Hope's Crossing - Zurück zum Glück - RaeAnne Thayne - E-Book

Hope's Crossing - Zurück zum Glück E-Book

Raeanne Thayne

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Beschreibung

Der dritte Band der berührenden Hope's-Crossing-Serie von RaeAnne Thayne: Soll Maura einen Neuanfang mit ihrer Jugendliebe wagen?

Nach einem tragischen Verlust will Maura nur noch nach vorn blicken. Stattdessen wird sie schlagartig von der Vergangenheit eingeholt: Jackson Lange, ihre erste große Liebe, kehrt nach Hope`s Crossing zurück. Zwanzig Jahre zuvor war Jackson plötzlich ohne ein Wort des Abschieds verschwunden - ohne dass sie ihm sagen konnte, dass sie bereits schwanger mit ihrer gemeinsamen Tochter war. Jetzt scheint er fest entschlossen, seine Familie zurückzugewinnen. Aber Maura könnte es nicht verkraften, dass Jackson ihr noch einmal das Herz bricht! Verzweifelt versucht sie ihm aus dem Weg zu gehen. Bis ein schockierendes Geständnis ihrer Tochter sie zwingt, wieder näher mit ihm zusammenzurücken ...

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Seitenzahl: 410

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RaeAnne Thayne

Hope’s Crossing: Zurück zum Glück

Roman

Aus dem Amerikanischen von Tess Martin

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2014 by MIRA Taschenbuch in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Sweet Laurel Falls

Copyright © 2012 by RaeAnne Thayne

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München; Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-363-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Liebe Leserin,

kürzlich wurde ich gefragt, warum so viele meiner Charaktere schreckliche Tragödien durchleiden müssen. Wow. Als ich daraufhin meine Bücher durchsah, stellte ich fest, dass ich tatsächlich häufig von Menschen erzähle, die schwere Zeiten durchstehen müssen. Sie haben einen Ehepartner verloren, können keine Kinder bekommen, hatten einen furchtbaren Unfall oder ein schwer verletztes Kind. Hmm. Wenn dahinter mal kein Muster steckt!

Nach längerem Nachdenken fand ich es jedoch nicht mehr sonderlich überraschend. Es inspiriert mich einfach, über Menschen zu schreiben, die Hürden überwinden, weitermachen und schließlich ein neues Glück finden. Mich ermutigen die vielen Beispiele aus meiner eigenen Familie und meinem Freundeskreis, Menschen, die sich mit Stolz und Würde durch die Dunkelheit kämpfen, um gestärkt nach vorne zu schauen.

Und das beschreibt auch Maura McKnight-Parker ganz hervorragend. Sie musste einen unfassbaren Verlust ertragen, den Tod ihrer eigenen Tochter. Wenn es ihre Familie und ihr kleines Unternehmen nicht gäbe, hätte sie sich längst ihrer Trauer ergeben. Doch so zwingt sie sich, einen schweren Schritt nach dem anderen zu gehen. Als Jackson Lange, ihre große Jugendliebe, wieder in ihrem Leben auftaucht, bekommt die Eisschicht um ihr Herz langsam Risse, so wie die eingefrorenen Wasserfälle Sweet Laurel Falls, wenn sie im Frühling zu neuem Leben erwachen.

Mir hat es große Freude bereitet, Mauras und Jacks Geschichte zu schreiben. Und während ich viele Tränen über den unendlichen Schmerz dieser Mutter vergossen habe, musste ich auch öfter lächeln als je zuvor beim Schreiben eines Buches. Entstanden ist eine Geschichte voller Schönheit, Charme und heilsamem Frieden, den nur die Liebe schenken kann.

Alles Gute,

RaeAnne

Für die Mitglieder des Utah Chapter of Romance Writers of America. Ihr inspiriert mich mit eurer Hingabe, eurem Talent und eurer Entschlossenheit. Ich bin für immer dankbar für eure Freundschaft.

1. KAPITEL

V on wegen Weihnachtsurlaub. Maura hätte dieses Jahr viel eher Urlaub von Weihnachten gebrauchen können. Am liebsten hätte sie sich in einer warmen Höhle verkrochen und die gesamten Feiertage verschlafen.

