Hollywell Hearts - Die kleine Farm am Meer - Jennifer Wellen - E-Book + Hörbuch

Hollywell Hearts - Die kleine Farm am Meer Hörbuch

Jennifer Wellen

0,0

Beschreibung

Eine Kleinstadt zum Verlieben: Der Cornwall-Roman »Hollywell Hearts – Die kleine Farm am Meer« von Bestsellerautorin Jennifer Wellen als eBook bei dotbooks. Eine Ziegenfarm am Meer? Tamlyn fällt aus allen Wolken, als sie plötzlich einen kleinen Hof in Cornwall erbt – noch dazu von ihrem Vater, den sie nie kennengelernt hat. Fest entschlossen, das Erbe einfach abzulehnen, fährt sie nach Hollywell: Für Tamy kommt es als Großstadtpflanze nämlich nicht infrage, das aufregende London gegen ödes Landleben zu tauschen! Aber plötzlich gibt es da eine Halbschwester, die ihre Hilfe braucht, süße Angoraziegen, die sie auf Trab halten, und den attraktiven Tierarzt Scott, der von Businessfrauen nicht viel hält. Sie stellen alles auf den Kopf, was Tamy über ihre Familie, das Leben und die Liebe zu wissen glaubte. Kann sie vielleicht ausgerechnet in Hollywell das große Glück finden? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der romantische Wohlfühlroman »Hollywell Hearts – Die kleine Farm am Meer« von Jennifer Wellen ist der Auftakt ihrer großen Cornwall-Reihe und bietet ein Wiedersehen mit dem charmanten Tierarzt Scott aus ihrer »Schottische Herzen«-Bestsellerreihe. Diese Cosy-Small-Town-Romance wird Fans von Susanne Oswald und Sonja Flieder begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:10 Std. 2 min

Sprecher:Hannah Baus

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Eine Ziegenfarm am Meer? Tamlyn fällt aus allen Wolken, als sie plötzlich einen kleinen Hof in Cornwall erbt – noch dazu von ihrem Vater, den sie nie kennengelernt hat. Fest entschlossen, das Erbe einfach abzulehnen, fährt sie nach Hollywell: Für Tamy kommt es als Großstadtpflanze nämlich nicht infrage, das aufregende London gegen ödes Landleben zu tauschen! Aber plötzlich gibt es da eine Halbschwester, die ihre Hilfe braucht, süße Angoraziegen, die sie auf Trab halten, und den attraktiven Tierarzt Scott, der von Businessfrauen nicht viel hält. Sie stellen alles auf den Kopf, was Tamy über ihre Familie, das Leben und die Liebe zu wissen glaubte. Kann sie vielleicht ausgerechnet in Hollywell das große Glück finden?

Über die Autorin:

Jennifer Wellen lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet und arbeitet als Dozentin im Pflegebereich. Wenn sie neben ihrer Tochter, den drei Katzen und ihrem Hund noch Zeit findet, schreibt sie mit Begeisterung witzige Romane für Frauen, die wissen, wie das Leben spielt.

Die Autorin im Internet: www.jenniferwellen.com/

www.instagram.com/jenniferwellen_autorin/

Bei dotbooks veröffentlichte Jennifer Wellen ihre Liebesromane »Honigkuchentage«, »Sternschnuppenwünsche« und »Kiss me like a Star«.

Ihr Roman »Drei Küsse für ein Cottage« erscheint bei dotbooks als eBook- und Printausgabe und bei SAGA Egmont als Hörbuch.

Ihre »Schottische Herzen«-Trilogie ist bei dotbooks im eBook erhältlich und bei SAGA Egmont im Hörbuch:

»Das Rosencottage am Meer«

»Das Veilchencottage am Meer«

»Das Magnoliencottage am Meer«

»Hollywell Hearts – Die kleine Farm am Meer« ist auch als Printausgabe und Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich. Weitere Bände der Reihe sind in Planung.

***

Originalausgabe Oktober 2023

Copyright © der Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Katrin Scheiding

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-829-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Hollywell Hearts 1«an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Jennifer Wellen

Hollywell HeartsDie kleine Farm am Meer

Roman

dotbooks.

Kapitel 1Tamy – Die Generalyn

Ein Blick auf die Kalkulationstabelle genügte, um mich kopfschüttelnd zum Telefon greifen zu lassen. Während ich die Durchwahl 13 wählte und darauf wartete, dass jemand am anderen Ende abnahm, trommelte ich mit meinen frisch modellierten Fingernägeln auf der Schreibtischplatte herum.

»Stacey Taylor am Apparat, ja bitte?«

Abrupt drückte ich den Rücken durch und presste den Hörer näher an mein Ohr. »Hi, Stacey, hier ist Tamlyn. Ich habe gerade einen Blick auf deine Kalkulation zu dem neuen Studententarif geworfen und würde gern mit dir reden. Kommst du bitte in mein Büro?« Mir selbst fiel auf, wie streng und steif meine Stimme klang. Aber bei dem Kraut und Rüben in Zahlen ja kein Wunder. Das hätte vermutlich der Hausmeister besser gekonnt.

»O … ähm … hab ich etwas falsch gemacht?«, stotterte Stacey. Sie war erst seit kurzem unsere Betriebspraktikantin, die vor ihrem Masterabschluss in BWL noch praktische Erfahrung sammeln wollte. Und was eignete sich dazu besser als ein großes Telekommunikationsunternehmen wie wephone communications, in dem ich als Financial Consultant solche Praktikanten oft zugeteilt bekam.

»Ehrlich gesagt, hat das mit Kalkulation nicht im Geringsten etwas zu tun. Bringen die euch heutzutage auf der Uni nichts mehr bei?«, machte ich meinem ersten Ärger etwas Luft. »Ich weiß noch nicht mal, ob das eine Angebots- oder Prognosekalkulation sein soll. Also komm bitte in mein Büro. Dann zeige ich dir mal, wie es richtig geht.«

Damit legte ich den Hörer einfach zurück auf die Basisstation. Für mich war alles gesagt und solange ich auf Staceys Eintreffen wartete, beantwortete ich schnell noch ein paar eMails und telefonierte die Studentenliste weiter ab, die wir für die Entwicklung unseres neuen Mobilfunktarifes befragen wollten. Eigentlich war dies nicht mein Job, aber da ich wusste, dass niemand die Aufgabe so erledigen würde, wie ich es am Ende für die Ergebnisse brauchte, tat ich es lieber gleich selbst. Es war generell ein Problem in der Branche, gute Leute zu finden, die die Arbeit sahen und mitdachten. Und deswegen kam es immer häufiger vor, dass ich Überstunden um Überstunden machte, um Fehler auszubügeln. Denn am Ende fiel ohnehin alles auf mich zurück und ich hatte mich ebenfalls vor meinen Chefs zu beweisen. Vor allem, wenn ich die Beförderung zur leitenden Finanzchefin wollte. Der alte Chesterton war schon kurz vor scheintot, weshalb nur zwei potenzielle Kandidaten für seine Nachfolge in Frage kämen: ich und Norris, der alte Schleimer aus dem Büro nebenan. Er war mein größter Konkurrent und hatte den Bereich Internetanschlüsse unter sich. Aber den würde ich schon rausschießen. Mit meinem Willen als Waffe und meinem Ehrgeiz als Munition.

Als ich endlich den letzten Studenten befragt hatte, fiel mir auf, dass seit dem Telefonat mit Stacey beinahe zwei Stunden vergangen waren.

Mein Herz schlug schneller und das Blut rauschte in meinen Ohren. Erneut wählte ich ihre Durchwahl. Sie hob aber nicht ab. Also sprang ich auf, marschierte auf meinen High Heels im Stechschritt durch mein Büro und riss die Tür auf. »Stacey?«

Ava hob den Kopf und sah mich an. Wieder einmal musste ich gestehen, dass ich neidisch auf die Augenfarbe meiner Assistentin war. Ihr Türkis war weitaus interessanter und ansprechender als mein verwaschenes Hellblau.

»Hey, Ava, war Stacey schon da?«

»Ja, war sie. Sie hat das hier für dich dagelassen. Ich sollte es dir geben, wenn du rauskommst.« Ava griff zu einem weißen Umschlag und hielt ihn mir hin. Ich trat auf sie zu.

