, um die andere Hälfte der Evolutionstheorie zu formulieren.

Die Lektüre der folgenden Seiten wird Ihnen sicher etliche Aha-Momente bescheren. Zudem werden Sie erkennen, dass eine korrekte Vervollständigung der Evolutionstheorie keineswegs eine rein akademische Übung ist. Dieses Buch verrät Ihnen nämlich auch, wie Sie Ihre Hormone dazu bringen können, den Alterungsprozess zu verlangsamen, eine Zeitlang aufzuhalten und gelegentlich sogar umzukehren. Es ist sozusagen die erste Evolutionstheorie mit praktischen Anwendungen …

Das hier behandelte Thema scheint auf den ersten Blick eines zu sein, das man auf streng wissenschaftliche Art für Evolutionsbiologen aufarbeiten sollte. Andererseits hat es eine Botschaft, die für jeden denkenden Menschen interessant ist. Ich werde daher nicht langweilig vor mich hin schwadronieren, sondern Ihnen meine Informationen ebenso lesbar wie unterhaltsam (und mit vielen Bildern) präsentieren. Teile des vorliegenden Buchs werden Ihnen politisch nicht ganz korrekt erscheinen – wahrscheinlich zu Recht. Aber die Evolution ist eben manchmal politisch unkorrekt.

Ich habe die Argumente, die Dawkins in seinem Buch „Das egoistische Gen“ anführte, als Grundlage für meine Ideen und Gegenargumente benutzt. Damit wollte ich aber keineswegs Dawkins alleine herausgreifen. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Werk repräsentiert er einfach nur sämtliche Theoretiker, die nach Darwin in Erscheinung traten und die klassische Evolutionstheorie um ihre Thesen ergänzten, in denen das egoistische Gen eine Vorrangstellung einnimmt. Wenn auf den folgenden Seiten Dawkins in Frage gestellt wird, dann gilt das auch für alle anderen Vertreter der Theorie vom egoistischen Gen – von Medawar und Williams über Fisher, Wright, Smith, Haldane und Hamilton bis hin zu Charlesworth. Doch es war Dawkins, der die Arbeiten dieser Forscher den Massen zugänglich machte.

Wie sich herausstellt, haben Dawkins und Konsorten heute zur Hälfte recht und werden vielleicht irgendwann in ferner Zukunft, wenn die Evolution ausgedient und ihre Aufgabe erledigt haben wird, zu 100 Prozent recht haben. Bis dahin steht die Evolutionstheorie vom egoistischen Gen allerdings noch vor einigen Stolpersteinen, die überwunden sein wollen. Und genau das passiert in diesem Buch.

Nachdem das geklärt ist, können wir uns ja endlich mitten in die Diskussion stürzen. Und die möchte ich auf ähnliche Weise beginnen wie Dawkins in seinem berühmten Buch: mit kindlichen Überlegungen.

Vorwort

Als ich ein Kind war, hatte ich einen Hund namens Otto. Er war ein Deutsch Kurzhaar, also kein allzu großer Hund. Wir bekamen ihn, als ich sieben war. So sah Otto aus:

Mit 16 Jahren steckte ich immer noch in der Pubertät, aber Otto wurde bereits alt. Das Fell um sein Kinn ergraute und er begann an Arthritis zu leiden, war langsamer und weniger energiegeladen als in jungen Jahren. Als ich 19 war, mussten wir ihn einschläfern lassen, weil er schon so altersschwach war, dass er sein Leben nicht mehr genießen konnte, sondern nur mehr litt. Er war nur etwa 12 Menschenjahre alt, aber eben 84 Hundejahre und damit ein Greis. Und ich hatte noch nicht einmal das Mindestalter erreicht, um mir ein Bier kaufen zu dürfen.

Dadurch kam ich schon in jungen Jahren auf den Gedanken, dass der Alterungsprozess einfach programmiert sein musste. Wie sonst wäre es möglich, dass zwei Tiere – ich, der Mensch, und Otto, der Hund –, die aus fast demselben Fleisch und Blut bestanden, in so drastisch unterschiedlichem Tempo altern? Der gesunde Menschenverstand brachte mich zu dieser Erkenntnis und ich war fest überzeugt, dass die Wissenschaft ebenfalls über diese Altersprogrammierung Bescheid wissen musste.

Mit ungefähr 28 Jahren orientierte ich mein Leben neu und brachte von da an den Großteil meiner Zeit damit zu, ein Mittel gegen das Altern zu finden. Ich war fast 30, als ich mich wieder an der Universität einschrieb, wo ich alles lernen wollte, was mit den Fakten über das Altern zu tun hatte. Ich nahm an, dass das Altwerden theoretisch bereits zweifelsfrei abgeklärt sei. Für mich war es ganz eindeutig ein programmierter Vorgang, also interessierte ich mich auch nicht für die Theorie, sondern nur für Erkenntnisse, die ich aus den Fakten ableiten konnte.

Anfangs verbrachte ich meine Studienzeit damit, jene Fakten über das Altern zu erlernen, die keine Beherrschung schwieriger Kenntnisse aus den Biowissenschaften erforderten. Ich schloss sozusagen mit der Evolution von oben nach unten Bekanntschaft, befasste mich zuerst mit dem Gesamtbild und lernte als Letztes über die kleinen Einzelheiten – Biochemie, Gene und DNS. Die Ausbildung der meisten Mainstream-Evolutionsbiologen verläuft in genau umgekehrter Richtung.

Während ich darauf wartete, dass ich endlich die vorbereitenden Kurse und Seminare für die eher fachspezifischen Lehrveranstaltungen (die mit den kleinen Einzelheiten) hinter mich bringen konnte, hing ich fest und war praktisch dazu gezwungen, mich mit dem Gesamtbild zu beschäftigen. Und das tat ich mit geradezu besessenem Eifer.

