How Not to Diet - Michael Greger - E-Book
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How Not to Diet E-Book

Michael Greger

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Beschreibung

Eine Mode-Diät jagt die nächste. Doch unterm Strich bringt keine den gewünschten, dauerhaften Gewichtsverlust. Wer eine Zeitlang auf einzelne Nahrungsmittel verzichtet, nimmt vielleicht kurzfristig ab, produziert auf Dauer jedoch Mangel - und Hunger. Michael Greger geht es ganzheitlich an: Er schlüsselt das komplexe Thema Ernährung bis ins kleinste Detail auf. Und zieht seine Erkenntnisse aus schließlich aus evidenzbasierten Fakten.
Vom Aufbau eines gesunden Mikrobioms, über einen verbesserten Stoffwechsel mittels Chronobiologie, bis hin zum Einfluss von Gewürzen liefert Greger Tipps und wissenschaftlich belegte Techniken wie jeder mühelos sein Idealgewicht halten kann. Verabschieden Sie sich endgültig von Kalorienzählen und Verzicht. Michael Gregers Empfehlungen machen nicht nur schlank, sondern garantieren eine starke Gesundheit.

Mit 21 ultimativen Abnehmboostern zur Beschleunigung der Fettverbrennung

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Seitenzahl: 1064

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über den Autor

Titel

Hinweis

Impressun

Widmung

Vorwort

Einführung

I. DAS PROBLEM

Die Ursachen

Die Folgen

Die Lösungen

Bariatrische Chirurgie

Gewichtsreduzierende Medikamente

Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduktion

Politische Ansätze

II. ZUTATEN FÜR EINE OPTIMALE ERNÄHRUNG ZUM ABNEHMEN

Einführung

Entzündungshemmend

Clean

Viele ballaststoffreiche Lebensmittel

Viele wasserreiche Lebensmittel

Geringe glykämische Last

Wenig zusätzliche Fette

Wenig zusätzlicher Zucker

Wenig süchtig machende Lebensmittel

Geringe Kaloriendichte

Wenig Fleisch

Wenig raffiniertes Getreide

Wenig Salz

Niedriger Insulin-Index

Mikrobiomfreundlich

Viel Obst und Gemüse

Viele Hülsenfrüchte

Sättigungsgefühl

Erfolgsrezepte

III. Das optimale Abnehmprogramm

Einleitung

Pflanz dich glücklich

IV. Abnehm-Booster

Einleitung

Eigenverantwortung

AMP-aktivierte Proteinkinase

Appetitunterdrückung

Chronobiologie

Essgeschwindigkeit

Bewegung optimieren

Fettblocker

Fettverbrenner

Gewohnheiten etablieren

Der Wasserhaushalt

Entzündungslöscher

Intervallfasten

Einschränkung der Kalorienzufuhr

Fasten

Ketogene Diäten

Intervallfasten

Häufigkeit der Mahlzeiten

Ein Kick für den Stoffwechsel

Der sanfte Trendelenburg

Minus-Kalorien

Gesunder Schlaf

Stresshormone abschütteln

Kalorien abblocken

V. DR. GREGERS EINUNDZWANZIG KNIFFE

VI. FAZIT

Quellen

Dank

Register

Über das Buch

Gesund abnehmen und dauerhaft schlank bleiben dank neuester wissenschaftlich bewiesener Erkenntnisse

Übersetzt von Julia Augustin, Alice v. Canstein, Simone Schroth, u.v.a. Schluss mit dem Kampf gegen überflüssige Pfunde! Weg mit den Diäten, die keine dauerhafte Veränderungen bringen! Wer eine Zeitlang auf einzelne Nahrungsmittel verzichtet, nimmt kurzfristig ab, produziert auf Dauer jedoch Mangel – und Hunger. Michael Greger geht es ganzheitlich an: Er schlüsselt das Thema Ernährung bis ins kleinste Detail auf. Und zieht, wie in seinem Bestseller HOW NOT TO DIE, seine Erkenntnisse aus evidenzbasierten Fakten. Vom Aufbau eines gesunden Mikrobioms, über die Chronobiologie bis zum Einfluss von Tees liefert Greger Tipps und Tricks, wie jeder mühelos sein Idealgewicht halten kann – und macht endlich Schluss mit Kalorienzählen und Verzicht.

Über den Autor

Dr. Michael Greger, geb 1972, ist Arzt, Bestsellerautor und international anerkannter Referent für Ernährung, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit. Er hat auf der Konferenz über Weltfragen referiert, vor dem Kongress ausgesagt und wurde als Sachverständiger zur Verteidigung von Oprah Winfrey in den berüchtigten Prozess der "Fleischdiffamierung" eingeladen. Gregers erstes Buch How Not to Die wurde sofort nach Erscheinen zum New York Times-Bestseller. Auf seiner Webseite NutritionFacts.org finden sich täglich neue Filme und Beiträge zu Gesundheitsthemen. Alle Einnahmen aus seinen Buch- und DVD-Verkäufen sowie seinen Vorträgen spendet Greger für wohltätige Zwecke.

Dr. Michael Greger

HOW NOT TO DIET

Gesund abnehmen unddauerhaft schlank bleiben dank neuester wissenschaftlich bewiesener Erkenntnisse

Übersetzung aus dem Englischen von Julia Augustin | Alice v. Canstein | Barbara RöhlSimone Schroth | Karoline Hippe

Hinweis

In diesem Buch vertritt der Autor seine eigenen Meinungen und Ideen. Er behandelt sein Thema allgemein und will damit eine Hilfestellung leisten. Auf keinen Fall ersetzt das Buch den professionellen Rat Ihres Arztes oder anderer Gesundheitsexperten hinsichtlich Ihrer persönlichen Erkrankungen, Symptome oder gesundheitlichen Anliegen. Wenn Sie individuellen Rat zu Gesundheit, Ernährung, Sport oder auf einem anderen Gebiet benötigen, suchen Sie erfahrene Ärzte und/oder andere Gesundheitsexperten auf. Der Autor und der Herausgeber übernehmen ausdrücklich keine Haftung für Verletzungen, Schäden oder Verluste, die direkt oder indirekt durch das Befolgen jeglicher Anweisungen oder Hinweise in diesem Buch oder durch die Teilnahme an einem der in diesem Buch erwähnten Programme entstehen.

Titel der englischen Originalausgabe:

»How Not to Diet. The Groundbreaking Science of Healthy, Permanent Weight Loss«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2019 by NutritionFacts.org Inc.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Ilse Winkler, St. Gallen

Umschlaggestaltung: Manuela Städele-Monverde nach einem Layout von Jason Gabbert

Einbandmotiv: © artjazz/shutterstock

eBook-Produktion: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9417-7

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Vorwort

In der Versenkung verschwunden

Wenn es ein sicheres, einfaches, nebenwirkungsfreies Mittel gegen Fettleibigkeit gäbe, dann würden wir das inzwischen wohl kennen, oder?

Da bin ich mir nicht so sicher.

Bis neue Beweise aus der Forschung in der alltäglichen klinischen Praxis ankommen, vergehen durchschnittlich etwa siebzehn Jahre.1 Ein besonders hartes Beispiel dafür betrifft meine Familie: Herzkrankheiten. Schon vor Jahrzehnten veröffentlichten Dr. Dean Ornish und seine Kollegen in einer der weltweit renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften die Beweise dafür, dass sich eine unserer häufigsten Todesursachen allein durch eine Veränderung unserer Ernährung und Lebensgewohnheiten ausschalten lässt2 – doch diese revolutionäre Entdeckung wurde vollkommen ignoriert.3 Sogar heute noch sterben Hunderttausende US-Amerikaner an einer Krankheit, die sich, wie wir seit fast dreißig Jahren wissen, aufhalten und heilen lässt. Ich war selbst Zeuge einer solchen Heilung.