»Sie sollte in mein Büro kommen und mir nicht eine neue Kalkulation machen! Hat sie wenigstens was dazu gesagt?«

»Nicht wirklich, sie war nur in Tränen aufgelöst. Hast du ihr am Telefon wieder die Hölle heiß gemacht?«

Ich schnaubte. »Wenn du den Zahlensalat gesehen hättest, wärst du Perfektionistin sicher gleich im Dreieck gesprungen.«

Ava schüttelte verhalten den Kopf. »Stacey ist Studentin. Sie muss noch viel lernen. Und ein Schüler ist eben nur so gut wie sein Lehrer.«

»Pfft«, entfuhr es mir unwirsch, während ich zeitgleich den Umschlag aufriss. »Deswegen hatte ich sie ja eigentlich ins Büro bestellt. Ich wollte ihr zeigen, wie eine Kalkulation vernünftig aufgestellt wird.« Beiläufig faltete ich den Zettel auseinander und las:

Sehr geehrte Frau Edwards, hiermit kündige ich fristlos. Ein Zeugnis brauchen Sie mir nicht auszustellen. Ich wünsche Ihnen alles Gute.Stacey Taylor

Stirnrunzelnd ließ ich das Schreiben sinken. »Stacey hat gekündigt?«

Mit einem abschätzenden Blick auf mich setzte Ava per Mausklick den Drucker in Gang, der ein Blatt Papier ausspuckte. »Überrascht dich das? Mich jedenfalls nicht.« Sie stand auf und zog das Papier heraus. »Ehrlich gesagt fand ich, dass sie ganz schön lange durchgehalten hat. Grace und ich haben gewettet, dass sie noch vor März geht. Jetzt haben wir Mitte Juni.« Sie wandte sich mir zu und sah mich ernst an. »Tamy, deine Art und Weise mit Leuten umzugehen, hat wirklich etwas Überarbeitungsbedarf. Es gibt doch Seminare für so etwas, für Führungskräfte. Wusstest du eigentlich, dass die Leute hier in der Firma dich nur noch als Generalyn bezeichnen? Und das ist kein Kompliment.« Dann richtete sie ihren Blick wieder auf den Ausdruck, um ihn zu studieren. Sie nickte zufrieden und legte ihn auf ihre Schreibtischunterlage.

Ich schluckte einen Gegenkommentar hinunter und sah ihr eine Zeit lang stumm zu. Ihre Worte hatten mich tatsächlich nachdenklich gestimmt. Ava war neben Grace meine beste Freundin. Und auch wenn ich ihre Chefin war und sie in der Firmenhackordnung unter mir stand, nahm ich es ihr nicht übel, dass sie mir hier und jetzt den Kopf wusch. Im Gegenteil. Schon oft hatte mich ihre offene und ehrliche Art vor Schaden bewahrt. Und die eine echte Freundin unter hundert spricht dir nicht nach dem Mund. Also … War ich wirklich so hart mit Stacey umgegangen? Zumindest hatte ich das nie so empfunden. Etwas strenger vielleicht, aber hey, ich wollte ja auch nicht Everybody’s Darling sein. Denn dann zeigten die Leute doch meist keinen Respekt mehr.

»Das tut mir leid. Ich wollte Stacey bestimmt keine Angst machen.«

»Bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Ich weiß, dass du derzeit sehr gestresst und deshalb oft nicht du selbst bist.«

»Gestresst? Wieso bin ich denn gestresst? Ich habe in letzter Zeit zwar einige Überstunden gemacht, aber –«

»Nichts aber«, unterbrach mich Ava und tütete das Schreiben in einen Umschlag ein. »Du solltest dir mal endlich eine Auszeit gönnen, meine Liebe. Deine Augenringe sind so dunkel wie die Nacht und deinem Kaffeekonsum nach müsstest du einen Tremor wie bei Parkinson haben. Arbeit ist nicht das ganze Leben, okay?«

Ich rollte mit den Augen. »Schlafen kann ich auch, wenn ich tot bin. Ich will jetzt erfolgreich sein. Verstehst du?«

Den Umschlag legte Ava in ihr Postausgangsfach. »Natürlich verstehe ich das, aber der ganze Druck zerrt an dir. Also, wenn du so weiter machst, bist du wirklich auf dem besten Weg, bald mit einem Herzinfarkt hier im Büro tot umzufallen. Und darauf warten vermutlich 90 Prozent der Angestellten der Firma, weil sie dich wegen deiner Feldwebelart ohnehin nicht leiden können.« Meine Freundin schaltete ihren Computers aus. Dann wandte sie sich mir zu und seufzte.

»Komm schon, lass Arbeit mal Arbeit sein, mach heute ausnahmsweise eher Feierabend und geh mit mir und Grace was trinken. Wir wollen in den Pub in Covent Garden. Grace sagt, sie hat dich schon ewig nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ihr Bauch ist mittlerweile kugelrund und sieht so aus, als würde er jeden Moment platzen.«

Grace war neben mir und Ava die dritte Freundin in unserem Bunde. Sie war schon seit Ewigkeiten mit ihrem Mann Joe verheiratet und bekam nun endlich das lang ersehnte Baby.

»Ich wollte aber noch etwas am Budget für den neuen Tarif arbeiten«, entgegne ich matt. Dennoch fühlte ich mich nach dem Stacey-Desaster tatsächlich so, als bräuchte ich ein oder zwei Whisky zur Entspannung und Abbitte.

»Komm schon«, bettelte Ava. »Gib dir einen Ruck. Nur dieses eine Mal.« Für den Bruchteil einer Sekunde wankte ich noch. Immerhin lockte die Führungsposition. Doch dann wies die Waagschale für heute eindeutig auf die Seite der Drinks.

»Du hast recht, ich habe Grace ewig nicht mehr gesehen. Wann war noch die Babyparty?«

Ava verdrehte die Augen. »Jetzt am Samstag, my dear. Herrgott, so peinlich genau, wie du auf deine Geschäftstermine achtest, solltest du es auch im privaten Bereich mal tun.« Da musste ich ihr leider recht geben. Privat führte ich keinen Terminplaner, weil sonst einfach alles zu viel wurde.

Ava war dagegen das Gegenteil von mir. Sie arbeitete stets streng nach Plan und versuchte, Überstunden zu vermeiden. Nun gut, sie konnte auch einen langjährigen Freund namens Connor aufweisen. Ich hatte keine Zeit für diesen ganzen Liebesschnickschnack. Ab und an gönnte ich mir zwar einen Happen in Form eines One-Night-Stands, aber das war’s dann auch schon für mich. Schließlich blieb mir keine Zeit für mehr …

»Was ist jetzt? Können wir? Oder willst du es dir doch lieber noch mal überlegen?«, drängelte sie nun eindringlicher.

Kopfschüttelnd ging ich drei Schritte rückwärts. »Ich hole nur schnell meine Sachen. Treffen wir uns am Aufzug?«

Zwei Single Malts später hatte ich die miese Tabellenkalkulation schon fast wieder vergessen. Stattdessen war ich nun upgedatet und bereute nahezu, mich der fröhlichen Runde angeschlossen zu haben. Bei meinen beiden Freundinnen verlief privat offenbar alles nach Plan, weshalb ich mir von Minute zu Minute mehr wie ein Beziehungsstümper vorkam.

Ava und Connor waren dabei, ein größeres Haus in Notting Hill zu mieten. Auch hier sah es so aus, als würden bald die Hochzeitsglocken läuten und der Babyboom ausbrechen.

Und Grace hatte nun alles für Klein-Charlotte zusammen. Den Geburtstermin konnte sie kaum noch erwarten. Sie strahlte förmlich von innen heraus und hatte auch noch nie so gut ausgesehen. In mir nagte etwas, und das fühlte sich verdächtig nach Neid an.

Natürlich hatte ich meine Freundinnen lieb, wirklich, und ich gönnte ihnen ihr Glück. Aber ihre perfekten Beziehungen mit ihren perfekten Leben und ihren perfekten Partnern zeigten mir sehr deutlich, wie anders es bei mir stand. Unstet, unromantisch und absolut unperfekt – absolut Tamy.

»Leute, seid mir nicht böse, aber ich verabschiede mich mal«, klinkte ich mich aus der Diskussion über gute Geburtskliniken aus, zu der ich eh nichts hatte beitragen können.

»Alles klar, wir sind ja schon froh, dass du überhaupt mitgekommen bist«, entgegnete Ava, und ihr Lächeln sagte mir, dass sie es ernst meinte.

Grace grinste frech. »Einen Monat länger und ich hätte dich vermutlich gar nicht mehr erkannt.«

Ich konterte augenzwinkernd. »Dito.«

Mit viel Trara und Küsschen rechts und links verabschiedete ich mich von den beiden. Anschließend ging ich zur Bar, um meinen Deckel zu bezahlen. Dabei musste ich mich zwischen zwei Männern durchdrängen.

