HORIZONTE ÖFFNEN - Markus Orians - E-Book

HORIZONTE ÖFFNEN E-Book

Markus Orians

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Beschreibung

Ich beschreibe nicht nur die reale Bedrohung unserer Zukunft, sondern versuche Zusammenhänge aufzuzeigen, wie wir über die evolutionäre Entwicklung so egolastig und gierig werden konnten. Wir verfügen aber auch über die geistige Freiheit, unsere Werte und Haltung gegenüber dem gesamten Sein zu wandeln. Daher ist es möglich, dass wir über eine Wertewandlung, eine friedlichere und gerechtere Welt erschaffen. Hierzu müssen wir uns bewusst für andere Werte entscheiden. Es gibt philosophische Konzepte, wie: Humanismus, Buddhismus und eine Existenzweise des Seins, im Gegensatz zu unserer jetzigen Existenzweise des Habens, die diese Werte beinhalten. Um diese Werte aber kollektiv zu verinnerlichen, müssen unsere Sozialisation und unsere BIldung erweitert und andere Ziele angestrebt werden.

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Seitenzahl: 428

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Markus Orians

HORIZONTE ÖFFNEN

Ein Weg, der in eine andere Zukunft führt

 

 

 

Dieses eBook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung:

1.Die Dynamik einer marktkonformen Gesellschaft

2.Wieso sind wir so wie wir sind ? Der Mensch zwischen Freiheit, Gier und Angst

3.Wir müssen uns neuen Horizonten öffnen Politisch, ökonomisch, sozial, kulturell

4.Bewusstseinserweiternde Werte

5.Philosophische Konzepte

6.Bildungsreform

Literaturverzeichnis

Impressum

Einleitung:

Wohin geht unsere Reise?

Wohin geht die Reise unserer Kinder?

Welche Sehnsucht verbinden wir mit Zukunft?

Wie sollte sie aussehen?

Welche Horizonte müssen wir dabei öffnen?

Professor Holger Rogall, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin Nachhaltige Ökonomie lehrt sagt in Einigkeit mit anderen Wissenschaftlern der Nachhaltigen Ökonomie unmissverständlich:

„Unser Lebensstil ist nicht zukunftsfähig“

Wenn unser Lebensstil nicht zukunftsfähig ist, dann ist auch unsere Wer-tehierarchie mit der wir durchs Leben gehen nicht zukunftsfähig. Wir müssen unsere materiellen und immateriellen Werte ändern, wenn wir in eine lebens-werte Zukunft gehen wollen. Ein System, das weltweit auf Wachstum und Profit als einziges Ziel sich setzt, muss früher oder später scheitern. Wir müssen uns vom Mehr und immer mehr Habenwollen verabschieden. Unsere Gier, unser Ego und unsere darunter liegenden, meist unbewussten Ängste treiben uns zu diesem Lebensstil. Je größer diese Ängste vor der Zukunft werden, umso mehr möchten und müssen wir sie verdrängen.

Wir müssen uns fragen lassen, ob wir einen göttlichen Funken oder einen Dachschaden, oder beides haben? Wenn wir die Entwicklung der Menschheit betrachten, so glaube ich, kann man sagen: Wir sind Wesen, die beiden Extre-men gerecht werden können. Betrachten wir die die letzten Jahrzehnte aus ökologischer Sicht: Die Energiewirtschaft, die Entwicklung der Finanzmärkte, die Ausbeutung der Rohstoffe, die immer größer werdende Spaltung in arm und reich, dann überwiegt eindeutig der Dachschaden. Die Ordnungsmacht, die Po-litik zeigt sich hilflos, immer ohnmächtiger, die unbedingt notwendigen Repa-raturen auszuführen, um diesen Dachschaden noch zu begrenzen oder gar zu beheben.

Welche Horizonte müssen wir öffnen, wenn wir unsere Sehnsüchte, die wir mit der Zukunft verbinden, erfüllen wollen? Wenn wir in einer friedvolleren, gerech-teren, sozialeren und naturverbundenen Welt leben wollen?

Wie gefährdet ist unsere Zukunft denn wirklich?

Warum können wir so egoistisch und gierig sein?

Wieso können wir uns so gleichgültig und ungerecht verhalten?

Warum können wir die Natur so zerstören und ausbeuten?

Wenn wir unsere marktkonforme Gesellschaftsform in eine gerechtere De-mokratie verändern wollen, was müsste sich dann ändern?

Was würde das für die Struktur unserer marktkonformen Gesellschafts-form bedeuten?

Was würde das für unseren Lebensstil bedeuten?

Welche Werte, Tugenden, welche spirituelle Haltung, welche philosophi-schen Konzepte müssen wir dann in unserer Wertehierarchie ganz oben ansiedeln?

Wie können diese Konzepte und Werte in eine Bildungsreform eingebracht werden, so dass sie kollektiv aufgenommen werden können?

Dies sind die Fragen auf die ich hier eingehen werde und versuchen möchte dabei mögliche Antworten darauf zu geben.

Dort, wo sich Himmel und Erde scheinbar begegnen, endet der Horizont. Mein Horizont ist mein Wahrnehmungs- und Erfahrungskreis. Was sich unter meinem Horizont befindet, kann ich sehen, erkennen, empfinden. Alles, was sich außer-halb meines Horizontes befindet, bleibt mir fremd, ist Ausland. Ich kann nicht einmal mit absoluter Sicherheit behaupten, dass sich außerhalb meines Hori-zontes noch etwas befindet. Was mir fremd ist, gehört nicht zu mir, kann ich nicht akzeptieren, kann ich nicht verantworten. Auch durch Gleichgültigkeit oder Verblendung kann ich meinen geistigen Horizont begrenzen und ökonomische, soziale und psychische Zusammenhänge ignorieren oder verdrängen.

Das selbstständige, unabhängige, undogmatische Denken ist eine Fähigkeit, ein Potential, das fast alle Menschen mitbringen, aber viele in sich noch schlummern lassen. Menschen, die das Nachdenken anderen oder Ideologien überlassen, machen sich leichter abhängig von den Wenigen, die immer mehr durch dieses System zumindest materiell profitieren und die ihre Interessen mit Hilfe der vierten Macht der Medien, vor allem der Boulevardpresse, so darstellen können, als wären dies auch die Interessen der Mehrheit des Volkes. Wenn Politiker erzählen, dass unser Wohlstand von einem ständigen Wachstum abhängig ist und deshalb jeder unentwegt konsumieren muss, auch wenn man gar kein Bedürfnis hat, dann wird man gefordert darüber nachzudenken, was das für ein System ist, indem ich ein guter Bürger bin, wenn ich mir Güter anschaffe, um der Güter und des Profits einiger weniger Willen. Was ist das für ein System, das mich auffordert Energien zu verschleudern, Rohstoffe auszubeuten und die Kli-maerwärmung zu unterstützen? Sind das wirklich meine Interessen? Haben diese gesellschaftlichen Vorstellungen etwas mit meinen Sehnsüchten zu tun?

Führen sie mich in eine Zukunft, wie ich sie gerne hätte?

Wohin führt uns eine gesellschaftliche Ideologie, in der nicht ernsthaft über die Zukunft der kommenden Generationen nachgedacht wird?

Wohin führt mich eine Ökonomie, in der es nicht mehr um eine Bedarfs-deckung, sondern nur noch um eine künstliche Bedarfsweckung geht?

In welche Zukunft führt uns ein System, indem kollektiv die Folgen unse-res Lebensstils verdrängt werden?

Was für eine Art von Sozialisation haben Menschen erfahren, dass sie die-se Ungerechtigkeiten kollektiv mittragen?

Welche Werte bestimmen uns, wenn wir dieses perverse Finanzsystem zu-mindest billigen?

Was für ein System bezeichnen wir als „Demokratie“, indem so wenig demokratisch gehandelt wird?

Was hat diese Demokratie noch mit Gleichheit zu tun?

Welche Werte haben wir bisher zu wenig entwickelt, dass wir dieses Sy-stem insgesamt immer noch unterstützen?

Welche Werte brauchen wir, um ein gerechteres und sozialeres System zu schaffen?

Wie müsste dann unsere Sozialisation und Bildung ausgerichtet sein?