Meine geliebte Großmutter litt an einer Herzkrankheit im Endstadium und wurde von Nathan Pritikin, einem Zeitgenossen von Ornish, mit ähnlichen Methoden geheilt. Sie war fünfundsechzig Jahre alt, als die Ärzte sie aufgaben. Dank gesunder Ernährung lebte sie jedoch noch weitere einunddreißig Jahre bis zum stolzen Alter von sechsundneunzig und konnte diese Zeit mit mir und ihren anderen fünf Enkeln genießen.

Wenn die Todesursache Nummer eins bei Männern und Frauen derartig ignoriert werden und buchstäblich in der Versenkung verschwinden konnte, was liegt dann noch tief in der medizinischen Fachliteratur begraben? Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, das herauszufinden. Vor allem deswegen studierte ich Medizin und rief NutritionFacts.org ins Leben.

Kann man von Fettleibigkeit – genau wie von Herzkrankheiten – geheilt werden? Das wollte ich wissen.

Das Problem dabei: Ich hasse Diätbücher. Und besonders hasse ich Diätbücher, die vorgeben, Diätbücher zu hassen, aber den altbekannten Blödsinn verbreiten. Dieses Buch ist für die, die weder Lückenfüller, Banalitäten oder Hirngespinste wollen, sondern Fakten. Wenn Sie persönliche Erfahrungsberichte und Vorher-nachher-Fotos suchen, sind Sie hier falsch. Wer Beweise hat, braucht keine Anekdoten. Ein Harvard-Soziologe nennt solche Geschichten »einen vorsätzlichen Versuch, Glaubwürdigkeit zu konstruieren«.4 Wer keine wissenschaftlichen Beweise hat, um seine Behauptungen zu untermauern, dem bleiben nur solche »Erfolgsgeschichten«.

Mich interessieren widersprüchliche Anekdötchen genauso wenig wie Dogmen, Überzeugungen und Meinungen zum Thema Ernährung. Mich interessiert die Wissenschaft. Wenn es bei der eigenen Gesundheit oder bei der der Familie um Leben und Tod geht, gibt es nur eine Frage: Was sagen die Fakten? Die versuche ich in diesem Buch zusammenzufassen.

Oft sind Diätbücher ein pseudowissenschaftliches Gewäsch im wissenschaftlichen Mäntelchen. Aber wie soll der Laie den Unterschied zwischen Pseudo- und echter Wissenschaft erkennen und sich zwischen zwei widersprüchlichen Behauptungen entscheiden? Kein Wunder, dass sich viele einen Guru suchen, der ihnen die Entscheidungen abnimmt. Doch dieses Wissen ist nicht angeboren. Es ist Ihr gutes Recht, nachzufragen, woher die Autoren von Diätbüchern die Informationen haben, die sie Ihnen verkaufen wollen. Nur so können Sie die Quellen überprüfen und ihre Glaubwürdigkeit bestätigen. Deswegen zeige ich wissenschaftliche Erkenntnisse auf meiner Webseite am liebsten als Videos. So kann ich auf die Originaldaten verweisen und all meine primären Quellen verlinken. In diesem Buch versuche ich, alle Fakten zu untermauern.

Mein Ziel war ein Paradox: ein faktenbasiertes Diätbuch.

Essen auf eigene Gefahr

Vermutlich wird in der öffentlichen Gesundheit nirgends so getrickst und getäuscht wie bei der Ernährung. Eine Farce nach der anderen bringt die Öffentlichkeit um horrende Geldsummen – und um ihre Gesundheit.

White House Conference on Food, Nutrition, and Health5 (Konferenz im Weißen Haus zum Thema Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit)

Sind Sie frustriert vom gegenwärtigen politischen Klima der alternativen Fakten und Echokammern? Willkommen in meiner Welt. Die gesamte Diätindustrie basiert auf Fake News. Die Ernährungswissenschaft hat sich schon vor dem postfaktischen Zeitalter mit schamlosen Lügen herumgeschlagen, und Diätbücher gehören zu den schlimmsten Übeltätern. »Oft überschreien die extremen Stimmen die sachkundigen«, schreiben zwei renommierte Professoren der Ernährungswissenschaft zum Thema Diätbücher. »Da geht es auch um Geld.«6

Um sehr viel Geld. Jeden Monat erscheint eine neue Diätmasche oder ein Abnehmtrend, und alle verkaufen sich gut, weil sie nie etwas bringen. Die Diätindustrie scheffelt jährlich bis zu 50 Milliarden US-Dollar, und ihre Kunden sind immer dieselben.7 Geplagt von Schuldgefühlen und Selbsthass, weil sie es schon wieder nicht geschafft haben, haben sie nichts Besseres zu tun, als sich dem nächsten Betrüger auszuliefern. Ich hoffe, dieses Buch hilft ihnen, den Teufelskreis zu durchbrechen, indem es Schluss macht mit diesem ganzen Bullshit.

Nicht nur kommerzielle Interessen, auch Ideologie spielt eine Rolle. In vielen Diätbüchern wird eher verwirrt als aufgeklärt. Mit einzelnen Fakten wird eine Theorie aufgebaut, und alles, was nicht dazu passt, wird ignoriert. Das ist das Gegenteil von Wissenschaft. Die Wissenschaft entnimmt ihre Rückschlüsse den Beweisen, nicht umgekehrt.

Leider reicht es aber auch nicht, sich auf die bereits überprüfte wissenschaftliche Fachliteratur zu verlassen. Ein Artikel zum Thema Mythen über Fettleibigkeit im New England Journal of Medicine schloss damit, dass auch medizinische Fachzeitschriften durchdrungen seien von »falschen und wissenschaftlich nicht belegten Überzeugungen zu Fettleibigkeit«8. Um die Wahrheit herauszufinden, muss man also anscheinend tief in die Primärliteratur eintauchen und die Originalstudien selbst lesen, anstatt einem Rezensenten zu vertrauen. Aber wer hat bitte schön Zeit für so etwas? Es gibt mehr als eine halbe Million wissenschaftlicher Arbeiten zur Fettleibigkeit, und jeden Tag werden Hunderte neue veröffentlicht. Sogar Wissenschaftler können wahrscheinlich nur ihr eigenes, eng begrenztes Fachgebiet im Auge behalten. Doch dafür gibt es uns bei NutritionFacts.org. Wir kämpfen uns jedes Jahr durch zigtausend Studien, damit Sie es nicht tun müssen.

Für solche Bücher bin ich wie gemacht. Unser Forschungsteam konnte seine Muskeln spielen lassen. Je heftiger der Muskelkater, desto mehr legten wir nach, und desto klarer wurde uns, wie wichtig unsere Arbeit ist. Sogar »einfache« Fragen zum Abnehmen – zum Beispiel, ob man frühstücken soll oder nicht oder ob man vor oder nach den Mahlzeiten Sport treiben soll – wurden zu Großprojekten, für die wir Tausende Artikel recherchierten. Wenn schon unser unermüdliches Team Schwierigkeiten hatte, sich durch die Berge an Fachliteratur zu wühlen, dann hätte ein praktizierender Arzt allein keine Chance, und die Öffentlichkeit wäre völlig verloren.

Egal, ob Sie krankhaft fettleibig, einfach übergewichtig wie der Durchschnitts-US-Amerikaner oder mit Idealgewicht gesegnet sind und dieses behalten wollen – unser Ziel war, Ihnen jeden möglichen Trick und jede Technik zur Gewichtsregulierung zu zeigen, die wir finden konnten.