»Macht 25,55«, sagte der Barkeeper, nachdem er alles zusammengerechnet hatte.

Ich drückte ihm siebenundzwanzig Pfund in die Hand. »Danke, stimmt so.«

Als ich mich umdrehte, geriet ich jedoch ungewollt mit dem Arm an den Kerl neben mir, der gerade sein Glas angehoben hatte. Das Bier schwappte in einem Schwung oben heraus genau auf seinen Schoß.

Ich zuckte zusammen. »Oh, sorry, das tut mir wirklich leid!«

Er hielt immer noch sein Bierglas in die Höhe. Sein pikierter Blick glitt zuerst hinab auf seine nasse Hose und dann zu mir. Augenblicklich zuckte ich ein zweites Mal zusammen. Ich hatte noch nie so dunkelbraune Augen gesehen. Wie sagte man dazu? Ebenholz? Schwarzer Kaffee? Espresso? Mein Blick glitt einmal an ihm auf und ab. Auch der Rest war ansehnlich. Dunkelbraunes, kurz geschnittenes Haar, markante Gesichtszüge und schlanke, sportliche Figur. Also so ansehnlich, dass mein Herz gleich unvermittelt einen Salto schlug.

»Und mir erst«, gab er nur knapp zurück und stellte das Glas ab, um zu dem Handtuch zu greifen, das der Barkeeper ihm nun grinsend hinhielt. »Hier, Scott, sonst denken die Mädels noch, du hättest in die Hose gemacht«, ulkte dieser.

Aha, der Unbekannte hieß also Scott. Mein Herz schlug schneller. Einen One-Night-Stand wäre Scott definitiv wert. In meinem Bauch kribbelte es.

»Es tut mir wirklich leid, darf ich dir als Entschädigung vielleicht ein neues Bier ausgeben?«

Scott tupfte seine Hose mit dem Handtuch ab. »Danke, aber ich wollte jetzt eigentlich nur mein Bier austrinken und nach Hause, ich muss morgen früh raus. Aber da sich das mit dem Austrinken gerade erledigt hat …«

Ich nickte. »Ach ja, nur der frühe Vogel fängt den Wurm, was?« Vielleicht war der Scherz etwas abgedroschen, aber …

Er warf mir einen konsternierten Blick zu. »Würmer? Bin ich etwa Biologe, oder was?«

Hmpf. War das jetzt eine Abfuhr? Oder wollte er, dass ich nach seinem Job fragte? Da er aufstand, tippte ich auf die Abfuhr. »Ich sehe schon. Mit dir ist nicht gut Kirschen essen.«

Doch Mister Eisklotz stieg nur mit einem abschätzenden Blick in meine Richtung vom Barhocker. »Danke fürs Bier, Riley«, sagte er zum Barkeeper. Obwohl der Kerl so ungehobelt war, fand ich etwas an ihm verdammt anziehend.

Als er zu seiner Jacke griff und den Laden verließ, sah ich ihm nachdenklich hinterher. Vielleicht sollte ich mich an seine Fersen heften und …

»Nehmen Sie sich das nicht zu Herzen. Scott ist mal wieder auf Durchreise. Seit einem Jahr hangelt er sich für den Job von Küste zu Küste, und ich glaube, es geht ihm etwas mehr an die Nieren, als er gedacht hat.« Der Barkeeper lächelte höflich, nahm Scotts leeres Glas und zuckte entschuldigend mit den Schultern.

Auf der Durchreise hallte es in meinen Ohren nach. Optimal für einen One-Night-Stand.

»Ich muss los«, warf ich dem Barkeeper zu. Er nickte. Und dann lief ich Scott hinterher.

Kapitel 2Scotti – Beam me up

Mit meiner bierdurchtränkten Hose verließ ich die Kneipe und ging auf mein Auto zu.

»Scott, warte mal.« Der Stimme nach war es die hübsche Dunkelhaarige. Herrgott, ich wollte doch kein Bier mehr. Ich drehte mich zu ihr um. Nun stand sie direkt vor mir. Sie war wirklich hübsch. Solche hellblauen Augen hatte ich noch nie gesehen. Es war, als würde ich den Himmel bei hellstem Sonnenschein betrachten.

»Was ist? Ich muss langsam los«, erwiderte ich ungehalten.

Sie nickte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das sagtest du schon, früher Vogel und so, ich weiß.« Wenn sie es doch wusste, warum also kam sie mir jetzt nach? »Trotzdem tut es mir leid, dass ich deine Hose versaut habe. Ich wollte dir nur anbieten, die Reinigung zu bezahlen.«

Ich stutzte. »Es ist nur Bier und kein fieses Schmieröl, ich wasche die Hose und gut ist.« Sie kam ein Stück näher auf mich zu. In meinem Bauch zog sich auf einmal etwas zusammen, und es war kein unangenehmes Gefühl.

»Wenn du willst, kannst du gern mit zu mir kommen und dann wasche ich sie da. Ich wohne nur ein paar Straßen von hier entfernt. Wenn ich die Hose in den Trockner werfe, ist sie auch ruckzuck wieder trocken.« Es dauerte einige Sekunden, bis ich die Absicht hinter diesem Angebot verstand.

»O … danke, aber ich habe im Hotel noch andere Hosen und fliege ohnehin morgen zurück nach Hause.«

»Schade, wir hätten die Zwischenzeit sicher sinnvoll genutzt.« Sie lächelte und zwinkerte mir zu. »Aber wenn du mal wieder in London bist …«, sie griff in ihre Tasche und holte eine Visitenkarte heraus, »… melde dich mal.«

Verwirrt nahm ich die Karte an mich und warf einen schnellen Blick drauf. Tamlyn Edwards, wephone communications, Financial Consultant. Aha, daher die extrem schicken Klamotten. Vermutlich war sie hier auf einen After-Work-Drink vorbeigekommen. Aber ich wollte ganz sicher nicht ihr After-Work-One-Night-Stand sein. One-Night-Stands waren sowieso nichts für mich. Zu unpersönlich, zu ungewiss, und ganz oft am anderen Morgen mit einem schlechten Beigeschmack versehen. Danke, nein! Aus dem Alter war ich einfach raus.

»Mal sehen«, hielt ich es vage und sah sie wieder an. Und dann ging es ganz schnell. Sie war mir plötzlich ganz nah und irgendwie fanden unsere Lippen zusammen. Ich hielt unweigerlich die Luft an. Himmel, was passierte hier? Doch dann roch ich ihr Parfum und spürte die Sanftheit, mit der sie mich küsste. Mein Herz schlug einen Salto, während das Blut in meinen Ohren rauschte. Es war ein wenig so, als hätte ich plötzlich keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Stürmisch erwiderte ich ihren Kuss. Ihre Hände fuhren durch mein Haar, was mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ich griff mit beiden Händen zu ihrer Hüfte und presste sie enger an mich. In meinem Unterleib zog es. Als unsere Zungen sich begegneten, wurde mir jedoch bewusst, was ich da tat. Ich küsste eine wildfremde Frau. Herrgott, was war denn bloß los mit mir?

Abrupt hielt ich inne und schob sie etwas von mir. Vermutlich auch aus Angst, dass sie meine Erregung durch ihre dünnen Klamotten spüren konnte.

»Verdammt, was soll das?«, fluchte ich und trat einen Schritt zurück.

Überrascht riss auch sie die Augen auf. »O … ich …«, stammelte sie und blickte mir verwirrt in die Augen. »Ich dachte …«

Nun wallte Unmut in mir auf. Sicherlich mehr über mich, weil ich Blödian mich so einfach hatte überrumpeln lassen. »Was dachtest du? Dass du mich einfach küsst und ich dann mit dir nach Hause komme?« Ich warf ihr kopfschüttelnd die Karte vor die Füße. »Sorry, für dein nächtliches Stelldichein musst du dir jemand anderen suchen. Aber ich bin sicher, in der Bar sind genug Typen, die gern mit dir mitgehen.« Meine Worte klangen wirklich sehr hart. Beinahe abfällig. Es tat mir auch leid, sie so anzufahren, aber dass mein Körper so stark auf sie reagierte, ärgerte mich. Frauen hatte ich schließlich nach Deirdre für eine ganze Weile abgeschworen.

Sie presste die Lippen zusammen und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Aus Angst, dass mein Gehirn erneut aussetzen würde, drehte ich mich einfach um und ließ sie stehen.