Somit erfuhr ich die übergeordneten Fakten über das Altern als Erstes. Dazu gehörte:

die unterschiedliche Lebensdauer verschiedener Arten; welche Organismen mit erstaunlicher Langlebigkeit es gibt; welche Organismen gegen Ende ihres Lebens einem rapiden Alterungsprozess unterworfen sind und schnell sterben; welche Tiere/Organismen physisch scheinbar nicht älter werden, ganz gleich, wie lange sie leben; dass es Tiere (nur Weibchen) mit immerhin so komplexem Aufbau wie Truthühner gibt, die sich ohne geschlechtliche Fortpflanzung klonen können; wie die Hormone sich mit zunehmendem Alter verändern; welche Kuren und Diäten sich dazu eignen, den Alterungsprozess zu verlangsamen – beispielsweise starkes Hungern (auch als Kalorienrestriktion bekannt); und welche Substanzen, Nahrungsergänzungen, Hormone und chirurgischen Eingriffe bei manchen Arten die Lebensdauer verlängern konnten.

1998 veröffentlichte ich – ausgehend von meiner naiven Annahme, dass das Altern programmiert sei – meinen ersten Artikel in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Darin traf ich einige Vorhersagen, die zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung lachhaft erschienen, sich seit damals aber als zutreffend erwiesen haben.

Eine dieser Vorhersagen betraf das luteinisierende Hormon (LH), das die Fortpflanzung regelt und von dem ich annahm, dass es mit den Ursachen für die Alterung und speziell mit denen für die Alzheimer-Krankheit zu tun hat. Damals galt es in der Mainstream-Wissenschaft als gesichert, dass Rezeptoren für das luteinisierende Hormon nur in geschlechtsspezifischen Geweben zu finden seien. Die Skeptiker waren ziemlich schockiert, als sich ein paar Jahre später herausstellte, dass besagte Rezeptoren im ganzen Körper und im Gehirn vertreten sind.

Vor einigen Jahren sprang dann auch die US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) auf den LH/Alzheimer-Zug auf und räumte in einer Studie ein, dass eine Verbindung zwischen dem Hormon und der Alzheimer-Krankheit existiert.1

In einer weiteren meiner verrückten Vorhersagen aus dem Jahr 1998 hieß es, dass man bald entdecken würde, dass eine Kleinigkeit namens Epigenetik (eine vornehme Bezeichnung für Proteine, Moleküle und andere Dinge, die Ihre Gene zudecken und sie nicht leicht lesbar machen; ähnlich wie die Isolierung auf einem Kabel) ein wesentlicher Steuerungsfaktor für das Alterungsprogramm ist. Diesmal dauerte es nur zwölf Jahre, bis die ersten Aufsätze von Altersforschern erschienen, die dasselbe behaupteten und auch Beweise dafür lieferten.2

Kurz nach Veröffentlichung meines ersten wissenschaftlichen Aufsatzes war jedem klar, dass ich einen völlig falschen Ansatz gewählt hatte. Die renommiertesten Altersforscher der Welt ließen mich wissen, dass ich keine Ahnung vom Altern hätte und schon vor langer Zeit geklärt worden sei, dass der Alterungsprozess nicht programmiert, sondern nur ein zufälliges Artefakt der Evolution sei. Ich war jedoch überzeugt, dass ich recht hatte, und nahm mir noch einmal die Thesenpapiere dieser eminenten Gelehrten vor, um ihnen nachzuweisen, wo sie sich geirrt hatten.

Meine Mission, alle Fakten über das Altern zu sammeln und das Rätsel zu lösen, wie und warum wir altern, dauert nun schon 30 Jahre an. Ich brachte viel Zeit in Biologie-, Chemie- und Genetikkursen am College zu, aber noch viel mehr in der Bibliothek der medizinischen Hochschule, wo ich jeden verfügbaren wissenschaftlichen Aufsatz und jede Studie zum Thema Altern und altersbedingte Erkrankungen las.

Kind mit Progerie

Normaler Zellkern (rechts) und Progerie-Zellkern

Wenn ich erfuhr, dass die Krebshäufigkeit im Alter erheblich ansteigt, verbrachte ich ein bis zwei Jahre damit, medizinische Fachzeitschriften daraufhin zu studieren, was Krebs mit der Alterung zu tun hat. Las ich von extrem langlebigen Tieren, dann versuchte ich mit großem Lerneifer deren Gemeinsamkeiten zu entdecken. Ebenso verhielt es sich mit Tieren, die sofort nach der Fortpflanzung schnell altern und versterben – oder auch mit Krankheiten, bei denen der Patient schnell altert.

Es war ein riesengroßes Puzzle, an dem ich acht Jahre lang in der Bibliothek arbeitete, bis ich endlich ein Heureka-Erlebnis hatte und mir die Scheuklappen von den Augen fielen. Zwei Auslöser brachten mich zu diesem Durchbruch: Zuerst fiel mir ein Artikel in die Hände, in dem es um die mikroskopische Analyse der Zellen von Kindern ging, die an Progerie litten – einer Krankheit, die mit überschnellem Altern einhergeht und im Durchschnitt mit zwölf Jahren zum Tod führt.

In dem Artikel ging es darum, dass die DNS in Progeriezellen höchst ungeordnet ist und fast so aussieht, als wäre sie willkürlich in den Zellkern gestopft worden, statt wie sonst straff zu ordentlichen kleinen Knäueln gewickelt und mit äußerster Präzision in der Zelle angeordnet zu sein. Zudem war der Zellkern von Patienten mit Progerie deformiert.

Der zweite Auslöser für mein genetisches Verständnis vom Altern war eine weitere mit massivem Altern verbundene Krankheit, die erst mit der Pubertät einsetzt: das Werner-Syndrom (WS). In dieser Erkrankung finden sich alle mit rapidem Altern einhergehenden Symptome, die auch bei Progerie vorkommen, sowie eine Menge anderer Alterserscheinungen, wie sie auch bei gesunden Menschen auftreten, aber eben nicht so früh und so schnell. Diese zusätzlichen Symptome kommen nur beim Werner-Syndrom vor (mehr dazu später).

