Honky Tonk Pirates - Es kann nur einen geben - Joachim Masannek - E-Book

Honky Tonk Pirates - Es kann nur einen geben E-Book

Joachim Masannek

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Beschreibung

Will ist im Besitz des kostbaren Rings der Witwe Chen! Um unbesiegbar zu werden, braucht er jetzt nur noch das passende Siegel. Doch das befindet sich dummerweise irgendwo in der Wildnis Amerikas. Und zu allem Übel ist auch Honky Tonk Hannah auf der Suche danach – mit gewaltigem Vorsprung. Aber Will lässt sich nicht unterkriegen und heftet sich zusammen mit seinem neuen Freund Nat an ihre Fersen. Eine atemberaubende Verfolgungsjagd beginnt, währenddessen Will von der trickreichen Hannah zur Weißglut getrieben wird und sich auch noch vor Talleyrands Häschern in Acht nehmen muss! Doch dann findet der rasante Wettlauf ein jähes Ende, denn plötzlich stehen Will, Nat, Hannah und Whistle gemeingefährlichen Mohwaks gegenüber – und sehen dem Tod ins Auge …

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Seitenzahl: 261

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Inhaltsverzeichnis

TEIL EINS - Die Zeiten ändern sich
TOD DEN PIRATENDIE KAKERLAKEN VON BERLINSCHLIMMER ALS GALGEN, PEST UND TEUFELZOMBIES VERSUS GEPUDERTE BIESTERRACHE HOCH DREINAT AUS NEW YORKFEUERKOPF FINNJÄGER UND GEJAGTE
TEIL ZWEI - Die Neue Welt
KOPFÜBER WILD UND WORTKARG VERWEGENEH-NA-NEH-NA-NEH-NAZAPPENKRAUTFINSTERMOHAWKSPIRAT SEIN ODER NICHT SEINEINER FÜR ALLEVERKAUFT, VERRATEN UND VERZOCKT
TEIL DREI - Zwischen Himmel und Hölle
DIE HOFFNUNG IST NUR EIN SEIDENER FADENUNVERWÜSTLICH UND LEIDER AUCH FÜRCHTERLICH COOLDER SCHÖNSTE TAG MEINES LEBENSWHISTLES GEHEIMNISDER ANGRIFF DER IROKESENGAGGAMANIEVALAS MUSS STERBENDIE MACHT DES RINGS
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cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House

TEIL EINS

Die Zeiten ändern sich

TOD DEN PIRATEN

Es war still auf dem Mittelmarkt. Absolut still, so als wäre jedes Wesen der Welt, das noch ein Herz im Leib trug, in der letzten Nacht bei lebendigem Leibe begraben worden. Die einzigen Geräusche, die Will hörte, waren die der eisenbeschlagenen Räder und Hufe, als der Karren mit dem nicht ganz mannshohen Käfig durch die Gasse der reglosen Menschen gezogen wurde. Will klammerte sich an die rostigen Gitterstäbe und starrte zwischen ihnen hindurch in die ausdruckslosen Gesichter der zerlumpten Männer, Frauen und Kinder.

Ja, Kinder …, dachte er kurz. Doch es waren so wenige. Wo waren Sarah und Rachel, die Roten Korsaren, und wo zum Teufel war Jo? Wo waren die Straßenkinder Berlins geblieben? Und wo steckte Hannahs Piratencrew? Wo steckten die Triple Twins? Wo steckten alle die, die ihn noch retten konnten?

Da hielt der Karren mit einem plötzlichen Ruck. Will verlor das Gleichgewicht und fast wäre er auf Moses gestürzt, der zusammengekauert neben ihm hockte, wenn ihn die dreifingrige Kralle von Talleyrands Soldat nicht gepackt und aus dem Käfig gerissen hätte.

Will blickte kurz in das von groben Tüchern verhüllte Gesicht. Er sah das schwache Glimmen der Augen im ausgefransten Spalt seines Schleiers. Er spürte den eisigen Atem dieses nicht menschlichen Wesens, verlor den Halt unter den Füßen und wurde wie ein Bündel Reisig die Stufen zum Galgen emporgeschleift. Dort schleuderte man ihn in die Arme des Henkers, einem wahren Koloss aus Muskeln und Fett, und der stellte ihn auf die hölzerne Luke.Will glaubte zu bemerken, wie sie schon jetzt unter seinem Gewicht empfindlich nachgab. Er stellte sich vor, wie er fiel. Wie er stürzte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann zog sich die Schlinge aus Hanf um seinen Hals zu. Und bevor ihm ihr Knoten das Genick brach, würde er sich noch – das hatte er schon zu oft gesehen – ganz erbärmlich in die Hosen pinkeln.

Will hatte Angst. Er konnte vor Angst fast gar keinen klaren Gedanken mehr fassen und trotzdem bäumte sich sein Stolz in ihm auf. Das war kein Tod für Höllenhund Will, den Piraten von Berlin, der einmal der beste Pirat der Welt sein wollte. Und das war kein Tod für einen Jungen, der vor einem halben Jahr gerade erst fünfzehn geworden war. Will raffte sich auf. Er hob das Kinn und den Kopf. Er blies sich die blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht und stellte sich vor, wie seine Sommersprossen dabei um die Nase tanzten.