Seufzend lenkte ich den Wagen an der nächsten Kreuzung nach links auf die A2 Richtung Dartford und gab Gas. Die Sache mit dem Kuss hing mir immer noch nach. Ich fragte mich, warum ich Tamlyns Angebot vorhin so verteufelt hatte. Träumte nicht jeder Kerl davon, unkomplizierten Sex mit einer attraktiven Fremden zu haben? Aber relativ schnell hatte ich die Antwort gefunden. Was ich nach dem monatelangen jobbedingten Hotel-Hopping ganz sicher nicht anstrebte, war Unverbindlichkeit. Ich wollte endlich sesshaft werden. Am liebsten mit einer netten Frau an meiner Seite. Schon länger trug ich mich mit dem Gedanken, vielleicht auch endlich eine Familie zu gründen. All meine Freunde waren in festen Händen, und ich wollte das eben auch. Und keinen bedeutungslosen One-Night-Stand mehr, dazu noch mit einer Frau aus London, der ständig überfüllten, lauten Stadt, der ich ab morgen ohnehin wieder den Rücken kehren würde.

Kurz vor Falconwood bog ich nach links ab. Mein Hotel lag am Rande von Bexleyheat und ich wollte noch ein paar Stunden die Augen zumachen, bevor Bradley morgen früh dazustieß. Unser Umweltprojekt neigte sich zum Glück langsam dem Ende zu. Und ehrlich gesagt, war ich verdammt froh darüber. Dieses unstete Leben nagte an mir. Mir fehlte das kontinuierliche Arbeiten in einer Tierarztpraxis, ich vermisste meine eigene Wohnung in Schottland und meine Freunde um mich herum. Morgen würden wir noch die Proben in Cornwall am Hollywell Beach nehmen und dann die Endauswertung machen. Was danach kam, wusste ich leider noch nicht. Für das Projekt hatte ich die Praxis von Norman Ross, Crails Dorftierarzt, aufgeben müssen. Aber wenn ich eines wusste, dann, dass ich erst mal wieder zurück nach Crail in mein Apartment wollte, und mich dort mit genügend Lebensmitteln für eine Woche einigeln.

Eine halbe Stunde später konnte ich endlich die nasse Hose ausziehen und unter die Dusche springen. Es tat gut, sich den Geruch von Schweiß und Bier abzuwaschen. Als ich endlich im Bett lag, kam ich aber nicht umhin, wieder an diese Tamlyn zu denken. Schade, dass mein Leben derzeit einer Achterbahn glich. Wenn wir uns unter anderen Umständen getroffen hätten, wäre es vielleicht ganz anders verlaufen … Zwischen uns war eindeutig etwas gewesen, und das hatte mich kalt erwischt. Auch wenn ich versuchte, sie aus meinen Gedanken zu verdrängen, so bemühte ich mich vergeblich. Selbst in meinem Traum verfolgten mich ihre himmelblauen Augen wie ein Raubtier auf der Jagd.

***

»So, das ist offiziell die letzte.« Bradley hielt mir das Plastikröhrchen mit der Wasserprobe hin. Ich lenkte meinen Blick von dem breiten Sandstrand des Hollywell Beach zu dem Röhrchen, schraubte den Deckel drauf und beschriftete es mit einem speziellen Versuchscode. HW für Hollywell, C für Cornwall und 10 für Probennummer 10. Dann sah ich ein letztes Mal sehnsüchtig aufs offene Meer hinaus. Trotz des blauen Himmels und des Sonnenscheins herrschte starker Wind, der die See aufwühlte, so dass die Wellen laut am Strand brachen. Ein Naturphänomen, dem ich stundenlang zugucken konnte. Da ich aber nicht zum Vergnügen hier war, konzentrierte ich mich wieder auf die Arbeit.

Bradley und ich wiesen bei unserem Umweltprojekt in Zusammenarbeit mit der Uni von Newcastle Pestizide nach. Dazu hatten wir in der ersten Runde Blutproben von Delphinen, Seerobben und Fischen analysiert. Nun wollten wir sie in Bezug zu den Mengen an Pestiziden im Meerwasser setzen. Unser Startpunkt für das Projekt war Newcastle gewesen, was nicht allzu weit von der Grenze zu unserer schottischen Heimat entfernt lag, aber es hatte uns dann bald noch an verschiedene weitere Küstenabschnitte in Großbritannien verschlagen, was bedeutete, dass das Projekt etwas ausgeufert war und bereits länger lief als ursprünglich angedacht. Aber die Menge an Fördergeldern und privaten Spenden, die wir bekommen hatten, hatte das Projekt in dieser Größe erst ermöglicht. Und warum klein denken, wenn es auch groß ging? Immerhin war dies ein äußerst wichtiges Thema, denn immer mehr Meerestiere wiesen viel zu hohe Mengen an Schadstoffen auf.

Ich packte die Probe in den Ständer zu den anderen und hob die Hand. »Schlag ein, das wars.«

Bradley grinste und gab mir ein fettes High five. »Sollen wir das mit einem Bier begießen gehen?«

Unweigerlich musste ich wieder an die Dunkelhaarige von gestern denken. »Danke, aber das mit dem Begießen hatte ich gestern schon.«

Bradley stutzte. »Äh … was?«

Ich schnaubte leise auf und erzählte ihm auf dem Weg zum Auto von meinem Abend im Pub und dem Kussüberfall.

Er riss überrascht die Augen auf. »Mensch, Junge, du hast sie wirklich abblitzen lassen? Das hätte ich dir nicht zugetraut.«

»Im Nachhinein frage ich mich auch, wie dumm ich sein konnte, aber mal ehrlich, ist eine feste Beziehung nicht viel schöner?«

»Na, vielleicht hätte sich ja mehr daraus entwickelt.« Bradley zwinkerte mir zu.

»Was aber blöd wäre, weil ich in Schottland wohne.«

»Das stimmt auch wieder.« Er griff in seine Westentasche und holte den Autoschlüssel hervor. »Unser Projekt ist ja jetzt offiziell beendet. Vielleicht kommst du dann langsam zur Ruhe und findest endlich deine schottische Miss Right, so wie ich«, versuchte er, mich aufzumuntern.

»Hoffentlich«, gab ich seufzend zurück. »Was macht eigentlich der Heiratsantrag? Hast du dir schon überlegt, wie und wo du ihn Dede machst?«

Bradley beugte sich hinab und packte die Plastikkiste wieder zusammen. »Erst hatte ich klassisch an ein Restaurantbesuch mit dem Ring im Champagnerglas gedacht, aber das ist einfach nicht Dede. Es muss etwas sein, was wirklich zu ihr passt. Lieber warte ich noch, bis mir die zündende Idee kommt.«

Ich dachte an seine Verlobte in spe, in die ich zuerst auch etwas verknallt gewesen war. Leider hatte ich den Kampf um Deidre verloren – gegen Bradley. Natürlich war ich deshalb anfänglich nicht gerade sein größter Fan gewesen. Dennoch hatten wir unsere Differenzen irgendwann beilegen können – und waren sogar noch einen Schritt weiter gegangen, indem wir dieses Projekt in Angriff genommen hatten. Und wenn ich eines in den darauffolgenden Monaten erfahren durfte, dann, dass ich zu Recht verloren hatte. Dede und Bradley waren wie Yin und Yang oder zwei Hälften eines Ganzen. Keiner konnte ohne den anderen. Wenn sie zusammen waren, flogen auch mal die Fetzen; nur in einem waren sich die beiden absolut einig – auf Regen folgte wieder Sonnenschein, und sie liebten sich!

»Nee, so ein Allerwelts-Antrag, das ist wirklich nicht Dede.« Ihr Herz schlug für die Technik und ihre Arbeit im IT-Bereich. »Aber ein Computervirus wäre doch mal eine Idee. So, dass eine Schrift auf ihrem Monitor auftaucht mit Willst du mich heiraten oder so.«

Kurz hielt Bradley inne, dann stellte er sich hin und sah mich eindringlich an. »Verdammte Scheiße, Colville, das ist eine geniale Idee! Nur, was mache ich mit dem Ring?«

Ich dachte kurz nach. Dede hatte nicht nur Spaß daran, vor dem Monitor zu sitzen, sie schraubte auch gern an Rechnern herum. »Was, wenn du den echten Ring in das Gehäuse von einem Tower legst und sie ihn dazu auseinandernehmen muss?«

Bradley runzelte die Stirn. »Hm, aber da müsste ich jemanden einweihen. Ich weiß zwar, wie man Computer benutzt, aber was das Aufschrauben und das Programmieren betrifft, da hört meine Kenntnis gelinde gesagt auf. Vielleicht frage ich mal einen ihrer IT-Kollegen.«

Während wir unsere Ausrüstung weiter einsammelten und danach zurück zum Auto gingen, bequatschten wir noch ein wenig den Antrag. Aber kurz bevor wir einstiegen, hörte ich plötzlich ein leises Blöken. Klang wie von einem …

»Hast du das auch gehört?« Bradley sah mich über das Dach des SUV fragend an.