Ich ging an die Arbeit mit der Absicht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse so knapp wie möglich zusammenzufassen. Zu meiner großen Freude entdeckte ich dabei aber auch jede Menge neue Möglichkeiten. Wir konnten einen Schatz vergrabener Daten bergen, wie beispielsweise einfache Gewürze als preiswerte Abnehmbeschleuniger. Ihre Wirkung wurde in randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien bewiesen. Bei der kleinen Gewinnspanne ist es kein Wunder, dass diese Studien nie ans Licht gekommen waren.

Wir sind sogar über die gegenwärtige Beweislage hinausgegangen und schlagen eine neue Methode zum Abbau von Körperfett vor. Theoretisch funktioniert sie sehr gut, bisher wurde sie aber noch nie getestet, da wir anscheinend die Ersten sind, denen dieser Gedanke gekommen ist. Sie lässt sich auch nicht zu Geld machen. Der einzige Profit, der für mich zählt, ist Ihre Gesundheit. Darum spende ich 100 Prozent dessen, was ich durch den Verkauf meiner DVDs, durch Vorträge und Bücher verdiene – auch das, das Sie gerade in Händen halten –, für gemeinnützige Zwecke. Ich möchte für alle anderen Familien das tun, was Pritikin für meine getan hat.

Einführung

Manchmal ist dicker besser

Mein Literaturagent erklärte mir: Niemand will ein dickes Diätbuch. Es soll am besten so schmal sein, wie sich die Leute ihr künftiges Selbst vorstellen. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber es ging nicht anders. Ich wollte jeden evidenzbasierten Tipp, Trick und Dreh festhalten, um Ihnen alle Möglichkeiten zu eröffnen – unabhängig davon, ob Sie fettleibig oder übergewichtig sind oder Ihr Idealgewicht halten wollen.

In How Not to Diet decke ich alles ab, vom Aufbau eines gesunden Mikrobioms in Ihrem Darm bis zur Verbesserung Ihres Stoffwechsels mittels Chronobiologie, dem Abstimmen der Essenszeiten auf den eigenen Tagesrhythmus. Jedes dieser Themen hätte genug Stoff für ein eigenes Buch hergegeben. Wir haben recherchiert, als peilten wir wirklich ganze Bücher an, und dann versucht, von jeder aussichtsreichen Strategie das Überzeugendste und am besten Umsetzbare zu übernehmen. In diesem Sinne stecken in diesem Buch tatsächlich vierzig Bücher. Vielleicht halten Sie gerade ein gedrucktes Exemplar in der Hand und fragen sich: Das soll die kompakte Version sein? Keine Sorge – es ist super fürs Krafttraining.

Es war mir wichtig, ins Detail zu gehen, um Ihnen die bestmögliche Entscheidungsgrundlage zu geben. Trotzdem können Sie immer bis zur Zusammenfassung am Ende jedes Kapitels vorblättern, wo Sie meine Tipps für zuhause finden. Ich wollte, dass Sie meine Empfehlungen nachvollziehen können, denn ich bin kein Diätguru. Sie sollen nicht blind glauben, sondern die Beweise sehen.

Auf Seite 724 finden Sie eine Webadresse und einen QR-Code für die vollständige Übersicht der fast fünftausend Zitate in diesem Buch. Der Vorteil dabei ist (neben dem Einsparen von fünfhundert Seiten und dem Retten einiger Bäume), dass jedes Zitat mit seiner Primärquelle verlinkt ist. So können Sie sich die PDF-Dateien herunterladen und selbst nachsehen.

Einige meiner Schlussfolgerungen sind wissenschaftlich unbestreitbar, andere nicht so ganz. Ich versuche, den Unterschied deutlich zu machen. So können Sie jeweils selbst entscheiden, ob Sie einen Ratschlag annehmen wollen oder nicht. Wenn Ihnen eine Empfehlung nicht einleuchtet, folgen Sie ihr nicht. Ich breite all meine Erkenntnisse vor Ihnen aus, Sie entscheiden. Oder wie der berühmte Wissenschaftler Carl Sagan sagte (mit dem ich zufällig an der Cornell University Tür an Tür wohnte): »Die Wissenschaft allein kann das menschliche Handeln nicht bestimmen, aber sie kann voraussagen, welche Handlung welche Folgen haben kann.«9

Wie sehen Ihre Zahlen aus?

Bevor wir richtig loslegen: Was ist Übergewicht? Oder Fettleibigkeit? Ganz einfach ausgedrückt bedeutet Übergewicht, dass Sie zu viel Körperfett haben, und Fettleibigkeit, dass Sie viel zu viel Körperfett haben. Technisch wird Fettleibigkeit mit einem BMI (Body-Mass- oder Körpermasse-Index) von 30 oder höher und Übergewicht mit einem BMI zwischen 25 und 29,9 gleichgesetzt. Ein BMI zwischen 18,5 und 24,9 gilt als Idealgewicht.

Die Berechnung des BMI ist relativ einfach: Sie können eine der BMI-Rechner-Seiten im Internet dazu nutzen oder Sie schnappen sich einen Taschenrechner und machen es selbst. Teilen Sie dafür Ihr Körpergewicht in Kilogramm durch das Quadrat Ihrer Körpergröße in Metern. Wenn Sie 90 Kilogramm wiegen und 1,80 Meter groß sind, ergibt dies bei der Berechnung von 90 ÷ (1,8 x 1,8) einen BMI von circa 27,8. Damit sind Sie leider deutlich übergewichtig.

Früher bezeichneten Mediziner alles unter einem BMI von 25 als Normalgewicht. Leider ist das inzwischen nicht mehr normal. In den USA ist Übergewicht seit den späten 1980ern die Norm, und es wird immer schlimmer.11

IST KALORIE NICHT GLEICH KALORIE?

Jetzt wissen wir, wo die Grenze zwischen optimal und fettleibig verläuft. Lassen Sie uns nun einige Grundannahmen überprüfen. Um unschuldig dazustehen, behauptet die Lebensmittelindustrie, eine Kalorie sei eine Kalorie, egal, aus welcher Quelle sie stammt. In einer Werbung unterstreicht Coca-Cola diese »einleuchtende Tatsache«12 sogar noch. Der Inhaber des Lehrstuhls für Ernährungswissenschaft in Harvard meinte dazu, diese »zentrale Botschaft« der Industrie suggeriere, dass man »ebenso zu viele Kalorien mit Karotten essen wie zu viele Kalorien mit Limonade trinken« könne und dass sie sich nicht voneinander unterschieden.13 Wenn Kalorie gleich Kalorie ist, warum sollte es dann wichtig sein, was wir essen?

Nehmen wir das Beispiel von Karotten im Vergleich zu Coca-Cola. Unter strengen Laborbedingungen sind 240 Karottenkalorien – zehn Karotten – genauso viel wie 240 Cola-Kalorien – eine Flasche.14 Doch im wahren Leben hinkt dieser Vergleich, denn Sie können die flüssigen Kalorien in weniger als einer Minute hinunterstürzen, aber für die 240 Karottenkalorien müssen Sie über zweieinhalb Stunden lang ununterbrochen kauen. (Ja, diese Zeit wurde gemessen.15) Davon würde Ihnen der Kiefer schmerzen. Und da die 240 Karottenkalorien ungefähr das Volumen von 1,2 Liter haben, wäre Ihr Magen vielleicht sogar zu klein dafür. Wie alle vollwertigen pflanzlichen Lebensmittel enthalten Karotten Ballaststoffe, die die Menge vergrößern, ohne dass zusätzliche Nettokalorien hinzukommen. Abgesehen davon würden Sie nicht einmal sämtliche Karottenkalorien aufnehmen können. Wie Ihnen jeder bestätigen kann, der schon einmal Maiskörner gegessen hat, wandern einige Gemüseteilchen durch Sie hindurch und entschwinden zusammen mit den Kalorien, die sie enthalten. Eine Kalorie in Ihrer Toilette mag gleich viel sein wie jede andere, aber sie landet nicht auf Ihren Hüften.