»Hey, Moses!«, rief er, wenn auch mit zittriger Stimme. »Reiß dich zusammen. Das ist unser Tag!«

Der Chevalier du Soleil, der neben ihm stand und dem der Henker gerade die Schlinge um den Hals legte, drehte sich überrascht zu ihm um. Die braunen Rastalocken fielen ihm ins Gesicht und verdeckten die fiebrig gläsernen Augen. In diesem Moment sah Moses viel älter aus als die paarunddreißig Jahre, die er noch gestern gewesen war. Gestern, bevor dieses Biest von Honky Tonk Hannah sie beide verraten hatte: Ja, sie, die Piraten und die ganze Welt!

»Hey, Moses!«, rief Will und dieses Mal war das Zittern aus seiner Stimme verschwunden. »Wo bleibt dein Stolz? Ich will heute nicht umsonst sterben, hörst du! Ich sterbe heute für meinen Traum.«

Wills himmelhellblaue Augen begannen zu strahlen, als bräche die Sonne durch die Gewittersturmwolken hindurch, die sich passend zu ihrem Hinrichtungstag über Berlin zusammenbrauten. Und mit diesen sonnenscheinleuchtenden Augen wandte er sich an die Menschen Berlins.

»Nein, ich sterbe für euren Traum! Oder träumt ihr nicht mehr, wenn ihr armen zerlumpten Kerle frierend und hungernd die Nächte durchwacht? Träumt ihr da nicht von einer besseren Welt? In der alles andersrum ist? In der die Schwachen die Starken sind und jeder jedem vertraut? Träumt ihr davon? Träumt ihr von Aweiku und dem vergessenen Volk? Soll ich euch von dem Dorf aus Blumen erzählen? Von der Erde, die Stürme entfachen kann und den Kindern, die auf Wölfen und Krokodilen reiten, als wären es Schafe und Hunde? Dann hört mir jetzt zu. Die, die euch diese Welt erschaffen können, seid ihr. Ja, ihr selbst könnt das tun. Doch wenn ihr euch noch nicht traut, dann tun wir es für euch. Ja, wir die Piraten, die den Horizont jagen und ihn für euch einreißen werden, damit die Welt endlich groß genug wird. Groß genug für uns alle. Und solange es jemanden gibt, der für diesen Traum stirbt, wird der Traum leben und die vernichten, die gegen ihn sind!«

»Die gegen ihn sind!«, kam die tausendfache Antwort aus der Menschenmasse zurück und brandete wie eine Welle gegen den Galgen.

»Es lebe die Freiheit und die, die sie leben!«, rief Moses Kahiki, der wieder ganz der Alte war. Der Fantast und der Spinner und Aweikus Vater.

»Es lebe die Freiheit!«, riefen die Menschen. Und das Glück, das sie in diesem Moment empfanden, nahm Will und Moses die Angst vor dem Tod.

Nein, sie dachten gar nicht mehr daran, dass sie sterben könnten, bis die Trommeln und die Posaunen sie aus ihrem Traum herausreißen und gegen ihren Willen in die Wirklichkeit zurückzerren wollten.

Will sah die Soldaten und Reiter, lange bevor er sie hörte und bevor er erkannte, wer da im Gefolge des walrossbäuchigen Eulenfels’, des Geheimen Ministers von Preußen und Statthalters Berlins auf die Tribüne eilte, die sich nur einen Steinwurf vom Galgen entfernt vor ihnen aus der Menschenmenge erhob.

Da war ein Kerl im gleichen Alter wie Will. Er trug eine rosa Perücke, die mit dem Zopf nach vorn auf seinem Kopf saß, und lief gebückt und rückwärts die Treppen hinauf, als wäre er verrückt. Prinz Gagga, erinnerte sich Will, der Neffe des Königs von Frankreich, von Ludwig XV., und der folgte dem Schnösel wie ein Engel aus Eis. Silbrig und weiß vom Scheitel bis zu den Stiefeln und mit einer Miene, wie sie dem mächtigsten Herrscher der Welt geziemt. Doch dunkler und unheilvoller war sein Schatten: Der Schwarze Baron, der den Abschluss der Vierergruppe bildete und dessen Erscheinen allein schon ausgereicht hätte, um die Rufe der Menge zum Verstummen zu bringen. Will sah in seine kalten und fahlgelben Augen, die mit jeder Niederlage, die die Piraten ihm zugefügt hatten, noch böser geworden waren. Und er hörte die rasiermesserscharfe Stimme, die in diesem Moment die von nackter Angst erfüllte Stille zerschnitt.