Diese zwei Beobachtungen machten mir klar, dass ein Großteil des Alterungsprozesses durch den Verlust von Substanzen bewirkt wird, die sich normalerweise an die DNS heften (Proteine, Moleküle und andere), um die Aktivierung von Alterungsgenen – und damit den Tod – zu verhindern. Diese Erkenntnis hat sich später als wahr herausgestellt.

Wie sich zeigt, ist das Altern nicht auf ein einziges System, sondern auf mehrere unabhängig voneinander agierende Alterungssysteme zurückzuführen. Die Krankheiten Progerie und Werner-Syndrom regten mich also zur Entwicklung einer einheitlichen Theorie des Alterns auf genetischer und molekularer Ebene an. Zuvor hatte ich jedoch einige wichtige Erkenntnisse auf der Ebene des Gesamtbilds, die mir Aufschluss darüber gaben, wie das kleinere Rätsel der Genetik sich ins große Rätsel über den evolutionären Zweck des Alterns einfügt.

Eine bedeutende Erkenntnis erhielt ich durch die Erforschung der Alterungsraten bestimmter Tierarten, die eine außergewöhnlich lange Lebensdauer für ihre Körpergröße haben. Dabei handelt es sich um Tiere, die flugfähig (Fledermäuse, Vögel), intelligent (Menschen, Schimpansen, andere Menschenaffen), mit einem Körperpanzer ausgestattet (Schildkröten, Hummer, Muscheln) oder von anderen isoliert (Tiefseefische, Höhlentiere, unterirdisch lebende Tiere) sind. Zu den Pflanzen mit besonders langer Lebensdauer gehören solche, die auf Berggipfeln oder in der Wüste leben oder aber in ihrer gesamten Biomasse Abwehrgifte enthalten. Was alle diese Organismen gemeinsam haben, ist eine sehr wirkungsvolle Verteidigung gegen Prädatoren.

Mir wurde außerdem klar, dass jene Tiere, die nach jahrelangem unbeeinträchtigtem Leben binnen weniger Tage altern und sterben, eines verbindet: Ihr Alterungsprozess und Tod fanden im Zuge ihrer einmaligen Fortpflanzung statt. Meine neue Betrachtungsweise des Alterns und der Evolution bezieht ein derart rapides Altern in die normale Bandbreite des Alterungsvorgangs ein. Doch die Mainstream-Theoretiker sind angesichts dieser Fälle so ratlos, dass sie eine eigene Kategorie dafür erfinden mussten – die Semelparität, die nichts mit anderen Arten des Alterns zu tun hat. Geht man aber von der neuen Sicht auf die Evolution aus, dann sind schnell alternde Organismen keine Ausnahmen von Alters- oder Evolutionstheorien, sondern hervorragende Ansatzpunkte für ein Verständnis aller anderen Altersvarianten.

Mit diesen neuen Erkenntnissen im Hinterkopf verfasste ich bereits 1996 meinen ersten wissenschaftlichen Aufsatz. Es ging darin um den Versuch einer einheitlichen Theorie des Alterns, in der all die unterschiedlichen Ansätze zu einer großen Theorie zusammengefasst wurden. Ich schickte den Aufsatz an die diversen wissenschaftlichen Journals, doch er wurde sowohl von angesehenen Zeitschriften wie Lancet, Science und Nature als auch von bescheideneren Publikationen wie Experimental Gerontology abgelehnt.

Nach diesem teils persönlichen Auftakt möchte ich nun aber zum Wesentlichen voranschreiten – der zweiten, bislang unbekannten Hälfte der Evolutionstheorie. Fangen wir damit an, dass wir uns das berühmte Dawkins-Buch „Das egoistische Gen“ vornehmen und darin gleich einmal nach den Fakten suchen, die Richard Dawkins mit seiner Grundthese nicht erklären können sollte: Altern, Sex und Menopause.

Zum ersten Thema schreibt er: „Die Antwort auf die Frage, warum wir sterben, wenn wir alt geworden sind, ist kompliziert, und die Einzelheiten gehen über den Rahmen dieses Buches hinaus.“ Im Anschluss daran behandelt er schnell ein paar konkurrierende Theorien und macht dann eine geradezu prophetische Beobachtung: „Nehmen wir zum Beispiel an, es ergäbe sich zufällig so, daß eine Substanz S in den Körpern alter Individuen häufiger vorhanden ist als in denen junger Individuen.“ Und: „Es könnte ebenfalls eine Substanz Y geben, ein ,Kennzeichen‘ für Jugend in dem Sinne, daß sie in jungen Körpern stärker konzentriert ist als in alten.“

Doch am Ende dieser kurzen Analyse winkt er einfach ab und schreibt: „Für die Zwecke unserer Erörterung kommt es jedoch lediglich darauf an, daß die Genselektionstheorie der Evolution ohne Schwierigkeiten die Tatsache erklären kann, daß Individuen gewöhnlich sterben, wenn sie alt werden.“ Und das war’s dann auch schon … damit hat er das Altern in seinem Buch abgehandelt und unter den Tisch gekehrt, von wo es nie wieder hervorkommt. Aus den Augen, aus dem Sinn!

Später geht er genauso schnell über die Existenz der geschlechtlichen Fortpflanzung und des „Crossing-over“ hinweg. Er muss zwar zugeben, dass es beides gibt, merkt dazu aber an, dass es „schwerer zu rechtfertigen“ sei. Crossing-over ist übrigens die Vermischung der Gene aus den zwei elterlichen Chromosomen, bevor neue Geschlechtszellen wie Eizellen und Sperma produziert werden. Jedes Spermium und jede Eizelle enthalten demnach eine zufällige Kombination der Gene von Mutter und Vater statt nur mütterliche oder väterliche Gene. Die Evolution steckt die Gene – einen Satz von der Mutter, einen vom Vater – sozusagen in einen Mixer, bevor sie Geschlechtszellen entstehen lässt.

