Hotel der Magier (Hotel der Magier 1) - Nicki Thornton - E-Book
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Hotel der Magier (Hotel der Magier 1) E-Book

Nicki Thornton

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Beschreibung

Magisch und ein bisschen mörderisch! Das perfekte Fantasy-Krimi-Abenteuer für Kinder ab 10 Jahren. Gemüse schnippeln, Törtchen aus dem Ofen holen, Gelee umrühren. Küchenjunge Seth hat alle Hände voll zu tun. Denn im abgelegenen Hotel Zur letzten Chance werden besondere Gäste erwartet. Mit ganz speziellen Wünschen und kleinen Geheimnissen. Seth muss sich richtig ins Zeug legen, damit das Willkommensdinner kein Reinfall wird. Doch dann geschieht etwas Schreckliches: Der nette Dr. Thallomius stirbt. Vergiftet durch die Nachspeise – und die hat Seth zubereitet. Auch wenn ihn alle für schuldig halten, Seth hat mit diesem fiesen Mord nichts zu tun. Also muss er selbst ermitteln und mehr über dieses seltsame Treffen der Magier herausfinden.

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Gemüse schnippeln, Törtchen aus dem Ofen holen, Gelee umrühren. Küchenjunge Seth hat alle Hände voll zu tun. Denn im abgelegenen Hotel Zur letzten Chance werden besondere Gäste erwartet. Mit ganz speziellen Wünschen und kleinen Geheimnissen. Seth muss sich richtig ins Zeug legen, damit das Willkommensdinner kein Reinfall wird. Doch dann geschieht etwas Schreckliches: Der nette Dr. Thallomius stirbt. Vergiftet durch die Nachspeise – und die hat Seth zubereitet. Auch wenn ihn alle für schuldig halten, Seth hat mit diesem fiesen Mord nichts zu tun. Also muss er selbst ermitteln und mehr über dieses seltsame Treffen der Magier herausfinden.

Hercule Poirot begegnet Harry Potter – ein magischer Krimi! Ich war von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Ein buntes Personal, zahlreiche Plot-Überraschungen und eine großartige Welt. MISS CLEVELAND IS READING

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Für meine Familie, Mark, Alex und Tim

Normalerweise war das sanfte Blubbern eines einsamen Eis im Topf das lauteste Geräusch in der Küche des Hotels Zur letzten Chance.

Heute jedoch tobte hier das Leben oder vielmehr der glatzköpfige Chefkoch Henri Schimmel. Krumm vor Altersschwäche humpelte er durch die Küche und bellte Befehle.

»Seth, die Törtchen! Aus dem Ofen damit! Sofort!!«, brüllte er. Blitzschnell machte der Küchenjunge auf dem Absatz kehrt und raste auf seinen spindeldürren Beinen quer durch die Küche. Es duftete nach Braten und Knoblauchbutter; Mehlstaub, Kräuter und Gewürze erfüllten den Raum; Kochdampf stieg auf, Gelee stockte, und aus allen Töpfen brodelte es.

Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Seth, zaubern zu können. Denn nur mithilfe eines Zauberspruchs, der ihn dreiteilte, hätte er alles schaffen können, was ihm seine drei scheußlichen Chefs aufgetragen hatten – der verschrobene Henri und die beiden Besitzer des Hotels, die bissig-boshafte Norrie Bunn und ihr schleimiger, geiziger Ehemann Horatio. Es schien so, als hätte sich das Hotel seit Ewigkeiten auf diese besonderen Gäste vorbereitet, die Horatio so ungeduldig erwartete. Heute war es nun so weit, heute war der Tag ihrer Ankunft.

»Ich brauche mehr Pfeffer. Mach schon, Junge!«, kreischte Norrie Bunn am Herd. Sie schwang ihren triefenden Kochlöffel Richtung Seth, und Soße flog wie ein pfeffriger Schweif im hohen Bogen durch die Küche. Das lange, struppige Haar hatte sie sich zurückgebunden, und ihr spitzes Gesicht schwitzte über der Soße, während sie versuchte, ein Niesen zu unterdrücken.

Wenigstens konnte Tiffany, die grässliche Tochter der Bunns, heute nicht ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen – nämlich Seth zu quälen –, denn sie war weit weg in ihrer piekfeinen Kochschule.

Aufgeregt wie ein kleines Kind an Weihnachten kam Mr Bunn in die Küche gestürzt und kreischte: »Sie sind da! Sie sind da!!« Und schon stürmte er wieder raus ins Foyer. Er trug nicht seinen typischen grauen Anzug, sondern eine kirschrote Weste und eine gestreifte Hose.

Norrie Bunn zog schnell die Schürze aus, fuhr sich über das Haar und eilte ebenfalls hinaus ins Foyer, um die Gäste zu empfangen.