»Ich bin wirklich beeindruckt. Diese Leidenschaft und Begeisterung haben mich mitgerissen. Sie haben meine Sinne betäubt, so wie es eine Flasche Rum tun kann, wenn ich sie auf ex trinken würde. Aber ich trinke keinen Rum, denn ich weiß, dass dem süßen Rausch stets ein übler Kater folgt. Zusammen mit Kopfschmerzen und Übelkeit, wenn man erkennt, dass Träume nicht wahr werden können, und dass jeder, der nicht dafür bestimmt ist, über die Welt zu herrschen, wie ein fauler Apfel zu Boden fällt! Tja, die Zeiten ändern sich wirklich: Tod den Piraten! Henker tut Eure Pflicht. Schüttelt die faulen Äpfel aus unseren Bäumen.«

Und bevor Will noch einmal Luft holen konnte, legte der muskulöse Koloss neben ihm auf dem Galgenpodest den hüfthohen Hebel um. Der Boden unter den Füßen des Jungen verschwand. Die Luke sackte nach unten. Will hörte den Aufschrei von Moses, er hörte das erschrockene Raunen der Menge und dann fiel er in ein dunkles Nichts.

DIE KAKERLAKEN VON BERLIN

Der Schwarze Baron oder wie er sich selber nannte: der Piratenjäger des Königs sah, wie der Henker den Hebel bediente. Er hörte das Geräusch, mit dem die Falltüren unter den Füßen der beiden Piraten wegsackten und als Moses und Will durch sie hindurchstürzten, wandte er sich an seinen König, der zwischen Eulenfels und Prinz Gagga auf einem goldenen Thronsessel saß.

»Wir werden sie alle wie Kakerlaken zertreten! Und das waren die ersten!«

Da zuckten die Augenwinkel des Königs von Frankreich und seine schlanken, feingliedrigen Finger umschlossen den diamantenbesetzten Knauf seines Stocks.

Talleyrand wurde bleich und als er seinen Blick zurück zum Galgen wandte, waren die Gehängten verschwunden, als hätte der Galgen oder der Boden darunter die beiden verschluckt. Das Raunen der Menschenmenge war für den Schwarzen Baron wie ein heißkalter Wind, der ihm den Rücken bis zum Steiß hinabfuhr. Dann blaffte er seine Befehle: »Das waren die Kinder! Fangt sie und bringt sie zurück! Sie sind unter der Erde!«

Sofort eilten drei Dutzend seiner in graue Schleier gehüllten Soldaten in alle Himmelrichtungen davon und ihre unheimlichen, kehligen, vogelähnlichen Laute, die sie sich zuriefen, drangen durch die meterdicke Erdschicht bis in die Katakomben hinab.

»Sie kommen. Sie wissen, dass wir hier sind!«, warnten die Kinder, die das Zeichen der Roten Korsaren auf ihren Stirnbändern trugen und eilten im Licht der Fackeln durch den unterirdischen Gang.

»Wir müssen nach rechts!« Die beiden Anführerinnen zogen die Kapuzen ihrer erdbraunen Kutten bis hinter die abstehenden Ohren zurück. »Und löscht eure Fackeln!«

Dann holten die beiden rothaarigen Mädchen noch einmal Luft, hielten sich ihre Nasen zu, schlossen die Münder, pressten die Lippen zusammen und sprangen vor Moses, Will und den anderen Kindern, als würden sie schwimmen gehen, in ein mit einer metallisch glitzernden, aber offensichtlich lebenden Masse gefülltes Becken.

Will verlor jetzt zum zweiten Mal binnen Sekunden den Boden unter den Füßen und ein zweites Mal wunderte er sich, dass sich die Schlinge um seinen Hals nicht zugezogen hatte. Er erinnerte sich an den Sturz, nachdem der Henker den Hebel gekippt hatte und der Boden unter seinen Füßen weggesackt war, und er erinnerte sich, an wen er in diesem Moment, dem letzten Moment seines Lebens gedacht hatte:

An Honky Tonk Hannah! Verfuchst, warum gerade an sie? An diese Verräterin!

Das machte ihn wütend und als ob ihm diese Wut sagen würde, du darfst noch nicht sterben, gab das Seil im Sturz durch die Luke urplötzlich nach.

Es gab keinen Ruck. Der Knoten der Schlinge brach ihm nicht das Genick und er pinkelte sich auch nicht in die Hose. Er spürte nur plötzlich die vielen Arme und Hände, die ihn und Moses unter dem Galgen auffingen, und bevor er verstand, was mit ihm passierte, rutschte er schon durch einen Tunnel hinab in den unterirdischen Gang. So wie er jetzt durch diese metallisch wabernde Masse glitt, als er hinter den Anführern der Roten Korsaren, hinter Rachel und Sarah ins Becken sprang.

Ja, seine Freunde, die Straßenkinder Berlins, hatten Moses und ihm das Leben gerettet. Will jauchzte vor Freunde, erschrak im selben Moment und schloss seinen Mund sofort wieder.

Hornhautgepanzerte Assellei. Hat dieser Albtraum denn niemals ein Ende?, schoss es ihm durch den Kopf. Da hörte er durch das Schaben und Kratzen der lebendigen Masse, die ihm über den Kopf hinwegschwappte, die Schritte der Soldaten im Treppenhaus.

Fünf von Talleyrands verschleierten Männern stürmten die Stiegen zum Keller des Hauses hinab, das sich über den Kindern befand. Sie spürten den Hohlraum unter den Dielen, rissen Äxte aus ihren Gürteln, zerschlugen den Boden und hielten eine Fackel in das dunkle Loch.