Seufzend blickte sie sich um. Alles war für das Books-and-Bites-Weihnachtswichteln heute Abend vorbereitet. Sie hatte einige der großen Sofas und Sessel, die sonst in der Nähe der Kaffeebar standen, in einer hinteren Ecke der Buchhandlung zusammengeschoben.

Knabberzeug? Erledigt. M&M’s, Nüsse und Popcorn in Schüsseln mit Weihnachtsmotiven – sie hatte sogar ihr eigenes Weihnachtsgeschirr für die kleinen Knabbereien angeschleppt.

Deko? Ebenfalls erledigt. In dieser Hinsicht war nicht viel zu tun gewesen. Schon eine Woche vor Thanksgiving hatte sie in den Räumen von Dog-Eared Books & Brew mehrere Plastikweihnachtsbäume aufgestellt, elegant in Blau, Weiß und Silber geschmückt. Schneeflocken-Deko und mit Ornamenten verzierte Anhänger hingen von der Decke und begannen sanft zu schaukeln, wenn jemand die Eingangstür öffnete.

Geschenke? Ja. Sie hatte für jedes Buchclub-Mitglied einen Mini-Weihnachtsbaum mit mundgeblasenen Glaskugeln, angefertigt von einem lokalen Künstler, besorgt.

Zudem hatte sie die Regale und Schachteln in ihrem Büro durchforstet und für jeden eine kleine Präsenttüte mit Kaffee-und Teeproben, Lesezeichen, Notizblöcken und anderen Kleinigkeiten, die Autoren und Verlage ihr ständig zuschickten, zusammengestellt.

Obwohl sie insgeheim sehnlichst wünschte, sich über Weihnachten in ihrem Haus zu verkriechen wie ein Fuchs in seinem behaglichen Bau, hatte sie diese kleine Feier tagelang unermüdlich vorbereitet. Unter Trickbetrügern nannte man so etwas, den Köder auslegen: Sie wollte ihre besten Freundinnen und ihre Familie davon überzeugen, dass sie trotz der Hölle des vergangenen Jahres in der Lage war, weiterzuleben. Dafür musste sie eben möglichst überzeugend Theater spielen.

Vielleicht würde sie dann endlich in Ruhe gelassen, damit sie in ihrem eigenen Tempo einen Weg finden konnte, über den Verlust ihrer Tochter hinwegzukommen.

„Wie findest du es?“, fragte sie April Herrera, die gerade eine Ladung Dog-Eared Books & Brew-Kaffeebecher aus der Spülmaschine hinter der Theke räumte.

April, verantwortlich für das Café der Buchhandlung, blickte sich mit einem Entzücken in den Augen um, das nicht so recht zu ihren hennagefärbten Haaren, den bleistiftdünnen Augenbrauen und den vielen Ohrsteckern passen wollte. Das langärmlige Seidenhemd, das sie unter ihrer Barista-Schürze trug, bedeckte die vielen Tätowierungen auf ihren Armen.

Ihrem Aussehen nach zu urteilen, hätte April wild und zynisch sein müssen. Stattdessen aber war sie der netteste Mensch, den Maura kannte. Und viel wichtiger, sie war klug und fleißig und konnte hervorragend mit Kunden umgehen.

„Das sieht super aus. Einfach perfekt. Die Feier wird bestimmt sehr schön.“

Maura hatte schon immer eine Schwäche für rebellische Mädchen gehabt, wahrscheinlich, weil sie in einem anderen Leben selbst einmal eines gewesen war. „Kannst du wirklich nicht bleiben?“

„Leider nicht. Deine Buchclub-Treffen sind immer der Brüller, ich könnte mich jedes Mal kaputtlachen, wenn deine Mom in den Laden kommt. Und Ruth und Claire zusammen zu beobachten ist auch total witzig. Finden die beiden jemals dasselbe Buch gut?“

„Selten.“ Und das galt nicht nur für Bücher. Ruth Tatum arbeitete auch in der Buchhandlung, und man konnte die Beziehung zu ihrer Tochter Claire im besten Fall als kompliziert beschreiben. „Alle würden sich freuen, wenn du heute dabei wärst. Deine Anmerkungen zu unserem letzten Buch waren wirklich sehr hilfreich.“

„Ich kann nicht, tut mir leid. Sobald Josh hier ist, muss ich los. Heute werde ich zum ersten Mal mit dem Team beim Flutlicht-Skifahren mitmachen.“

„Wie läuft es denn?“, fragte Maura.