Dawkins schreibt weiter: „Warum ist die geschlechtliche Fortpflanzung, diese bizarre Entstellung der unkomplizierten Replikation [der Gene], überhaupt jemals entstanden? Wozu ist Sex gut? Diese Frage ist für den Evolutionstheoretiker außerordentlich schwer zu beantworten. Die meisten ernsthaften Versuche enthalten komplizierte mathematische Gedankengänge. Ich werde der Frage, offen gesagt, ausweichen …“

Ein paar Zeilen darunter versucht er Sex mit einem Gen für sexuelle Fortpflanzung zu erklären, das so selbstsüchtig ist, dass es alle übrigen Gene manipuliert, sodass sie nur eine 50-prozentige Chance haben, durch Geschlechtsverkehr weitergegeben zu werden und somit zu überleben. Was für eine wirre Verdrehung seiner eigenen Logik! Da wäre es wohl besser gewesen, wenn er seine diesbezügliche Argumentation mit dem Satz „Ich werde der Frage, offen gesagt, ausweichen“ beendet hätte.

Sehen wir uns aber nun an, was Richard Dawkins über die Menopause zu sagen hat, die der Verbreitung des egoistischen Gens ja ebenfalls stark im Wege steht. In seinem Kapitel „Der Krieg der Generationen“ heißt es, dass „an der Menopause genetisch gesehen etwas ,beabsichtigt‘ ist – dass sie eine ,Anpassung‘ darstellt. Dies ist ziemlich schwer zu erklären.“ Er führt im Anschluss daran die „Großmutter-Hypothese“ als mögliche Erklärung an. Diese Hypothese besagt, dass die Evolution zugunsten der Menopause selektiert habe, um die Gesamtverbreitung der Gene einer Frau zu erhöhen – indem die Frau dabei behilflich ist, ihre Enkelkinder aufzuziehen und damit deren Überlebenschancen zu erhöhen. Nun nennen diese Enkel nur ein Viertel der Gene besagter Frau ihr eigen, während es bei den eigenen Kindern immerhin noch die Hälfte ist. Diese lächerliche Idee wirkt gleichermaßen konstruiert und weit hergeholt und wurde zudem von einer weiteren Studie bereits widerlegt.3

„Das egoistische Gen“ ist trotz allem ein hervorragendes Werk, das in weiten Teilen korrekt erklärt, wie die Evolution auf genetischer Ebene funktioniert. Es ist halt leider nur zur Hälfte vollständig. Der Bottom-up- oder induktive Ansatz von Dawkins, Darwin und anderen Autoren, die das egoistische Gen als einzigen Ausgangspunkt für die Erklärung der Evolution hernehmen, führt sie alle in eine Sackgasse. Die fehlende Hälfte der Evolutionstheorie lässt sich nur finden, indem man vom Gesamtbild ausgeht und sich mittels Deduktion „nach unten“ arbeitet, statt vom Gen ausgehend das Gesamtbild erschließen zu wollen.

Hätten Dawkins und die anderen Darwinisten völlig recht, dann wäre die ganze Welt von „darwinschen Dämonen“ bevölkert. Damit bezeichnet man einen gottlob nur als Gedankenexperiment vorkommenden Organismus, der unmittelbar nach der Geburt mit seiner Reproduktion beginnt, indem er sich einfach klont, ohne jemals alt zu werden oder zu sterben. Ein solches Lebewesen wäre die perfekte Maschine zur Anfertigung von immer mehr Kopien des egoistischen Gens, das irgendwann die ganze Welt übernimmt. Man stelle sich eine rebellische Krebszelle vor, die außerhalb ihres Opfers existieren kann und die Fähigkeiten zur Fotosynthese sowie zum Verzehr jedes beliebigen biologischen Materials entwickelt, um Kopien von sich selbst anzufertigen. Wenn Evolution sich auf das beschränkte, was Darwin und Dawkins behauptet haben, wenn es in ihr nur um den langen Marsch des egoistischen Gens ginge, dann wären solche darwinschen Dämonen nicht nur möglich, sondern die Regel. Für Menschen und andere Lebensformen gäbe es auf einer solchen Welt keinen Platz.

Aber genug von Dawkins. Es war ja ohnehin von vorneherein klar, wo seine Theorie Lücken haben würde. Ein paar Minuten Lektüre haben schon ausgereicht, um festzustellen, dass er und die Schulwissenschaft Altern, Sex und die Menopause innerhalb ihrer Theorie nicht zufriedenstellend interpretieren können. Wenden wir uns nun lieber angenehmeren Dingen zu. Ich werde Sie auf die intellektuelle Reise mitnehmen, die der Veröffentlichung meines Aufsatzes aus dem Jahr 1998 vorausging. Dabei werden wir sämtliche Puzzleteile einpassen, für die es bisher keine plausible Erklärung gibt, und am Schluss ein komplettes Puzzle sowie ein paar befriedigende Schlussfolgerungen zur Hand haben.

Ich lade Sie dazu ein, auf den folgenden Seiten mit mir gemeinsam das Gesamtbild zu erkennen.