Seth war als Erster am Loch in der Küchenwand, durch das man die ankommenden Gäste sehen konnte. Zunächst hörte er aber nur das Klimpern von Schlüsseln und wie Mr und Mrs Bunn sich beim Begrüßen der Gäste von ihrer besten Seite zeigten. Henri sprang ungewöhnlich lebhaft durch die Küche, puffte Seth mit seinem spitzen Ellbogen zur Seite und spähte durch das Loch. »Das soll unser VIP-Gast, Dr. Thallomius, sein? Für den musssten wir uns so abrackern? Den hab ich mir aber beeindruckender vorgestellt. Und außerdem«, stöhnte Henri und streichelte sich über seine Wampe, »bekomme ich Blähungen von dieser ganzen Schufterei.«

Auch Seth war überrascht, dass ihr VIP-Gast aussah wie ein kleiner Weihnachtsmann. Dr. Thallomius hatte weiße Haare, einen Kugelbauch und ein verschmitztes Augenzwinkern, und er reichte Seth höchstens bis zur Schulter.

»Und der Typ neben ihm – was für ein eitler Pfau.« Henri spionierte immer noch. »Das ist wohl der Personenschutz, auf den er bestanden hat. ›Schutz‹ – dass ich nicht lache! Ein Huhn könnte das besser als der da! Was für ein lächerlicher Schnurrbart!«

»Das ist bestimmt Mr Gregor Fischadler.« Seth erhaschte einen Blick auf den jungen Mann im leuchtgrünen, engen Anzug mit ordentlich frisiertem Haar und sehr großem, üppigem Schnurrbart samt vereinzelten Sommersprossen auf der Nase. »Er wollte unbedingt ein Zimmer, in dem ein Bild hängt von Leuten, die Sport treiben.«

Alle Gäste hatten besondere Wünsche, aber dass jemand pingelig war, was die künstlerische Ausstattung anging, war neu. Was für faszinierende Gäste! Seth hatte noch nie so viele auf einmal erlebt. Wahrscheinlich, weil das Hotel so abgelegen war und die Welt um sie herum nur aus Bäumen bestand. Seth konnte sich noch vage an die Zeit erinnern, als das Hotel Zur letzten Chance immer ausgebucht und sein Vater Chefkoch gewesen war. Damals reisten die Leute von nah und fern an, um in den Genuss seiner Kochkünste zu kommen.

Wenn Mr Bunn ihn doch nur rufen würde, um mit dem Gepäck zu helfen. Dann könnte er sich die Gäste endlich näher anschauen.

»Jetzt verstehe ich, warum Miss Squerr die Assistentin von Thallomius ist«, knurrte Henri und drehte sich kurz um, sodass Seth noch mal durch das Loch spähen konnte.

Als würde sie vor einem riesigen Publikum auftreten, betrat Angelique Squerr hocherhobenen Hauptes das Foyer. Bis auf eine rote Strähne war ihr Haar lang, schwarz und glatt. Es glänzte wie gewienert. Vielleicht war sie ein Filmstar? Ihr Auftritt unter dem funkelnden Kronleuchter ließ die gut polierten Holzmöbel und die Bilder in ihren alten Rahmen verblasst und abgenutzt erscheinen.

»An die Arbeit, Seth«, schnauzte Henri und griff nach einem Messer, um Gemüse zu schneiden. »Sonst stapelt sich der Abwasch gleich bis zur Decke.«

Doch bevor Seth loslegen konnte, schrie Henri auf, und sein Messer fiel mit großem Geklapper auf die Küchenfliesen.

Ein Insekt flog an Seths Nase vorbei und knallte gegen das Küchenfenster, während sich Henri ängstlich duckte.

»Das ist doch nur ein Käfer, Henri«, sagte Seth beruhigend und versuchte dem kleinen Geschöpf aus dem gekippten Fenster zu helfen. Es sah aus, als wäre es aus Feuer mit einem glühend phosphoreszierenden Schwanz.

»Das ist aber nicht irgendein Käfer«, sagte Henri mit großen Augen. »Das ist ein Luciole. Weißt du nicht, was das bedeutet?«

»Das bedeutet, es ist ein Leuchtkäfer. Muss sich auf dem Weg zur Glühwürmchen-Lichtung verirrt haben. Wunderschön, guck mal. Er sieht magisch aus, findest du nicht?«

»Aber er ist hier drinnen!«, zischte Henri und wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. »Wenn in meinem Land ein Leuchtkäfer durchs Fenster hereinfliegt, bedeutet das ... es bedeutet den Tod.« Henri packte seinen Arm. »Seth, jemand wird sterben!«

Seth befreite sich aus Henris hartem Griff. »Das ist nichts als ein Märchen, Henri. Mach dir keine Sorgen, niemand wird sterben.«

Er half dem Leuchtkäfer in die Freiheit, trotzdem schnappte sich Henri sein Schnitzmesser und hastete panisch davon. Damit blieb es an Seth hängen, das Gemüse für das große Abendessen vorzubereiten.

Wenn Henri gestresst war, schnitzte er. Giraffen aus Pastinaken oder niedliche Fuchswelpen aus Holz waren Seth wohlbekannt. Aber warum musste das ausgerechnet immer dann passieren, wenn Henri sich eigentlich um Gemüse oder Hühnchen oder Rindernieren-Pastete kümmern sollte?