Das Kratzen und Schaben im Becken um Will und den Freunden verwandelte sich in ein zorniges Fauchen.Talleyrands Männer, von denen Will annahm, dass sie alle schrecklichen Dinge der Welt bereits gesehen hatten, wichen unwillkürlich zurück. Und als der Schwarze Baron die Fackel an sich riss, starrte er auf die glitzernde Masse aus Kakerlaken, die den zehn mal zwölf Meter großen Raum unter ihm fast bis zur Decke füllte. Er sah, wie sich die gepanzerten Rücken der Tiere teilten. Einige von ihnen waren größer als Gänseeier. Er sah die Flügel, die sich unter diesen geteilten Panzern entfalteten und wollte gerade rufen: Weg hier! Die können fliegen!

Da schoss der Schwarm auch schon auf ihn zu und jagte den Schwarzen Baron und seine fünf Männer durch den Keller des Hauses hinauf auf den Platz.

Zurück blieben nur die Kinder, Moses und Will und nachdem sich die letzten der fliegenden Schaben aus dem Keller verflüchtigt hatten, spuckte Will die drei Krabbler aus, die ihm beim Jauchzen in den Mund geschlüpft waren.

»Bah, war das ekelig«, schimpfte der Junge und verzog das Gesicht zu einem schadenfrohen Grinsen, als er eines der Insekten in Moses’ Nasenloch entdeckte. Will packte den Käfer und zog ihn aus seinem Gefängnis. »Absolut ekelig, aber dafür genial!«

Die Kinder um ihn herum lachten ihn an und Will ahmte Talleyrands Stimme nach.

»Wir werden die Piraten wie Kakerlaken zertreten! Das hat er gesagt. Ihr habt es gehört!« Er begann wie wild auf der Stelle zu treten. »Doch, huih, sind das viele. Oh, viel zu viele sind das!« Er packte Moses beim Arm und drehte sich mit ihm lachend im Kreis. »Da muss man ja so viel treten, dass man fast tanzt! Das wird eine lustige Geschichte, Gabi Marie!«

Und Will hatte recht. Der Schwarze Baron sah überhaupt nicht mehr unheimlich aus, als ihn der Schwarm der Insekten über den Mittelmarkt jagte.

»Ich danke euch, hört ihr!« Will und Moses umarmten die Kinder. »Wir danken euch allen«, lachten jetzt beide. »Ihr habt uns das Leben gerettet. Aber wie geht es jetzt weiter? Wo sind Jo und die Triple Twins? Und wie kommen wir aus dieser von Gott und Teufel verfluchten Stadt? Wir müssen doch Hannah jagen!«

Im nächsten Augenblick zuckte Will erschrocken zusammen.

Kanonen detonierten auf dem Platz über ihm. Das zerhackte Blei riss empfindliche Löcher in den Schwarm der Insekten und dann hörten sie die Stimme von Gagga. Prinz Gagga, dem Neffen des Königs, den bisher alle nur für verrückt gehalten hatten. Doch jetzt wurde er in seinem Wahnsinn urplötzlich böse. Böse und scharfsinnig und auf eine das Blut in den Adern gefrieren lassende Weise genial.

Der Kerl stand im Pulverrauch der Geschütze. Die rosa Perücke war verrutscht, das gepuderte Gesicht schwarz vom Ruß des Kanonenfeuers und die blauen Augen fiebrig gerötet.

»Talleyrand! Verdoppelt die Wachen an den Toren der Stadt und kontrolliert die Straßen zu allen Häfen. Sie wollen zum Meer. Sie wollen zu Hannah und Blind Black Soul Whistle. Sie wollen den Ring und das fehlende Siegel.« Auf seinem Gesicht entstand ein diabolisches Grinsen. »Doch das will ich auch!«

Will hielt die Luft an, obwohl er Prinz Gagga in den Katakomben nicht sehen konnte. Er hörte ihn nur und das reichte ihm. Er hörte, wie sich der verrückte Neffe der Königs von Frankreich in diesem Moment als ein Gegner entpuppte, der Talleyrand mindestens ebenbürtig war.

Will dachte unwillkürlich an die Schlange aus den alten Geschichten, der, wenn man ihr einen Kopf abschlug, sofort zwei noch schrecklichere Köpfe nachgewachsen waren. Denn so etwas war mit seinen Feinden passiert. Jetzt gab es schon zwei Piratenjäger.Talleyrand und Prinz Gagga.

»Was habt ihr vor?«, fragte er eingeschüchtert. »Wie können wir ihnen jetzt noch entkommen?«

Doch Rachel und Sarah kratzten sich hinter den Segelohren und grinsten verschmitzt. »Etwas, womit selbst ein Kerl wie Gagga nicht rechnet und was dir, lieber Will, mit Sicherheit nicht gefällt.«

SCHLIMMER ALS GALGEN, PEST UND TEUFEL

Wenn man an diesem Abend der Falke gewesen wäre, der knapp unter den Sturmwolken über der Spreeinsel kreiste, hätte man Folgendes gesehen: Eulenfels und der König von Frankreich ritten vor einem finster vor sich hin brütenden Talleyrand und einem vor Jagdfieber buchstäblich glühenden Prinz Gagga genau in dem Moment ins Berliner Schloss, als sich auf der gegenüberliegenden Seite des großen Gebäudes eine winzige und vor allen Dingen geheime Tür leise und unauffällig von innen öffnete.