1 Wang, L.; Chadwick, W.; Park S. S.; Zhou, Y.; Silver, N.; Martin B. und Maudsley, S.: „Gonadotropin-releasing hormone receptor system: modulatory role in aging and neurodegeneration“ in CNS & Neurological Disorders – Drug Targets, Nov. 2010, 9(5):651–60

2 Rando, Thomas A.: „Epigenetics and Aging“ in Experimental Gerontology, April 2010, 45(4):253–254

3 Hill, K. und Hurtado, A. M.: „Ache Life History: The Ecology and Demography of a Foraging People“ (New York: Hawthorne, 1996)

Kapitel 1

Erste Einblicke: besonders langlebige Tiere

Die ersten Einblicke in das Gesamtbild erhielt ich, als ich mich mit der unterschiedlichen Lebensdauer diverser Arten befasste. Dabei entdeckte ich Diagramme, auf denen die Beziehung zwischen der Körpergröße von Tieren und ihrer Lebensdauer dargestellt war – wie dieses:

Bei Betrachtung dieser Diagramme fiel mir auf, dass die meisten Tiere in der Nähe einer ansteigenden Linie zu finden sind, die Körpergröße auf Lebensdauer bezieht: Je größer ein Tier, desto länger lebt es. Diese Linie erklärt, warum etwa eine Ratte oder Maus nur 2 bis 3 Jahre alt wird, ein Hund schon 15, ein Pferd 40 und ein Elefant 65 Jahre. Interessanter als dieser Zusammenhang waren aber die statistischen „Ausreißer“ – also Tiere, die wesentlich älter werden, als ihre Körpergröße das vermuten ließe. Meist waren nur Menschen (120 Jahre), Fledermäuse (40 Jahre) und einige Vogelarten (90 Jahre) als abweichende Beispiele angegeben, doch schon eine kurze Recherche zeigt, dass es viel mehr solcher Sonderfälle gibt.

Cookie, der älteste lebende Papagei, feiert ihren 82. Geburtstag.

Der älteste Wildvogel der Welt zieht mit 63 Jahren ein Küken auf.

Auf den zwei Bildern links sehen Sie den schottischen Ornithologen George Dunnet und einen Eissturmvogel. Das Bild aus dem Jahr 1951 zeigt den jungen Dunnet, der ein junges, ausgewachsenes Exemplar dieser Vogelart beringt. Auf dem Bild von 1992 sieht Dunnet sehr viel älter aus, während der Vogel sich praktisch nicht verändert hat. Das Geheimnis des Eissturmvogels ist sein Schutz vor Raub und Jagd durch die Fähigkeit zum Fliegen und seine extreme Isolation. Das Tier lebt zum Großteil auf dem offenen Meer und unterbricht seinen Flug nur selten, um eine Weile auf dem Wasser dahinzutreiben. Sein Nest baut der Eissturmvogel auf steilen, unzugänglichen Felsklippen. Er altert nicht, sondern fällt nach Ansicht der Biologen kurz nach seinem 60. Lebensjahr einfach tot um, wenn sein Leben abgelaufen ist. Wie die meisten langlebigen Spezies haben auch Eissturmvögel eine lange Entwicklungsphase und brauchen acht Jahre, bis sie das fruchtbare Alter erreicht haben; zudem legen sie nur ein Ei pro Jahr. Junge Küken haben im Lauf der Evolution gelernt, sich gegen Räuber zu verteidigen, indem sie Angreifern zielgenau ihr ätzendes Magenöl entgegenspeien.

Isoliert lebende Beutelratten auf raubtierfreien Inseln können bis zu 50 Prozent länger leben als Artgenossen auf dem Festland und sind bei Begegnungen mit Menschen erstaunlich zahm – da sie die Angst vor Jägern verloren haben.

Die älteste heute lebende Fledermaus ist ein männliches Exemplar der Großen Bartfledermaus mit mindestens 41 Jahren, die nur 7 Gramm wiegt.

Eine Aldabra-Riesenschildkröte erreichte sogar das hohe Alter von 225 Jahren.

Kleine Dosenschildkröten können etwa 120 Jahre alt werden, wiegen aber weniger als die meisten ausgewachsenen Kaninchen.

Die Islandmuschel kann bis zu 500 Jahre alt werden – und wird nur bis zu 5 Zentimeter dick.

Die Insektenköniginnen leben in einem geschützten Stock oder Hügel und werden zudem von ihren Untertanen beschützt. Dadurch ähneln ihre Lebensumstände denen von Höhlentieren. Die haben nämlich auch eine drastisch längere Lebensdauer als oberirdisch lebende Tiere. So wird der nur 14 Gramm schwere Texanische Brunnenmolch beispielsweise bis zu 100 Jahre alt.

Die Beutelratten

Ameisenköniginnen können bis zu 30 Jahre alt werden.

Termitenköniginnen werden bis zu 50 Jahre alt.

Bienenköniginnen bleiben im Stock und werden 3 bis 4 Jahre alt – ca. 40-mal älter als die durchschnittliche Arbeitsbiene.

Texanischer Brunnenmolch

Sieht man sich die langlebigsten Pflanzen – meist Bäume – genauer an, dann gelangt man ebenfalls zur Erkenntnis, dass die meisten von ihnen eine Verteidigungsstrategie gegen Räuber entwickelt haben und nicht so leicht von Pilzen, Insekten, Tieren oder anderen Pflanzen gefressen werden können. Meist handelt es sich bei diesem Abwehrmechanismus um einen Giftstoff in Rinde, Holz, Blättern oder Samen.

Zur Herstellung von Kommoden, die Kleidungsstücke vor Motten und anderen Schädlingen schützen sollen, wird beispielsweise Zedernholz verwendet. Zufälligerweise kann die Sicheltanne (Japanische Zeder) bis zu 2.300 Jahre alt werden, während der in Kanada und Europa vorkommende Abendländische Lebensbaum aus derselben Familie der Zypressengewächse ein Alter von 1.700 Jahren erreichen kann. Der viertälteste Baum der Welt ist eine Patagonische Zypresse mit 3.644 Jahren, die in einem chilenischen Nationalpark steht.

Wenn man nach termitensicherem Holz sucht, ist man mit Mammutbäumen, Kiefern und Eukalypten bestens beraten. In Australien gibt es einen angeblich 13.000 Jahre alten Eukalyptusbaum. Einige zur Gattung der Sequoia gehörende Mammutbäume sind bis zu 2.200 Jahre alt; manche amerikanische Kiefern sollen 1.700 Jahre alt sein; und die Langlebige Kiefer zählt mit Exemplaren, deren Alter mit bis zu 5.100 Jahren nachgewiesen werden konnte, zu den ältesten Bäumen der Welt.