Seth huschte an dem riesigen Kochtopf vorbei, in dem die Brühe für die Spezialität des Hauses vor sich hin köchelte: Fischkoppsuppe. Die fleischigen Fischköpfe hatte er schon vorbereitet, sie lagen neben dem Topf und starrten ihn mit ihren großen Augen an, als wollten sie sagen: Und du denkst, du hast Probleme.

Plötzlich blieb Seth stehen. Seine Nase nahm das Aroma von Brühe und Gewürzen auf und wollte ihm etwas Wichtiges sagen: Mit der Brühe stimmte etwas nicht. Und seine Nase irrte sich nie.

Seth ließ einen Fischkopf für Nachtschatten, die Hotelkatze, mitgehen. Er steckte ihn vorsichtig in eine der vielen Taschen seines leuchtblauen Kittels, über den er eine Schürze gebunden hatte. Er war zwar etwas grell, aber dieser Kittel war das Einzige, was ihm von seinem Vater geblieben war. Der Kittel und ein seltsamer Spiegel, der manchmal sogar Dinge zeigte, die ganz woanders stattfanden.

Seth nahm einen winzigen Löffel, tauchte ihn in die Brühe und kostete. Die Suppe war wundervoll und wärmend, und sie weckte die Erinnerungen an seinen Vater, die immer mehr zu verblassen drohten.

Auch beim Duft von Zimt und anderen Gewürzen dachte Seth an ihn und an alles, was er von ihm gelernt hatte: wie sie Seite an Seite Brot gebacken und Suppe gekocht hatten. Die Liebe seines Vaters war inzwischen nur noch ein Leuchten in ihm, und trotzdem war das mehr, als ihm von seiner Mutter geblieben war. Jedes Mal, wenn er an sie dachte, zog sich alles in ihm vor Traurigkeit zusammen. Sie war bei seiner Geburt gestorben, er hatte keine Erinnerungen an sie.

Seth griff hoch in das Regal voller Fläschchen und Tiegel in jeglicher Form, Größe und Farbe, nahm das Gläschen mit der getrockneten Schafgarbe und streute eine Prise davon in die Brühe. Mr Bunn erinnerte ihn unablässig daran, dass sein Vater in Ungnade gefallen war. Aber den Grund verschwieg er.

Das Rezept für die Fischkoppsuppe stammte jedenfalls von seinem Vater. Und für diese wichtigen Gäste wollte Seth sich ins Zeug legen. Die Suppe musste ganz genau so schmecken, wie sie schmecken sollte. Chefkoch Henri Schimmel sparte immer an den Zutaten, deshalb gelang ihm die Spezialität des Hauses nie wirklich. Mit einem verstohlenen Blick über die Schulter griff Seth nach dem Safran-Glas. Er hatte dabei Mr Bunns ewige Mahnung im Ohr: »Sei äußerst sparsam damit. Ein Gramm Safran kostet mehr als ein Gramm Gold.«

Seth nahm vier feine Fäden zwischen die Finger, schaute noch mal ängstlich über die Schulter und streute sie in die Brühe. Er lächelte, als die Suppe eine satte, goldene Farbe annahm.

»Sieh einer an, der Seppi. Dafür wirst du so was von bezahlen.«

Seth zuckte zusammen und ließ fast das Glas fallen. Die verhasste Stimme war unverkennbar; und niemals hätte er gedacht, sie ausgerechnet heute zu hören.

Tiffany Bunn, die abscheuliche Tochter der Hotelbesitzer, lehnte selbstgefällig im Türrahmen.

Seth Seppi, der Topfschrubber. Unfähigster Küchenjunge der Welt. Noch immer hier, wie ich sehe?« Tiffanys Stimme triefte vor Verachtung.

»Tiffany!«, stotterte Seth. Er versuchte sich locker zu geben und ganz unauffällig das Safran-Glas hinter seinem Rücken zu verstecken. »Du bist aber früh zurück. Alles in Ordnung in der Schule?«

Tiffany Bunn lümmelte sich jetzt an einen Küchenschrank und neigte kokett den Kopf: »Oh, du hast mich vermisst. Dad hat mich zurück an diesen elenden Ort am Ende der Welt zitiert. Wenn er gestresst ist, nervt er total. Er glaubt, ich werde hier helfen. Aber mir war nicht bewusst, dass auch du dich nach mir verzehrst, Süßer.« Sie warf ihr herrliches langes blondes Haar zurück, das Haar eines Engels.

»Ich muss jetzt wirklich –«

»Oh, keine Zeit für ein Pläuschchen? Und ich habe mich nach all dem Rühr dies und Brat das so nach dir gesehnt.« Sie rückte so nah an Seth heran, dass ihre hohe Stirn fast seine Schulter berührte. »In der Kochschule habe ich etwas sehr Wichtiges gelernt: Es gibt auf der ganzen Welt nichts Langweiligeres als Kochen.«

Seths sehnlichster Wunsch war es, mithilfe seiner Kochkünste eines Tages hier wegzukommen. Er wollte so gut kochen können, dass die Menschen jeden Weg auf sich nahmen. Genau wie sein Vater. Immer, wenn Henri schnitzte, nutzte Seth die Gelegenheit und experimentierte mit neuen Rezepten. Trotzdem gab es Momente, in denen er sich nicht mal im Traum vorstellen konnte, woanders zu leben.