Sie öffnete sich für zwei erdbraune Zwerge, die aus Sensensicheln gebastelte Schwerter auf ihren Rücken trugen: für Sarah und Rachel, die Anführerinnen der Roten Korsaren, und hinter ihnen schlüpften auch Moses und Will ins Schloss. Sie eilten die in der hohlen Mauer verborgene Treppe hinauf, die Will plötzlich mehr als bekannt vorkam, und erreichten durch eine ebenfalls geheime, Will aber durchaus schon mehr als vertraute Tür, ein Zimmer im Ostturm, das sich als Salomes Schlafzimmer unwiderruflich in Wills Gedächtnis eingebrannt hatte.

Hier hatte er mit den beiden Damen, die zwar Eulenfels’ Geliebte, aber dennoch seine größten Bewunderinnen waren, erst vorgestern Nacht einen, wie er jetzt erkannte, folgenreichen Pakt geschlossen. Er hatte ihnen geschworen, dass er nach seiner Rache an Honky Tonk Hannah zusammen mit ihnen in die Welt hinaussegeln würde, um dort ganz exklusiv nur für sie die wildesten Abenteuer zu erleben, die man sich vorstellen konnte.

Salome und ihre Freundin Ophelia waren vor Glück geschmolzen und sie hatten ihm deshalb das kleine Schmuckstück anvertraut, hinter dem zurzeit offenbar die ganze Welt her war: den Ring der Witwe Chen. Den Ring, der seinen Träger zum größten Piraten der Welt machen würde, oder, wie es sich Prinz Gagga und sein Onkel, der König von Frankreich wünschten, zum alles und jeden beherrschenden, weil unbesiegbaren Tyrannen.

Doch danach war vieles passiert, womit die beiden Damen so gar nicht gerechnet hatten: Will hatte sich nicht an Hannah gerächt. Ganz im Gegenteil. Er hatte ihr seine Liebe gebeichtet und sie ihr bewiesen, indem er die in den Augen der Damen hinterhältigste Zicke der Welt durch einen unbeschreiblichen Kuss nicht nur von ihrer mehr als verdienten Springwarzenlügenpest erlöst, sondern sie wieder in die atemberaubende Piratenprinzessin verwandelt hatte, die allen Männern den Kopf verdrehte.

Will selbst fühlte sich in keinster Weise schuldig. Er hatte Salome und Ophelia zwar das Blaue vom Himmel versprochen und es dreifach beschworen. Aber er hatte dabei heimlich auf dem Rücken die Finger gekreuzt, was ihn nach altem Piratengesetz von jeglicher Schuld befreite. Doch leider befreite es ihn nicht vom Zorn der Frauen, die ihn in diesem Moment in ihrem Zimmer erwarteten. Sie saßen vor riesigen Spiegeln und ließen sich von sieben in prächtige orientalische Gewänder gekleideten Zofen die meterhohen Perücken aufsetzen.

»Willkommen in der Höhle des Löwen, Will!«, zischte Ophelia giftig und Salome tupfte sich ein Schönheitspflästerchen über den linken Mundwinkel, um ihr teuflisches Grinsen zu unterstreichen.

»Eigentlich solltest du schon tot sein!«, drohte sie ihm.

»Tot, ja tot. Und du wirst mit Sicherheit sterben, wenn du unsere gütige Hilfe nicht annehmen solltest.« Ophelia betonte ihre mandelförmigen Augen mit Kajal und Salome verstärkte das Rouge auf den sowieso schon zorngeröteten Wangen.

»Tja, und du wirst wohl ebenfalls sterben, wenn es dir noch einmal einfallen sollte, deine flinken Fingerchen hinter deinem Rücken zu kreuzen, während du vorgibst, uns etwas zu schwören. «

»Rachel und Sarah!«, befahl Ophelia und bevor Will sich dagegen wehren konnte, packten die beiden Mädchen seine Hände und steckten ihm schwarze, walnussgroße Holzmurmeln zwischen die Finger, sodass sie sich wie bei einem in Panik geratenen Frosch auffächernd spreizten.

Will starrte auf das Wort, das wie zum Hohn in jede dieser Murmeln eingraviert war. Dort stand Pirat‚ denn das waren natürlich seine Murmeln gewesen. Die Murmeln, die er vor Jahren als Pirat von Berlin immer dort verteilt hatte, wo er etwas hatte mitgehen lassen, und die Salome und Ophelia schon damals leidenschaftlich sammelten.

»Warum tut ihr das, Rachel?«, fragte Will fassungslos. »Sarah, die beiden sind Biester. Auch wenn sie wie Feen oder Elfen aussehen, gehören sie doch zu den Bösen. Zu denen, gegen die ihr und wir kämpfen wollen. Zu Eulenfels,Talleyrand und verfuchst, zu diesem Prinz Gagga.«

»Genau«, grinste Ophelia und strich blutiges Kirschrot auf ihre Lippen.