Zur Abwehr von Zecken wird Wacholderöl empfohlen – und auch der Wacholder gehört der Familie der Zypressengewächse an. Manche Wacholderbäume in Kalifornien sollen ein Alter von mindestens 2.200 Jahren erreicht haben. Bei Eiben sind fast alle Teile giftig. Aus den Blättern der Pazifischen Eibe wird ein Arzneistoff namens Paclitaxel zur Behandlung verschiedener Krebsarten gewonnen. Auch Eiben können bis zu 5.000 Jahre alt werden.

Aus diesen Beispielen geht deutlich hervor, dass eine gute Verteidigung gegen Räuber und Jäger die Entwicklung einer langen Lebensdauer begünstigt. Gift scheint eine der wirksamsten Verteidigungsmethoden zu sein.

13.000-jähriger Eukalyptusbaum, Australien

Langlebige Kiefer, 5.100 Jahre alt

Patagonische Zypresse, 3.644 Jahre alt

Kombiniert man Gifte mit Isolation und einer rauen Umgebung zu einer mehrfachen Verteidigungsmaßnahme, dann kann man schon sehr alte Organismen erhalten – wie zum Beispiel King Clone, einen 11.700 Jahre alten Kreosotbusch in der Mojave-Wüste. Kreosotöl ist giftig für Insekten, Pilze und Bohrmuscheln; es wird gern zur Behandlung von Holz für Telefonmasten, Bahnschwellen und Grubenholz im Bergbau verwendet. Da es bei Menschen Brechreiz erregt, wird es in der Medizin auch als schleimlösendes Mittel eingesetzt.

Kreosotbusch „King Clone“, 11.700 Jahre alt

So interessant die erwähnten Tiere und Pflanzen auch sind – ein Lebewesen verdient besondere Aufmerksamkeit: der in unterirdischen Bauten in Wüsten lebende Nacktmull.

Eine normale Ratte altert schnell und stirbt mit 2 bis 3 Jahren; der ähnlich große Nacktmull wird hingegen gewöhnlich 28 bis 30 Jahre alt.

Nach genauerer Betrachtung dieser langlebigen Tiere wird klar, was sie gemeinsam haben. Sie können sich sehr wirksam gegen Jäger und Räuber verteidigen. Zu ihren Verteidigungsmechanismen gehören:

Nacktmull

Körperpanzerung: Muscheln, Hummer, Schildkröten Flugfähigkeit: Vögel, Fledermäuse Isolation: Tiefseefische, auf Berggipfeln oder in Wüsten lebende Pflanzen und Tiere, Insel-Beutelratten, Nacktmulle, Höhlenbewohner Intelligenz: Mensch (auch Schimpansen und Gorillas werden älter, als ihre Körpergröße vermuten lassen würde) Geschützte Umgebung: unterirdisch lebende Tiere, Insektenköniginnen, Nacktmulle, Fledermäuse

Relative Lebensdauer des Nacktmulls im Vergleich zu anderen Nagetieren

Als erstes Puzzleteil können wir also festhalten, dass Spezies mit gut ausgebildeten Verteidigungsmechanismen gegen Prädatoren über Generationen hinweg eine lange Lebensdauer entwickeln. Der Schutz vor Räubern ermöglicht es der jeweiligen Art, sich so lange wie physisch möglich fortzupflanzen; die natürliche Selektion bevorzugt dann Individuen, die immer älter werden und sich immer länger vermehren können. Die längere Lebensdauer wird dann an künftige Generationen vererbt.

Aus dieser Regel können wir den Rückschluss ziehen, dass die Evolution das Merkmal Altern als Verteidigung gegen sich ebenfalls weiterentwickelnde Räuber selektiert und weitergibt. Wie das genau funktioniert, darauf werden wir später noch eingehen.

Kapitel 2

Zweites Puzzleteil: schnell alternde Tiere

Nach der Betrachtung langlebiger und langsam alternder Tiere war der logische nächste Schritt, mich Tieren zuzuwenden, die eine für ihre Körpergröße extrem kurze Lebensdauer haben. Dieses Thema ist relativ wenig erforscht, aber ich fand zumindest eine Aufstellung von vier solchen Tieren.

Emu: flugunfähiger großer Laufvogel – wird in freier Wildbahn 10 Jahre alt Wallaby: kleine Känguruart – 12 bis 15 Jahre Papuanische Wald-Moschusspitzmaus – maximal 2 Jahre Graufischer: afrikanischer Eisvogel, der über dem Wasser jagt (als einzige Eisvogelart übrigens auch über dem Meer) und sein Nest nahe am Boden anlegt – maximal 4 Jahre

Diese Beispiele schienen für mich darauf hinzuweisen, dass besondere kurzlebige Arten vielleicht für einen frühen Tod durch Raubtiere anfälliger sein könnten – aber als Beweis reichte das nicht aus.

Erst als ich weiterforschte, stieß ich auf einige bemerkenswerte Tiere und Pflanzen, die sehr schnell altern und im Zuge ihrer einmaligen Fortpflanzung sterben. Es handelt sich dabei um semelpare Organismen, die sich nur einmal in ihrem Leben sexuell fortpflanzen und kurz danach (eventuell auch erst nach der Brutpflege) ihr Leben beenden.

In Bezug auf die modernen Theorien zu Evolution und Altern ist dies besonders interessant, da die Altersforscher das semelpare Altern als völlig losgelöst von allen anderen Theorien zur Alterung betrachten. Das liegt mit Sicherheit daran, dass sogar Mainstream-Theoretiker zugeben müssen, dass diese Form des Alterns programmiert und nicht durch allmähliche und zufällige Schäden verursacht ist. Für mich waren diese Arten jedoch keine Ausnahme, sondern ein guter Ausgangspunkt für ein neues Verständnis des Alterns.

