Hoppelopp + Hummelum - Jette Jorjan - E-Book

Hoppelopp + Hummelum E-Book

Jette Jorjan

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Beschreibung

Zwei ungleiche Freunde helfen sich gegenseitig und anderen. Ihnen fallen immer wieder neue Möglichkeiten ein und zeigen, dass mit ein bisschen Nachdenken und auch glücklichem Zufall alles wieder gut wird.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Jette Jorjan

Hoppelopp & Hummelum

© 2021 Jette Jorjan

Coverdesign von: Maria Bartscher und STEF

ISBN Softcover: 978-3-347-48780-2

ISBN Hardcover: 978-3-347-48781-9

ISBN E-Book: 978-3-347-48782-6

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Vorwörtchen

Ein Buch für alle ab 8 bis 88 Jahre und für die,

die im Herzen jung geblieben sind.

Inhaltsverzeichnis

Wie der Hase seinen Namen bekam

Das Geschenk

Hummelum

Hoppelopp und Hummelum lernen sich kennen

Die Königin der Weinbergschnecken

Die traurige Zypresse

Der Eichelhäher Hänäjä

Nachwort

Wie der Hase seinen Namen bekam

Hase Hoppelopp war als Letzter auf die Welt gekommen. Da nannte ihn aber noch niemand Hoppelopp. Hätte er einen typischen Hasennamen gehabt, wäre er für Menschen ziemlich ungewohnt und schwer auszusprechen.

Seine drei Geschwister sahen alle sehr gleich aus mit ihrem dichten, braunen Fell, den langen Beinen und den langen Ohren. Hoppelopp unterschied sich von ihnen. Er hatte als Einziger einen schneeweißen Fleck am Hals, der aussah wie ein Herz und in der Dämmerung sogar hell leuchtete. Nach dem Essen tupfte seine Mutter das Fell hier immer ab und säuberte es. Dabei flüsterte sie, dass nur Hoppelopp es hören konnte: »So ein schönes Hasenherz habe ich noch nie gesehen. Du bist etwas ganz Besonderes, mein Junge. Du bist mein Glückshäschen.«

Wenn Hoppelopp das hörte, war er stolz und sehr glücklich. Besonders, wenn er jedes Mal einen Kuss auf seine Nasenspitze bekam. Dann lächelte er. Es gab aber noch einen Unterschied. Im Gegensatz zu seinen drei Geschwistern wirkte er viel kleiner und schmächtig. Beinahe zerbrechlich. Er konnte auch nicht so schnell rennen und hoppeln wie die anderen. Er war viel langsamer und nach ein paar Sprüngen fing er an zu stolpern und fiel auf die Nase. Die wilde Dreierbande machte sich dann lustig über ihn und ärgerte ihn. Für sie war Hoppelhopp nur der »Kleine« oder das »Baby«.

Hoppelopp fiel sehr oft hin. Eigentlich viel zu oft. Dann sagte er jedes Mal: »Oooh je, oje, oooh nee, oh nee!«

Es war wirklich verflixt, aber alles um ihn herum sah komisch aus, als ob er durch einen feinen Nebelschleier gucken müsste. Ihm war schwindelig und er bekam wackelige Beine. Aber gleichzeitig dachte er auch, dass die Welt eben so aussah. Für ihn gab es nichts anderes. Das war der Grund, warum er so oft hinfiel. Er hätte gern mit seinen Geschwistern gespielt doch sie ließen ihn nicht. Jedes Mal, wenn sie vorausliefen, rief er:

»Wartet auf mich! Lauft doch nicht so schnell, ich möchte mit. Warum wartet Ihr nicht auf mich?« Die sind alle doof und gemein, dachte er.

»Kleiner, Kleiner«, riefen die Geschwister, »komm doch, komm doch!« Sie lachten und hopsten noch schneller und kümmerten sich einfach nicht um ihn. Nicht einmal seine Schwester. Oft hatte sie ihn ermutigt mitzukommen und hatte versprochen, auf ihn zu warten. In seiner Nähe zu bleiben. Doch irgendwann hatte sie es aufgegeben. Sie lachte ihn zwar nicht aus, schüttelte nur mit dem Kopf, aber sie blieb nicht stehen.