Ein naheliegenderer Vergleich wäre der zwischen Cheerios und Froot Loops, zwei Frühstückscerealien. Wie der eine Hersteller strahlend verkündet, enthalten seine Froot Loops ungefähr gleich viele Kalorien wie die als gesund geltenden Cheerios seines Konkurrenten. Warum stehen Froot Loops dann am Pranger? (Ich sagte als Sachverständiger in einem Prozess gegen Hersteller stark zuckerhaltiger Frühstückcerealien aus, daher kenne ich die Argumente aus erster Hand.) Ja, beide Produkte haben eine ähnliche Kalorienmenge. Dabei wird allerdings die appetitsteigernde Wirkung von konzentriertem Zucker nicht berücksichtigt.16 In einem Experiment wurden Kindern zuckerreiche und zuckerärmere Frühstückscerealien angeboten. Dabei hätten sie viel mehr Cheerios als Froot Loops essen und mehr Kalorien aufnehmen können. Doch die Kinder, die zu den süßeren Froot Loops griffen, nahmen sich im Durchschnitt 77 Prozent mehr und aßen sie dann auch. Auch wenn der Kaloriengehalt dieser Produkte vergleichbar ist, führen zuckerreiche Frühstückscerealien zu einer fast doppelt so hohen Kalorienaufnahme.17 Im Labor mag Kalorie gleich Kalorie sein, im wahren Leben aber ganz und gar nicht.

Sogar dann, wenn Sie dieselbe Kalorienmenge essen und absorbieren, entspricht 1 Kalorie möglicherweise immer noch nicht 1 Kalorie. Im weiteren Verlauf des Buches werden Sie erfahren, dass dieselbe Kalorienmenge, zu verschiedenen Tageszeiten und bei einer unterschiedlichen Mahlzeitenverteilung oder sogar nach einer unterschiedlich langen Schlafdauer aufgenommen, zu unterschiedlich viel Körperfett führt.

Es geht nicht nur darum, was wir essen, sondern auch wie und wann.

Dieselbe Anzeige auf der Waage kann je nach Ernährung oder anderen Zusammenhängen etwas anderes bedeuten. Sie könnten zum Beispiel leichter werden, aber trotzdem Körperfett zulegen, wenn Ihr Körper nur Wasser verliert und Muskelmasse abbaut. Es geht also nicht nur um Kalorienzufuhr und -verbrauch oder um weniger Essen und mehr Bewegung. Später kommen wir auf eine berühmte Studie mit Gefängnisinsassen aus Vermont zu sprechen, die Folgendes zeigt: Je nachdem, was die Insassen zu essen bekamen, brauchten sie mitunter bis zu 100 000 Kalorien mehr, um gleich viel zuzunehmen wie andere. Sie werden auch erfahren, wie es den Wissenschaftlern gelang, 100 000 Kalorien erfolgreich verschwinden zu lassen. Aber ich greife vor.

Ein Krimi in vier Teilen

In Teil 1 beginnen wir mit einem Überblick über unser wachsendes Problem mit der Fettleibigkeit – Ursachen, Folgen und bisherige Lösungsversuche. Wir werden Fragen beantworten wie: Warum steigt die Fettleibigkeit seit den späten 1970er Jahren explosionsartig an? Ist Übergewicht tatsächlich so schlecht für die Gesundheit, wie behauptet wird? Und was ist von Methoden zu halten, bei denen das eigene Verhalten nicht angetastet wird, beispielsweise Magenverkleinerungen, Diätpillen und Appetitzüglern?

In Teil 2 versuche ich, die optimale Strategie zur Gewichtsabnahme zu entwickeln, und konzentriere mich auf die wichtigsten Zutaten für ein Rezept, mit dem man Körperfett abbaut.

In Teil 3 sehen wir uns an, inwieweit die Diäten, die momentan im Umlauf sind, diesen Kriterien standhalten. Danach erarbeiten wir uns Stück für Stück die Formel für eine gesunde und nachhaltige Gewichtsregulierung. Und Sie werden all die allerneuesten Diäten, die es heute noch gar nicht gibt, bewerten können.

Dann kommen die Booster. In Teil 4 verrate ich Ihnen alle Tricks und Kniffe für einen schnellen Gewichtsverlust, die ich in den Jahren gefunden habe, seit ich die Fachliteratur durchforste. Damit passen Sie jede Ernährung so an, dass Sie möglichst viel Körperfett abbauen. Dafür habe ich eine Checkliste erstellt. So können Sie sich täglich etwas aussuchen und sich ein Portfolio nach Ihren Bedürfnissen zusammenstellen. Ich warne eindringlich davor, gleich zur Blitzlösung vorzublättern und zu glauben, dass Sie damit weiterhin denselben Mist essen können wie bisher. Es gibt zwar tatsächlich Möglichkeiten, mit der gleichen Nahrung zu verschiedenen Ergebnissen zu kommen, aber die Booster sind ausschließlich dazu gedacht, eine gesunde Ernährung zu ergänzen.

Im letzten Teil beantworte ich alle brennenden Fragen zum Thema Fettverbrennung: Mit welchem Sport nehme ich am meisten ab? Wie kurbele ich meinen Stoffwechsel am sichersten an? Wie viel sollte ich schlafen? Was sagt die Wissenschaft zur ketogenen Ernährung, zu Intervallfasten und hochintensivem Intervalltraining? Ich stelle Ihnen Lebensmittel vor, die gleichzeitig Fettblocker, Fatburner, Stärkeblocker und Appetitzügler sind. Und wussten Sie, dass unterschiedliche Essenszeiten, die Häufigkeit und die Zusammenstellung Ihrer Mahlzeiten eine Rolle spielen? Es gibt sogar ein Lebensmittel, das die Verlangsamung Ihres Stoffwechsels verhindert, mit der Ihr Körper auf Ihre Abnehmversuche reagiert.

Skeptisch? Gut so! Ich war es auch.

Am Anfang dachte ich, es würde darauf hinauslaufen, dass ich gegen all die magischen Quacksalbermittelchen wettern und ansonsten die alten Standardratschläge von mir geben würde, sprich Kalorien reduzieren und ins Fitnessstudio gehen. Das Besondere an diesem Buch sollte seine Ausführlichkeit und seine strikt wissenschaftliche Grundlage sein. Ich stellte mir vor, dass es herausstechen würde – aber als Nachschlagewerk, nicht als Revolution. Ich hätte nie gedacht, dass ich auf eine neue Abnehmmethode stoßen würde. Mir war einfach nicht klar, wie viele neue Wege sich durch unser neu gewonnenes Verständnis von so vielen Bereichen der menschlichen Physiologie auftun würden. Es war unglaublich aufregend, diese bahnbrechenden Einzelstränge zu einem beweisbasierten Abnahmeverfahren zusammenzuführen.

Dieses Buch war ein Mammutprojekt, aber es hat sehr viel Spaß gemacht. Manchmal werde ich gefragt, warum ich nicht Urlaub oder wenigstens einen Tag lang freimache. Dann erkläre ich, dass ich das Gefühl habe, mein ganzes Leben sei Urlaub. Ich bin sehr froh, anderen Menschen helfen zu dürfen und gleichzeitig das zu machen, was ich liebe: lernen und lehren. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu tun.