„Großartig.“ Das Gesicht der jungen Frau leuchtete auf. „Ich glaube, sie wollen mich künftig regelmäßig einplanen.“

April trainierte für die Ski-Patrouille und absolvierte außerdem eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin. Maura hatte keine Ahnung, wie sie das als alleinerziehende Mutter eines zweijährigen Sohnes neben der Arbeit noch hinbekam. Vielleicht war das ein weiterer Grund, warum sie April unter die Fittiche genommen hatte – sie wusste schließlich selbst, wie schwer das Leben als junge, alleinstehende Mutter sein konnte.

„Das ist fantastisch. Falls wir deinen Dienstplan entsprechend einrichten sollen, sag es einfach. Ich bin da flexibel. Außerdem passe ich jederzeit gern auf Trek auf.“

„Danke, Maura.“

„Vielleicht kannst du dir ja für unser nächstes Buchclub-Treffen im Januar etwas Zeit freischaufeln.“

„Auf jeden Fall!“ April wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment betätigte ein Kunde die kleine Klingel an der Kaffeebar. April winkte Maura kurz zu und eilte davon, um sich um die Bestellung zu kümmern.

Maura selbst konnte den Januar kaum erwarten, sie wollte nichts anderes, als endlich die Seite ihres Kalenders aufs neue Jahr umzublättern. Sobald der ganze Weihnachtsrummel vorbei war, konnte sie eventuell aufhören, so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre, obwohl sie innerlich wie erstarrt war.

Sie schnappte sich noch eine Dose gesalzene Nüsse und stellte sie auf einen Nebentisch, dann schob sie eine Schüssel mit Pfefferminz etwas zur Seite. Es war Fluch und Segen zugleich, dass sie in Hope’s Crossing von ihren Freunden und Verwandten umringt war. Sie liebten Maura und machten sich natürlich Sorgen um sie, das konnte sie gut verstehen. Sie versuchte auch, dankbar dafür zu sein, doch die meiste Zeit über fühlte sie sich einfach nur überfordert und erdrückt. Angesichts dieser ständigen Besorgnis der anderen hatte sie das Gefühl, lebendig unter einer Lawine begraben zu sein, die sie so schwer niederdrückte, dass sie hektisch nach einem Luftloch suchen musste.

Selbst in ihrem kleinen Bungalow in der Mountain Laurel Road würde sie bald keine Ruhe mehr haben. In wenigen Tagen kam ihre Tochter Sage für die Weihnachtsferien nach Hause – ein weiteres Paar wachsame Augen.

Aber sie würde das schon hinkriegen. Sie musste nur noch ein paar Wochen allen etwas vorspielen, danach hatte sie die kalten Januarnächte endlich für sich allein.

Nach einem letzten prüfenden Blick fiel ihr ein, dass sie noch ein paar Exemplare des ausgewählten Buches herauslegen wollte, falls jemand sein eigenes vergessen hatte und eines für Zitate brauchte. Sie ging zum Schaufenster.

Es schneite, dicke Schneeflocken funkelten in der bunten Weihnachtsbeleuchtung der Main Street. Hope’s Crossing war ein echtes Winterwunderland, die Geschäftsinhaber im Ort gaben sich viel Mühe, damit die Stadt in altmodischem, verlockendem Glanz erstrahlte. Fast jedes Schaufenster war weihnachtlich beleuchtet. Maura selbst hatte sich für LED-Eiszapfen entschieden, die aussahen, als ob sie tropften.

Der Aufwand hatte sich gelohnt, ihr Laden florierte. Den vielen Fußgängern und Autos auf den Straßen an einem normalerweise eher ruhigen Donnerstagabend nach zu urteilen, erging es den anderen Geschäften auf der Main Street nicht anders.

Vor dem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite schnappte sich der Fahrer eines Geländewagens gerade den letzten Parkplatz. Ein Mann in Lederjacke und Levi’s-Jeans stieg aus, und sofort bedeckten Schneeflocken sein dunkel gewelltes Haar und die Schultern seiner schokobraunen Jacke. Er wirkte elegant und selbstsicher.