Ich nickte, legte den Finger an die Lippen und horchte angestrengt. Bis auf das Kreischen der Möwen und das Meeresrauschen war aber nichts zu hören. Hatten uns unsere Ohren vielleicht einen Streich gespielt?

Dann war es wieder da. Eine Mischung aus Blöken und Meckern. Hell wie von einem Jungtier, und es klang irgendwie gequält. Gab es hier in der Gegend womöglich freilebende Bergziegen?

Bradley schlug die Fahrertür wieder zu. »Ich glaube, das kommt von dahinten. Von Gravel Hill Mine.«

»Glaube ich auch. Lass uns mal nachsehen.« Ich stellte den Ständer mit den Proben in den Kofferraum und schloss die Klappe.

Wir gingen den Küstenpfad zurück, aber statt nach links zum Strand dieses Mal rechts den Pfad zur Felshöhle des Gravel Hill. Wir schienen auf dem richtigen Weg zu sein, denn nun vernahmen wir das Gemecker immer lauter. Ich war mir zudem sicher, dass es eine kleine Bergziege sein musste.

Am Ende des Weges tat sich die Felshöhle auf, deren Boden von Wasser bedeckt war. Mittendrin gab es einen breiten Stein, auf dem ein weißes Zicklein stand. Es war völlig durchnässt, zitterte am ganzen Körper und sah sich hilfesuchend um. Wie es da hineingelangt war – keine Ahnung. Ziegen können zwar schwimmen, so wie die meisten Säugetiere, aber ich hatte mal gehört, dass Ziegen extrem wasserscheu waren.

»Du oder ich?«, fragte Bradley, während wir nach unten sahen.

Ich verzog das Gesicht. »Scheiße, weißt du, wie kalt das Wasser da drin ist? Da willst du doch nicht durch, oder?«

Mein Kollege grinste. Natürlich wusste er es. »Aber irgendwie müssen wir die Ziege doch da rausholen.« Da hatte er auch wieder recht. Und die Feuerwehr zu rufen, lohnte sich nicht.

Bradley zog eine Münze aus der Tasche. »Kopf oder Zahl?«

Ich begann bereits, mir die Schuhe auszuziehen. »Vergiss es, gegen dich verlier ich doch sowieso.«

Bradley lachte über meinen kleinen Insider und steckte die Münze wieder ein.

Schließlich krempelte ich mir noch die Hosenbeine hoch und machte mich daran, auf nackten Füßen den steilen Abhang hinunterzukraxeln. Der Abstieg war eine kleine Herausforderung. Hin und wieder bohrte sich ein spitzer Stein schmerzhaft in meine Fußsohle und loses Geröll ließ mich mehr hinabrutschen als klettern. Kein Wunder, dass das Zicklein hier nicht mehr rauskam. Sicher war es so wie ich den Abhang hinabgerutscht und im Wasser gelandet.

Als ich unten am Rand des Wasserloches angelangt war und den großen Zeh testweise ins Wasser tauchte, lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. »Fuuuuuck«, entfuhr es mir.

Bradley lachte schon wieder. »Was ist, mein Lieber? Kalt?«

Ich stellte den ersten Fuß rein. »Sagen wir es so, ich bin froh, dass ich nur bis zu den Waden hineinmuss. Sonst würde mir etwas sehr Wichtiges abfrieren.« Ohne auf eine Antwort zu warten, überwand ich mich und stieg auch mit dem anderen Fuß hinein. Das Wasser war mehr als bitterkalt. Ich spürte, wie sich in mir alles schlagartig zusammenzog und sich meine Füße im Sekundenbruchteil zu Eisklumpen verwandelten. »Verdammt, ich glaube, jetzt bin ich eine Frau.«

Bradley lachte über mir schallend. »Colville, ich werde deinen Humor echt vermissen.« Schön, dass zumindest er Spaß hatte. Ich hatte gerade jedenfalls keinen. Meine Füße noch viel weniger.

Vorsichtig watete ich zum Zicklein. Es sah zu mir und blökte, als wollte es sagen: Beeil dich doch. Stück für Stück tastete ich mich vor. Ich musste langsam gehen, da die Steine durch Algen extrem glitschig waren und ich kaum noch Gefühl in meinen Füßen hatte. Zum Glück war das Wasser in diesem Bereich auch nicht allzu tief. Als ich das Zicklein endlich erreicht hatte, sprang es mir beinahe in die Arme. Daraufhin watete ich vorsichtig zurück und hievte es zu Bradley hoch, der es mir mit den Worten »Scotti – Beam me up« abnahm. Anschließend reichte er mir seine Hand und zog mich das letzte Stück den Abhang hoch. Geschafft!

»Und? Ist sie verletzt?« Ich sah zu Bradley, der die kleine Ziege gerade von allen Seiten begutachtete. Anschließend trocknete ich meine tauben Füße mit den Socken ab, zog mir die Schuhe wieder an und stand auf.

»Weiß nicht, glaube nicht. Zumindest sehe ich kein Blut. Aber sie ist klatschnass. Besser, wir bringen sie zu einem Tierarzt. Sicher ist sie total unterkühlt.«

Ich stand auf, trat zu Bradley und dem Zicklein und hob vorsichtig die Haut am Maul an, um hineinzusehen. »Ihre Schleimhäute sind ganz blau. Lass uns sie abtrocknen und mit ihr in den Ort fahren. Vielleicht gibt es dort irgendwo eine Praxis. Und vielleicht wissen die auch, wem das Tier gehören könnte.«

Mein Kollege griff plötzlich zum schwarzen Halsband, das das Zicklein trug und das mir gar nicht aufgefallen war, und betrachtete einen runden Anhänger.

»Du meinst, wem Lollo gehört«, ergänzte Bradley.

Ich riss die Augen auf. »Lollo?«

Er nickte. »Schau hier.« Er hielt mir den Anhänger hin. Lollo Biondo stand dort eingraviert. »Ich gehe mal davon aus, dass das ihr Name ist. Oder?«

»Möglich, aber wenn, ein ziemlich bescheuerter Name«, murmelte ich. »Ist das nicht ein Salat? Na egal, komm. Sie muss dringend ins Warme.«

Wir liefen den Trampelpfad zurück zum Auto. Meine Füße kribbelten und wurden langsam wieder lebendig. Lollo verhielt sich ganz ruhig auf Bradleys Arm, als wüsste sie, dass sie bei uns in Sicherheit war. Als wir am Mietwagen angekommen waren, nahm ich die Kleine und Bradley trocknete sie mit einem Tuch aus dem Kofferraum vorsichtig ab.

»Ganz schön langes Fell, oder?«, bemerkte er nebenbei.

Ich wusste warum. »Ist vermutlich eine Angoraziege. Die werden genauso geschoren wie die Kaninchen oder Schafe, und dann kannst du aus der Wolle was machen. Pullis oder so.«

»Stimmt, darüber hatte ich mal was in der Zoologie-Vorlesung gehört. Wie nennt man die Wolle noch mal?«

»Mohair«, erklärte ich.

Als Lollo einigermaßen trocken gerubbelt war, stiegen wir ins Auto, wo Bradley die Heizung einschaltete. Lollo saß brav auf meinem Schoß und zitterte stumm vor sich hin. Was für ein aufregender letzter Probentag.

In Hollywell selbst gab es keine Tierarztpraxis, aber etwas außerhalb Richtung Perranporth. Wir hatten den Tierarzt Dr. Collough vorab telefonisch informiert. Somit erwartete er uns bereits.

»Was gibt es denn?«, krächzte er. Der alte Herr war klapperdürr, wies einen Witwenbuckel auf und hatte schlohweißes Haar. Himmel, der praktizierte noch?

»Äh … Hatte ich Ihnen doch bereits am Telefon gesagt. Wir haben dieses Zicklein hier gefunden. Es ist arg zyanotisch, und vielleicht können wir es etwas aufwärmen, indem wir ihm eine Infusion mit warmer Kochsalzlösung geben.«

Der Greis nickte. »Ach so, ja ja. Zicklein, Infusion, da war was … Ich erinnere mich.« Er schlurfte davon und kam ein wenig später mit einem Infusionsbeutel wieder.

»Ist die schon aufgewärmt?«, hakte ich skeptisch nach. Dafür war er mir zu schnell wieder zurück im Behandlungsraum gewesen.