»Und wir müssen nur einen Schluckauf bekommen. Einen Schluckauf vor Schreck über zwei böse Piraten, die in unser Zimmer gestürzt sind. Wir müssen nur an dieser Klingel hier ziehen …«, Salome umfasste die golddurchwirkte Quaste, »… dann stürzen Eulenfels’ Soldaten, Talleyrands Männer und die 22 000 Musketiere des französischen Königs in mein Schlafzimmer, um euch …«

»Moses!«, erschrak Will, als er zum Franzosen sah. Der Kerl grinste ihn an, als wäre Will ein Vollidiot.

Will protestierte: »Was gibt’s da zu grinsen! Mo, das da sind Frauen.«

»Genau wie wir!«, grinsten Sarah und Rachel.

»Oder wir!«, sagte Tule und zupfte wie die anderen fünf Mädchen der Triple Twins den Schleier ihres orientalischen Zofengewands aus dem Gesicht.

»Und ich bin das auch!«, grinste die siebte Zofe mit den kugelrunden Augen. Die strahlten und leuchteten in ihrem schwarzen Gesicht. »Auch wenn nur vorübergehend.«

»Jo?« Will schnappte nach Luft. »Jo, du trägst Frauenkleider?«

»Ja, und sogar Unterwäsche!«, grinste der Afrikaner. »Und genau das wirst du auch tun.« Er lief zu einem Paravent und zog ihn zur Seite. »Die sind für dich.«

Will starrte entsetzt auf das graue Kleid einer Dienstmagd.

»Wie bitte? Nein. Das tue ich nicht. Ich zieh das nicht an und ich werde euch auf keinen Fall von vorne bis hinten bedienen.«

»Dann spricht jetzt die Quaste!« Salome umfasste den fransenbesetzten Klingelstrick und deutete auf die Stelle, wo dieser in der Decke verschwand. »Das führt direkt ins Kabinett des Ministers, wo sich unser süßer Moppel, ähm, ich meine natürlich den Freiherrn von Eulenfels, mit seinem Freund, dem König von Frankreich in diesem Moment darüber berät, wie er euch fangen kann.«

»Und dieses Mal werden sie uns nicht mehr entwischen!«, schnaufte der schwergewichtige Preuße und führte seine drei Begleiter zu dem Tisch, auf dem sich ein Miniaturmodell von Berlin befand. Eulenfels ergriff einen Stock und deutete zunächst auf die Tore der Stadt. »Die Wachtposten hier wurden verdreifacht. Auf den Mauern dazwischen patrouillieren Truppen und Reiter umkreisen die Stadt in mehreren Ringen. In der Nacht brennen Feuer auf den Wiesen und Feldern, die jeden verraten, der sich dort herumtreibt, und die Straßen, die aus der Stadt führen, wurden alle gesperrt.« Er schenkte dem König von Frankreich ein zufriedenes Grinsen. »Und falls sie es vorziehen, sich in der Stadt zu verkriechen, treiben Talleyrands Männer oder Eure 22 000 Soldaten sie in kürzester Zeit aus ihren Löchern heraus. Es wird keinen Stein geben, den sie nicht umdrehen werden.«

Ludwig XV. verzog keine Miene. Er schaute von seinem Neffen, dem verrückt vor sich hin brabbelnden Prinzen Fou-Fou oder Gagga zum Schwarzen Baron, der sich in diesem Moment in den Nacken griff und eine hühnereigroße Kakerlake aus dem Hugenottenkragen zog.

»Jeden Stein. Das ist gut. Und dazu gehört auch das Schloss. Ja, lasst auch das Schloss durchsuchen. Diese Biester können überall überleben.« Er streichelte dem Insekt gedankenverloren über den Rücken. »Fast überall«, ergänzte er bitter, presste Daumen und Zeigefinger zusammen und zerquetschte den verhassten Käfer.

»Oui, maintenant!« Prinz Gagga unterbrach sein fiebriges Gebrabbel, sprang erregt auf, drehte sich seine rosa Perücke einmal im Uhrzeigersinn um den Kopf, und stürzte dann unverzüglich durch die Flügeltür aus dem Raum.

»Maintenant! Maintenant! Oh, Onkel Lollipop Lollipop!« Er kam wie ein aufgescheuchtes Rebhuhn zurück, packte den König und zerrte ihn hinter sich her in den Flur. »Der Baron hat’s begriffen. Er hat es geschnallt. Wir müssen jetzt suchen. Jetzt und sofort. Oder hat dieser Mistkerl von Höllenhund nicht vor ein paar Jahren dort oben in der Domkuppel vor Eurer Nase gelebt? Freiherr von Eulenfett? Nein. Er ist hier. Das kann ich spüren. Ich spüre ihn durch diese Mauern hindurch! Will ist im Schloss!«, rief Prinz Gagga begeistert, drehte sich beim Laufen um die eigene Achse und riss, als auch Talleyrand und der Minister ihm folgten, die ersten Türen auf.