Weshalb folgen wir immer noch Ideologien, die ungefähr 250 Jahre alt sind und damals im 18. Jahrhundert, als die Herren Smith und Locke sie in die Welt setzten, nahezu 80 % der Bevölkerung kaum genügend zu essen hatten und damit die Wirtschaftsliberalität auch einen gewissen Sinn ergab. Was die heuti-gen sogenannten Neoliberalen dabei aber vergessen haben, Smith und Locke hatten bei ihren kapitalistischen Vorstellungen auch Moralisches im Gepäck. Das Gemeinwohl war ihnen wichtiger als der subjektive Verdienst. Kann man dies heute noch zum globalisierten Marktgeschehen sagen? Zu einer Welt, in der eine kleine Anzahl Menschen immer reicher und immer mehr Menschen immer ärmer werden?

Welches Denken bestimmt uns unbewusst noch heute? Ist dies wirklich mein Denken? Wie kommt es, dass ein geringer Teil der Menschheit, die Mehrheit der Menschen manipulieren und abhängig machen kann? Wie kommt es, dass die Gier nach Geld, so von uns Besitz nehmen kann? Wie kommt es, dass wir dabei immer mehr verdrängen, dass die Natur uns überhaupt nicht braucht, wir aber umgekehrt von ihr vollkommen abhängig sind?

Der Verleger Christian Strasser, hat dem ehemaligen Außenminister Hans Dietrich Genscher, der jahrelang die Weltpolitik mitbestimmt hat und der eher ökonomisch liberal und konservativ denkt, gefragt: „Glauben Sie, dass unsere westliche Zivilisation noch steuerbar ist und glauben Sie, dass wir die Probleme in den Griff bekommen werden?“ Nach ungewöhnlich langem Nachdenken, antwortete Hans Dietrich Genscher: „ Wir haben die Möglichkeit es zu schaffen. Aber die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, mehr nicht.“ Was tut die Weltpolitik in solch einer bedrohlichen Situation? Die Berliner Zeitung hat eine ins „Schwar-ze“ treffende Karikatur zum Ergebnis des letzten Klimatreffen in Durban (Südaf-rika) herausgebracht, die mehr sagt als tausend Worte: Im Meer mit hohem Wellengang, schwimmt die Erde und kann sich mit ihren kleinen Armen kaum noch über Wasser halten. In diesem Moment kommt der Weihnachtsmann mit seinem Rentierschlitten vorbeigefahren und sagt zur Erde: „ Supernachricht. Ich habe hier einen Gutschein für einen Rettungsring ab 2020 für Sie.“!! Weltkrisen-management im Jahre 2011. Das egolastige Bewusstsein zeigt sich nicht nur in-dividuell, sondern auch auf staatlicher, auf globaler Ebene.

Was müssen wir verändern? Müssen deshalb, weil wir vielleicht, wie auch Hans Dietrich Genscher andeutet, jetzt noch das Heft des Handelns in der Hand haben, aber irgendwann wird, wenn wir nicht oder nur ungenügend handeln, uns dieses Heft aus der Hand genommen. Dann werden wir von den jetzt nur schwer vor-zustellenden Ereignissen geführt werden. Dann sind wir gezwungen uns von einem auf den anderen Augenblick zu verändern. Krisen lassen uns keine Zeit etwas Prozesshaft zu lernen. Niemand kann sagen, wann dies der Fall sein wird. Innerhalb dieses Zeitabschnittes müssen wir aber nicht nur einen ökonomischen sondern auch einen geistigen Paradigmenwechsel vornehmen.

Ich versuche auch darzustellen, wie in sogenannten demokratischen Staaten eine immer größer werdende Ungerechtigkeit entsteht und wie diese sich ausdrückt. Weltweit führt uns dieses System mit seinen „Werten“ in ein immer tieferes kul-turelles, soziales, psychisches, geistiges und spirituelles Elend.

Wie kommen wir von unserem egolastigen Ich in ein ausgeprägteres Du, in ein Wir, in ein neues Gemeinschaftsbewusstsein. Vom Ich, zur Familie, zur Nation, zur gesamten Menschheit. Wir müssen weg vom Entweder Oder, vom entweder Verstand oder Gefühl, zum verbindenden „Und“, oder „Sowohl als auch.“ Zu Verstand und Gefühl, zu Geist und Körper, zu Ökonomie und Ökologie, zu Öko-nomie und sozialer Gerechtigkeit, zu Wir und folgende Generationen... Zu christ-lich und muslimisch und buddhistisch und jüdisch und agnostisch. Individuell ori-entiert, aber auf etwas Größeres, Umfassenderes bezogen. Vom linearen Denken zum vernetzten Denken. Jedes angenommene „Und“ erweitert unseren Horizont.

Naturwissenschaft und geistige Wissenschaft müssen sich vernetzen. Materielle Werte und immaterielle Werte müssen zumindest gleichwertig angenommen werden. Hier folge ich Hegel, der über die Bildung zu einer „besseren Zukunft“ kommen wollte. Aus Bildung entsteht für ihn Freiheit. Bildung ist Aufklärung. Wir brauchen eine ganzheitliche Bildung, in der Demokratie, demokratisches Ver-halten schon im Kindergarten gelernt wird. Nach meiner Überzeugung ist demokratisches Denken und Verhalten kein Vermögen, das uns die meisten Poli-tiker und ökonomisch Mächtigen, die unsere „demokratische“ Gesellschaft zurzeit anführen, vorleben. Die Demokratie ist nicht in ihrem Herzen angekommen. Auch wir müssen sie erst prozesshaft durch Üben im Alltag, in der Familie, in der Verwandtschaft, in der freundschaftlichen Verbindung, am Arbeitsplatz lernen. Demgemäß muss in allen Schulformen geisteswissenschaftlicher Unterricht gleichberechtigt neben und mit den naturwissenschaftlichen Fächern stehen. Phi-losophie und Ethik, kommunikative und soziale Kompetenz in Verbindung mit Geschichte, Kunst, Musik, Musik und Kunstgeschichte und daneben die bekannten naturwissenschaftlichen Fächer, wie: Mathematik, Physik, Biologie, Geologie...

Wenn wir an eine gute Zukunft glauben, dann müssen wir unser Bewusstsein weiterentwickeln. Wenn wir in einer anderen Welt leben möchten, müssen wir uns für einen erweiterten Bildungshorizont entscheiden. Unser „Spürbewusst-sein“, Denken, Spüren und Empfinden mit Kopf, Bauch und Herz kommt in der gesamten Bildung zu kurz. Dem Faktenwissen in den Schulen müsste dann gleichberechtigt die Arbeit am Bewusstsein, an emotionaler Kompetenz, die zu sozialen Werten führt, hinzugefügt werden.

Wenn kommende Generationen in einer friedlicheren und gerechteren Welt leben wollen, müssen wir über einen erweiterten Bildungshorizont ihre geistige Wellt öffnen, so dass sie das Anderssein gegenseitig annehmen und mit Respekt und Achtung mit der anderen Natur umgehen werden.

Leben ist eine geistige Auseinandersetzung. Wissen ist etwas Neutrales. Nicht das Wissen über die Kernkraft führt zu den Kernkraftwerken, nicht das Wissen und die Intelligenz führen zum Betrug oder zum Herstellen von Bomben und Kriegen sondern unser Geist, unser Bewusstsein. Unser Handeln ist weniger durch unsere Gene, als vielmehr durch unser Bewusstsein geprägt. Unser be-grenzter, geistiger Horizont hat uns in diese Krisen geführt und nur ein anderes, ein entwickelteres Bewusstsein, ein erweiterter Horizont, gebildet über ethische Werte und die damit verbundenen Gefühle und Emotionen können uns wieder herausführen. Deshalb genügt Wissen nicht allein. Wir brauchen eine Weiter-entwicklung unseres Bewusstsein. Wenn wir in einer anderen Welt leben möch-ten, müssen wir uns für einen erweiterten Bildungshorizont entscheiden. Denken lernen mit dem Kopf, dem Bauch und dem Herzen. Über geistige Arbeit können wir die Existenzweise des Habens mit der Existenzweise des Seins erweitern. Dem Faktenwissen in den Schulen müsste dann gleichberechtigt die Arbeit am Bewusstsein, an emotionaler Kompetenz, die zu sozialen Werten führt, hinzuge-fügt werden.

Menschen, die eine solche Bildung erfahren, werden sich nicht nur um ihr eigenes Wohl kümmern, sondern auch das Allgemeinwohl, vor allem das der „Schwächeren“ im Auge haben. Wenn wir unseren Geist öffnen, ist eine friedvollere und gerechtere Welt möglich. Die Menschen werden auch erkennen, dass sie, wenn sie überleben wollen, primär um das Wohl der nicht erneuer-baren, der erneuerbaren und der „ewigen“ Ressourcen Sorge tragen müssen. Dabei werden wir nebenbei existenziell lernen, die Natur wieder ähnlich zu schät-zen, zu bestaunen, zu genießen wie unsere Vorfahren, die die Natur beseelt oder mit Göttern erfüllt sahen.