Hoppelopp hatte Angst, dass er seine Geschwister ganz aus den Augen verlieren könnte und dass er wieder auf der Nase landete. Nur zu oft hatte er sich die Ellenbogen und die Knie so aufgeschlagen, dass sie bluteten. Das tat weh und darauf hatte er keine Lust mehr. Immer wieder hatte er versucht, den Geschwistern hinterherzulaufen. Wie oft hatte er ihnen zugerufen, sie sollten nicht so schnell laufen, aber sie hatten sich nie um ihn gekümmert. Ihnen war es egal, ob er mitkam oder nicht. Das Schlimmste aber war, dass er sich schämte, wenn sie sich über ihn lustig machten. Dann wäre er am liebsten irgendwohin verschwunden und hatte sich gewünscht, er könnte sich unsichtbar machen. In solchen Momenten kehrte er um und ging allein zurück nach Hause.

Auf seinem Weg musste Hoppelopp oft die Augen zusammenkneifen, um etwas erkennen zu können. Alles in seiner Umgebung sah immer verschwommen aus. Er dachte sich nichts dabei und glaubte, es müsste so sein. Deshalb hatte er niemandem davon erzählt, auch nicht seiner Mutter. Dafür hatte Hoppelopp ein sehr feines Gehör. Vielleicht lag das an seinen langen Ohren. Das wusste aber niemand so genau. Er konnte sogar hören, wenn Ameisen über das Laub rannten oder wenn eine Maus über den Waldboden lief. Natürlich hörte er jedes noch so ferne Vogelgezwitscher oder das Schreien der Elstern und Krähen, wenn sie sich in den Lüften zankten. Sogar den Flügelschlag der Tauben konnte er erkennen, dazu musste er nicht einmal die Luft anhalten. Oder die Wildgänse und Kraniche, wenn sie in großen Schwärmen in ihr Winterquartier flogen und im Frühjahr wieder zurückkamen. Am meisten mochte er das Summen der Bienen und Brummen der Hummeln. Angst hatte er nicht, dass sie ihn stechen würden. Schließlich war er ihr Freund und sie kannten sich gut.

Das alles hatte er von seiner Mutter gelernt. Er wusste, wie die Tiere hießen, was sie für Geräusche machten, nur hatte er sie noch nie richtig gesehen. Seine Mutter hatte ihm auch gezeigt, wie man alles sauber hält und immer wieder aufräumt, damit alles in Ordnung ist. Das gefiel Hoppelopp und seitdem war er sehr ordentlich.

Der kleine Hase blieb ein Sorgenkind, denn im Frühjahr und im Herbst bekam er als Einziger Schnupfen und Halsschmerzen. Das bedeutete, dass er in seinem Nest bleiben musste. Seine Mutter hatte es mit viel Gras und Heu ausgepolstert, damit es für ihn warm und trocken genug war und er sich wohl fühlte. Es sah beinahe aus wie eine kleine Höhle. Ein ideales Versteck. Unter umgestürzten Baumstämmen, die nach allen Seiten Schutz boten, hatten die Eltern eine Kuhle gebuddelt. Groß genug für die gesamte Familie. Dort blieb es trocken, denn es konnte nicht hineinregnen und im Sommer war es angenehm kühl. Niemand, der dort vorbeigekommen wäre, hätte unter den Stämmen eine Hasenfamilie vermutet.

Die Hasenmutter pflegte und umsorgte ihren kranken Sohn, und der war froh, so nah bei seiner Mutter sein zu können. Als es ihm langsam wieder besser ging, hätte er schon gern mit seinen Geschwistern draußen im Wald und auf den Feldern gespielt, aber er blieb doch lieber in der Nähe der Hasenhöhle. Dort kannte er sich gut aus und fühlte sich sicher. Es hatte noch einen anderen Vorteil, denn seine Mutter gab ihm zwischendurch immer etwas Leckeres zu naschen. »Damit du groß und stark wirst«, sagte sie jedes Mal.