»Er ist hier! Er ist hier!«, begann er zu singen. »Ja, der Kerl … zieht mich an … wie der Nordpol … die Nadel … vom Kompass … vom Kompass!«, sang er im Dreivierteltakt und tanzte mit dem König einen Walzer durch die Zimmer des Schlosses. »Hey, Talleyrand!«, rief er während des Singens. »Ruft Eure Männer, diese hässlichen Vögel! Die riechen und sehen besser als wir. Die sollen uns helfen!«

Zur selben Zeit konfrontierten Salome und Ophelia Will mit seinem offensichtlich unausweichlichen Schicksal und hätte der Junge dort im Zimmer des Ostturms im anderen Flügel des Schlosses den Gesang des Prinzen bereits gehört, hätte er sich bestimmt nicht gewehrt. So aber sträubte sich alles in ihm gegen den eigentlich perfekt ausgeklügelten Plan der beiden Damen.

Salome und Ophelia waren nicht nur von Anfang an in die Befreiung von Will eingeweiht gewesen. Nein, sie hatten seine Befreiung sogar geplant und überhaupt erst ermöglicht. Sie hatten die Roten Korsaren dazu überredet, das Risiko einzugehen und ihn und Moses vor dem Galgen zu retten. Denn sie, Salome und Ophelia, waren die Einzigen, die dafür sorgen konnten, ihn und alle, die Eulenfels’ Rache fürchten mussten, heil aus der Stadt herauszubringen. Doch das war nicht alles. Sie verfügten sogar über genügend Mittel, um für Will, Moses, Jo und die Triple Twins ein Schiff zu chartern, das sie nach Amerika bringen sollte. Und dort konnten sie sich endlich an den beiden Menschen rächen, die sie noch mehr hassten als Eulenfels, Prinz Gagga oder den Schwarzen Baron: an Blind Black Soul Whistle, der alte Piratenfürst von New Nassau und natürlich an Honky Tonk Hannah, dem genau so atemberaubenden wie verräterischen Biest von Piratin.

Ja-mahn, und die hatten nicht nur schon mehr als anderthalb Tage Vorsprung, die befanden sich auch auf dem schnellsten Schiff der Welt: dem Fliegenden Rochen, Hannahs Seeräuberkatamaran, der bereits mit Hilfe des Sandes von der Insel des vergessenen Volkes wie ein stolzer Albatros über den Ozean flog: in Richtung New York.

»Also, was ist?«, säuselte Salome. »Willst du das Biest und den Fettsack fangen? Willst du Whistle die Ohren abschneiden, mit denen dieser blinde Bastard besser hören kann als andere sehen?

»Willst du Hannah die Finger abschneiden?«, lockte Ophelia. »Einen nach dem anderen, bis sie keinen mehr hat, damit sie nie wieder einen Ring tragen kann, höchstens vielleicht durch die Nase?«

»Und willst du verhindern«, lächelte Salome, »dass sie vor dir das Siegel bekommen? Den Kopf des Drachens, der dem Drachenring fehlt?«

»Willst du den Ring, den sie dir genommen haben,Will, und willst du das werden, von dem wir alle hier wissen, dass …« Ophelia blickte ihn mit einem Augenaufschlag an, dass Wills Herz sich, verfuchst noch mal, überschlug.

»… von dem wir alle hier wissen, dass du es bist. Nur du, Will, allein!«, seufzte Salome, ging auf ihn zu und strich ihm mit der Fingerspitze über die Wange.

»Willst du der beste Pirat der Welt sein?«, hauchte Ophelia, die plötzlich hinter Will stand, mit heißem Atem in sein Ohr.

»Dann schwör diesen Schwur!«, flüsterte Salome.

»Schwör, dass du uns niemals wieder verlässt.«

»Niemals! Wir wollen dabei sein, wenn du der Beste wirst, Will, und wenn du es bleibst!« Salome schlang ihre Arme von hinten um Hals und Schultern des Jungen.

»Wenn du es bleibst, damit du diese beiden süßen Mädchen Rachel und Sarah, die uns ebenfalls begleiten, zu ihrem Vater bringen kannst. Du erinnerst dich doch,Will?«, hauchte Ophelia und blies ihm dabei eine seiner blonden Strähnen aus dem Gesicht. »Du weißt doch, ihr Vater: Er wurde von Eulenfels an die Franzosen verkauft, um in Amerika gegen die Engländer zu kämpfen.«

»Ja, und danach«, schwärmte Salome glücklich, »befreist du die Welt. So wie Jo es von Anfang an wollte und wie du es den Mädchen versprochen hast.«

»Wie du es allen versprochen hast!« Ophelia fasste Will an den Hals. »Unter dem Galgen.«

»Erinnerst du dich?«, strahlte Rachel, die mit ihrer Schwester aus dem Nebenraum sprang.

»Wenn euer Mut noch nicht groß genug ist, dann tun wir’s für euch«, wiederholte Sarah die Worte aus Wills flammender Rede. »Ja, wir Piraten, die den Horizont jagen.«

»Wir reißen ihn für euch ein, damit die Welt endlich groß genug wird.« Rachel grinste von einem Segelohr zum andern.