»Weißt du, warum es doch erträglich ist, in diesen Saftladen zurückzukehren? Warum ich mich sogar darauf gefreut habe?«, flüsterte Tiffany.

Seth packte das Safran-Glas noch fester, als sie ihm so dicht auf die Pelle rückte, dass er nicht nur ihren Atem an seinem Hals spüren konnte, sondern auch die lange Reise auf ihrer Haut riechen. Eine Mischung aus dreckigem Zug mit einem Hauch süßem Kakao und einer Prise Schinkenbrot.

»Dich zu sehen, mein kleiner Topfschrubber. Noch immer bis zu den Ellbogen in Kartoffelschalen und Abwasch? Manche Dinge ändern sich nie.« Mit ihren blauen Augen warf sie ihm einen hypnotischen Blick zu. Ihre Haut war so rein, ihr Lächeln so bezaubernd, dass man leicht verdrängte, wie gefährlich Tiffany eigentlich sein konnte. Sie verbarg eine Intelligenz, die absolut tödlich war. »Ich komme so gerne hierher zurück, weil es mir einen Riesenspaß macht, dich in Schwierigkeiten zu bringen.« Sie schoss nach vorne, zog seinen Arm hinter seinem Rücken hervor und entwand ihm grob das Safran-Glas.

»Und du machst es mir nicht mal schwer«, schnurrte sie. »Aus der Küche geklaut?« Sie legte eine Hand auf ihre glatte Wange und ein niederträchtiges Lächeln verzerrte ihr hübsches Gesicht. »Na, wie sollen wir jetzt bloß damit umgehen?«

»Tiffany. Ich kann –«

»Schade, dass ich das nicht von deinem Gehalt abziehen kann. Denn du bekommst ja keins. Wir müssen für dein Essen bezahlen, weil dein elender, nichtsnutziger Vater sich aus dem Staub gemacht hat und dazu noch wertvolles Eigentum meines Vaters hat mitgehen lassen.«

Seth hasste es, dass ihre Worte ihm so unter die Haut gingen. Aber er war hier gefangen. Er konnte nirgendwohin, hatte keine Freunde, keine Verwandten. Manchmal hatte er das Gefühl, er müsste für immer hierbleiben.

»Mein armer Daddy hat ja die wahnwitzige Vorstellung, ich würde mich an dieser öden Schule für Kochbücher und stickige Öfen interessieren. Ob es meinen Eltern egal ist, dass sie mein Leben zerstören?« Sie zog ein gefaltetes Stück Papier aus der Tasche, schob es Seth in die Hand und tippte ihm mit dem Mittelfinger an die Stirn. »Na, wenigstens du wirst meinen Vater nicht enttäuschen wollen.«

»Was ist das?«, fragte Seth.

»Es nennt sich Himbeer-Pavlova«, sagte Tiffany und schaute prüfend auf ihre sorgfältig lackierten Fingernägel.

Mr Bunn liebte es, seine Tochter mit komplizierten Rezepten herauszufordern. Dann gab er damit an, wie fantastisch sie kochen konnte und wie viel sie auf ihrer piekfeinen Schule lernte. Aber jedes Mal wälzte sie die ganze Arbeit auf Seth ab.

Er klemmte sich das Stück Papier hinters Ohr. »Klar, schau ich mir nachher an.« In weniger als drei Stunden war das große Abendessen. Er schob ein paar Törtchen zum Abkühlen auf ein Gestell. »Wann brauchst du’s? Wir haben hier gerade ganz schön was zu tun, weißt du?«

Tiffany hob die Hände und trat einen Schritt zurück. »Oooh, Entschuldigung.« Dann beugte sie sich vor und riss das Stück Papier hinter seinem Ohr hervor. »Klar, schau ich mir nachher an«, äffte sie ihn nach. »Wie wäre es mit jetzt?«

»Wann brauchst du es denn?«

Tiffanys Antwort wurde fast vom Brutzeln und Zischen der Kartoffeln, die Seth in den Ofen legte, übertönt.

»Für das Abendessen nachher natürlich. Es könnte eine Nachspeise sein.«

Seth hielt inne und starrte sie an.

»Oh, ich kann das auf keinen Fall«, sagte sie. »Aber hoffen wir mal, dass du es kannst. Sonst muss ich meinem Vater von dem Safran erzählen. Und dem Fischkopf. Denk nicht, ich habe das nicht gesehen. Fischköpfe naschen, Seppi, tsss.« Sie schüttelte den Kopf. »Macht man nicht. Oder ist der für die räudige Katze, die du so gernhast?«

Seth holte tief Luft. Wie immer schaffte es Tiffany innerhalb von Sekunden, ihn so wütend zu machen, dass er ihr am liebsten mit der Faust in ihre perfekten Zähne geschlagen hätte. Er schluckte die Wut runter und lächelte.