Hoppelopp war scheu und schüchtern und sehr zurückhaltend. Er war nie so laut und wild wie seine Geschwister, aber dafür sehr gut erzogen. Jedes Mal, wenn seine Mutter ihm etwas brachte, bedankte er sich und lächelte sie an. Als seine Erkältung überstanden war, musste die Hasenmutter ihn nicht ermahnen, zu weit vom Bau wegzulaufen. Er wagte sich nur bis vor den Eingang vom Hasenbau und blieb dort ruhig sitzen. Hoppelopp ging dann seiner Lieblingsbeschäftigung nach und träumte in den Himmel. Er lauschte dem Vogelgezwitscher und allen anderen Geräuschen, die ihm so vertraut waren. Er genoss die frische Waldluft und liebte es, den raschelnden Blättern zuzuhören. Für ihn war es wie eine Melodie und scheinbar war er mit allem rundherum zufrieden.

Manchmal überlegte Hoppelopp, wie es wäre, wenn er zusammen mit seinen Geschwistern spielen könnte. Wenn er mit ihnen rumtoben würde. Aber sie waren ja viel stärker und schneller als er und den ganzen Tag unterwegs auf ihren Streifzügen. Alles in ihrer Umgebung mussten sie erkunden. Sie bekamen nie genug auf ihren Entdeckungstouren, mussten alles untersuchen und ausprobieren. Manchmal rauften und kämpften sie miteinander, bissen sich dabei aus Spaß in die Pfoten, knabberten und zogen an den langen Ohren, rannten und sprangen überall wild herum. Die Eltern hatten abends alle Pfoten voll zu tun, sie zu rufen und zu suchen, damit sie rechtzeitig wieder nach Hause kamen.

Alleine wagte sich Hoppelopp aber auch nicht in den Wald. Dazu fühlte er sich viel zu unsicher. Seine Augen gaukelten ihm jedes Mal etwas vor, das es gar nicht gab. Wenn der Wind die Zweige schüttelte, sah es für Hoppelopp furchterregend aus, denn er erkannte die Äste nicht als Äste. Für ihn sah es so aus, als ob riesige Arme nach ihm greifen wollten. Das machte ihm Angst. Deshalb saß er am liebsten alleine vor dem Hasennest und schaute in den Himmel. Den ganzen Tag und er lächelte dabei. Die Hasenmutter aber machte sich Sorgen, weil ihr Sohn immer noch so klein war und in seinem Wesen so anders als seine Geschwister. Wenn er doch nicht so schüchtern und nur ein wenig mutiger wäre, dachte sie. Und wenn sie Hoppelopp fragte: »Möchtest du gar nicht mit deinen Geschwistern spielen?«, war seine Antwort jedes Mal: »Nööö, ich möchte nicht.«

Dabei lächelte er. Es schien ihm nichts auszumachen, allein zu sein, auf dem Boden zu hocken und die Wolken zu beobachten. Das war zu seiner Lieblingsbeschäftigung geworden, und so war seine kleine Welt in Ordnung. Niemand wusste, dass er sich eigentlich fürchtete, sich weiter von Zuhause zu entfernen.

»Himmelsgucker« nannte ihn sein Vater. Und jedes Mal, wenn er seinen Sohn so nannte, bekam er von seiner Frau einen Knuff in die Rippen.

»Das sollst du nicht sagen!«, sagte sie zu ihrem Hasenmann und schaute ihn streng an. »Hoppelopp ist so schon schüchtern genug und in sich gekehrt! Du machst es nur noch schlimmer.«

Bei den Worten ihres Mannes wurde sie traurig und ein bisschen wütend. Sie mochte keine Ungerechtigkeiten und passte genau auf, dass jeder den anderen respektierte und alle nett und freundlich zueinander waren. Jeder sollte so sein, wie er war, und niemand durfte sich darüber lustig machen.

Eines Tages hatte der Hasenvater aber genug. Er scheuchte seinen Sohn vom Hasenbau weg und wollte ihn quer durch den Wald bis zum Feld jagen. Endlich sollte er vernünftig laufen und springen wie ein normales Hasenkind.

»Wir trainieren jetzt!«, rief er und klatschte dabei in die Pfoten. Die Hasenmutter sah den beiden voller Sorge hinterher und rief noch: »Langsaaaaaaam!«

Da war es schon geschehen, der Kleine stolperte und rollte kopfüber eine Böschung hinab.

»Oooh je, oje, oooh nee, oh nee!«, stöhnte Hoppelopp.