So gebildet werden kommende Generationen sich in eine andere Welt führen können. In eine Welt, die (wohl noch) möglich ist. Vielleicht haben wir so eine Chance uns in eine prozesshafte demokratisch humanistisch, soziale, kapitalisti-sche, anarchistische, spirituelle Gesellschaft zu entwickeln. Wenn wir uns diesen Horizonten öffnen, wenn wir bei diesen Fragen kollektiv in einer offenen Haltung zu möglichen Antworten bleiben, können dann Menschen noch fundamentalis-tisch, dogmatisch oder gewalttätig werden?

1.Die Dynamik einer marktkonformen Gesellschaft

1.1 Was verbindet unsere Gesellschaft?

Weshalb ist eigentlich der Sozialismus Ende des 20. Jahrhundert regelrecht un-tergegangen. Die Menschen hatten ja etwas Verbindendes, den Sozialismus, aber warum konnte diese doch theoretisch gerechte Philosophie nicht überleben. Was fehlte ihr?

Während Karl Marx den Menschen auch verändern wollte, glaubte Lenin, dass eine geistige Wende nicht notwendig ist. Zumindest glaubte er dies solange, bis er am Ende seines Lebens den Charakter von Stalin erkannte. Er wollte mit aller Macht Stalin als seinen Nachfolger verhindern. Es kam, wie wir erfahren mussten aber anders. Für Marx ging es bei der Entwicklung zum Sozialismus nicht in er-ster Linie um mehr Konsum. Der Stalinismus wollte aber dem Kapitalismus Kon-kurrenz machen. Bloch meinte, dass der Sozialismus des gesamten Ostens die Gefühle der Menschen vernachlässigte. Dies sehe ich ähnlich, glaube aber auch, dass man auch etwas anbieten muss, was über die Materie hinausgeht. Ethik und Spiritualität. Mo Ti´s Sozialismus im alten China konnte mehrere Jahrhunderte existieren, bis er verboten wurde, weil er einen spirituellen Ansatz hatte. Ihn verband die Ethik, eine Gemeinschaft, die auf dem Prinzip des Friedens, der Ge-rechtigkeit und der Liebe aufgebaut war. Dies fehlte dem marxistisch-leninistischen Sozialismus. Ohne eine verbindende Moral, die die führenden Po-litiker auch vorleben, kann keine gerechte Gesellschaft sich langfristig positiv entwickeln.

Eine funktionierende Gesellschaft braucht etwas, das alle Menschen miteinander verbindet. Jahrhundertelang war dies die Religion. Diese Zeit ist zumindest in unserer Gesellschaft vorbei. Was verbindet uns heute? Die Industrieländer und bis auf China alle Schwellenländer leben in einer marktkonformen Demokratie. Das heißt der Markt, die Ökonomie, das Wachstum und der Profit dominieren die Demokratie. Das, was uns alle verbindet ist ein kapitalistisches System. In Deutschland durch die soziale Markwirtschaft etwas abgemildert, aber seit der Globalisierung in den 90er Jahren, nehmen die sozialen Verpflichtungen zuneh-mend ab.

Kapitalisten gibt es schon lange. Das Wort Kapitalismus selbst hat aber eher eine kurze Geschichte. Es stammt von dem Dichter Samual Taylor Coleridge, der es 1823 zum ersten Mal verwendete. Niemand kann sich heute dem Kapitalismus entziehen, auch Menschen nicht, die ihn ablehnen. Religio ist lateinisch und heißt auch „ich verbinde“. Daher wird der Kapitalismus auch als Religion bezeichnet. Jeder nimmt in irgendeiner Form an der Marktgesellschaft teil. Entweder als Konsument, als Lohnempfänger oder (und) als Produktionsmittelbesitzer. Auch wenn jemand Hartz IV bezieht, es ist Geld, das auf dem Markt durch die Arbeit anderer Menschen erwirtschaftet wurde.

Nachdem der Kommunismus wegen der mangelnden Moral fast in der ganzen Welt bis auf China, Nordkorea und Kuba zusammenbrach, wurde die Moral des Kapitalismus nicht mehr hinterfragt. Es gibt zurzeit auch kaum eine wirkliche ökonomische Alternative. Diese muss erst entwickelt werden.

Niemand hat den Kapitalismus besser analysiert als Karl Marx. Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das drei Säulen hat:

Privateigentum: Den Besitz der Produktionsmittel und der Tauschmittel. Dies ist einmal der Besitz des Bodens, der Häuser und der Maschinen, um mit ihnen und den Lohnarbeitern als Tauschmittel die Waren herzustellen.

Die Freiheit des Marktes

Die Lohnarbeit

Privateigentum, von lateinisch privare, was bezeichnenderweise berauben heißt, weil sie andere von dessen Gebrauch und Genuss ausschließt. Diese Form ist für den Kapitalismus etwas „Natürliches“ und Universales. Wenn wir die Entwicklung der Menschheit betrachten, ist sie eher eine Ausnahme. Im Kapitalismus spielt es keine Rolle woher das Privateigentum kommt. Es geht niemanden etwas an, woher und wie das Eigentum erworben wurde und was ich als Besitzer damit mache. Das Eigentum soll zwar verpflichten, aber für was wird nicht gesagt und darf niemanden interessieren.

Die Besitzer, bei den großen Firmen, die Aktionäre, lassen die Lohnarbeiter für sich arbeiten. Die Lohnarbeiter erzielen über die Arbeit einen „Mehrwert“. Das heißt der Wert, den sie herstellen, übertrifft den Lohn, den sie erhalten. Diesen „Mehrwert“ bekommt der Unternehmer. Je größer der Mehrwert, umso größer der Gewinn für ihn oder die Aktionäre.

Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das Gewinn erzielen will. Er ist dafür da, diejenigen die die Produktionsmittel besitzen noch reicher zu machen. Das ist der „Sinn“ des Kapitalismus. Das Geld fließt nicht zu denen, die wenig haben und wo es eher gebraucht wird, sondern es fließt dorthin, wo schon Geld ist.

Comte- Sponville erkennt in unserer Gesellschaft 4 hierarchisch aufgebaute Ord-nungssysteme:

Die Technowissenschaften: Bei den Technowissenschaften geht es um die Frage. Was ist möglich und was ist unmöglich? Im Kapitalismus, bei den Technowissenschaften wird alles, was möglich ist gemacht. Es gibt hier keine Moral. Wenn es für irgendetwas einen Markt gibt, wird es herge-stellt. Selbst wenn der technologische Fortschritt den Bestand der Menschheit gefährdet, wie z.B. durch die Atombombe oder bei Genma-nipulationen. Die Technowissenschaften werden alles was möglich ist, aus-probieren.

Die rechtlich politische Ordnung. Das Recht liegt beim Staat. Rechtlich ist erlaubt, was die Gesetze nicht verbieten.

Die Ordnung der Moral. Moral ist die Plicht, nach Kant die Gesamtheit aller Pflichten und zwar unabhängig von Lob oder Strafe. Es ist die Pflicht, die wir uns selbst auferlegen. Es ist die Art zu handeln, als ob wir lieben würden.

Die letzte und höchste Ordnungsmacht ist die Ethik. Ethik ist aus Liebe heraus zu handeln. Weil dies uns so schwer fällt, brauchen wir die Moral, also die Tugenden.

1.2 Auswirkungen unseres marktkonformen Gesellschaftssystems

Das Prinzip der marktkonformen Gesellschaft, die kapitalistische Ökonomie hat sich nahezu weltweit durchgesetzt. Die Dynamik zeigt sich nicht nur auf dem Markt, sondern auch in der psychischen Struktur der Menschen. Das dynamische ökonomische System fördert die Gier und die darunterliegenden Ängste, die bei den meisten Menschen eher unbewusst sind. Die Gier ist eine Grundhaltung, die dem System immanent (innewohnend) ist. Nur die wenigsten Menschen können sich dieser Dynamik entziehen, wenn sie die „Früchte“ des Systems kennen und schätzen gelernt haben. Geld, Besitz, Güter, Status. Ein es „Genügt nie“, ein Mehr ein Immermehr- Habenwollen ist die Folge. Es spricht unser Ego und un-sere Selbstsucht an. Ich, ich und nochmals ich. Das Du, die Hinwendung zum anderen ist durch die Konkurrenzhaltung gestört. Eine psychische Dynamik ent-steht, über die man süchtig werden kann. Der andere ist Konkurrent, Gegner, der notfalls bekämpft werden muss. Das gesamte Sein wird nach materiellen Ge-sichtspunkten begutachtet. Was bringt es mir, was kann ich dafür kaufen. Schneller, höher, größer, perfekter. Diese Dynamik prägt unsere gesamte ge- sellschaftliche und kulturelle Struktur, den Umgang mit den anderen Menschen, die Beziehung zur anderen Natur. Unsere Kultur, den Sport, die Erziehung und die Bildung. Mit der Muttermilch nehmen wir diese geistige Haltung in der Regel auf. Unsere Sehnsucht nach Frieden, Zufriedenheit und Glück hat in diesem System wenig Raum. Der Begriff „System“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet ein in sich geschlossenes, geordnetes und gegliedertes Ganzes. Die Teile sind voneinander abhängig, wirken zusammen und greifen ineinander über. Das heißt auch, dass sich ihm niemand entziehen kann.