I. DAS PROBLEM

Die Ursachen

Das Gewicht der Welt

Fettleibigkeit an sich ist nichts Neues, als Epidemie aber schon. Wir sind von einigen korpulenten Königinnen und Königen wie Heinrich VIII. und Ludwig VI. (auch als Louis le Gros oder Ludwig der Dicke bekannt)18 in eine Pandemie der Fettleibigkeit geschlittert, die mittlerweile wohl eine der verheerendsten und am schlechtesten eingedämmten öffentlichen Gesundheitsbedrohungen unserer Zeit ist.19 Heutzutage sind 71 Prozent aller US-Amerikaner übergewichtig (bei den über achtzehnjährigen Deutschen sind es laut Statistischem Bundesamt 53 Prozent.) Über 40 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung sind so dick, dass sie als fettleibig angesehen werden können. Und kein Ende ist in Sicht.20 Früher dachte man noch, dass sich der Anstieg der Fettleibigkeit zumindest verlangsamt, doch das scheint nicht zu stimmen.21 Wir glaubten auch, dass wir nach fünfunddreißig Jahren der unerbittlichen Fettleibigkeit bei Kindern die Kurve gekriegt hätten, aber diese gute Nachricht kam zu früh.22 Die Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen steigt schon im vierten Jahrzehnt weiter.23

In den letzten zehn Jahren hat sich die Fettleibigkeit verzehnfacht. War früher noch jeder Dreißigste fettleibig, ist es heute jeder Dritte,24 aber dieser Anstieg war nicht linear. Irgendetwas muss Ende der 1970er Jahre passiert sein.25 Die Fettleibigkeit griff in den meisten reichen Industrieländern fast gleichzeitig um sich, in den 1970er und 1980er Jahren. Das deutet auf eine gemeinsame Ursache hin.26

Woran könnte es liegen?

Jede mögliche Ursache müsste globaler Natur sein und zeitlich mit der Ausbreitung der Epidemie übereinstimmen. Sie hätte vor etwa vierzig Jahren beginnen und in der Lage sein müssen, sich schnell über die gesamte Welt auszubreiten.27 Was gibt es dazu für Theorien? Einige machen Veränderungen in der »künstlichen Umwelt« dafür verantwortlich, wie beispielsweise die Stadtplanung, die immer weniger zum Gehen, Radfahren und Einkaufen um die Ecke angelegt ist.28 Doch das ist nicht plausibel, denn in dem Zeitraum gab es keine universelle und gleichzeitige weltweite Veränderung von Städten und Gemeinden.29

Fragt man Politiker nach dem Grund für die Fettleibigkeitsepidemie, erzählen die meisten etwas von »persönlichem Mangel an Motivation«,30 aber auch das klingt nicht glaubhaft. In den USA zum Beispiel schoss Ende der 1970er die Fettleibigkeit der gesamten Bevölkerung in die Höhe. Soll das heißen, dass bei sämtlichen Bevölkerungsschichten der USA zur gleichen Zeit plötzlich die Willenskraft einbrach?31 Alle Alters-, Geschlechts- und ethnischen Gruppen, jede mit ihren eigenen Ansichten und Erfahrungen, sollen zur selben Zeit und gemeinsam die Fähigkeit zur Selbstkontrolle verloren haben?

Viel einleuchtender als die weltweite Veränderung unserer Persönlichkeit wäre die weltweite Veränderung unseres Lebensstils.32

Fast Food gegen Slow Motion

Die Lebensmittelindustrie zeigt mit dem Finger auf den Bewegungsmangel. »Würden alle Verbraucher Sport treiben«, sagte die Geschäftsführerin von PepsiCo, »gäbe es keine Fettleibigkeit.«33 Coca-Cola ging einen Schritt weiter und investierte 1,5 Millionen US-Dollar in ein Global Energy Balance Network, um den Beitrag der Ernährung zur Fettleibigkeitsepidemie herunterzuspielen. Öffentlich gewordene interne Dokumente zeigen: Coca-Cola plante, diese Organisation als »Waffe« in seinem »Krieg« mit den Verfechtern der öffentlichen Gesundheit einzusetzen, um damit in der Diskussion über Fettleibigkeit »den Schwerpunkt zu verlagern«.34

Diese Taktik ist unter Lebensmittel- und Getränkeherstellern derartig verbreitet, dass es einen eigenen Begriff dafür gibt: Leanwashing (»Schlankwäscherei«). Sie haben sicher schon von Greenwashing gehört. Damit stellen sich Unternehmen als umweltfreundlich dar, vor allem, wenn sie es nicht sind. Leanwashing betreiben Firmen, die vorgaukeln, gegen Fettleibigkeit vorzugehen, während sie in Wirklichkeit zu ihren Verursachern gehören.35 Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, präsentiert neuerdings eine Nutriton, Health and Wellness-Strategie.36 Ganz genau, dasselbe Nestlé, das für Nesquick-Kakaopulver, Cookie-Crisp-Frühstückscerealien und mehr als hundert verschiedene Süßwaren bekannt ist, darunter Kit Kat, Yes-Kuchenriegel, Lion-Schokoriegel, Rolo und Smarties. Ein Nestlé-Slogan ist »Good food, good life«. In seinen Raisinets-Schokorosinen mag zwar etwas Obst stecken, aber ich glaube, dieses Unternehmen hat weitaus mehr mit Willy Wonkas Schokoladenfabrik als mit Wohlbefinden gemein. Nestlé betreibt eine Website namens »Was unternimmt Nestlé gegen Fettleibigkeit?«. Der angeblich weiterführende Link »Healthy Kids« führte mich zu: Page not found.37

Dieses gebetsmühlenartige Überbetonen des Bewegungsmangels wirkt schon. Bei einer Umfrage von Harris Poll, einem US-Marktforschungsunternehmen (»Welche der folgenden Punkte sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe für den Anstieg der Fettleibigkeit?«), entschied sich eine große Mehrheit der Befragten (83 Prozent) für Bewegungsmangel, übermäßige Kalorienzufuhr hingegen kreuzten nur 34 Prozent an.38 Doch der Sofahockerei die Schuld zu geben ist erwiesenermaßen einer der häufigsten Irrtümer über Fettleibigkeit.39 Die Wissenschaft ist zu dem recht sicheren Schluss40 gelangt, dass sich die aufgenommenen Kalorien wesentlich stärker auf die Gesamtbilanz auswirken.41

In der Fachliteratur wird sogar darüber gestritten, ob die veränderte körperliche Betätigung überhaupt »irgendeine Rolle« bei der Fettleibigkeitsepidemie gespielt hat.42 Die erhöhte Kalorienaufnahme pro Person reicht völlig aus, um die Fettleibigkeit in den USA43 und weltweit44 zu erklären. Tatsächlich betätigen sich die Europäer und die Nordamerikaner körperlich in den letzten Jahrzehnten sogar etwas mehr als früher.45 Ironischerweise könnte das daher rühren, dass wir mehr Energie brauchen, um unsere schwereren Körper durch die Gegend zu schleppen. Dann wäre der erhöhte Energieverbrauch eine Folge und nicht eine Ursache unserer Gewichtsprobleme.

Sport ist aber nur ein kleiner Teil unserer gesamten täglichen Aktivität. Überlegen Sie mal, wie viel mehr körperliche Arbeit die Leute früher im Beruf, auf der Farm oder im Haus verrichteten.46 Es geht aber nicht nur darum, dass die Maloche dem Bürojob gewichen ist. Im letzten Jahrhundert haben Automatisierung, Computerisierung, Mechanisierung, Motorisierung und Urbanisierung zu unserem bewegungsärmeren Lebensstil geführt. Und das ist das Problem mit dieser Theorie: Die Berufsbilder veränderten sich langsam, und die allmähliche Arbeitserleichterung begann deutlich vor der dramatischen weltweiten Gewichtszunahme.47 Waschmaschine, Staubsauger und Auto wurden allesamt vor 1910 erfunden. Und tatsächlich – misst man Energiezufuhr und Energieverbrauch mit aktuellen Methoden, stellt sich heraus: Das steigende Gewicht ist eine Folge der Kalorienaufnahme, nicht der geringeren körperlichen Betätigung.48