Der Vater war natürlich schon weit voraus, blieb stehen, schaute sich um und sah, wie sein Sohn sich aufrappelte, die langen Ohren sauber machte, Grashalme aus dem Fell zupfte und Erde und Steinchen zwischen den Zehen herausschüttelte. Immer wieder sagte er leise: »Oooh je, oje, oooh nee, oh nee!« Warum kann ich nicht einfach zu Hause bleiben, dachte der kleine Hase und schämte sich, weil er schon wieder hingefallen war. Hoffentlich hatten seine Geschwister das nicht gesehen!

Vater Hase sah, wie sein Sohn wieder auf den Hinterpfoten stand, die Nase kraus machte, die Augen zusammenkniff und zögerte weiterzulaufen.

»Nun komm schon, ausruhen kannst du dich später. Stell dich nicht so an! Jeder fällt mal hin, dann heißt es aufstehen und weitermachen!«, rief er ihm zu. Die Stimme des Vaters hörte sich sehr streng an. Hoppelopp blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Es dauerte aber nur zwei Hüpfer und er stolperte erneut und fiel hin. So ging das die ganze Zeit.

»Oooh je, oje, oooh nee, oh nee!«, hätte man hören können, wenn man in seiner Nähe gewesen wäre. Die Geschwister waren inzwischen hinzugekommen, lachten ihn aus, als sie das sahen, und riefen im Chor:

»Plopptrottel, Plopptrottel! Trottelhopp, Trottelhopp!«

Mutter Hase war ihnen gefolgt, denn sie hatte ein ungutes Gefühl gehabt. Als sie das Spektakel sah, rief sie so laut sie konnte:

»Kommt sofort hierhin, und zwar alle! Jetzt ist es genug. Das gehört sich nicht! Ihr macht Euch nicht lustig über Euern Bruder! Ihr entschuldigt Euch alle. Hier und auf der Stelle!«

Einer Hasenmutter durfte nie widersprochen werden, besonders nicht, wenn es um eine Familienangelegenheit ging. Die Geschwisterhasen waren sofort still und entschuldigten sich brav. Der Vater hüpfte langsam neben seinem Jüngsten her, und murmelte:

»Nimm es nicht so ernst, das meinen sie nicht so.«

Er blieb dicht bei seinem Sohn, damit auf dem Rückweg nicht noch ein Unglück passierte. Dem Hasenvater war schon öfter aufgefallen, dass sein Sohn immer nur zwei Hüpfer machte, beim dritten ins Stolpern geriet und auf die Nase fiel. Hopp, hopp, plopp hörte es sich an.

»Du bist wirklich ein richtiger Himmelsgucker! Eigentlich bist du ein Hoppelopp, so wie du läufst und springst, mein Sohn. So hüpft kein Hase.«

Der Vater lachte, dachte sich aber nichts dabei. Es sollte ein Scherz sein, doch der kleine Hase wurde zutiefst traurig und er war enttäuscht von seinem Vater, weil der ihn aufzog und hänselte. Er schaute auf den Boden, seine langen Ohren hingen traurig herunter und er traute sich nicht mehr, sich zu bewegen.

»Oooh je, oje, oooh nee, oh nee!«, sagte er ganz leise zu sich selbst. Er hoffte, sein Vater würde bloß nichts mehr zu ihm sagen. Der Hasenvater wollte aber zurück nach Hause und mochte nicht länger warten. Er machte ein paar hohe, lange Hasensprünge und rief laut:

»Hoppelopp, nun komm schon, bummel nicht so rum!« Er lief einfach weiter und schaute sich nicht um nach seinem Sohn.

Das war der Tag, an dem der junge Hase seinen Namen bekam.

Seitdem nannten ihn alle Hoppelopp. Und Hoppelopp schien dieser Name zu gefallen. Jedes Mal, wenn er gerufen wurde, lächelte er. Endlich sagte keiner mehr »Baby« oder »Kleiner« oder »Bubi« zu ihm! Aber es war auch der Tag, an dem sich seine Mutter die meisten Sorgen um ihn machte. Sie sah all die Kratzer und die Schürfwunden, von denen einige bluteten, sodass sie an den Knien Verbände anlegen musste. Sie wollte zu gern wissen, warum ihr Sohn immer stolperte und hinfiel. Vielleicht stimmt etwas nicht mit seinen Beinen oder Füßen, überlegte sie. Oder sind es die Knie? Aber wen kann ich um Rat fragen?