Auf dem Markt setzen sich nicht die Tugendhaften und Großzügigen, sondern die Effizientesten durch. Man kann sich dort in aller Regel nur als Egoist zurechtfinden. Eine Gesellschaft braucht aber Werte, eine Moral, um Bestand ha-ben zu können. Um sich auf dem Markt durchzusetzen, muss man den an-deren als Konkurrent sehen, um mit ihm aber in einem Gesellschaftssystem zusam-menzuleben, brauche ich Tugenden und moralisch bindende Werte. Durch diese Polaritäten und Widersprüche entsteht eine unauflösbare Spannung. Diese Polarität, diese unauflösbaren Widersprüche haben im 21. Jahrhundert spürbar zugenommen. Die Menschen in unserer Gesellschaft müssen deshalb einerseits eine egoistische Haltung und andererseits eine soziale Haltung entwickeln, wenn sie in diesem System zurechtkommen wollen. Dies führt zwangsweise zu einer schizophrenen Haltung, die unser ganzes soziales Leben durchzieht und entweder zur psychischen oder physischen Gewalt, oder in die Depression führen kann. Da dieser Widerspruch durch die Globalisierung beständig zunimmt, nehmen auch die Gewalt und die Depression in den kapitalistischen Gesellschaftsformen zu. Dieser Gegensatz ist so extrem polarisierend, dass er das gesamte gesellschaft-liche System Demokratie zunehmend zerreißt. In dieser Zerrissenheit steckt ein kaum zu überschätzendes Gefahrenpotential. Diese Zerrissenheit ist in jedem von uns zu finden, weil das System alle Menschen, alle Strukturen, Institutionen, Organisationen erfasst. Überall ist diese Spaltung zu erkennen. In arm und reich, in oben und unten, in mächtig und ohnmächtig, in abhängig und unabhängig, in befehlen und gehorchen, in Natur und Mensch, in Ökonomie und Ökologie, in Mann und Frau... Durch den demographischen Wandel, in viele alte und weniger junge Menschen zeigt sich auch hier die Gefahr einer Spaltung, vor allem dann wenn die jungen Menschen feststellen müssen, dass ihre Zukunftschancen ungleich weniger rosig und fair sind.

Wenn wir auf Dauer unsere Demokratie erhalten wollen, vielmehr eine wirkliche Demokratie errichten wollen, dann muss sich die Ökonomie, wie Sponville auf-zeigt, in (unter) die demokratischen und sozialen Werte des Grundgesetzes einordnen. Der Kapitalismus muss ein moralisches Antlitz erhalten. Lässt er dies zu und wie soll das gehen? Kann es hier einen Ausweg geben?

Der Demokratie und ihren Institutionen in ihrer heutigen Form gelingt es immer weniger Chancengleichheit und Gerechtigkeit unter den Menschen herzustellen. Der Soziologe und Leiter des Institutes für interdisziplinäre Konfliktforschung an der Universität Bielefeld, Wilhelm Heitmeyer spricht von „schleichenden Prozes-sen“, die sich zu einer „Demokratie- Entleerung“, zu einer „Ökonomisierung des Sozialen“ und zu einer „spezifischen Orientierungslosigkeit“ entwickeln.

Das Fundament der Demokratie und unsere Existenz sehe ich aus folgenden Gründen gefährdet.

Die Macht der großen Konzerne, die zudem untereinander globalisierend vielfach vernetzt sind, sodass eine Kontrolle kaum noch möglich ist.

Die Verfilzung des Marktes durch Ökonomie und Politik, die sich vor allem in der Lobbyarbeit zeigt

Die unkontrollierte, pervertierte Finanzwelt, die sich vom realen Marktgeschehen nahezu abgekoppelt hat.

Das immer weiter auseinandertriften zwischen wenigen Reichen und immer mehr Armen. In Deutschland sind 9 Billionen an Vermögen vorhanden. Die reichsten 2 Prozent der Bevölkerung besitzen 50 Prozent dieses Vermögens.

Der Klimaerwärmung durch Treibhausgase (THG), der nicht erneuerbaren Energien: Öl, Gas, Kohle, Methan

Das Wachstum Prinzip, das die Ökosysteme, die Arten und die Land-schaftsvielfalt vor allem durch die Ausbeutung der Rohstoffe zunehmend zerstört.

Die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch zunehmende Schadstoffe, Strahlen, Lärm.

Überbevölkerung

Staatsschulden: Allein Deutschland hat mehr als 2 Billionen Schulden. Auf jeden Bundesbürger kommen etwa 26 000 Euro Schulden. Wenn wir die versteckten Schulden durch zukünftige Renten und Pensionslasten hinzu-nehmen, kommen wir etwa auf 5 Billionen Euro Schulden.

1.3 Nach uns die Sintflut

Der Begriff stammt aus dem Alten Testament. Als Strafe für die Sünden der Menschen hat Gott das Leben auf der Erde durch die Sintflut vernichtet, indem er es wochenlang regnen ließ. Nur der gute Noah mit seiner Familie und je zwei Tiere von jeder Gattung, ein Männchen und ein Weibchen, sollten durch die Arche gerettet werden. Die Sintflut kann man also als ein Symbol für eine furchtbare Strafe durch: Gier, Neid, Zerstörung der Natur und alles das, was wir als Böses ansehen, bezeichnen. Allerdings mit dem Unterschied, dass wir uns durch Zerstörung und Gleichgültigkeit zur restlichen Natur die „Sintflut“ oder Strafe selbst bescheren.

Es ist schmerzhaft für mich mit nüchternen Zahlen Bilder entstehen zu lassen, die ich und offensichtlich nicht nur ich, lieber verdrängen würden. Möglichst in die Allerunterste Schublade des Gedächtnisses. Vor allem die jüngeren Men-schen, diejenigen, die mit diesem Schlamassel noch umgehen werden müssen. Sie haben dieses Schlamassel eigentlich auch nicht zu verantworten. Aber wer fühlt sich denn dafür verantwortlich? Die 60 %, die sich als Bürger ansehen und die alle auf Kosten ihrer Kinder gelebt haben? Die Banker, die Reichen, die Politiker? Wie gehen wir noch heute mit den Opfern in den „sogenannten Ent-wicklungsstaaten“ um? Den Staaten, die lange Kolonien von England, Frankreich, Spanien, Deutschland... waren? Die Afrikaner leiden heute an Hunger und auch an Krieg, weil wir durch unsere Wirtschaftskreisläufe ihre Ressourcen immer noch zerstören.

1.3.1 Macht der Konzerne

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme weltweit, stand der Markt, vor allem der spekulative Finanzmarkt über den legitimierten demokra-tischen Systemen. Die Märkte versprachen durch ihre Globalisierung: Wohlstand, Wohlfahrt, bessere Lebensqualität, neue Arbeitsplätze und die demo-kratisch legitimierten Politiker unterstützten sie, wo immer sie konnten. Was ist aus diesen Sprüchen geworden? Stattdessen leben wir in einer immer mehr ver-unsicherten und gespaltenen Gesellschaft. Millionen können sich ihres Arbeits-platzes nicht mehr sicher sein. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Seit 2008 stecken wir in einer Krise, deren Ende nicht zu erkennen ist. Sie begann als Immobilien und Finanzmarktkrise. Es folgten die Bankenkrise, die Konjunkturkrise, die Schuldenkrise und jetzt wieder die Ban-kenkrise. Ganz nebenbei hat sie ganze Länder ergriffen, die vor dem Bankrott stehen: Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Belgien, selbst Frankreich wackelt.