»Ich habe den Safran in die Suppe getan, damit sie so schmeckt, wie sie schmecken soll. Das hat nichts mit Stehlen zu tun. Schließlich will dein Vater die Gäste heute Abend beeindrucken.«

Tiffany griff sich ein paar Törtchen. »Und wenn du nicht aufpasst, wird man dich auch noch für die fehlenden Törtchen verantwortlich machen. Außer natürlich, du hilfst mir mit der – wie heißt es noch mal?«

»Pavlova?«

»Genau. Und wenn es dir gelingt, die beste Pavlova der Welt zu machen, dann kann ich vielleicht vergessen, was ich gesehen habe.«

Seth zögerte, Tiffany lächelte böse, und beide wussten, er hatte keine Wahl. »Vielleicht schaffe ich es – wenn du die Kerzenleuchter polierst und den Tisch deckst.«

Tiffany antwortete mit einem bellenden Gelächter – Seth hasste nichts so sehr wie dieses Geräusch.

»Wir wissen beide, Topfschrubber, dass es dazu nicht kommen wird.« Sie schmiss ein Stück Törtchen in die Luft und fing es mit dem Mund auf. »Du hast ja einiges zu tun, deswegen gebe ich dir einen guten Rat: nicht rumstehen und labern, sondern loslegen.«

Mr Bunn rief nach Seth: »Die Gäste sind da, Seth. Das Gepäck! Schnell! Beweg dich!«

Seth eilte hinaus ins Foyer. Das Funkeln der Kristallleuchter auf der dunklen Holzvertäfelung wirkte festlich und einladend. Seth konnte es sich gerade noch verkneifen, über den Fußboden zu schlittern, den er bis heute Morgen um fünf Uhr gebohnert hatte. Fast wäre er mit einem ungewöhnlich aussehenden Jungen in seinem Alter zusammengestoßen.

Der Junge trug einen engen Samtanzug; sein breites Grinsen und die riesigen spitzen Ohren schienen ausgleichen zu wollen, dass er ansonsten ziemlich klein geraten war.

»Immer mit der Ruhe«, sagte er, warf die Arme hoch und drehte sich auf überraschend kurzen Beinen um die eigene Achse, als wäre Seth tatsächlich in ihn reingedonnert. Dann lächelte er schelmisch und zwinkerte Seth zu: »Nichts passiert.«

»Pass doch auf, Seth!«, schimpfte Mr Bunn und schnipste mit dem Finger. »Master Darinder Dunster-Dunstable braucht Hilfe mit seinem Gepäck, nicht, um zum Mond zu fliegen. Und frag Graf Ruino, ob er auch etwas braucht.«

Seth beugte sich vor, um die beiden riesigen Taschen aufzuheben. Dabei beäugte er die dunkle Gestalt, die neben Darinder aufragte. Der Graf war von Kopf bis Fuß in einen schwarzen Kapuzenmantel gehüllt, der nach einer langen Reise von einem kalten Ort her roch.

Jetzt warf er seine Kapuze zurück und entblößte einen dunklen Glatzkopf mit einer Haut, so runzlig wie eine Rosine. Eine ungeheuerliche Narbe verlief von seiner Knollennase bis zum Mundwinkel, als würde er unaufhörlich höhnisch grinsen. Genauso guckte Tiffany auch immer, nur ohne Narbe. Seth erschrak und trat einen kleinen Schritt zurück.

»Falls du mich brauchst, junger Mann – ich bin in Zimmer sieben«, sagte der Graf fröhlich zu Darinder und machte sich auf den Weg zur Treppe. Er lächelte und man sah seine schwarzen Zähne und einige Zahnlücken. Als er die Treppe hochging, musste er sich ducken, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. »Ich kann es ja kaum glauben, dass er hier ist, der alte Torpor Thallomius höchstpersönlich. Da werden wir uns ja jede Menge zu erzählen haben. Zimmer eins, sagten Sie?«

»Dr. Thallomius höchstpersönlich ist hier?«, wiederholte der Junge mit weit aufgerissenen Augen. »Wirklich?«

Knarrend schwang die schwere hölzerne Eingangstür nach innen und kündigte den nächsten Gast an.

In eine Wolke aus tropischem Parfüm gehüllt, schritt eine stattliche Frau ins Foyer. Ihr wallendes Kleid, das einem Zelt sehr ähnlich war, vereinte alle Farben des Regenbogens. Sie nahm ziemlich viel Platz ein – mit ihrer blonden, hochgetürmten Frisur, die ebenfalls von bunten Strähnchen durchzogen war, streifte sie sogar fast die niedrige Decke des Hotels.