Es gibt fünf sehr brauchbare Beispiele für semelpare Organismen: den Pazifischen Lachs, den Raubbeutler, die Weibchen mancher Krakenarten, einjährige Pflanzen und mehrjährige Pflanzen wie manche Bambusarten.

Je nach Bambusart findet die Blüte in einem bestimmten Alter statt – das kann von 40 bis 120 Jahren gehen. Sofort nach der Blüte und dem Fallenlassen der Samen stirbt die Bambuspflanze. Das Interessante daran ist, dass sämtliche Vertreter einer bestimmten Bambusart gleichzeitig blühen und sterben, unabhängig von ihrem Wuchsort auf der Erde.

Bambus – erste Blüte, kurz vor dem Absterben. Alter: 48 Jahre

In einer Studie wurden Hormonveränderungen in der Bambuspflanze gemessen, die dem Blüte-Altern-Sterben-Zyklus unmittelbar vorangingen.4 Dabei stellte sich heraus, dass einige Hormone stärker und andere weniger ausgeschüttet werden. Diese Tatsache wird sich später auf diesen Seiten noch als sehr wichtig erweisen.

Einjährige Pflanzen sterben nach der Produktion von Samen sehr schnell ab.

Weibliche Kraken verhungern nach dem Schlüpfen der Jungtiere. Das zeugt von einem komplexen Selbstmordprogramm, an dem das Nervensystem (verhaltenssteuernd) beteiligt ist. Ein durch die Fortpflanzung ausgelöster Mechanismus signalisiert dem Nervensystem, dass das Krakenweibchen kein Hungergefühl mehr verspürt und deshalb auch keine Nahrung zu sich nehmen muss.

Versuche haben gezeigt, dass die Entfernung optischer Drüsen dieses Verhalten stört, sodass die Krakenweibchen die Fortpflanzung überleben können. Das wiederum deutet darauf hin, dass die Sinneswahrnehmung bestimmter externer Bedingungen für das Verhalten des Krakenweibchens eine Rolle spielen könnte – und es verdeutlicht, dass die Tiere nicht an einer durch die Vermehrungsaktivität ausgelösten Erschöpfung sterben, sondern eben wegen eines Selbstmordmechanismus.

Der männliche Raubbeutler paart sich so lange, bis er blind wird und stirbt.

Pazifischer Lachs im Meer, beim Laichen im Süßwasser und drei Tage nach dem Laichen

Man kann auch auf etwas extremere Art nachweisen, wie negativ die Fortpflanzung sich auf die Lebensdauer auswirkt: durch Kastration. Entfernt man etwa bei einjährigen Pflanzen wie der Sojabohne die Blüten, kann das die Lebensdauer der Pflanze um Monate erhöhen. Tiere, die sich nur einmal im Leben fortpflanzen, können durch Kastration vor der Vermehrung sogar Jahre länger leben. So war es bei Pazifischen Lachsen beispielsweise möglich, die Lebensdauer eines kastrierten Fisches von normalerweise drei Jahren auf mehr als ein Jahrzehnt zu verlängern. Bei Breitfuß-Beutelmäusen aus der Familie der Raubbeutler leben kastrierte Männchen einige Monate länger als unkastrierte. Und es gibt auch Hinweise darauf, dass in Anstalten lebende Männer durch Kastration länger leben. Koreanische Eunuchen, die im Harem des Königs beschäftigt waren und daher kastriert wurden, wurden im Durchschnitt 10 bis 15 Jahre älter als andere Männer. Aus Statistiken über den britischen Adel geht zudem hervor, dass Frauen mit weniger Kindern länger leben – obwohl ein Großteil dieser Daten aus der Zeit vor der modernen Medizin stammt.

Krakenweibchen mit Gelege

Jedenfalls deuten diese Beispiele darauf hin, dass die Fortpflanzung das Leben eines einzelnen Organismus verkürzt; wie zuverlässig die entsprechenden Angaben sind, ließ sich allerdings bisher nicht ermitteln.

Auch die Frage, welche Gemeinsamkeit all diese schnell alternden Pflanzen und Tiere verbindet, kann man nur schwer beantworten. Gibt es irgendein Gift in den Samen, Spermien und Eiern, das zu schnellem Altern und Tod führen könnte? Nach Studien in den 1990er Jahren behaupteten die Altersforscher, dass die rapide Alterung beim Pazifischen Lachs auf einen erheblichen Anstieg des Stresshormons Cortisol zurückzuführen sei. Da der höchste Cortisolwert bei diesen Fischen aber bereits beim Erreichen der Geschlechtsreife und vor dem Laichen auftritt, ist diese Theorie eher unwahrscheinlich.

Das führte mich zur zweiten möglichen Regel des Alterns: Die Alterung wird durch die Wirkung von Sexualhormonen beschleunigt, die einem doppelten Zweck dienen:

Geschlechtsentwicklung und Fortpflanzung auszulösen Den Organismus altern und sterben zu lassen

Auch diese ausgefallene Idee müssen Sie an diesem Punkt natürlich noch nicht als Regel akzeptieren. Vielleicht wird Sie erst das dritte Puzzleteil des Gesamtbilds überzeugen: wie Fortpflanzungshormone sich beim Menschen je nach Lebensalter verändern.

4 Liu, X. H. und Wu, Y.: „Responding relationship between endogenous hormones and hyperspectra reflectance for the different flower­ing stages of Bamboo in Qinling“ in Guang Pu Xue Yu Guang Pu Fen Xi, Sept. 2010, 33(9):2512–8; Abstract: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24369663

Kapitel 3

Drittes Puzzleteil: Veränderungen in den menschlichen Fortpflanzungshormonen im Lauf des Lebens

Fangen wir mit Melatonin an – das üblicherweise nicht als der Fortpflanzung zugehöriges Hormon betrachtet wird. Die meisten werden es als Mittel gegen Schlafprobleme und Jetlag kennen. Bei vielen Tierarten hingegen steuern Veränderungen im Melatoninspiegel sämtliche Aspekte des Paarungsverhaltens, ebenso wie jahreszeitlich bedingte Verhaltensweisen, das Auftauchen von Tarnfarben und so weiter. Melatonin wirkt in erster Linie, indem es den Spiegel anderer Hormone im endokrinen System regelt. Bei Frauen hat sich die allabendliche Einnahme von 75 mg Melatonin als wirksames Verhütungsmittel erwiesen und kann auch die beginnende Menopause wieder rückgängig machen.