Die traditionellen Wirtschaftswissenschaften haben nicht zu dem allgemeinen Wohlstand geführt, den uns die Herren Locke und Smith versprochen haben. Weder haben sich die Armut und der Hunger in der Welt entscheidend verringert, noch ist die Verteilungsungerechtigkeit beseitigt worden. Aber es gelingt den wirtschaftlich Mächtigen uns immer wieder einzureden, dass das Paradies für alle auf Erden durch diese Art der Ökonomie noch kommen wird. Wir bräuchten nur Geduld...

Aristoteles von dem der Begriff „oikonomia“ stammt, verurteilte noch das Streben nach Reichtum und Profit, da es dem Glück des Menschen im Wege steht. Die oikonomia sollte eine dienende Rolle haben und dem Staat und dem Gemeinwesen dienen. Auch Thomas von Aquin hat im 13. Jahrhundert die Ökonomie eng mit Moral, Tugend und Gerechtigkeit verbunden, weil sie sonst den Frieden in der Gemeinschaft stört. Adam Smith forderte dagegen im 18. Jahrhundert ein Wirtschaftssystem, das sich vollkommen frei von staatlichen Eingriffen entwickeln soll. Der Mensch soll nach seinem Eigennutz leben und nach Profit und Wohlstand streben. Er glaubte, dass aus diesem Egoismus alle Menschen profitieren würden. Seither leben wir nach dem Menschenbild der klassischen Ökonomie, dem „homo oeconomicus.“ Es ist der Mensch mit den unbegrenzten Bedürfnissen. Er denkt nur an sich und deshalb ist diese Ent-scheidung nicht nur für den Markt sondern auch für die Allgemeinheit optimal. Die Tauschakte des Marktes führen immer zum Optimum für alle Partner, weil alle Partner gleichberechtigt sind und streng rational entscheiden. Hieraus entstand die Konsumentensouveränität. Das heißt kein Staat darf in diese Souveränität eingreifen. Der Markt besteht aus lauter Einzelinteressen. Jenseits dieser Einzelinteressen gibt es keine Gesellschaft. Adam Smith hat diese Normen aufgestellt und die Bürger haben mit Freuden diese Vorstellungen umgesetzt. Für neoliberale Ökonomen oder Denker gilt dies mit Abstrichen bis heute. Hier begann der Siegeszug des Individuums, das Selbstinteresse und der Niedergang des Gemeinschaftssinns. Smith war auch Moralphilosoph, hatte auch ethische Vorstellungen und stellte den Gemeinsinn und den Wohlstand für alle über das Einzelinteresse. Einerseits werden diese Ideen von Smith wie Fahnen von den Großkonzernen vorhergetragen, aber die Moral oder der Gemeinschaftssinn ist dabei verloren gegangen. Soziale, gemeinschaftliche, demokratische Werte werden von einigen mächtigen Konzernen und ihrer starken Lobby gemindert oder bekämpft. Raubtierkapitalismus, das heißt eine Marktwirtschaft, die fern von einer allgemeinen Moral, fern von Ethik ist, ist spätestens seit der Globa-lisierung, etwa mit dem Untergang des östlichen Kommunismus, entstanden. Man könnte es auch umdrehen und sagen, es gibt schon eine Moral, nämlich die des Raubtiers. Selbst dieser Vergleich hinkt. Wenn ein Raubtier satt ist, jagt es nicht. Konzerne sind nie satt, ihnen reicht es nie. Sie sind immer auf der Jagd. Demokratie und Raubtierkapitalismus gehen immer weniger zusammen. Der Kapitalismus treibt die Demokratie durch die Macht der Reichen und Techno-kraten immer mehr aus unserem Gesellschaftssystem hinaus. Nicht umsonst ist das Wachstum des Marktes in China am höchsten. Wir kommen immer schneller an einen Punkt, der zeigen wird, was uns wichtiger ist: Diese Art von Konsum, von Ökonomie, von Finanzwirtwirtschaft oder eine demokratische und nachhal-tige Entwicklung, die auch an das Wohl kommender Generationen denkt.

Im 19. Jahrhundert gab es Kaufleute von Ehre z. B: die Buddenbrooks, schreibt Joachim Röhrig in „Kleine Weltgeschichte.“ Man musste auch knallhart kal-kulieren und abwägen, aber Vertrauen war damals noch die Basis für Geschäfte. Manager wechseln heute alle paar Jahre den Konzern. Verantwortung kann da nicht aufkommen. Der Vorstand will möglichst schnell hohe Gewinne erzielen. Die Gewinne werden an die Aktionäre weitergeleitet und nicht für eine bessere Situation der Lohnarbeiter oder ein nachhaltige Produktionsweise verwendet. Die Arbeiter werden wie Dinge, wie Schachfiguren behandelt. Wenn man sie nicht mehr braucht, dann kann man sie opfern. Hohe Gewinne heißt, wenn es hohe Gewinne geben kann, dann kann es sicher noch höhere Gewinne geben und das heißt fast immer Entlassungen und für die Menschen Arbeitslosigkeit mit all ihren Konsequenzen. Wie bei Nokia. Nokia bekam von der EU und der Bundesregierung mehr als 80 Millionen Euro damit Arbeitsplätze entstehen. Wenige Jahre später 2008 zog Nokia nach Rumänien, trotz guter Auslastung und Gewinne. 2300 Festangestellte und 1000 Leiharbeiter waren betroffen. Grund: Die Lohnkosten seien zehnmal höher als in Rumänien. Es gab Protestaktionen, Demonstrationen, Menschenketten ums Werk, alles blieb erfolglos. Jetzt 2011, knapp drei Jahre später wird auch das Werk in Rumänien geschlossen. Nokia zieht nach Asien, weil dort die Menschen für noch weniger Geld arbeiten. Staaten, ja selbst die EU ist machtlos gegen diese Art Rücksichtslosigkeit, Gewalt und Ignoranz gegenüber der Gemeinschaft. Im Gegenteil, dies sind „Werte“, die dieses System tragen, sie sind immanent und gehören zum System, zu unserem „demokratischen“ System. Die Konzerne ziehen dorthin, wo die Menschen die geringsten Löhne fordern und am längsten arbeiten. Der globale Konzern Zirkus zieht dorthin, wo sich die Menschen am meisten ausbeuten lassen. Der Mensch als Ware. Der Arbeiter wird nicht als soziales Wesen behandelt. Für Nokia und ähnliche Kon-zerne sind Menschen, Ware, Dinge ohne Gesichter, Herz und Gefühl. Das Lebendige, Gefühle werden einfach reduziert. Sie, die Manager haben einen Auftrag, nämlich Gewinne zu machen und was das für die Menschen heißt, wird einfach verdrängt. Dieses emotionslose Verhalten erinnert mich stark an Adolf Eichmann im National-sozialismus, der nur einen Befehl ausgeführt hat und deshalb, so meinte er, dafür auch keine Verantwortung zu übernehmen bräuchte. Wenn durch die Erfüllung des Auftrags dann Millionen Juden sterben müssen dafür kann er nichts. Ein Manager kann auch nichts dafür, dass er einige tausend Menschen auf die Straße schickt, so sind nun einmal die kapitalistischen Gesetze, jeder ist sich selbst der Nächste. Gefühle, ein soziales Gewissen, moralisches Denken ist wie Hannah Arendt bei Eichmann feststellte mit dem „Weltverlust“ verschwunden. Die „Banalität des Bösen“, die Nichtverantwortung ist natürlich nicht vergleichbar, aber das grundsätzliche, emotionslose, inhumanistische, fast maschinenartige Verhalten solcher Menschen erinnert mich an Adolf Eichmann, wie er fast teilnahmslos jede Verantwortung von sich schob und das macht Angst. Die Haltung, dass der Mensch nach den Marktgesetzen nur eine Ware ist, ist systemimmanent. Wenn man genau hinschaut ist der Manager, der die Men-schen entlässt genauso eine Ware, nur mit einem anderen Gehalt ausgestattet. Der Kapitalismus „züchtet“ Menschen das soziale Gewissen weg. Moral, Ethik, Verantwortung für andere, denen man dadurch schadet, haben in der Welt des Kapitals im 21. Jahrhundert keinen Platz.

Lächerlich würde Andre´ Sponville wahrscheinlich hierzu sagen. Für ihn ist der Kapitalismus weder moralisch noch unmoralisch. Er ist amoralisch, das heißt weder noch. Der Sinn des Kapitalismus ist der Gewinn. Hier wird nicht nach Moral gefragt. Ein Unternehmer, ein Manager hat dafür zu sorgen, dass die Aktionäre, also die Besitzer einen größtmöglichen Gewinn bekommen. Ich kann dazu nur sagen: Er hat recht, ich aber auch.“ Legal, illegal, egal, die Hauptsache Gewinn. Im November 2011 gibt Siemens einen Rekordgewinn bekannt, mit der Mitteilung, dass man die Belegschaft verkleinern muss. Die paar hundert Aktionäre, die in ihrer Gier einfach noch mehr Gewinne möchten, bestimmen dieses Handeln. Und wir, die Occupy- Bewegung spricht von den 99 %, lassen es uns noch gefallen. Wir haben uns längst an diesen Raubtierkapitalismus gewöhnt.