»Professorin Papperspuk, ich heiße Sie willkommen.« Mr Bunn verbeugte sich so tief, dass seine Nase fast den Teppich berührte. Seth konnte sehen, wie sehr seine Hose hinten spannte. »Wir fühlen uns geehrt, einen so renommierten Gast empfangen zu dürfen.«

Hinter den voluminösen Röcken der Professorin tauchte ein kleines Mädchen auf. Sie war etwa neun Jahre alt und in ihrem geraden schwarzen Rock und der steifen weißen Bluse sah sie aus, als würde sie direkt aus der Schule kommen.

Professorin Papperspuk scheuchte sie hervor und schob sie vor sich: »Gloria Trottelbohne, Tochter meiner ältesten Freunde. Ich bin schon immer stolz auf meine Verbindung zu den großartigen und glorreichen Trottelbohnes gewesen«, sagte sie mit einem hochmütigen, kühlen Lächeln.

Gloria sah aus wie die schwarz-weiße Version ihrer bunten Begleiterin. Pechschwarze Haare umrahmten ein Gesicht wie vergorene Milch. Sie nickte noch nicht einmal zur Begrüßung, sondern blickte nur zornig auf die verblichenen roten Kreise auf dem abgenutzten Teppich. Nur einmal schaute sie kurz hoch und blinzelte mit ihren seltsamen farblosen Augen. Darinder Dunster-Dunstable hüpfte den Neuankömmlingen auf seinen kleinen kurzen Beinen entgegen. Er war nur einen Kopf größer als Gloria. Mit überraschend großen Fingern griff er erst nach Glorias und dann nach Professorin Papperspuks Hand. Sie erinnerten Seth an Hähnchenkeulen.

»Dunster-Dunstable – wo habe ich diesen Namen schon mal gehört?«, fragte die Professorin und tippte sich nachdenklich ans Kinn.

»Vielleicht sagt Ihnen Der Große Gandolfini etwas? Mein Künstlername.« Sein Versuch, bescheiden zu klingen, scheiterte kläglich.

»Der begabte junge Zauberkünstler? Das bist du? Ja? Unglaublich! Ich will mit Gloria schon lange mal in deine Vorstellung gehen.«

Darinder verbeugte sich. »Lassen Sie mich wissen, wenn es so weit ist. Dann wird es mir ein Vergnügen sein, Ihnen die besten Plätze im Haus zu besorgen.«

Mr Bunn räusperte sich. »Liebe Frau Professorin, bestimmt tut Ihnen eine kleine Erfrischung nach der Reise gut.« Wieder schnippte er mit dem Finger Richtung Seth, der sich noch mit dem Gepäck von Darinder Dunster-Dunstable abmühte. »Und Hilfe mit Ihrem Gepäck.«

Dann verschwand Mr Bunn durch die Küchentür und überließ es Seth, die Gäste nach oben zu bringen. Am Tiger-Porträt vorbei gingen sie die gewundene, unebene Treppe hoch, bis sie den ersten Treppenabsatz und das Bildnis der Dame mit dem irren Hut voller Früchte erreicht hatten.

Während Seth mit den Zimmerschlüsseln herumhantierte, wandte sich Dunster-Dunstable an Professorin Papperspuk.

»Haben Sie schon gehört? Dr. Thallomius ist hier. Wir werden dem großen Mann höchstpersönlich unsere Kunst vorführen.«

Sein Gesicht verzog sich vor Aufregung, aber Professorin Papperspuk wurde blass, und ihre grelle Kleidung schien in Wallung zu geraten.

»Dr. Thallomius ist hier?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann werde ich ihm mal die Meinung geigen. Den ältesten und edelsten Familien so eine lächerliche Prozedur zuzumuten! Eine Schande ist das!«

Während Seth Darinders Gepäck in dessen Zimmer abstellte, dachte er über ihre Worte nach. Was meinte Professorin Papperspuk mit »Prozedur«? Bestimmt hatte es irgendetwas damit zu tun, dass sie Dr. Thallomius ihre »Kunst« vorführen sollten, was immer damit gemeint war.

Aber Papperspuks Entsetzen ließ Dunster-Dunstables Grinsen nur noch breiter werden. Er rieb sich die Hände: »Dieser Abend wird ja noch lustiger, als ich zu hoffen gewagt habe.«

Als die Neuankömmlinge alle versorgt waren, ging es für Seth unten in der Küche gleich weiter. Er schlug die Sahne für die Himbeer-Pavlova und konnte kaum glauben, dass so wichtige Gäste bald etwas essen würden, das ganz alleine er gemacht hatte – selbst wenn Tiffany das Lob dafür einheimsen würde.

Als er die letzte dicke Himbeere auf der Baiser-Creme platzierte, wusste er, dass die Nachspeise absolut überwältigend geworden war.

»Du totaler Idiot«, hörte er eine Stimme hinter sich. Immer wieder schaffte sie es, sich an ihn heranzuschleichen. Er hasste das.