Man konnte von Glück sagen, dass nie etwas Schlimmeres passiert war. Doch in all seinem Unglück war Hoppelopp auch ein Glückskind. Aber auf eine ganz andere Weise. Das hatte mit seiner Mutter zu tun, die sich um ihn kümmerte und die ihm zu einem Geschenk verhelfen konnte, das das Leben des kleinen Hasen völlig verändern würde. Doch davon ahnte Hoppelopp noch nichts.

Das Geschenk

Der Hasenmutter war es nicht aufgefallen, wie ihr Sohn die Augen zusammenkniff. Etwas gewundert hatte sie sich schon, aber sie nahm es nicht so ernst. Dabei wurde seine hübsche Hasennase ganz kraus. Auf der Stirn zeigten sich viele kleine Falten, seinen Kopf streckte er dabei weit nach vorne. Dann blieb er still stehen und schaute immer nur auf einen Punkt. Angestrengt und sehr konzentriert.

Zufällig hatte seine Mutter ihn dabei beobachtet und auf einmal dachte sie: Ich glaube, er kann schlecht sehen. Ja, das ist es, er sieht nichts! Die Hasenmutter war im ersten Moment erleichtert. Endlich wusste sie, was mit ihrem Sohn los war. Sie war froh, dass es »nur« seine Augen waren, die ihm einen Streich spielten. Sie hatte Mitleid mit ihm und sagte, um ihn zu beruhigen:

»Mach dir keine Gedanken, mein Junge, ich glaube, ich habe die Lösung für Dich.«

Sie sprach leise und streichelte ihn. Hoppelopp fragte sich, was sie wohl damit meinte. Aber er sah sie nur mit großen fragenden Augen an. Er wusste, sie hatte ihm bisher immer geholfen. Auf sie konnte er sich verlassen. Er vertraute ihr voll und ganz. Und lächelte zufrieden. Sie war eine sehr erfahrene Mutter und glaubte, hier könnte nur eine Brille helfen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie zufällig etwas von einer Brille erfahren, dass man mit so einem »Glasding« gut sehen konnte. Sie erinnerte sich, dass irgendwie zwei Gläser in einem Gestell klebten, das direkt auf der Nase vor den Augen saß. Wie genau das funktionieren sollte, konnte sie sich nicht vorstellen. Nun war sie ganz sicher, dass ihr Sohn dringend so ein »Ding« brauchte. Den ganzen Abend dachte sie darüber nach, woher sie solch eine Sehhilfe bekommen könnte. Es ließ ihr keine Ruhe. Sie überlegte und überlegte. Die Fragen drehten sich in ihrem Kopf wie auf einem Riesenrad. Darüber war es spät geworden, sie wurde müde und ihr fielen die Augen zu. Aber ihr Kummer-Karussell hörte nicht auf sich in ihrem Kopf zu drehen. In dieser Nacht träumte sie von nichts Anderem als von Brillen.

Von runden Gläsern, von eckigen Gläsern, von ovalen Gläsern. Von bunten Brillengestellen, von weißen, braunen und grünen Gestellen.

Glücklicherweise gibt es für so etwas die Traum-Göttinnen. Sie wachen über alle Träumende und passen genau auf, dass niemand böse Träume bekommt. Es gibt eine Traumgöttin für Bäume, Büsche, Blumen, Pilze und Kräuter. Eine für Tiere, die an Land, in der Luft und im Wasser leben. Wie in Bächen, Flüssen, Seen und Ozeanen und natürlich eine für Menschen. Wenn man so etwas weiß, kann man sich denken, dass die Traumgöttin den Traum der Hasenmutter genau »lesen« konnte. So erfuhr sie vom großen Kummer um ihr jüngstes Hasenkind. Sie begleitete die besorgte Hasenmutter die ganze Nacht und versuchte sie zu beruhigen, denn sie hatte Mitleid mit ihr. In den frühen Morgenstunden tauchte die Traumgöttin tief in den Traum ein und machte der Hasenmutter ein Geschenk: Die Lösung, wie sie eine Brille für ihren Sohn bekommen konnte.