In den letzten 60 Jahren haben sich Gesellschaft und Wirtschaft im Sinne von Konzernlenkern entwickelt. Die Wirtschaft ist mittlerweile in fast allen Kulturen die stärkste und mächtigste Kraft im Staat geworden. Die weltläufigen Ver-flechtungen der Konzerne treiben die Politik vor sich her. Die Politik ist für die Großkonzerne dazu da, um für die Wirtschaft günstige Bedingungen zum Wachstum zu schaffen. In diesem globalen Spannungsfeld entstehen auch gigantische Migrationsströme mit immer größer werdenden sozialen Konflikten.

Viele Lenker in der globalen Wirtschaft glauben, dass dies so weiter gehen kann. Warum sollten sie denn ein anderes Denken und Verhalten zeigen, wenn es ihnen doch damit so richtig gut geht und sie auch in ihrem jetzigen Denken so tatkräftig von der Politik unterstützt werden? Der mangelnde Veränderungswille, dieser blinde Glaube, alle Probleme würden sich schon irgendwie durch „die helfende Hand“ (Smith) lösen lassen, wird von den meisten Politikern, trotz besseren Wissens noch mitgetragen. Dieser Glaube herrscht aber auch bei vielen Konsumenten vor.

2011 werden große Teile der Weltwirtschaft von 147 Konzernen kontrolliert. Besonders dominant sind auch hier die Unternehmen aus dem Finanzbereich, also Banken und Rentenfonds. Die Britische Barclays Bank ist am ein-flussreichsten. Die Deutsche Bank liegt an der 12. Stelle. Bei einer Untersuchung 2007 wurden insgesamt 43 000 Unternehmen untersucht.1318 von ihnen waren an mindestens zwei weiteren Unternehmen beteiligt. Im Durchschnitt waren diese Firmen mit 20 anderen Unternehmungen verbunden. Diese Unternehmen erzielen auf Grund ihrer gegenseitigen Anteilshabe 4/5 der Umsätze von diesen internationalen Konzernen. Die 147 Konzerne bilden ein in sich geschlossenes System und kontrollieren sich über ein ungemein kompliziertes System selbst. Diese 147 Konzerne machen weniger als 0,4 % dieser 43 000 Firmen aus, kontrollieren aber von den 43 000 Firmen über 40 %. Der Kreis der allermäch-tigsten Unternehmen wird dann noch einmal von 50 Unternehmen angeführt: Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen. 37 dieser Super-Einheit sind Finanzfirmen. Die Politik kann in dieses Netzwerk kaum eingreifen, weil die Konzerne international vernetzt sind und die Länder gegeneinander ausspielen. Regulierungen und Kontrolle gibt es auch deswegen so gut wie nicht. (Daniel Baumann, Berliner Zeitung, 25.Okt. 2011). Da kann man sich nur fragen, von wem werden wir tatsächlich regiert? Wer blickt bei dieser Machtvernetzung überhaupt noch durch.

Ein Beispiel über die bisherige Machtlosigkeit der Politik, Interpol und der UN. Am 24. September 2011 lief in 3sat unter dem bezeichnenden Titel „Blutsauger der Dritten Welt“ ein Dokumentarfilm. In der Schweiz tragen Rohstoffhändler genau-so viel zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei, wie der gesamte Maschinenbau. Hauptsächlich sind es 4 Firmen: Glencare, Trafigura, Xstrata und Mercuria. Glen-care ist die umsatzgrößte Firma in der Schweiz. Glencare hat sich unter anderen afrikanischen Staaten auch in Sambia eingekauft. Von den Gewinnen bleiben „5 %“ in dem Land. 95 % kassieren hauptsächlich diese 4 Firmen aus dem Aus-land. Hauptsächlich kassieren diese ärmlichen 5 % dann noch korrupte Re-gierungsbeamte und nicht das arbeitende Volk. Die Gewinne der Firma werden aber weder in Sambia noch in der Schweiz, sondern in Steuerparadiesen ver-steuert. Im Gegensatz dazu Norwegen. Wenn in Norwegen eine Firma Rohstoffe fördert, bleiben über „70 %“ der Gewinne im Land.

Noch ein anderes Beispiel, wohin die Globalisierung führen kann. Unter „Schmutziger Schokolade“ habe ich online einen Dokumentarfilm herunter-geladen, der am 6. Oktober 2010 im 1. Programm lief. Bis zum Jahre 2001 war es selbstverständlich, dass in Kakao Plantagen Kindersklaven arbeiteten. Die UN schritt ein und arbeitete mit den großen Firmen: Saf-Cacao, Nestle und anderen einen Vertrag aus, der diese Sklaverei verbieten sollte. Den Firmen gelang es den Vollzug des Vertrages bis 2008, also sieben Jahre hinauszuzögern. 2010 war ein Reporter an der Elfenbeinküste, wo 42 % aller Kakaobohnen geerntet wer-den. Er stellte fest, dass überall in den Plantagen Kindersklaverei selbstver-ständlich ist. Die Kinder werden aus Mali, Bukino-Faso, Niger, Togo und Benin zum Teil gekidnappt und zum Teil dadurch gelockt, dass man ihnen verspricht, dass sie Geld für ihre armen Familien verdienen können. Es gibt es riesiges Netz von Kinderhändlern, denn die Kinder werden von den Kidnappern an Busfahrer weiterverkauft. Diese verkaufen sie dann an „Sklavenhändler“ weiter, die sie über die Grenze schmuggeln, bis sie endlich für ca. 230 Euro dann an die Farmer verkauft werden. Die Kinder sind in der Regel zwischen 11 und 12 Jahren alt, bekommen keinen Lohn, werden geschlagen und viele werden durch die üppigen Pestizide krank. Interpol hat kaum eine Chance hier einzugreifen, weil Re-gierungsbeamte und die Polizei genauso wie viele andere Menschen in diesen Sklavenhandel verwickelt sind. Zynisch könnte man sagen, der Sklavenhandel hat viele Menschen aus der Arbeitslosigkeit herausgeführt.

Doch der noch größere Skandal sind die Firmen vor allem Nestle, eine Weltfirma, die seit über 50 Jahren Geschäfte mit der Elfenbeinküste macht und dabei einen Umsatz von 70 Milliarden Euro im Jahr hat. Der Farmer bekommt für 1kg Kakaobohnen, aus denen dann 40 Schokoladentafeln hergestellt werden, einen Euro. Und Nestle und die anderen Firmen dulden den Sklavenhandel noch immer.