»Du hast Himbeeren genommen, du Schwachkopf.«

»Eine ziemlich wichtige Zutat in einer Himbeer-Pavlova.«

»Nicht, wenn der VIP-Typ, dieser Thallomius, allergisch dagegen ist. Du dämliche Dumpfbacke. Du bist tatsächlich noch nichtsnutziger als dein nichtsnutziger Vater. Ich habe gesagt, Erdbeer-Pavlova. Willst du mich vor der ganzen Welt blamieren?«

Hatte Tiffany ihn absichtlich an der Nase herumgeführt? Schließlich fand sie nichts lustiger, als ihn zappeln zu lassen. Aber es hatte keinen Sinn, mit ihr zu streiten. Viel wichtiger war es, dass ihr Gast eine Nachspeise bekam, gegen die er nicht allergisch war.

Seth ärgerte sich über sich selbst. Es war ihm immer eingetrichtert worden, dass man die Vorlieben seiner Gäste zu kennen hatte. Er hätte wissen müssen, dass Dr. Thallomius allergisch gegen Himbeeren war. Und dass Tiffany es auf ihn abgesehen hatte. Er kochte vor Wut.

»Wäre nicht so gut, Seppi, wenn einer unserer Gäste sterben würde. Besonders, wenn es meine Schuld wäre«, schrie Tiffany ihm ins Ohr. Sie machte einen plötzlichen Satz, und Seth hatte Angst, dass sie sein wunderbares Werk nehmen und auf den Boden schmeißen würde. Oder noch schlimmer, ihm mitten ins Gesicht. Er riss die Pavlova an sich, dass die Schlagsahne nur so wabbelte, und hielt sie schützend in seinen Armen.

»Na, wenigstens habe ich nicht Jahre auf einer Kochschule verbracht, ohne zu wissen, was eine Pavlova ist«, entfuhr es ihm.

Tiffany starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen wütend und bösartig an. Seth holte tief Luft. Noch nie hatte er ihr widersprochen.

Angespannt wartete er auf den nächsten Peitschenhieb, doch dann veränderte sich die Stimmung.

»Ich mache etwas anderes für Dr. Thallomius«, stammelte er schnell, bevor sie das Wort ergreifen konnte. »Etwas nur für ihn. Etwas ganz Besonderes«, versprach er, stellte die Pavlova vorsichtig in den Kühlschrank und machte schnell die Tür wieder zu, bevor Tiffany sie zwischen ihre zarten, fiesen, schneeweißen Finger bekommen konnte.

»Du wirst etwas Außergewöhnliches machen«, sagte sie.

Das Klingeln einer Glocke ließ beide aufschauen. Über der Küchentür hing eine ganze Reihe altmodischer Glocken, die jeweils mit einem Gästezimmer verbunden waren. Klingelte es, dann verlangte jemand den Zimmerservice.

Zimmer sechs. Gregor Fischadler hatte ein Anliegen.

Seth nickte, die Augen auf die schwingende Glocke geheftet, und hätte am liebsten die Flucht ergriffen.

Tiffany ließ die Glocke noch einmal klingeln, während sie am Kühlschrank lehnte und langsam und unverhohlen gähnte.

Dann riss sie plötzlich ihre blauen Augen weit auf.

»Hey. Das könnte deine große Chance sein, Seppi. Vielleicht wirst du entdeckt. Vielleicht bieten sie dir an, dich hier rauszuholen. Und dann kommst du zu Ruhm und Ehre.«

»Nein, Tiffany.« Seth blieb an der Türschwelle stehen. »Denn du wirst dafür sorgen, dass die Nachspeise auf dein Konto geht.«

Sie neigte den Kopf zur Seite und schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln. »Oder ich erzähle ihnen dieses Mal, dass es eigentlich du warst. Deine Arbeit«, sagte sie mit schmachtender Stimme. »Was meinst du?«

Seth schaute in Tiffanys wunderschöne Augen und unwillkürlich verspürte er einen Hoffnungsschimmer.

Für eine Sekunde glaubte er ihr. Eine Sekunde lang dachte er, sie würde ihm eine Chance geben. Doch dann verzerrte sich ihr Gesicht, und sie bellte ihr verhasstes Lachen.

»Herrlich! Du hast es echt geglaubt. Träum weiter, Seppi. Ich weiß, dass deine Kochkünste nicht ganz schlecht sind.« Sie tippte auf einen Soßenfleck an seiner Schürze. »Aber vergiss nicht, du bist nur ein Tellerwäscher. Und das wirst du bleiben. Du wirst diesen Ort nie verlassen. Wenn ich nach Hause komme, wirst du immer hier sein, an deinem rechtmäßigen Platz, bis zu den Ellbogen in Kartoffelschalen. Du weißt, dass es so sein wird. Du wirst nie wie dein Vater.«

In Seth zog sich alles zusammen. Er wich langsam zurück und stürmte aus der Küche, die Treppe hinauf, Tiffanys bellendes Gelächter im Ohr.

Nur ein außergewöhnliches Rezept würde Tiffany davon abhalten, ihn weiter zu quälen. Und sie würde die Lorbeeren dafür einheimsen. So würde es immer sein. Kein Wunder, dass er nicht von hier wegkam.

Als Seth den Gästetrakt erreichte, streckte Graf Ruino gerade seine Nase aus Dr. Thallomius’ Zimmer.