Der weitverbreitete Irrtum, dass Fettleibigkeit vor allem vom Bewegungsmangel kommt, ist mehr als ein harmloser Trugschluss: Persönliche Theorien über die Ursachen der Fettleibigkeit scheinen das Gewicht der Menschen zu beeinflussen. Wer mangelnde körperliche Aktivität dafür verantwortlich macht, neigt deutlich eher zu Übergewicht. Wenn sich so jemand beispielsweise unbeobachtet glaubt, isst er mehr Schokolade als jemand, der eine schlechte Ernährungsweise für Fettleibigkeit verantwortlich macht.49 Ob solche Überzeugungen wirklich Gewichtsprobleme beeinflussen, weiß man aber erst, wenn man es wissenschaftlich erforscht. Also teilte ein Forscherteam Testpersonen nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen. Die eine Gruppe bekam einen fingierten Artikel zu lesen, der behauptete, Fettleibigkeit komme vom Bewegungsmangel. Die Mitglieder dieser Gruppe begannen tatsächlich, deutlich mehr Süßigkeiten zu essen als die anderen. Die hatten einen Artikel zu lesen bekommen, der Essen als Auslöser verantwortlich machte.50 Eine ähnliche Studie fand heraus, dass Menschen deutlich mehr Kekse essen, wenn man ihnen Forschungsergebnisse präsentiert, laut denen Übergewicht und Fettleibigkeit eine Frage der Gene sind. Der Titel dieser Studie lautete »Wie das Fett-Gen Sie ungewollt fett machen könnte«.51

Sehe ich mit diesen Genen fett aus?

Bisher wurden etwa einhundert genetische Marker mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht. Doch zusammen beeinflussen sie den BMI nicht einmal zu 3 Prozent.52 Das »Fett-Gen«, von dem Sie vermutlich schon gehört haben (FTO, kurz für »FaT mass and Obesity associated«), wird am stärksten mit Fettleibigkeit assoziiert.53 Es erklärt allerdings weniger als 1 Prozent der Unterschiede zwischen den Menschen (lediglich 0,34 Prozent).54

FTO steht für ein Hirnprotein, das den Appetit beeinflusst.55 Gehören Sie zu der einen Milliarde Träger eines vollständigen Satzes aller FTO-anfälligen Gene?56 Das ist mehr oder weniger egal, denn selbst dann nehmen Sie pro Jahr vermutlich nur ein paar Hundert Kalorien mehr zu sich.57 Die Fettleibigkeitsepidemie konnte aber in diesem Maße nur ausbrechen, weil die Menschen einige Hundert Extrakalorien pro Tag aufnahmen.58 FTO ist bisher als das Gen bekannt, das eine exzessive Gewichtszunahme am meisten begünstigt.59 Doch darauf eine saubere Prognose für Fettleibigkeit aufzubauen ist kaum genauer, als eine Münze zu werfen.60

Wenn es um Übergewicht geht, sind Ihre Gene nichts im Vergleich zu Ihrer Gabel. Der sowieso schon geringe Einfluss des FTO-Gens scheint bei körperlich aktiven Menschen61 noch geringer zu sein, und bei solchen, die gesund essen, ganz wegzufallen. Es sieht aus, als wirke FTO nur, wenn man viele gesättigte Fette isst (die kommen hauptsächlich in Milchprodukten, Fleisch und Junkfood vor). Wer sich gesund ernährt, wird nicht eher dick als andere, nicht einmal dann, wenn er das »Fett-Gen« von beiden Elternteilen geerbt hat.62

Aus physiologischer Sicht steht Ihr FTO-Genstatus dem Abnehmen also nicht im Weg.63 Psychisch kann Sie das Wissen um Ihr erhöhtes Fettleibigkeitsrisiko motivieren, gesünder zu essen und zu leben.64 Es kann aber auch dazu führen, dass Sie sich sagen: Was soll’s, und resigniert denken, es liegt nun einmal in der Familie.65 Fettleibigkeit kann tatsächlich in der Familie liegen – falsches Essen aber auch.

Der Einfluss von Lebensstil und Genen lässt sich abwägen, wenn man das Gewicht von biologischen und von adoptierten Kindern vergleicht. Kinder, die bei zwei übergewichtigen biologischen Elternteilen aufwachsen, haben ein um 27 Prozent höheres Risiko, selbst Übergewicht zu entwickeln. Bei adoptierten Kindern mit zwei übergewichtigen Adoptiveltern sind es 21 Prozent.66 Die Gene haben also tatsächlich einen Einfluss, aber das zeigt, dass das Umfeld der Kinder wichtiger ist als ihre DNA.

Ernährung schlägt Gene

Eines der dramatischsten Beispiele dafür, wie viel mehr Einfluss die Ernährung im Vergleich zur DNA hat, sind die Pima-Indianer aus Arizona. Ihre Fettleibigkeits-67 und Diabetesraten68 zählen zu den höchsten weltweit. Dies schrieb man ihrer genetischen Veranlagung zu einem relativ langsamem Stoffwechsel zu.69 Die Neigung, Kalorien zu speichern, half ihnen besonders in früheren Zeiten immer wiederkehrender Lebensmittelknappheit, als sie von der Landwirtschaft lebten. Dann wurde das Land von Weißen in Besitz genommen und der Gila-Fluss, die Wasserquelle der Ureinwohner, oberhalb ihres Gebietes umgeleitet. Diejenigen unter ihnen, die die darauf folgende Hungersnot überlebten70, mussten ihre überlieferten Ernährungsgewohnheiten aufgeben und waren fortan von staatlichen Ernährungsprogrammen abhängig. Es kam zu einem abrupten Anstieg chronischer Krankheiten.71 Dieselben Gene – neue Ernährung – völlig anderes Ergebnis.

Es entstand eine natürliche Versuchsanordnung. Die Pima jenseits der US-amerikanischen Grenze in Mexiko haben dasselbe Erbgut. Sie konnten sich ihre traditionelle Lebensweise aber stärker bewahren. Diese basiert auf den Nahrungsmitteln, die auch als die drei Schwestern bekannt sind: Mais, Bohnen und Kürbisse.72 Dieselben Gene, aber etwa fünfmal weniger Diabetes und Fettleibigkeit.73

Die Gene laden vielleicht den Revolver, aber den Schuss löst die Ernährung aus.

Das Überleben der Fettesten

Es heißt: »Biologie ist unverständlich, außer man betrachtet sie im Licht der Evolution.«74 Der bekannte Anteil unserer Gene an der Fettleibigkeit mag klein sein. Trotzdem könnten wir in gewissem Sinne argumentieren, dass wir sie in den Genen haben, denn der übermäßige Konsum aller verfügbaren Kalorien könnte in unserer DNA stecken.

Wir wurden zum Essen geboren. Die meiste Zeit unserer Geschichte haben wir im Überlebensmodus verbracht, stets gefasst auf die nächste Lebensmittelknappheit. Deshalb haben wir den mächtigen Drang, so viel zu essen, wie wir können, und zwar immer, wenn wir es kriegen, und die Kalorien, wenn wir sie nicht gleich brauchen, als Vorrat zu speichern. Essen war keine Selbstverständlichkeit. Daher waren diejenigen, die mehr essen und mehr Fettreserven aufbauen konnten, besser in der Lage, Hungerperioden zu überleben und ihre Gene weiterzugeben. Vielleicht sind im Lauf der Generationen und der Jahrtausende die Menschen mit weniger Appetit ausgestorben, und die, die ordentlich reinhauten, lebten lange und hinterließen ihre genetische Veranlagung zum Essen und Kalorienspeichern. So könnten wir uns zu gefräßigen und kalorienspeichernden Maschinen entwickelt haben. Allerdings leben wir heute nicht mehr in mageren Zeiten und sind daher selbst nicht mehr mager.