So mancher wird sich schon gewundert haben, wie billig bei uns T-Shirts oder Kleider z.B. aus Indien sind. Die Antwort ist für alle schmerzhaft, die noch ein soziales Gewissen haben. In Südindien gibt es mehrere Städte, die hauptsächlich aus Textilfabriken bestehen. Tyrapur ist eine solche Stadt mit etwa 500 000 Einwohnern. Zu den Fabriken gehört eine Art Lager, Haus an Haus. In jedem Raum sind zumeist 7 Mädchen eingesperrt. Sie schlafen auf dem nackten Boden und bekommen ungenügend zu essen. Auch dürfen sie das Fabrikgelände nur mit männlichen Aufpassern verlassen und mit niemandem außerhalb dem Fabrikge-lände sprechen. Die Mädchen sind in der Regel jünger als 18 Jahre. Das Verbot mit der Kinderarbeit wird mit ärzlichem Attest umgangen. Die Eltern der Mädchen haben einen sogenannten „Sumangali Vertrag unterschrieben. Dieser Vertrag besagt, dass das Mädchen zwischen drei und vier Jahren in der Fabrik arbeiten muss. Pro Tag bekommt es 65 Cent und einmal im Monat ein Taschengeld für ein Euro. Am Ende dieser drei Jahre soll das Mädchen dann 1300 Euro bekommen. Wird es krank, muss es trotzdem arbeiten. Ein Arzt gibt es nicht. Zwischen 12- 16 Stunden 6X die Woche. Wenn ein Mädchen das tägliche Soll nicht schafft, wird es geschlagen und beschimpft. Alles durch Männer. Kann es nicht mehr arbeiten, was oft vorkommt, weil die Arbeitsumstände katastrophal sind, wird es einfach ohne Geld auf die Straße gesetzt. Das dortige Krankenhaus bestätigte, dass im Schnitt jeden Tag ein Mädchen, meistens mit Gift oder auch mit Selbstanzünden einen Selbstmordversuch unternimmt. Im Jahre 2011 hat es 800 Selbstmorde gegeben. Ein Kamerateam des ZDF versuchte in das Lager zu kommen. Fast alle Filmaufnahmen wurden mit ver-steckter Kamera gemacht. Sie durften mit keinem der Mädchen, die hinter einem dreifachen Stacheldraht eingesperrt sind, sprechen. Es gibt kaum ein Mode-Label, das aus Südindien keine Textilien bezieht. Ob H&M oder C&A, Tom Taylor oder die spanische Firma Zara. Sie wissen alle um diese kaum zu beschreiben-den Zustände, dass Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren als Sklavinnen auf Zeit arbeiten. Es sollen etwa 120 000 Mädchen sein. Alle Firmen sagen, dass sie soziale Standards mit diesen Textilfirmen vereinbart hätten. (ZDF Zoom, online, 29. März 2012). Wer trägt für diese Verbrechen die Verantwortung? Die indischen Textilfirmen, die indische Regierung, die europäischen oder amerika-nischen Firmen, an die der Stoff und die Kleider verkauft werden, oder wir die Verbraucher, die so billig wie möglich einkaufen wollen?? Wer könnte dieses Leid beenden? Warum tut es bisher niemand? Terres de Hommes kennt diese Zustän-de schon lange und hat spätestens 2007 die Mode Labels informiert.

Diese Dokumentationen zeigen eine der schlimmsten Auswirkungen des Kapita-lismus, der Globalisierung. Die andere Seite der Freiheit. Die Freiheit des Neo-Liberalismus. Eine Freiheit, die zur Sklaverei auch in sogenannten Demokratien führen kann!

Die Auswirkungen der Globalisierung zeigen sich gerade bei den Lebensmitteln. 30 Supermarktketten kontrollieren ein Drittel des gesamten Lebensmittelhandels. 350 Menschen besitzen die Hälfte des gesamten Reichtums auf der Welt, während ein Großteil der Menschen mit 2 Euro am Tag auskommen müssen. 1960 verdiente ein Unternehmenschef das 40fache seiner Angestellten, heute hat er durchschnittlich 531 Mal so viel. Die 100 größten Volkswirtschaften sind nicht die 100 größten Länder, sondern nur 48 Länder befinden sich darunter. 52 davon sind Großkonzerne. Von 65 000 internationalen Konzernen mit ihren 850 000 Tochterfirmen nehmen zwischen 2000 3000 Firmen an selbstverpflichtenden sozialökonomischen „Mindeststandards“ teil. Das ist zwischen 3 und 4 Prozent. Seit der Globalisierung haben sich 2 Agrogiganten so entwickelt, dass sie 65 % des Saatgutes vertreiben. Aus 3000 Reissorten früher sind heute noch 30 Sorten übrig geblieben. Bauern in Indien müssen das Saatgut, was zwar von ihren Äckern stammt, ihnen aber nicht mehr gehört, bei diesen Giganten für teures Geld einkaufen.

Konzerne haben mehr Geld zur Verfügung als Staaten. Weil der Staat immer weniger Geld zur Verfügung hat, auch weil es keine Vermögenssteuer mehr gibt und die Erbschaftssteuer mit die niedrigste ist, die es überhaupt gibt, hat der Staat nicht nur Schulden gemacht, sondern auch nach und nach sein Tafelsilber verscherbelt. Dabei wurde durch die Privatisierungen der Post, des Stroms, der Wasserversorgung, des Mülls versprochen, dass alles billiger wird. Alles, aber wirklich alles ist nicht nur teurer sondern weniger verlässlich, reduzierter und vor allem unübersichtlicher geworden. Bedenklicher ist aber noch, dass 10tausende prekäre Arbeitsplätze hieraus entstanden sind. Arbeitsplätze, wo Menschen 40 Stunden arbeiten, davon aber nicht leben können. Mittlerweile gibt es nahezu 2 Millionen Menschen, die 5 Euro oder sogar weniger in der Stunde verdienen. Dazu kommen noch etwa 5 Millionen Arbeitskräfte, die trotz Fulltimejob weniger als 1000 Euro im Monat verdienen. Es sind mehr als 20 % der Arbeitskräfte in Deutschland, die weniger als 1000 Euro im Monat verdienen Diese Zahl wächst zurzeit monatlich. 20 Staaten in der EU haben Mindestlöhne eingeführt. Das reichste Land, das christliche Deutschland hat eine christliche Regierung und lehnt bisher einen Mindestlohn ab. Wahrlich eine teuflische Sache.

Kindergärten, Schulen, Sozialversicherungen, Krankenhäuser, öffentlicher Nah und Fernverkehr war mal in der öffentlichen Hand. Die Funktion bestand darin keine Gewinne zu erzielen. Mittlerweile ist dieser Teil der Grundversorgung zum Spielball privater Interessen geworden. Auch die EU spielt bei dieser Privati-sierung eine sehr große Rolle.

Unterstützt wird die neoliberale Ökonomie und diese Wertehierarchie zumeist von der 4. Macht den Medien, die nur allmählich und dann meistens auf der 3. oder 4. Seite der Zeitung oder im Fernsehen nachts, wenn alle Katzen grau sind, kritischere Töne zu diesem Schlamassel anschlagen. Allen voran die Boulevard-Zeitungen, die hier nur scheinbar die Interessen der „kleinen Leute“ unterstüt-zen. Je komplizierter das Thema und die Umweltproblematik sind, umso flacher ist die Berichterstattung in der Boulevard- Presse. Die Berichterstattung in „gu-ten“ Tageszeitungen und den öffentlichen Fernsehprogrammen verändert sich hierzu allmählich. Aber mit großen Widersprüchen. Da gibt es eine Sendung z.B. über die wachsende Rohstoffknappheit, kritisch und sachlich, dann kommen die Nachrichten, und dort wird dann wieder gejammert, wie die armen Autofahrer abgezockt werden, oder der „Dax“ heute einfach nicht klettern will.

Viele der Zahlen und Inhalte in diesen folgenden Kapiteln habe ich von Holger Rogall aus seinem Buch „ Nachhaltige Ökonomie.“ Wie sieht eine Ökonomie mit diesen „Werten“ aus? Wir nehmen es einfach hin, dass Bilanzen manipuliert werden, Falschmeldungen herausgegeben werden, nur um die Aktien positiv zu beeinflussen. Korruption, Aufhebung der Marktgesetze durch Absprachen, regen niemanden mehr auf. Es ist alles systemimmanent. Nichts Besonderes. Kriminelle Machenschaften, Lüge und Betrug sind zu „Werten,“ hingenommenen Wettbe-werbsvorteilen für Konzerne in der Globalisierungswelt herangewachsen.

1.3.2 Lobbyismus

Die meisten Politiker in demokratischen Staaten haben eine Zukunftsvorstellung von 4 Jahren, denn sie wollen wiedergewählt werden. Deshalb trifft man Ent-scheidungen, bei denen man die Früchte spätestens nach 4 Jahren ernten kann. Nach uns die Sintflut, denn Wähler sollte man nicht mit notwendigen Ent-scheidungen quälen, die ihnen so wehtun könnten, dass sie sich dann für eine andere Partei entscheiden. Deshalb verschiebt man „Schmerzhaftes“ auf später. Das Wissen, dass das im Moment „Schmerzhafte“ für die nächste Generation, dann um vieles „Schmerzhafter“ sein wird, wird tapfer verdrängt, um des „Wiedergewählt Werdens“ willen. Hier kommen jetzt auch die Wähler mit in das „Verdrängungsspiel“ hinein. Auch sie wollen so angenehm wie möglich leben und schieben deshalb die Konsequenzen ihres Konsumierens in eine untere Schub-lade oder verniedlichen die Auswirkungen ihres Lebensstils.

Krisen, Katastrophen werden von Politikern nahe am Lügen heruntergespielt. Oft sind solche Gespräche mehr Show. Es wird mehr Symbolpolitik betrieben. Nur um die Menschen zu beruhigen gibt es Pilotprojekte, wird untersucht, geforscht und Broschüren herausgegeben.