Er sah Seth, und sein Gesicht verzog sich, dass es aussah wie zerknülltes Papier.

»Äh. Also, wir haben uns gefragt ... Gäbe es die Möglichkeit, eine Tasse Tee zu bekommen? Und einen Krug mit heißem Wasser für mich und meinen guten Freund Dr. Thallomius hier – wenn du Zeit hast? Es hat überhaupt keine Eile.«

»Ja, natürlich«, sagte Seth.

Endlich hatte er – dem Ruf der Glocke folgend – Gregor Fischadlers Zimmer erreicht. Er klopfte zweimal, und als niemand antwortete, trat er vorsichtig ein. Hoffentlich war es nicht zu spät. Sofort zog etwas seine Aufmerksamkeit auf sich.

Auf dem Schreibtisch gegenüber der Tür lag ein Spiegel aus demselben dunklen Glas und in demselben dunklen Holzrahmen wie der, den er von seinem Vater hatte. Seth ging zum Schreibtisch und nahm den Spiegel in die Hand. Er dachte, es wäre seiner.

Sobald er ihn in der Hand hielt, passierten zwei Dinge gleichzeitig: Er merkte zwar sofort, dass der Spiegel sich ganz anders anfühlte als sein eigener. Trotzdem hatte er dasselbe eigenartige Gefühl, als er das Abbild seines blassen Gesichts und seiner kummervollen Augen sah. Es war, als würde ihn etwas in das Glas hineinziehen.

Hinter ihm bellte eine Stimme: »Was zum Teufel machst du da?«

Ungeschickt wandte Seth sich um und erwischte dabei mit seinem Ellbogen ein meliertes Kästchen aus rissigem Holz. »Bart-Pflege-Set«, stand darauf. Er konnte gerade noch verhindern, dass die ordentlich aufgereihten Kämme und Bürsten allesamt herunterfielen.

Außerdem ließ er den Spiegel fallen.

Gregor Fischadler stürzte blitzschnell nach vorne, um den Spiegel aufzufangen, Seth machte dasselbe, und fast wären ihre Köpfe aneinandergeschlagen.

Seth spürte, wie er knallrot wurde, und stotterte irgendwas von Zimmerservice.

»Ach wirklich? Na, reichlich spät!«, war Fischadlers bissige Antwort. Er sah Seth an, als hätte er ihn beim Klauen erwischt. »Ich habe mich schon selbst darum gekümmert. Und jetzt raus hier.«

»Ja, Sir. Natürlich, Sir.«

Seth entschuldigte sich noch einmal und flüchtete zurück in die Küche. Zimmer eins hatte nach Tee verlangt, er hatte es nicht vergessen. Der Abwasch türmte sich inzwischen noch höher, außerdem musste er sich schnell eine Nachspeise für Dr. Thallomius ausdenken.

Ein paar Minuten später stand er etwas außer Atem wieder vor Zimmer eins. »Tee und heißes Wasser. Und Kekse – Zitronen- und Zimtkekse. Ich hoffe, Sie mögen es krümelig.«

Seth durchquerte den Raum zu dem Tisch, wo der Mann mit dem entstellten Gesicht saß und etwas aus einem orangefarbenen Beutel herausbröckeln ließ. Es duftete nach Kräutern, außerdem roch Seth grünen Tee mit einer Prise Gras.

Dr. Thallomius kam mit winzigen Schritten auf ihn zu, schaute ihn gütig an und entschuldigte sich für die Umstände, da Seth ja offensichtlich sehr viel zu tun habe.

Als Seth das Teetablett abstellte, fiel sein Blick auf ein gelbes Blatt Papier:

Wir möchten Sie herzlich ins Hotel Zur letzten Chance einladen, um die Vorführungen folgender Kandidaten zu beurteilen, die sich für das Auswahlverfahren angemeldet haben.

Es folgte eine Liste von Namen.

Dr. Thallomius stand neben ihm: »Ich möchte dich meinem alten Freund Graf Ruino vorstellen, mein Junge. Wie ist dein Name?«

Noch nie hatte ein Gast sich für seinen Namen interessiert.

»Seth Seppi«, brachte er mühsam hervor.

Dr. Thallomius schüttelte ihm die Hand, als wäre er entzückt, ihn kennenzulernen. Der alte Mann musste etwas missverstanden haben. Aber Seth traute sich nicht zu sagen, dass er nur der Küchenjunge war.

Der Graf schenkte ihm ein breites Lächeln. »Wer hätte gedacht, dass mein alter Freund Thallomius hier sein würde?« Er lachte in sich hinein. »Ich bin froh, dass ich mich diesem infernalischen Verfahren unterziehe, solange du das Sagen hast, alter Junge. Sollte alles einfacher machen.«

»Von mir werden alle gleich behandelt«, sagte Thallomius mit einem Zwinkern und schüttelte den Kopf. »Auch du.«

Er klopfte Graf Ruino auf die Schulter und lehnte sich gegen die Wand. Seth hatte das seltsame Gefühl, dass die Wand seufzte, als der alte Mann sie berührte.