Was ich gerade beschrieben habe, ist die Hypothese der »Spargene«.75 Sie besagt, dass Fettleibigkeit das Ergebnis der Diskrepanz ist zwischen unserer modernen Umgebung und der, aus der wir stammen.76 Als wären wir Eisbären im Dschungel. In der Arktis sind Pelz und Fettreserven erste Wahl, aber am Amazonas wären sie nur noch eine Last.77 Für uns war die Fähigkeit, uns mit Kilos zu bepacken, in vorgeschichtlichen Zeiten sicherlich ein Plus. Doch diese Kilos werden schnell zur Belastung, wenn sich unsere auf Mangel ausgelegte Biologie plötzlich im Schlaraffenland wiederfindet.

Die Hauptursache der Fettleibigkeitsepidemie ist also weder Völlerei noch Trägheit. Fettleibigkeit ist vermutlich einfach nur eine normale Reaktion auf eine unnormale Umwelt.78

Der Großteil unserer Physiologie ist innerhalb eines recht engen Grenzwertbereichs sehr genau abgestimmt. Ist uns zu heiß, schwitzen wir, ist uns zu kalt, zittern wir. Unser Körper hat Mechanismen, die uns im Gleichgewicht halten. Aber er hatte keinen Grund, eine Obergrenze für Körperfett zu entwickeln.79 Ganz am Anfang mag es bei der Begegnung mit einem Raubtier ein evolutionärer Vorteil gewesen sein, wenn man flink und wendig war. Doch dank Waffen und Feuer mussten wir in den letzten zwei Millionen Jahren nicht mehr so oft vor einem Säbelzahntiger Reißaus nehmen.80 Deshalb standen unsere Gene vermutlich nur unter dem einseitigen Selektionsdruck, sich jedes verfügbare Krümelchen einzuverleiben und so viele Kalorien wie überhaupt möglich im Körper zu speichern.81

Was früher Anpassung war, ist heute ein Problem – jedenfalls laut der Theorie der »Spargene«, die vor über fünfzig Jahren aufkam.82 Diese Theorie wurde seitdem weiterentwickelt und aktualisiert. Ihre Grundannahme wird in Wissenschaftskreisen aber nach wie vor weitgehend akzeptiert83, und ihre Auswirkungen sind tiefgreifend.

2013 entschied sich die American Medical Association dazu, Fettleibigkeit zur Krankheit84 zu erklären – gegen den Rat ihres eigenen Council on Science and Public Health (Rat für Wissenschaft und öffentliche Gesundheit).85 Es ist zwar nicht so wichtig, wie man das Ganze nennt, denn auch anders bezeichnet würde es genauso viel Diabetes verursachen – doch Krankheit bedeutet Störung. Schlankheitsmittel und Magenbänder heilen aber keine körperliche Fehlfunktion. Unser Körper tut nur, was er tun muss, wenn er zu viele Kalorien abbekommt.86 Gewichtszunahme ist weniger eine Störung oder Krankheit, sondern vielmehr eine normale Reaktion normaler Menschen auf eine unnormale Situation.87 Und wenn mehr als 70 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung übergewichtig ist88, dann ist das im wahrsten Sinne des Wortesnormal.

Wer nicht arbeitet, isst trotzdem

Die herkömmliche medizinische Sicht auf Fettleibigkeit wurde vor fast hundert Jahren so zusammengefasst: »Alle fettleibigen Menschen sind in einer grundlegenden Hinsicht gleich – sie überessen sich buchstäblich.«89 Das mag theoretisch stimmen, bezieht sich aber auf den Überkonsum von Kalorien und nicht von Nahrung. Unser primitiver Drang, zu viel zu essen, ist selektiv. Niemand giert nach Salatblättern. Wir haben eine natürliche und angeborene Vorliebe für Süßes, Stärkehaltiges und Fettes, weil da die vielen Kalorien drin sind.

Als Jäger und Sammler mussten wir effizient sein. Wir mussten für unsere Nahrung hart arbeiten. Aus prähistorischer Sicht wäre es nicht besonders schlau gewesen, den ganzen Tag lang etwas zu sammeln, was weniger Kalorien enthält, als wir an einem Tag verbrauchen. Da hätten wir gleich in der Höhle bleiben können. Also entwickelten wir Appetit auf das, bei dem ordentlich Kalorien herausspringen.90

Wenn man ohne Pause auf Nahrungssuche wäre und pro Stunde ein halbes Kilo Essbares mit 250 Kalorien finden würde, hätte man in zehn Stunden seinen täglichen Bedarf zusammen. Wenn man aber etwas findet, was pro Pfund 500 Kalorien enthält, ist man schon nach fünf Stunden fertig und kann die nächsten fünf Stunden lang Höhlenwände bemalen. Also: je höher die Energiedichte, je mehr Kalorien pro Pfund, desto effektiver die Nahrungssuche. Wir haben gelernt, die Kaloriendichte eines Essens zu erkennen, und greifen instinktiv nach dem üppigsten.91

Welche Obst- und Gemüsesorten bevorzugen Vier- und Fünfjährige? Es sind die mit den meisten Kalorien. Sie nehmen lieber Bananen als Beeren und lieber Karotten als Gurken. Aber ist das nicht nur die Vorliebe für Süßes? Nein. Sie essen auch lieber Kartoffeln als Pfirsiche und lieber grüne Bohnen als Melonen.92 Auch Affen lassen Bananen liegen, wenn sie eine Avocado bekommen.93 Anscheinend zählen wir bei jedem Bissen die Kalorien.

In Studien mit Kindern testeten die Wissenschaftler nur Früchte und Gemüse in Reinform. Daher enthielten alle Lebensmittel weniger als 500 Kalorien pro Pfund, am kalorienreichsten waren die Bananen mit 400. Doch wenn dieser Kaloriengehalt weit überschritten wird, passiert etwas Merkwürdiges: Wir können nicht mehr unterscheiden, welche Nahrungsmittel die meisten Kalorien enthalten. Es ist geradezu unheimlich, wie genau wir sind, solange es sich um natürliche Nahrung handelt. Doch sobald wir uns auf das Territorium von Schokolade, Käse und Schinkenspeck begeben, die alle Tausende Kalorien pro Pfund enthalten können, stehen wir nur noch wie benommen davor. Das ist kein Wunder, denn unser prähistorisches Gehirn kannte solche Verlockungen nicht. Unser Verhalten ist widersinnig, lässt sich aber mit einer evolutionären Diskrepanz erklären94, so wie das von frisch geschlüpften Meeresschildkröten, die, statt dem Mondlicht zu folgen, zu einer künstlichen Lichtquelle und damit in ihr Verderben krabbeln, oder das der zutraulichen Dodos, die keine natürlichen Feinde hatten – und wir wissen, wie das endete.

Voller CRAP

Die Nahrungsmittelindustrie zielt auf unsere ureigenen Schwachstellen, indem sie Naturprodukte so lange verarbeitet, bis davon fast nur noch reine Kalorien übrig sind – als Zucker, Öl (also Fett) und Weißmehl (hauptsächlich raffinierte Stärke). Zuerst werden die Ballaststoffe entfernt, denn sie enthalten keine Kalorien. Wenn brauner Reis zu weißem verarbeitet wird, gehen dabei zwei Drittel seiner Ballaststoffe verloren. Wenn Vollkornmehl gemahlen wird, heißt das: 75 Prozent weniger Ballaststoffe. Natürlich kann man Naturprodukte auch an Tiere verfüttern, um Fleisch, Milchprodukte und Eier zu bekommen, dann gehen 100 Prozent der Ballaststoffe über den Jordan.95 Übrig bleibt dann nur noch CRAP (»Mist«), ein Akronym, das Jeff Novick geprägt hat, einer meiner Lieblingsernährungsspezialisten. Es steht für calorie-rich and processed foods96 – kalorienreiche, industriell verarbeitete Nahrungsmittel.