Jeden Moment würden ihre Gäste auftauchen, und sie sollte eigentlich noch einmal letzte Hand an ihre Dekoration legen. Doch aus irgendeinem Grund konnte sie den Blick nicht von diesem Mann lösen, obwohl sie ihn kaum richtig sehen konnte.

Irgendetwas an ihm, vielleicht die Kopfform oder die Art, wie er sich bewegte, erinnerte sie an ihre erste große Liebe. Jackson Lange, sexy und wild gefährlich, jung, wütend und ungeheuer klug.

Nur selten dachte sie noch an Jack; eigentlich nur, wenn sein unangenehmer Vater ihren Laden betrat. Warum er ihr ausgerechnet jetzt in den Sinn kam, wo sie überhaupt keine Zeit hatte, war ihr ein Rätsel.

Der Mann schritt zur anderen Seite des Wagens und öffnete jemandem die Tür; eine Geste, die man heutzutage für Mauras Geschmack viel zu selten erlebte. Sie war neugierig, wer aussteigen würde, aber bevor sie einen Blick auf die Frau erhaschen konnte, wurde die Eingangstür aufgestoßen und Claire und Evie stürmten herein. Sie brachten den Duft von Schnee und Weihnachten mit sich, und ihr leises Lachen klang in Mauras Ohren süßer als Weihnachtslieder.

„Ich weiß“, erklärte Claire gerade. „Das habe ich ihm auch erzählt. Doch das ist sein erstes Weihnachten als Stiefvater, und er ist aufgeregter als Owen und Macy zusammen, ich schwöre es. Ich musste die Geschenke ständig woanders verstecken, und er hat sie trotzdem immer wieder gefunden!“

„Was erwartest du denn, Süße?“ Evie wickelte sich aus ihrem Schal, den sie aus violetter Wolle selbst gestrickt und mit Perlen statt Fransen verziert hatte. „Er ist immerhin ein Cop. So was machen Polizisten eben.“

Die beiden kamen höchstwahrscheinlich gerade aus Claires Perlenladen, dem String Fever, ein paar Häuser weiter. Evie hatte die Wohnung darüber gemietet, fürs Erste zumindest. Denn inzwischen war sie mit Brodie Thorne liiert, dem Sohn ihrer Freundin Katherine, und Maura hatte den Eindruck, dass diese Beziehung immer ernster wurde.

Claires sanftes, hübsches Gesicht leuchtete auf, als sie Maura entdeckte. „Maura, Schätzchen, dein Laden sieht wunderschön aus. Das wollte ich dir eigentlich jedes Mal sagen, wenn ich zum Kaffeetrinken hier war, aber du hast ja nie genug Zeit.“

„Deine Mom hat viel Arbeit in die Deko gesteckt. Die Schneeflocken und die mit Ornamenten verzierten Anhänger beispielsweise waren ihre Idee. Grandios, oder?“, erwiderte Maura.

Ruth arbeitete nun schon seit ein paar Monaten in ihrer Buchhandlung, was deren Tochter Claire noch immer zu verblüffen schien. Allerdings war niemand überraschter als Maura selbst. Ruth hatte ihr in den dunkelsten Tagen und Wochen im Frühjahr ihre Hilfe angeboten, doch längst war daraus etwas Dauerhaftes geworden, was für alle Beteiligten bestens funktionierte.

„Ruth ist eine tolle Mitarbeiterin“, versicherte sie Claire erneut. „Fleißig und zuverlässig, und dann hat sie immer wieder so tolle Ideen wie mit den Schneeflocken.“

„Und hier ist sie auch schon“, verkündete Evie.

Tatsächlich betrat Ruth gerade gemeinsam mit Mauras Mutter Mary Ella und Katherine Thorne den Laden. Hinter ihnen folgte Janie Hamilton, die relativ neu in der Stadt und ein weiteres verlorenes Schäfchen war, um das Maura sich kümmerte, außerdem Charley Caine, die den Süßwarenladen der Stadt führte.

Maura atmete tief durch, setzte ihr Pokerface auf und zwang sich zu einem Lächeln, das zu ihrer zweiten Natur geworden war, seit sich ihr Leben vor acht Monaten für immer verändert hatte. „Herzlich willkommen. Ich bin so froh, dass ihr alle da seid.“

Sie trat einen Schritt vor, damit sie die beiden Frauen umarmen konnte, die dabei waren, ihre Mäntel und Schals und Mützen abzulegen. Jede von ihnen schien sich extra schick gemacht zu haben; feine Blusen, hübsch gemusterte Tücher, lange Ohrringe und Perlenketten kamen zum Vorschein.