»Ja, groß genug für uns alle! Ja-mahn und solange es jemanden gibt, der für diesen Traum stirbt, wird der Traum leben und die vernichten, die gegen ihn sind!« Sarah hakte sich unter den Arm ihrer Schwester, die packte Jo und dann tanzten alle drei zusammen im Kreis herum.

Sie tanzten, wie Prinz Gagga mit seinem Onkel tanzte, im Herzen des Schlosses. Und wie von einem Stein, der ins Wasser fällt, die Wellen nach allen Seiten kreisen, schwärmten von ihnen Talleyrands Männer aus, um Will, Jo und Moses zu fangen.

Die sollten längst fliehen. Die Kutschen der Damen standen bereit, jenseits der Mauern der Inneren Festung am Ufer der Spree. Doch Will war dazu noch nicht in der Lage. Er starrte auf die drei tanzenden Kinder. Jo, im orientalischen Haremsdamenkostüm und die einst so coolen Roten Korsaren hatten doch tatsächlich ihre erdbraunen Kutten gegen Prinzessinnenkleider getauscht. Anstelle der Sensenschwerter drehten sie jetzt rüschenumrandete Schirmchen und ihre sonst so wilden roten Locken schwangen zu Affenschaukeln geflochten um ihre Segelohren herum.

»Jo!«, stammelte Will. »Was machst du da? Die wickeln dich gerade um ihre schleimigen Finger. Ja, Jo, die seifen dich ein.«

»Was meinst du damit?«, fragte sein kleiner Freund. Er strahlte vor Glück und Rachel und Sarah küssten ihn auf die Wangen. Jede auf eine.

»Hör nicht auf ihn!«

»Vergiss ihn, Jo, hörst du!«

»Der interessiert sich doch gar nicht dafür, wer du bist.«

»Und ob ich das tue!«, widersprach Will eilig. »Und ich meine es ehrlich.«

»Ach ja?« Salome und Ophelia stutzten neugierig. »Du bist also ehrlich. Dann kannst du’s ja schwören. Will, du hast die Wahl. Das Kleid einer Dienstmagd oder die Quaste. Doch die führt zu Eulenfels.«

Will blitzte sie an und dann schaute er auf seine von den Piratenmurmeln gespreizten Finger.

»Das ist Erpressung!«, wehrte er sich.

»Nein«, grinste Salome. »Das ist einfach nur gut argumentiert.«

Im selben Augenblick erreichten Prinz Gagga, der König von Frankreich, Eulenfels, Talleyrand und fünf seiner Soldaten den Eingang zum Ostturm. Doch die Tür war verschlossen.

»Wer lebt denn hier?« Gagga rümpfte die Nase und wedelte sich die Wolke aus rosa Puderstaub, die aus dem Turm drang, aus dem Gesicht. »Das riecht wie …«

»… Salome und Ophelia«, erklärte der Freiherr.

»Das sind Eure …?« Der König von Frankreich suchte nach dem richtigen Wort.

»… Damen«, stellte Eulenfels richtig. »Anständige Damen, die hier mit mir leben.«

»Ja, leben«, nickte der Schwarze Baron, »doch bewundern und lieben tun sie diesen Höllenhund Will. Oder irre ich mich?«

Der Puder auf Eulenfels’Wangen bekam vor Wut und Scham knallrote Flecken.

»Brecht die Tür auf!«, befahl Talleyrand und noch bevor er das letzte Wort ausgesprochen hatte, rammten zwei seiner Männer ihre Krallen durchs Holz und rissen die Tür aus den Angeln.

ZOMBIES VERSUS GEPUDERTE BIESTER

Dicht gefolgt von Prinz Gagga stürzten Talleyrands Männer in die Gemächer der Damen und verschwanden, als sie Salomes Schlafzimmer erreichten in einer großen Wolke aus rosa Puder.

»Wo sind sie?«, rief der vor Jagdfieber zitternde Gagga. »Warum sind sie nicht hier? Onkel Lou-Lou! Aah! Mon Dieu! Nein!«

Der Prinz ruderte plötzlich mit den Armen, rutschte und schlitterte über den milchig glänzenden Boden, dachte kurz – Merde, das muss Schönheitscreme sein! Liter von Schönheitscreme! – , fiel der Länge nach hin, rutschte zwischen den ebenfalls über den Boden schlitternden Zombiesoldaten quer durch das Zimmer, drehte sich dabei auf dem etwas pummligen Po und prallte als lebender Kreisel vom Tisch gegen das Bett.

»Sie sind nicht mehr da!«, klagte Prinz Gagga wehleidig, als der Schwarze Baron im Türrahmen erschien. »Doch wo sind sie hin? Haben sie sich in Luft aufgelöst und sind zu Puder geworden? « Er nieste so heftig, dass sein ganzer Körper erbebte, und schlug dabei mit dem Hinterkopf gegen die Wand.

Die knarzte und quietschte und als er die Augen verdrehte, um die Ursache dieser Geräusche zu erkunden, öffnete sich