Erst sah er mich fragend an, dann den durchsichtigen Beutel mit der Flüssigkeit. »Ach so, ja ja, aufwärmen … Da war was.« Dann schlurfte er wieder von dannen.

»Der Kerl ist auch nicht mehr der Frischeste«, ulkte Bradley. Er hatte Lollo mittlerweile auf dem Behandlungstisch abgesetzt.

»Nicht wirklich«, gab ich kopfschüttelnd zurück und sah mich derweil um. So vorgestrig, wie Collough auch war, seine Praxis war topmodern. Allein hier im Behandlungsraum sah ich ein recht neues Ultraschallgerät, einen hochfrequenten Ultraschallreiniger sowie einen brandneuen Mac. Ob der Alte den überhaupt bedienen konnte? Oder tat ich ihm vielleicht unrecht?

Kurz darauf kam Collough wieder zurück und legte den Beutel auf den Behandlungstisch. Dann zog er eine Schublade auf und kramte elendig lange darin herum. Schließlich hielt er zwei Verpackungen mit riesigen Kanülen hoch. Wenn er damit bei dem winzigen Tier hantieren wollte – Prost Mahlzeit.

Ich ging auf ihn zu, griff in die offene Schublade und hielt ihm die passende Kanüle hin. »Am besten nehmen Sie eine von denen hier.« Ein Butterfly, mit dem man wirklich gut Zugänge legen konnte.

Er nickte wieder. »Ach so, ja ja, das ist gut.«

Schließlich griff er das Bein des Zickleins und zog es rabiat zu sich heran. Lollo blökte ängstlich los. Kein Wunder bei dem Klammergriff. Und was war eigentlich mit dem Stauschlauch?

»Ähm …« unterbrach ich ihn. »Wie wäre es vielleicht zum Legen des venösen Zugangs vorher mit Stauen? Und könnten Sie vielleicht nicht so an Lollo herumrupfen? Sie mag das, glaube ich, nicht.« So langsam keimte Unmut in mir auf. Meine Wangen wurden warm.

»Ach so, ja ja, der Stauschlauch … Sie haben recht.« Er griff zu einem Gummistauschlauch und legte ihn dem Tierchen um das Vorderbein. Als er das Zuziehen vergaß, war es mit meiner Geduld vorbei. Das konnte ja keiner mit ansehen.

»Wissen Sie was? Ich bin auch Tierarzt, und ich übernehme das gern. Schließlich habe ich die Kleine auch angeschleppt.« Ich nahm Lollo, hob sie vom Tisch hoch und legte sie Bradley in den Arm. Er drückte sie an seine Brust, während ich den Stauschlauch vernünftig anlegte, zu einer Alkoholflasche auf der Ablage griff und das Fell an der Stelle, wo ich den Zugang legen wollte, ordentlich desinfizierte. Durch das Stauen stach die Vene bereits deutlich hervor. Dann schob ich vorsichtig die spitze Nadel durch die Haut. Wie immer traf ich sofort. Und Lollo machte nicht mal einen Mucks.

»Haben Sie vielleicht etwas Tesa und Flexverband, damit ich den Zugang umwickeln kann?«

»Ach so, ja ja, Tesa und Flexverband.« Wieder kramte Collough in einer Schublade herum. Dieses Mal in einer anderen. Schließlich hielt er triumphierend eine weiße Kleberolle und einen roten Verband hoch. »Da ist es ja«, sagte er.

Hoffentlich wurde ich im Alter nicht so schrullig ...

Mit einem Klebestreifen und dem roten Flexverband wickelte ich den Zugang ein, so dass er nicht mehr verrutschen konnte. Im Anschluss verband ich den Infusionsbeutel mit dem Plastikschlauch des Butterflys. Bevor ich die Klemme am Schlauch vom Infusionsbeutel löste, öffnete ich noch den Stauschlauch. Ich hielt den Beutel hoch.

»Haben Sie vielleicht einen Infusionsständer?«

»Ach so, ja ja … Infusionsständer.« Collough schlurfte wieder aus dem Behandlungsraum. Ich seufzte leise, während Bradley nur grinste.

Ungefähr zehn Minuten später saßen wir zwei mit Lollo hinten im Tierraum. Sie lag auf einer Heizdecke, bekam warme Kochsalzlösung und wartete auf ihren Besitzer, der laut Doc »Ach so, ja ja« Mortimer McDougal von einer Ziegenfarm bei Hollywell war. Wie das Zicklein von da nach Gravel Hill ins Wasser gelangt war, wusste niemand. Sicher war es vor irgendwas weggelaufen.

»Wenn wir die Kleine los sind, gehen wir aber erst mal was essen«, schlug Bradley vor.

Ich nickte. »Jau. Mein Magen hängt mir schon in den Knien. Und ein Whisky wäre auch toll.« Ich kraulte Lollos Köpfchen, was sie offenbar genoss, da sie die Augen genüsslich zukniff. »Wann wollen wir eigentlich morgen zurück?«

Bradley runzelte die Stirn. »Denke, so gegen elf. Dann können wir vorher noch in Ruhe im Hotel frühstücken, in Newquay den Mietwagen loswerden und von da aus mit dem Taxi zum Flughafen fahren.« Bradley verfügte über einen Pilotenschein und eine kleine einmotorige Cessna, mit der wir morgen zurück nach Schottland fliegen würden. Gott, wie sehr ich mich auf zu Hause freute.

»Dann sind wir ja pünktlich zum Magnoliencottage-Pie von Dede zurück.«

Bradley lachte leise. »Du verfressener Hund. Aber keine Sorge, ich habe Dede schon vorgewarnt, und sie macht tatsächlich was zu essen für uns.« Ich stimmte in sein Lachen mit ein. Gleichzeitig ging die Tür auf und der alte Collough steckte seinen Kopf hindurch.

»Ähm … Sie da … Könnten Sie mir vielleicht kurz helfen?« Mit dem Finger deutete er auf mich. Ich stutzte und erhob mich. »Klar, was gibt’s?«

Collough seufzte. »Sie sind doch Tierarzt, oder? Wenn ja, könnten Sie mir dann womöglich bei einem Notkaiserschnitt helfen? Leider macht mir die Gicht in den Händen zu schaffen, so dass ich es kaum schaffe, ein Skalpell vernünftig zu halten.«

Hastig warf ich einen Blick zu Bradley. »Du kommst klar?«

Er grinste. »Klar. Lollo und ich erzählen uns einfach gegenseitig einen Schwank aus unserer Jugend.«

Mit meiner Hilfe war die werdende Katzenmama schnell narkotisiert und für die OP vorbereitet. Dabei fiel mir auf, wie modern auch der OP eingerichtet war.

»Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«, fragte ich und machte mit einem Skalpell den Bauchschnitt in der Mittellinie.

»Sicher«, gab Collough zurück und hielt mir dabei eine sterile Klemme entgegen, mit der ich die Haut zurückzog, um mir bessere Sicht zu verschaffen.

»Ihre Praxis ist supermodern. Haben Sie die ausgestattet?«

Collough lächelte. »Iwo, mein Sohn natürlich. Eigentlich ist es auch seine Praxis. Er hat sie von mir vor rund zehn Jahren übernommen und damals komplett generalüberholt.«

Ich war überrascht, konzentrierte mich aber zunächst auf die Kitten. Fünf Stück. Allerdings waren sie auch ziemlich groß, und eines davon steckte im Geburtskanal fest. Die Erklärung, warum es zum Geburtsstillstand gekommen war.

»Oh, und wo ist Ihr Sohn jetzt?«

»Auf einer Fortbildung für Kleintierchirurgie in London. Ich mache hier nur noch die Vertretung. Ich bin viel zu alt für diesen Job.« Auf einmal wurde er richtig gesprächig. Vielleicht hatte ihm einfach schon lange niemand mehr solche Fragen gestellt. »Meine Hände schmerzen, ich bin absolut nicht mehr auf dem neuesten Stand und manchmal habe ich auch das Gefühl, ich kann mir die Sachen nicht mehr so gut merken. Ich laufe aus dem Raum und habe draußen schon wieder vergessen, was ich eigentlich wollte.« Ich nickte und nahm alles, was ich insgeheim Böses über Collough gedacht hatte, wieder zurück. Selbstreflexion war eine verdammt positive Eigenschaft.

»Wie alt sind Sie denn, wenn ich fragen darf?«

»79.«

Gut, da durfte man schon mal etwas tatterig und vergesslich sein. Innerlich schämte ich mich für mein anmaßendes Verhalten vorhin ihm gegenüber.