Als die Hasenmutter wach wurde und sich den Schlaf aus den Augen rieb, konnte sie sich nur noch daran erinnern, dass sie eine Brille gesehen hatte. Zwei kreisrunde Gläser hingen an dünnen, hellen Fäden, die um die Hasenohren gewickelt waren. Was es für Fäden waren, hatte sie vergessen. Was konnte es gewesen sein? Sie überlegte und überlegte und als sie den Frühstückstisch deckte, fiel es ihr auf einmal ein: Wie Spinnenfäden hatten sie ausgesehen, aus dem das Brillengestell gemacht war.

»Spinnenfäden! Jetzt fällt es mir wieder ein. Ja wirklich, es sind Spinnenfäden!«, sagte sie laut und klatschte vor Freude in die Pfoten. »Ja, das ist es. Die Lösung! Ich habe die Lösung. Wunderbar. Wie ich mich freue!« Im Stillen fragte sie sich, ob die Traumgöttin ihr wohl geholfen hatte, sich zu erinnern.

Ein Zufall war es bestimmt nicht, dass die Kreuzspinne Arana die beste Freundin der Hasenmutter war. Wie oft hatte sie die kunstvoll gewebten Netze der Kreuzspinne gerettet, wenn ihre drei übermütigen Hasenkinder viel zu hoch springen wollten und die Netze beinahe zerrissen hätten. Das war der Beginn dieser Freundschaft gewesen, die schon über einige Zeit dauerte. Jeden zweiten oder dritten Tag trafen sich die beiden und hielten ein Pläuschchen. Ob die Göttin der Träume das gewusst hat, dachte die Hasenmutter und murmelte, dass niemand es hören konnte:

»Dankeschön, du gute Traumgöttin, ich danke dir so sehr für Dein Traumgeschenk. Du hast mir so geholfen.«

An jenem Morgen konnte die Hasenmutter es kaum erwarten, bis das gemeinsame Frühstück endlich beendet war, denn sie wollte so schnell wie möglich ihre Spinnenfreundin besuchen und ihr von ihrem Traum erzählen. Den anderen wollte sie nichts davon sagen, es sollte eine Überraschung werden. Besonders für Hoppelopp. Die Hasenmutter wollte ihre Traumidee für sich behalten, weil sie erst sicher gehen wollte, dass alles so klappte, wie sie es sich vorgestellt hatte. Würde etwas schief gehen, wären alle enttäuscht und das wollte sie nicht. Die Kreuzspinne freute sich sehr, als sie die Hasenmutter mit ihrem Kleinsten erblickte und fragte:

»Du bist ja ganz außer Atem? Sag, was ist passiert?«

Aufmerksam hörte Arana zu und staunte nicht schlecht, dass sich ihre Freundin fast an jede Einzelheit erinnern konnte.

»Tja«, antwortete sie, als die Hasenmutter alles erzählt hatte, »ich glaube, ich weiß genau, was die Göttin der Träume damit meint, ich werde sofort damit anfangen.«

»Jetzt, sofort?«, fragte die Hasenmutter ungläubig, »ist das nicht sehr viel Arbeit für dich? Kann ich dir irgendwie dabei helfen?«

»Nein, nein, lass gut sein.« Arana lachte und ihr weißes Kreuz auf dem Rücken schien noch strahlender als sonst.

»Aber es wäre schön, wenn du bei mir bleibst, solange wie ich die Fäden spinne. Erzähl mir was, dann ist es nicht so langweilig.«

Oooh je, oje, oooh nee, oh nee, dachte der Hase, als er das hörte, was würde jetzt wohl passieren? Die Hasenmutter staunte nicht schlecht, wie schnell und gleichmäßig ihre Freundin einen ellenlangen Faden gesponnen hatte.

»Er muss an einem Stück sein, dann ist er haltbarer«, erklärte die Kreuzspinne. »Ich glaube, wenn er wie ein Zopf geflochten ist, sieht er auch noch hübsch aus.«

»Ich werde all deine Sorgen und Mühe und deine Liebe zu deinem Sohn mit hineinweben, dann wird der Faden nie zerreißen und immer genau passen.«

Die Hasenmutter war ganz aufgeregt und konnte kaum glauben, dass ihr Sohn vielleicht schon am selben Abend seine Brille bekäme. Als ob Arana Gedanken lesen konnte, sagte sie:

»Heute Abend ist es soweit, dann können wir deinem armen Sohnemann seine Brille anpassen.«