Maura fühlte sich etwas farblos in ihrer Wildlederjacke, der maßgeschneiderten cremeweißen Bluse und den Jeans, doch zumindest trug sie ihre Lieblingskette aus dicken Holzperlen, die sie vergangenes Jahr im String Fever gebastelt hatte.

„Was ist mit Alex?“, fragte sie. „Kommt sie nicht?“

„Angie holt sie ab“, erklärte ihre Mutter. „Ich habe vor ein paar Minuten eine SMS erhalten, dass sie sich etwas verspäten wird. Wie immer.“

„Uff, da bin ich aber erleichtert. Sie bringt nämlich ihre köstlichen Kürbis-Gewürz-Cupcakes mit.“

„Die mit der Zimt-Buttermilch-Glasur? Oh ja!“, entgegnete Claire. „Nachdem ich jetzt in kein Hochzeitskleid mehr passen muss, darf ich mir endlich wieder so was gönnen.“

Maura hätte sich locker fünf oder sechs gönnen können, da ihre Kleidung inzwischen mindestens eine Nummer zu groß für sie war. Erstaunlich, wie wenig Appetit sie verspürte. „Nehmt euch alle Kaffee oder Tee oder was immer ihr trinken wollt. Ich habe uns eine Sitzecke eingerichtet.“

Sie dirigierte ihre Gäste zur Kaffeetheke, wo April gerade ihre Schürze an den Haken hängte. Josh Kimball, der die Abendschicht übernehmen sollte, war bereits eingetroffen. Er winkte und schenkte ihr sein charmantes Grinsen. Mit der gebräunten Haut und dem weißen Bereich um die Augen wegen der Sonnenbrille, die er beim Snowboardfahren aufsetzte, wirkte sein Gesicht wie das eines Waschbären. Es gelang ihr, sich ebenfalls ein kleines Lächeln abzuringen.

„Ich bin dann weg“, rief April, die gerade in ihren Mantel schlüpfte.

„Danke für alles. Und viel Glück bei der Nachtpatrouille. Bis morgen.“

„Bis morgen.“ April riss die Tür genau in dem Moment auf, in dem ein Pärchen hereinkam, und mit einem Mal blieb Maura die Luft weg.

Es war der Mann, den sie eine halbe Stunde zuvor vor dem Café auf der gegenüberliegenden Seite hatte parken sehen. Dieselbe Lederjacke, dasselbe wellige Haar, derselbe karierte Schal.

Und dieser Mann erinnerte sie nicht nur entfernt an Jackson Lange.

Er war Jack Lange.

Einen verrückten Moment lang stürmten tief in ihrem Innern verschlossene Erinnerungen auf sie ein, Erinnerungen an eine Zeit, in der sie jung und impulsiv und bis über beide Ohren in ihn verliebt gewesen war. Wie er im Kino ihre Hand gehalten hatte, wie sie auf einem sonnenwarmen Felsen hoch oben im Canyon Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten, die Körper ineinander verschlungen. Der Frieden, den sie nur mit ihm zusammen empfunden hatte … und der schreckliche Liebeskummer, die scharfe, nagende Angst, nachdem er gegangen war.

Jemand sprach mit ihr. Evie, dachte sie unbestimmt, doch in ihrem bestürzten Zustand begriff sie kein einziges Wort.

Jack hatte geschworen, Hope’s Crossing nie wieder zu betreten. Dies hatte er mit der heftigen, unerschütterlichen Entschlossenheit, die nur ein achtzehnjähriger junger Mann aufbringen konnte, verkündet.

Und dennoch war er jetzt hier.

Klar. Als ob Weihnachten nicht sowieso schon schlimm genug wäre. Ihn zu sehen war nur noch das i-Tüpfelchen. Jack Lange, der mit seiner höchstwahrscheinlich entzückenden Ehefrau in ihren Laden kam, um einen Cappuccino zu trinken oder die Sachbücher zu durchstöbern. Er würde sich vielleicht für Reiseliteratur interessieren oder für ihre kleine, aber feine Auswahl an Architekturbildbänden.