»Vielleicht sollte ich meinem Sohn endlich sagen, dass ich das hier nicht mehr will. Aber leider gibt es niemanden sonst, der mal für ihn einspringen würde.«

Ich stutzte kurz. »Wieso nicht? Ist das hier die einzige Praxis in der Gegend?«

Der Alte schüttelte den Kopf. »Mitnichten, es gibt hier in der Umgebung einige Tierärzte, aber viele sind auf Nutztiere wie Longhorns, Schweine oder Schafe ausgerichtet. Mein Sohn ist der Einzige, der neben den Kleintieren auch eher außergewöhnliche Tiere wie Alpakas, Ziegen oder Wild behandelt.«

Ich nahm die erste Fruchtblase heraus, aus der ich das Kitten befreite. Mit einer sterilen Kompresse rubbelte ich es anschließend trocken, so dass es sofort zu quietschen begann, woraufhin ich es Collough reichte.

»Klingt interessant«, führte ich das Gespräch dabei fort. »Vielleicht sollte ich mich auch noch weiter spezialisieren.« Auf Rennpferde oder Zootiere oder so. »Vielleicht muss Ihr Sohn sich auch nur einen Assistenzarzt suchen und Sie in den wohlverdienten Ruhestand entlassen.« Sollte doch wohl kein Problem sein, einen Nachfolger zu finden. Hollywell war landschaftlich gesehen ja schon ein sehr schöner Teil von Cornwall. Besonders die Küste, die mit ihren Dünen, dem breiten Sandabschnitt und leicht zerklüfteten Felsen nicht nur Menschen zum Leben anzog.

»Das sollte er wirklich. Denn was hätte ich jetzt gemacht, wenn Sie nicht da gewesen wären?«

Ich lächelte Collough zu und übergab ihm das zweite Kätzchen. »Dann hätten Sie den Notkaiserschnitt einfach an jemand anderen überwiesen.«

Der Veterinär schürzte die Lippen. »Ach so, ja ja, das hätte ich natürlich tun können.« Er legte das quietschfidele Katzenbaby auf die Wärmeplatte zu dem anderen. Dann wandte er sich wieder mir zu und runzelte die Stirn. Ich musste unweigerlich an einen dicken roten Theatervorhang denken, der Falten schlug.

»Was ist mit Ihnen? Hätten Sie nicht Interesse? Sie scheinen doch ganz kompetent zu sein.«

Ich hielt verblüfft inne. »Äh … oh …« Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich dazu sagen sollte. Mein Herz schlug schneller und ich fühlte, wie mein Mund trocken wurde. »Eigentlich wohne ich in Schottland. In Crail, um genau zu sein.«

Collough seufzte. »Schottland ist schön, Cornwall aber auch. Waren Sie schon mal auf St. Michael’s Mount bei Marazion? Bei Ebbe kann man über einen Steinweg im Wasser rüberlaufen und die Burg besichtigen.« Er zwinkerte mir zu. Wenn er von seiner Heimat sprach, schien er richtiggehend aufzublühen.

»Glaube ich, aber ich bin ja noch an dieses Projekt gebunden«, versuchte ich es anders. »Wir haben zwar heute die letzten Proben genommen, müssen aber noch die Daten auswerten und publizieren.«

»Aber dank Internet könnten Sie dies doch auch von hier aus erledigen, oder?«, konterte der Alte. Irgendwie hatte er es sich in den Kopf gesetzt, mich zu überreden.

Augenblicklich wurden meine Wangen warm, weshalb ich mich verlegen wieder über die tierische Patientin vor mir beugte. Sein Angebot ehrte mich, aber es würde bedeuten, dass ich alle meine Brücken komplett abreißen müsste. Und ich sehnte mich ja jetzt bereits nach Crail zurück. Nach meinem Zuhause. Nach meinen Freunden.

Anscheinend hatte Collough das Wechselbad der Gefühle in meinem Gesicht bemerkt. »Na, denken Sie mal in Ruhe drüber nach.« Er nahm mir das dritte Kitten ab. »Ich werde meinem Sohn den Vorschlag heute Abend mal unterbreiten. Vielleicht will er das auch gar nicht.«

Als sein Satz verhallt war, atmete ich erleichtert auf.

»Eben, Ihr Sohn sollte eigentlich derjenige sein, der mir das Angebot unterbreitet, weil es seine Praxis ist.« Und damit ließen wir das Thema auf sich beruhen.

Kapitel 3Tamy – Wer zur Hölle ist dieser McDougal?

Da ich die Nacht schlecht geschlafen hatte, war ich früher in der Firma als sonst. Die Tatsache, dass ich mich diesem Scott gestern so einfach an den Hals geworfen hatte, machte mich fertig. Ich war zwar ein Mensch, der unverbindliche One-Night-Stands bevorzugte, weil mein stressiges Leben mehr nicht zuließ. Aber meist musste ich mich dafür nicht anstrengen, da die Avancen von den Männern ausgegangen waren. Welcher Teufel mich also gestern geritten hatte, konnte ich nicht sagen. Vielleicht hatte ich noch zu sehr unter dem Eindruck gestanden, dass mein Leben im Gegensatz zu dem meiner Freundinnen so unperfekt war und ich sie insgeheim deswegen beneidete.

Mein erster Gang im Büro führte mich zur Kaffeemaschine. Gestern hatte ich noch das Budget komplett fertig gemacht und die Aussagen der Studenten, die ich zu dem neuen Tarif abtelefoniert hatte, statistisch ausgewertet. Deshalb sehnte ich nun die Teamsitzung herbei, in der ich meine Ergebnisse in voller Schönheit präsentieren wollte.

Gerade hatte ich auf einen doppelten Kaffee gedrückt, als Ava durch die Tür trat. Das Mahlwerk ratterte los. Sie fuhr zusammen.

»Herrgott, Tamy, was machst du denn schon hier?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Bin aus dem Bett gefallen. Irgendwie konnte ich nicht schlafen.« Das Wasser lief los und ich vernahm bereits den Duft von frisch gebrühtem Kaffee.

»Wieso? Ist dir wieder irgendeine tolle Idee durch den Kopf gegangen?«

Ich griff bereits ungeduldig zur Kaffeetasse. »Das nicht. Aber vielleicht hätte ich gestern Abend nicht mehr The Walking Dead gucken oder die fette Portion Fish and Chips vom Laden bei mir an der Ecke verdrücken sollen. Wer weiß.«

»Das raubt dir doch sonst nicht den Schlaf. Also was ist los? Machst du dir Sorgen wegen der Beförderung?«

Ja, Ava kannte mich zu gut, als dass ich sie hätte belügen können. Deshalb erzählte ich ihr kurzerhand von meinem gestrigen Erlebnis.

Sie grinste. »Vielleicht siehst du das endlich mal als Zeichen.« Ich wusste, wie sehr sie mir wünschte, dass ich mein unstetes Leben abschütteln würde. Aber genau wie sie und Grace sesshaft werden? Das passte derzeit eben einfach nicht.

»Können wir vielleicht über etwas anderes reden? Mir ist das Ganze schon peinlich genug.« Das war es wirklich. Gott sei Dank musste ich dem Kerl nicht noch mal in die Augen sehen, weil er vermutlich schon wieder auf dem Weg zur nächsten Küste war, wie der Barkeeper mir erzählt hatte.

Ava nickte. »Wie du meinst.« Sie ging um ihren Schreibtisch herum und zog ihre Jacke aus. Dabei rutschte ihr ihre Strickjacke von der Schulter und gab den Blick auf den Oberarm frei. Und da sah ich es. Sie hatte blaue Flecken.

»Was ist denn da passiert?«, rief ich überrascht aus und ging auf sie zu. Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf ihren Arm und zog schnell ihre Jacke wieder hoch. »Ach, ich hab doch gestern unten im Keller ausgemistet und bin dabei ungeschickterweise gegen eine Lastenregal gerumst. Total blöd.« Sie räusperte sich und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen. Dass sie meinen Blick mied und leicht gerötete Wangen hatte, machte mir eines deutlich – sie log. Für eine Sekunde war ich versucht, nachzubohren, aber ich kannte Ava auch lange genug, so dass ich wusste, sie würde es mir nur unter Alkoholeinfluss erzählen. Und den hatte ich leider gerade nicht parat.

»Ja, das ist wirklich blöd«, wiegelte ich deshalb ab. Vielleicht hatten Connor und sie versucht, ihr Sexleben ein wenig aufzupeppen, und es war ihr nur peinlich, es vor mir zuzugeben, oder was auch immer. Irgendwann würde ich es sicher erfahren.