Sehen wir uns nun an, wie sich der Melatoninspiegel im Lauf eines menschlichen Lebens ändert:

In der Jugend ist der Melatoninspiegel hoch, danach sinkt er mit zunehmendem Alter drastisch ab.

Sehen wir uns nun zwei weniger bekannte Hormone an, die beim Menschen die Fortpflanzung regeln: das luteinisierende Hormon (LH) und das follikelstimulierende Hormon (FSH). Beide fangen mit Beginn der Pubertät zu wirken an. Sobald ihr Spiegel im Kindesalter zunimmt, regen sie die Bildung der bekannteren Fortpflanzungshormone Östrogen und Testosteron an.

Wie man oben sieht, ändern sich der FSH- und der LH-Spiegel im Lauf eines Menschenlebens ebenfalls sehr stark. Im fötalen und Säuglingsstadium werden sehr hohe Mengen dieser Hormone gebildet, um die Entwicklung vom Kleinkind zum Kind in mehrfacher Hinsicht voranzutreiben. Im Alter von etwa zehn Jahren erfolgt ein neuerlicher FSH- und LH-Anstieg, der die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen befördert, indem er die Pubertät auslöst. Später führen die monatlichen FSH- und LH-Anstiege bei erwachsenen Frauen zur Reifung der Eizellen und deren Transport in die Eileiter, wo sie auf die Befruchtung warten.

Doch erst jetzt kommt der wesentliche Anhaltspunkt dafür, dass an der Fortpflanzung beteiligte Hormone am Alterungsprozess beteiligt sind: Nach dem 50. Lebensjahr steigen FSH- und LH-Spiegel so rasant an wie vordem nur bei sich schnell entwickelnden Säuglingen. Für die Mainstream-Altersforscher handelt sich dabei nur um ein Versehen der Evolution, das keinen bestimmten Zweck verfolgt. Nimmt man jedoch an, dass das Altern programmiert ist, dann weist der drastische LH- und FSH-Anstieg im Alter von 40 bis 50 Jahren deutlich darauf hin, dass das Menopause-Programm gestartet werden soll. Die Wechseljahre zerstören die Fähigkeit einer Frau, weitere Kinder zu bekommen, und tragen nach dem 50. Lebensjahr zum Verfall des weiblichen Körpers bei – wenn auch in langsamerem Tempo als bei schnell alternden Tieren.

Ein ähnliches hormonelles Muster finden wir auch bei Männern um die 50: Der LH- und FSH-Spiegel steigen auf Werte an, wie man sie sonst nur im fötalen und Kleinkindstadium findet, wenn Entwicklung und Wachstum rapide voranschreiten. Für einen 50-jährigen Mann bedeutet diese Entwicklung jedoch Verfall und Vernichtung.

Von diesem Standpunkt aus scheint das menschliche Entwicklungsprogramm perfekt zu funktionieren – und zwar von der Wiege bis zur Bahre.

Auf der vorletzten Abbildung haben wir gesehen, dass der Melatoninspiegel mit dem Alter erheblich abnimmt. Interessanterweise unterdrückt Melatonin die Produktion von LH und FSH; wie wir später noch sehen werden, ist es ein hervorragendes Anti-Aging-Hormon, das die Lebensdauer von Mäusen um 20 Prozent erhöht und wahrscheinlich auch die menschliche Lebensspanne ausdehnen kann.

Interessant ist auch die Folge eines zu schnellen Anstiegs des LH- und FSH-Spiegels bei kleinen Kindern: die sogenannte Pubertas praecox, also das verfrühte Einsetzen der Pubertät. Diese Störung wird mit Leuoprorelin-Spritzen behandelt, die bei den Kindern die Bildung von LH und FSH fast auf null herabsetzen und die verfrühten Hormonsignale unterbrechen.

Doch LH, FSH und Melatonin sind nicht die einzigen Hormone, deren Spiegel im Laufe eines Menschenlebens stark variiert. Es gibt auch eine ganze Reihe von Steroidhormonen, die dieselbe Eigenschaft aufweisen. Diese Hormone entstehen aus Cholesterin und werden in unseren Körpern zu einer Vielzahl von Botenstoffen verarbeitet.

Bei vielen dieser Hormone geht die Produktion im Alter stark zurück – abgesehen vom Stresshormon Cortisol, das auch während des Alterungsvorgangs auf einem hohen Niveau bleibt.

Die fünfjährige Peruanerin Lina Medina war die jüngste bekannte Mutter der Medizingeschichte.

Im Folgenden wollen wir uns einige Hormonveränderungen näher ansehen, die sich mit zunehmendem Alter einstellen.

Pregnenolon

Pregnenolon ist das Hormon, das der menschliche Körper direkt aus Cholesterin herstellt – und damit sozusagen der Urvater aller Steroidhormone. Pregnenolon gilt auch als „Gedächtnishormon“, weil sich im Tierversuch erwiesen hat, dass ältere Ratten und Mäuse nach einer Behandlung damit bei Gedächtnisleistungen ebenso gut abschnitten wie jüngere Tiere. Man verabreicht Menschen auch Pregnenolon, um Schüchternheit zu bekämpfen. In höheren Dosierungen wurde es früher zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis verschrieben; dabei stellte sich heraus, dass Patienten, die eine hohe Dosis Pregnenolon (400 mg täglich) bekamen, sich wohler fühlten und mehr Ausdauer hatten. Auch dieses wunderbare Hormon wird mit zunehmendem Alter bei Männern wie Frauen weniger gebildet.

Progesteron