Und das ausgerechnet während eines Bücherclub-Treffens, Himmel noch mal!

Natürlich konnte sie ihn einfach ignorieren. Wenn sie sich hinter einem Bücherregal versteckte, würde er sie mit etwas Glück vielleicht gar nicht bemerken. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, dass ihr das Dog-Eared Books & Brew gehörte; woher sollte er das auch wissen? Sie könnte also einen Mitarbeiter zu ihm schicken, der ihn in den entferntesten Winkel weit von der Bücherclub-Sitzecke führte, oder besser noch: Sie könnte Josh mit seinen ganzen Snowboarder-Muskeln bitten, ihn einfach vor die Tür zu setzen. Zwar hatte sie noch nie von einer Buchhandlung mit Türsteher gehört, doch es gab immer ein erstes Mal.

Zu spät. Er drehte sich genau in diesem Moment um, und ihre Blicke trafen sich. Zweifellos erkannte er sie, schien merkwürdigerweise allerdings überhaupt nicht überrascht zu sein. Es schien, als hätte er extra ihretwegen den Laden betreten. Was natürlich vollkommen unmöglich war. In den letzten zwanzig Jahren hatte er nichts unternommen, sie zu finden. Was nebenbei bemerkt nicht besonders schwierig gewesen wäre, schließlich war sie immer in Hope’s Crossing geblieben.

Die Jahre hatten es ungewöhnlich gut mit ihm gemeint, wie sie feststellte. Aus dem grüblerischen, aufbrausenden und unbestreitbar umwerfenden Teenager war ein gut aussehender Mann mit intensiven blauen Augen, festem Mund und einem ausgeprägten Kinn geworden – höchstwahrscheinlich das Einzige, was er mit seinem Vater gemeinsam hatte.

„Alles in Ordnung?“

Als es ihr gelungen war, sich von seinem Anblick loszureißen, fiel ihr auf, dass ihre Mutter sie besorgt musterte. „Wie bitte?“

„Du bist ganz blass geworden, Liebling. Ich habe dich schon drei Mal gefragt, ob du diese köstlichen Trüffel gemacht hast. Was ist denn los?“

„Ich …“ Sie wusste einfach nicht, was sie antworten sollte, denn jede einzelne Hirnzelle schien beschlossen zu haben, in diesem Moment zu streiken.

Jetzt schritt er auf sie zu. Sie beobachtete, wie er einen Schritt nach dem anderen machte. Ihre Handflächen wurden feucht, sie spürte, dass ihr jegliches Blut aus dem Gesicht wich, wodurch es auch nicht gerade leichter wurde, einen klaren Gedanken zu fassen.

Panisch drehte sie sich weg, als ob sie auf diese Weise die letzten beiden Minuten ungeschehen machen könnte. Vielleicht war das ja nur ein Traum gewesen … ein Albtraum.

„Ja. Ja, ich habe die Trüffel selbst hergestellt. Das war überhaupt nicht schwer. Das Geheimnis ist, die Sahne langsam einzurühren und wirklich gute Gewürze zu verwenden.“

Sie stürzte sich in eine lange Erklärung über die selbst gefertigten Schokoladenbällchen, doch nachdem ihr schließlich klar wurde, dass niemand ihr zuhörte, verstummte sie. Alle starrten auf einen Punkt über Mauras Schulter.

„Da bist du ja!“, rief Mary Ella auf einmal aus. „Ach, Schatz. Ich bin so froh, dass du da bist. Ich dachte, du kommst erst am Wochenende!“

Ihre Mutter drückte sich mit ausgebreiteten Armen an ihr vorbei. Okay, das musste wirklich ein Albtraum sein. Soweit sie wusste, hatte Mary Ella überhaupt keine Ahnung von Jack, schließlich hatten sie ihre Beziehung in jenem Sommer vor ihren Eltern geheim gehalten.

Während sie sich noch immer fragte, in welches Paralleluniversum sie plötzlich geschleudert worden war, drehte sie sich schließlich widerwillig halb um. Maura umarmte nicht etwa Jack, sondern jemanden hinter ihm. Als sie etwas zur Seite trat, sah Maura auch, um wen es sich handelte. Sie erstarrte.

Ihre neunzehnjährige Tochter Sage stand nur einen halben Schritt hinter Jack Lange, verdeckt von seinen breiten Schultern.