»Gut, ich verziehe mich in mein Büro und gehe noch mal die Präsentation durch.

Ava lächelte gequält. »Mach das. Bis später.«

Ich war gerade mitten in meinen Vorbereitungen, als es an der Tür klopfte. Ruckartig riss ich den Kopf hoch und sah Ava. Sie hielt einem Kurier von UPS, klar zu erkennen an der braunen Uniform mit dem Logo auf der Brusttasche, die Tür auf. In der Hand hielt der Bote ein digitales Board sowie einen großen weißen Umschlag. Merkwürdig. Sonst nahm doch Ava immer die Post für mich an.

»Miss Edwards?«

Ich nickte. »Die bin ich.«

Er trat auf den Schreibtisch zu, tippte etwas auf dem Board herum und hielt es mir dann hin. »Könnten Sie mir hier bitte den Empfang der Dokumente persönlich bestätigen?«

Stirnrunzelnd griff ich zu dem Stift, den er mir reichte, und unterschrieb. Dann nahm ich den Umschlag an mich. Darauf war Nur persönlich auszuhändigen zu lesen.

»Danke«, sagte er und ging. Ich betrachtete derweil den Umschlag näher. Kanzlei Nelson, Waterford und Partner. Anwälte? Was wollten die von mir? War das etwa eine Anzeige?

Anscheinend hatte Ava denselben Gedanken. »Hast du was verbrochen? Oder hat dich womöglich einer deiner Ex-Mitarbeiter verklagt?«

Leider fand ich dies gerade sehr beängstigend, weshalb ich über ihren kleinen Scherz nicht wirklich lachen konnte. Nicht einmal schmunzeln. Natürlich gab es eine Menge Leute, die ich im Laufe meiner Karriere verärgert hatte. Aber verklagen? Mich? Warum? So schlimm war ich dann doch nicht.

Ich riss den Umschlag auf, zog die Papiere heraus und überflog die erste Seite.

»Und?« Ava verschränkte die Arme vor der Brust und wippte auf ihren Füßen vor und zurück.

»Sehr geehrte Frau Edwards, hiermit möchten wir Sie zur …«, ich stockte kurz, »… Testamentsverlesung einladen.«

Ava jauchzte auf. »O wow, du hast was geerbt? Von wem?«

Ich las ein paar Zeilen weiter. »Von einem Mortimer McDougal in Hollywell, Cornwall.« Nachdenklich hob ich den Blick. »Wer zur Hölle ist dieser McDougal? Ein entfernter Verwandter vielleicht? Ich weiß, meine Mutter hatte noch einen Onkel.« In den hinterletzten Gehirnwindungen kramte ich nach Informationen zu entfernter Verwandtschaft. Aber es war viel zu lange her, um mich daran erinnern zu können.

»Vielleicht fragst du sie einfach«, gab Ava zurück.

Ich stopfte die Seiten zurück in den Umschlag und nickte. »Du hast recht. Ich bin am Sonntag ohnehin bei meiner Mutter zum Essen.«

Ava schien trotzdem noch nicht zufrieden zu sein. »Gehst du denn hin? Und hast du vor, das Erbe anzutreten?«

Ich hielt inne. »Keine Ahnung, ich weiß ja noch nicht einmal, was ich erben werde. Schulden werde ich sicher nicht annehmen.«

Ava begann zu strahlen. »Jetzt stell dir mal vor, du erbst total viel Geld. Wie geil wäre das denn? Dann bräuchtest du nicht mehr zu arbeiten.«

Skeptisch zog ich eine Augenbraue in die Höhe. »Nicht mehr arbeiten?«

Für den Sekundenbruchteil huschte ein überraschter Ausdruck über das Gesicht meiner Freundin. Doch dann hatte sie sich wieder gefangen. »Stimmt, du ohne Arbeit ist wie Atmen ohne Sauerstoff, eine Blume ohne Sonne oder der Feldwebel ohne Gefreiten, den er rumkommandieren kann.«

Mit dem Feldwebel hatte sie natürlich voll auf mich abgezielt. Aber ich trug es ihr nicht nach. Irgendwie hatte sie sogar ein bisschen recht damit. Meine Leute ein bisschen herumzuscheuchen, machte ich manchmal ganz gern.

»Eben, und da wir heute Nachmittag die Teamsitzung haben, werde ich dich jetzt einfach rausschmeißen und mich noch weiter vorbereiten. Wenn ich leitende Finanzchefin bin, werde ich dich nämlich als persönliche Assistentin mitnehmen, und dann bekommst du folglich auch mehr Geld. Also husch, husch.«

Ava nickte und salutierte augenzwinkernd. »Alles klar, Chefin, dann bis zur Mittagspause um null einhundert.« Damit verließ sie lachend mein Büro und schloss die Tür hinter sich.

Ich konnte nicht umhin, die Papiere aus dem Umschlag noch mal herauszuziehen und nun ganz in Ruhe zu studieren. Am 13. März um zehn Uhr in Newquay, Cornwall. Das war sogar schon nächste Woche Freitag. Wieder flog mein Blick über die Zeilen. McDougal. McDougal. Mortimer.

Nein – der Name sagte mir absolut gar nichts. Ich warf den Brief achtlos auf den Schreibtisch, ließ mich in den Sessel fallen und griff zum Telefon. Entschlossen wählte ich eine Nummer, die mir über all die Jahre in Fleisch und Blut übergegangen war. Die Nummer des Friseursalons, in dem meine Mutter arbeitete. Es tutete. Dreimal nur, dann wurde abgenommen.

»Cut your Hair. Elizabeth Edwards am Apparat.«

»Hi, Mom, ich bin’s.«

Meine Mutter seufzte. »Tamy-Schatz, schön, dass du mal wieder anrufst, wie geht es dir denn? Was macht dein neues Projekt? Geht es langsam voran?« Ich ignorierte ihre Fragen einfach und ging direkt in medias res.

»Mom, kennst du einen Mortimer McDougal?« Keine Antwort. Ich glaubte bereits an die Unterbrechung der Leitung. »Mom? Bist du noch dran?«

Eine Sekunde verging, eine zweite, eine dritte. »Mom?«

Dann hörte ich ein seltsames Geräusch am anderen Ende.

»Ja, kenne ich. Wieso?« Ich stutzte. Moms Stimme klang gepresst und tief. Sowohl argwöhnisch als auch verärgert. Hatte sie zu dem Onkel etwa keinen guten Kontakt gehabt?

»Weil er mir wohl etwas vererbt hat. Ich bin zur Testamentseröffnung eingeladen. Nach Newquay in Cornwall.«

Wieder herrschte kurz Stille, so dass lediglich ein leises Brummen in der Leitung zu hören war. »Mom? Alles in Ordnung?«

»O … okay. Er ist also tot?«, flüsterte sie.

Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Na, wenn er noch leben würde, müsste ich ja nicht zur Testamentseröffnung, oder?« Stille. »Also kannst du mir jetzt bitte sagen, wer das ist? Ist es dieser entfernte Onkel, von dem du mal gesprochen hast?«

Erneut vergingen erst einige Sekunden, bis sie antwortete.

»Nein, Tamy-Schatz. Dein Onkel ist schon lange tot. Und der hatte auch nichts zu vererben.«

Nun wurde ich ungeduldig. »Mom, jetzt sag schon, mach es doch nicht so spannend. Wer ist dieser McDougal?«

Ich hörte meine Mutter am anderen Ende leise aufschluchzen. »Darüber will ich nicht reden.« Der Tod dieses Mannes nahm sie anscheinend sehr mit. Herrgott, wer war er denn jetzt?

»Mom, bitte. Ich will wissen, wer mir da was vererbt hat. Also, wenn du weißt, wer das ist, dann rück jetzt endlich mit der Sprache raus.

Mom räusperte sich und holte tief Luft »Also gut … Mortimer McDougal war dein Erzeuger!«

Die Offenbarung, dass Mortimer McDougal mein Vater gewesen sein sollte, hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Meine Mom hatte in all den Jahren nie über ihn gesprochen. Und wenn ich gefragt hatte, hieß es immer, sie wüsste nicht, wer mein Vater sei. Dass sie es aber doch wusste und es mir auch noch absichtlich verschwiegen hatte, brachte mich nun schier um den Verstand. Somit war mein Vortrag während der Teamsitzung mehr schlecht als recht und Norris zog mit wehenden Fahnen präsentationstechnisch an mir vorbei. Gelinde gesagt, war mir das jedoch völlig egal. Ich hatte heute erfahren, wer mein Vater war. Und wo er lebte. Korrigiere – gelebt hatte.