Lobbyisten tanzen um die Abgeordneten in Brüssel und Berlin herum. In Berlin gibt es von diesen „Souffleuren“ an die 5000. 5000 Menschen die nur dafür da sind, Vorteile für sich rauszuschinden und zu manipulieren. Was das mit Demo-kratie zu tun hat, konnten oder wollten sie in der Sendung von Phönix, am 18. November 2011 nicht sagen. Der Titel der Sendung hieß bezeichnenderweise: „ Die heimlichen Strippenzieher“, mit dem Untertitel „Wer regiert wirklich“. Diese Herren wollen möglichst nicht gesehen werden, die Gespräche finden hinter verschlossenen Türen statt. Parlamentarier können ihnen kaum entkommen. Briefe, Einladung zum Dinner, Geschenke, Partys von denen sie sich kaum ent-ziehen können.

Die wichtigsten Wirtschaftsverbände verfügen über 120 000 Mitarbeiter, die dazu da sind die öffentliche Meinung zu manipulieren. Sie verschleiern mittels Gut-achten, die mittlerweile manchmal gleich in Regierungskonzepte einfließen, die Gefahren bestimmter Produkte. Oft haben sie sehr engen Kontakt zu den Verwal-tungen. Immer öfter kommen nämlich aus den Verwaltungen Gesetzesvorlagen und weniger direkt aus dem Abgeordnetenhaus. Flugbenzin ist deshalb steuer-frei, weil die Konzernchefs dies so wollen.

Agrarchemie mit all ihrer Bedrohung durch Stickoxide im Grundwasser in den Flüssen und Meeren, ist deshalb so weit verbreitet, weil überall Lobbyisten sind. Daten des Helmholtz-Instituts haben ergeben, dass die meisten Risiko-Chemi-kalien aus Flüssen von der Landwirtschaft stammen. Es sind Pestizide, die Pflan-zen wie Weizen vor Schädlingen schützen sollen. Ebenso findet man Weich-macher aus Chemieproduktionen und Arzneistoffe, die bei Schmerzmittel ein-gesetzt werden. An den Stränden der Bretagne nennt man die Überdüngung die „grüne Pest“, denn die Strände sind mit grünen Algen übersät und müssen mit „Baggern“ ständig beseitigt werden. Kunstdünger und Spritzmittel führen dazu, dass wir für 1kg Nahrung 10 kg Erdöl durch: Pestizide, Petrochemie für Dünger, Trecker-Treibstoff, Transport, Verpackung und Lagerung verbrauchen. Die Land-wirtschaft braucht etwa 60 % des gesamten verwertbaren Wassers. Und wir werfen dann nahezu 50 % der Lebensmittel einfach weg!

Die Machtfülle der Interessengruppen, der Lobby, Verflechtungen von Interes-sengruppen und Politik, Ressoregoismus, Medienopportunismus, Partei-spenden, Beraterverträge für Politiker, Verschaffung von Aufsichtsratsmandaten in Unter-nehmen, Korruption, Wettbewerbsdruck, Visionslosigkeit höhlen die Demokratie immer mehr aus.

Die Lobbyisten kommen aus derselben sozialen Schicht wie viele Politiker. Sie sind im Gegensatz zu den „Menschen im Lande“ greifbar. Wer bedenkt schon, dass Spitzenpolitiker rund um die Uhr bewacht werden müssen. Ein Spitzen-politiker und 24 Beamte, die ihn schützen müssen. Einfach mal einkaufen oder spazieren gehen, so wie ich das gleich machen werde, geht nicht. Wenigstens gibt es dann noch die Lobbyisten. Vor denen braucht man im Gegensatz zum Volk keine Angst haben. Mit ihnen kann man, wie Angela Merkel es machte, ei-nen parlamentarischen Beschluss mit der Beendigung der Laufzeit der Kern-kraftwerke, nach den Bedingungen der Atomlobby im Hinterzimmer einfach mal beseitigen. Wenigstens von den Lobbyisten werden die Politiker geliebt. Von irgendjemand muss man doch geliebt werden. Wenn Not am Mann ist, kann man dann auch beim Ausscheiden aus der Politik mit richtig gutem Geld selbst als Lobbyist unter ehemaligen Kollegen arbeiten. Die soziale Umwelt der Politiker besteht aus Spitzenvertretern von Verbänden und Redakteuren der Tageszeitun-gen und anderer Medien. Die Verflechtung von Wirtschaft und Politik ist eines der größten Probleme westlicher Industrieländer. Schamgrenzen gibt es da kaum mehr. In Brüssel nehmen 286 Beratungsfirmen Einfluss auf die Politik.

Die milliardenschweren Subventionen in der EU kommen nicht den Ökobauern, sondern den größten Schweinebetrieben, zwischen 60 000- 80 000 Tiere zu, die nie das Tageslicht sehen, die nur gezüchtet werden, um bald geschlachtet zu werden. In Hessen ist der größte Hähnchenschlachthof in Europa eröffnet wor-den. 60 Millionen Hähnchen werden im Jahr geschlachtet. Die Fabrik ist aber auf 120 Millionen Schlachtungen angelegt. Das heißt sie brauchen noch mindestens 400 Großbetriebe, dass sich diese Investition so richtig lohnt. Pro Tag werden hier zwischen 200 000 und 250 000 Hühner am Fließband geschlachtet. Zurzeit haben diese Hühner in den Fabriken einen durchschnittlichen Platz, der etwas größer als 1 Din A4 Blatt ist. Darauf sind die Politiker noch stolz, denn noch vor einem Jahr, war dieser Platz kleiner als ein Din A4 Blatt. Wie widersprüchlich gerade bei Tieren die meisten Menschen denken und handeln, ohne dass ihnen das bewusst ist, kann man z. B. daran erkennen, wenn die Boulevard Presse mal wieder auf der Titelseite über einen geschlagenen oder überfahrenen Hund be-richtet. Worin besteht denn der Unterschied zwischen einem Hund und einem Schwein oder Rind? Damit das Schweinefleisch so billig wie möglich verkauft werden kann hat derjenige, der das Schwein betäuben soll, genau 5 Sekunden Zeit. Untersuchungen haben ergeben, weil diese Zeit zu kurz ist, dass ca. 12 Prozent der Schweine nicht betäubt werden, bevor sie geschlachtet werden.

Weltweit fließen 1 Billion Dollar, das sind 1000 Milliarden oder 1 000 000 000 000 in die Werbung. Genauso viel wird offiziell für die sogenannte „Verteidigung ausgegeben. Wenn man jede Sekunde eine Zahl weiter zählt, dann braucht man mehr als 20 Jahre bis man bei einer Milliarde ist und die müssen wir dann noch mal 1000 nehmen, bis die Summe gezählt ist. Werbung wird hauptsächlich in die Vermarktung von Produkten investiert, die nicht ökologisch und nachhaltig sind. Jaron Lanier: „Wenn man wissen will, welche Werte eine Gesellschaft hat, muss man der Spur des Geldes folgen. Wenn z. B. Geld in die Werbung fließt, dann befasst sich die Gesellschaft mehr mit Manipulation als mit Wahrheit und Schön-heit.“

1986 wurde das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und 1999 wurde der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) gegründet. Die damaligen Katastrophen waren die Verkleinerung der Ozonschicht, das Waldsterben, 1976 in Italien der Dioxinunfall, 1979 der fast GAU (größter anzunehmender Unfall) in Amerika, in Harrisburg und 1986 Tschernobyl.

1992 gab es eine UN Konferenz in Rio de Janeiro. Man einigte sich dort auf eine nachhaltige oder zukunftsfähige Entwicklung (sustainable development). Seit 1994 steht das „Prinzip der Nachhaltigkeit“ als Leitprinzip und Staatsziel im Artikel 20a im deutschen Grundgesetz. Seit 1996 hat sich die EU auch dazu verpflichtet nachhaltige Ökonomie zu betreiben. Es ist bisher aber eher eine Maßnahme, um die Menschen, die das gerne hätten zu beruhigen. Es sind noch nicht einmal die dafür notwendigen institutionellen Voraussetzungen hierzu geschaffen worden.

Im Kyoto Protokoll wurde dann auch 1997 von mehr als 190 Staaten vereinbart klimaschädliche Subventionen abzubauen. 2009 hat der G 20 Gipfel diese Verein-barung noch einmal bekräftigt. Und wie sieht es tatsächlich in diesen Staaten aus? 37 Staaten mit: USA, China, Russland, Iran, Irak... subventionieren fossile Energien wie: Öl, Gas und Kohle mit kaum glaublichen 600 Milliarden Dollar jährlich. Noch heute betragen die Subventionen für fossile Energien das 6fache im Verhältnis zu den erneuerbaren Energien.