Mauras eben noch völlig benommen wirkendes Gehirn begann plötzlich, in maschinengewehrartiger Geschwindigkeit Botschaften auszusenden, und keine einzige davon war positiv.

Sage. Zusammen mit Jack Lange.

Die beiden im selben Raum. Nicht nur im selben Raum, sondern sogar innerhalb des verdammt kleinen Radius von höchstens einem Meter.

Sie hatte noch nie eine Panikattacke gehabt, nicht einmal in den höllischen letzten acht Monaten, aber jetzt merkte sie, wie sie direkt auf eine zusteuerte. Ihr Herz hämmerte, sie konnte jeden Pulsschlag in ihrer Brust fühlen, an ihrem Hals, in ihrem Gesicht. „S…Sage.“

Ihre Tochter warf ihr einen langen Blick zu, und ihre ausdrucksvollen Augen wirkten zum ersten Mal in ihrem Leben kühl.

Sie kannte also die Wahrheit.

Maura verstand selbst nicht, wieso sie sich so sicher war, doch aus irgendeinem Grund wusste sie es einfach. Sage hatte die Wahrheit erfahren. Nach fast zwei Jahrzehnten.

„Wer ist denn dein Freund, Schätzchen?“, fragte Mary Ella, die einen Schritt von ihrem ältesten Enkelkind zurücktrat und Jack einen fragenden Blick zuwarf, als ob sie ihn zu erkennen glaubte, sich allerdings nicht ganz sicher war.

„Das ist Jack Lange. Du hast bestimmt schon von ihm gehört. Er ist ein ziemlich bekannter Architekt.“

Maura bemerkte die leichte Aufgeregtheit unter ihren Freundinnen. So ziemlich jedem hier war bekannt, dass der Mann, den viele schon mit dem Stararchitekten Frank Gehry verglichen hatten, aus Hope’s Crossing stammte.

Mary Ellas Gesichtsausdruck veränderte sich. Ihre Miene wurde verschlossen, und sie wich etwas zurück. „Aber natürlich. Harrys Sohn.“

„Das habe ich schon lange nicht mehr gehört.“ Zum ersten Mal hatte er gesprochen, und wahrscheinlich hätte es Maura nicht überraschen sollen, dass seine Stimme dunkler und erotischer klang als früher.

„Ja. Harry Langes Sohn.“ Sage warf ihrer Mutter erneut diesen kalten Blick zu. „Und er ist nicht mein Freund. Eher nicht. Er ist mein Vater.“

Scharf sog Maura die Luft ein. Nun gut. Das war’s.

Dieses Weihnachten hatte es bereits jetzt an die Spitze auf der Skala der schlimmsten Feiertage geschafft.

2. KAPITEL

O kay, das Ganze war ein Riesenfehler gewesen.

Jack stand neben seiner Tochter. Seiner Tochter. Zum Teufel. Wie war er nur in diese Situation geraten? Er betrachtete die Frauen, die ihn anstarrten, als wäre er gerade hereingekommen und hätte ihnen allen den nackten Hintern gezeigt.

Sage hatte vorgeschlagen, erst in der Buchhandlung vorbeizuschauen, um mit ihrer Mutter zu sprechen, bevor er sie nach Hause brachte und sich dann für ein paar Tage ein Hotel suchte. Als er zugestimmt hatte, hätte er nie damit gerechnet, dass Maura gerade eine verflixte Weihnachtsfeier veranstalten könnte. Er musterte die Geschenktüten und die mit Namen verzierten Glaskugeln an den Bäumen. Da hatte sich jemand eine Menge Mühe gemacht, um dieses Fest vorzubereiten, und jetzt platzte er herein und ruinierte alles.

„Dein Vater?“, wiederholte eine ältere Frau zaghaft.

Obwohl zwanzig Jahre vergangen waren, erkannte er Mary Ella McKnight sofort wieder, diese grünen Augen, die all ihre Kinder von ihr geerbt hatten und mit denen sie ihn jetzt durch eine modische kleine Hornbrille anstarrte. Sie war seine Englischlehrerin in der Highschool gewesen, mit großer Zuneigung konnte er sich an ihre Diskussionen über Schriftsteller wie John Milton und Wilkie Collins erinnern.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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