Genauso, wie aus Pflanzen suchterzeugende Drogen wie Opioide und Kokain gewonnen werden, erhält man auch Kalorien: durch Konzentration, Kristallisierung und Destillierung.97 Kalorienbomben aktivieren sogar dieselben Belohnungsmechanismen im Gehirn.98 Wenn Sie einen Esssüchtigen in den Kernspintomographen schieben und ihm das Bild eines Schoko-Milchshakes zeigen, leuchten dieselben Hirnareale auf99 wie bei Kokainsüchtigen, denen man ein Video von rauchendem Crack zeigt100, oder bei Alkoholikern, die Whiskey schnuppern.101

Die Bezeichnung Esssucht trifft es nicht ganz. Im Allgemeinen stopft niemand unkontrolliert alles Mögliche in sich hinein. Niemand leidet an Weißkohlsucht. Aber Milchshakes stecken voller Zucker und Fett – zwei Dinge, die unserem Gehirn signalisieren: hohe Kaloriendichte. Wenn Menschen die Lebensmittel nennen sollen, die sie am meisten begehren und bei denen sie sich am wenigsten im Griff haben, ist jede Menge CRAP vorn dabei – denaturierte Lebensmittel wie Donuts, ebenso Käse und Fleisch.102 Welche Lebensmittel haben am wenigsten mit problematischem Essverhalten zu tun? Obst und Gemüse. Der Grund dafür, dass niemand mitten in der Nacht von einem Brokkoli-Fressanfall aus dem Bett getrieben wird, ist also vermutlich die Kaloriendichte.

Tiere werden nicht fetter, wenn sie fressen, was die Natur für sie vorgesehen hat. Es gibt zwar einen bestätigten Bericht über wild lebende Paviane, die fettleibig wurden, aber die waren nachweislich in einer Ferienanlage auf die Müllcontainer gestoßen. Die »müllfressenden Tiere« wogen 50 Prozent mehr als ihre Artgenossen.103 Leider kann uns dasselbe Schicksal ereilen – wir werden fett, weil wir Müll essen. Millionen Jahre lang, bevor wir jagen lernten, lebten wir hauptsächlich von Blättern, Wurzeln, Trieben, Früchten und Nüssen.104 Witzigerweise geben sogar die Kreationisten zu, dass wir uns zu Beginn unserer Tage im Garten Eden von Pflanzen ernährten.105 Vielleicht wäre es hilfreich, wenn wir uns auf unsere Wurzeln besännen und auf den ganzen Mist verzichteten.

Ein toxisches Lebensmittelumfeld

Es ist schwer, gesund zu essen, wenn die Evolution dagegen hält. Egal, wie viel wir über Ernährung wissen – bei einer Salamipizza schreien unsere Steinzeitgene: Essen! Sofort!106 Jeder, der an der Macht der Urtriebe zweifelt, sollte ausprobieren, wie lange er es schafft, nicht zu blinzeln oder zu atmen. Die Entscheidung, den Atem anzuhalten, verliert schnell gegen den Drang, zu atmen. In der Medizin wird Kurzatmigkeit manchmal sogar als Lufthunger bezeichnet.

Der Kampf gegen die Wampe ist ein Kampf gegen die Biologie. Fettleibigkeit ist also kein moralisches Versagen. Ich kann nicht oft genug wiederholen, dass Übergewicht eine normale und natürliche Reaktion auf die unnormale und unnatürliche Allgegenwärtigkeit kalorienreicher, zuckriger, fetter Lebensmittel ist.

Das Kalorienmeer, in dem wir heutzutage treiben (und in dem viele von uns ertrinken), wird auch als »toxisches Lebensmittelumfeld«107 bezeichnet. Das verschiebt den Fokus vom Individuum zu den gesellschaftlichen Kräften, die hier am Werk sind, wie beispielsweise der Tatsache, dass ein durchschnittliches Kind pro Jahr mit bis zu zehntausend Lebensmittelwerbungen bombardiert wird. Oder sollte ich lieber Pseudolebensmittel sagen, da in den USA 95 Prozent der Spots für Süßigkeiten, flüssige Süßigkeiten (Softdrinks), Frühstückssüßigkeiten (Cerealien) und Fast Food werben.108

Moment mal! Wenn das Zunehmen eine natürliche Reaktion auf die jederzeit massenweise zugänglichen billigen und leckeren Kalorien ist, warum sind wir dann nicht alle fett? Nun, in gewissem Sinne sind wir es tatsächlich fast alle. Es wird geschätzt, dass über 90 Prozent aller US-amerikanischen Erwachsenen »übermäßig fett« sind, also so viel überschüssiges Körperfett haben, dass es ihre Gesundheit beeinträchtigt.109 Das kann sogar Normalgewichtige treffen (oft wegen überschüssigem Bauchfett), doch auch wenn es um die nackten Zahlen auf der Waage geht, ist Übergewicht längst die Norm. Die Normalverteilung zeigt, dass über 70 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung übergewichtig sind. Knapp ein Drittel liegt im normalgewichtigen Bereich, und mehr als ein Drittel auf der anderen Seite – so übergewichtig, dass sie fettleibig sind.110

Aber wenn es wirklich am Essen liegt, warum wird dann nicht jeder fett? Das ist, als würde man fragen: »Wenn es wirklich an den Zigaretten liegt, warum bekommen dann nicht alle Raucher Lungenkrebs?« Hier können die genetische Veranlagung und andere Faktoren ausschlaggebend sein.111 Menschen sind in unterschiedlichem Maß krebsanfällig. Das heißt aber nicht, dass Rauchen das Risiko nicht vervielfältigen würde. Dasselbe gilt für Fettleibigkeit und unser toxisches Lebensmittelumfeld. Wir können das Zünglein an der Waage beeinflussen, indem wir mit dem Rauchen aufhören und uns gesund ernähren.

Die Enkel im Mutterleib mästen

Eineiige Zwillinge haben nicht nur dieselbe DNA, sondern stammen auch aus demselben Mutterleib. Erklärt das auch ihren ähnlichen Stoffwechsel? Die Überernährung des Fötus, erkennbar am außerordentlich hohen Geburtsgewicht, scheint ein aussagekräftiger Indikator für Fettleibigkeit in der Kindheit und im späteren Leben zu sein.114 Vielleicht sollte es nicht heißen: »Du bist, was du isst«, sondern: »Du bist, was deine Mutter gegessen hat.«

Was glauben Sie, wer bestimmt das Geburtsgewicht eines Babys aus künstlicher Befruchtung: die Spendermutter, die die gesamte DNA zur Verfügung stellt, oder die Leihmutter, die das Kind austrägt? Bei der Untersuchung dieser Frage gewann die Gebärmutter. So unglaublich es klingt: Das Baby einer schlanken biologischen Mutter, das aber von einer fettleibigen Leihmutter ausgetragen wird, wird eher fettleibig als das Baby mit einer dicken biologischen und einer schlanken Leihmutter. Die Forscher schlossen daraus, dass sich »die Umgebung, die die menschliche Mutter schafft, stärker auf das Geburtsgewicht auswirkt als ihr genetischer Beitrag«.115 Die aussagekräftigsten Beweise lie- fert ein Vergleich der Fettleibigkeitsraten bei Geschwistern mit derselben Mutter, die vor und nach einem bariatrischen Eingriff (Adipositaschirurgie) geboren wurden.116 Die, die zur Welt kamen, als die Mutter noch fünfzig Kilo schwerer war, hatten mehr Entzündungen und Stoffwechselstörungen als ihre Geschwister, die nach der Operation geboren wurden. Am bedenklichsten aber ist, dass sie auch ein dreimal so hohes Fettleibigkeitsrisiko hatten: 35 zu 11 Prozent. Das Fazit der Forscher: »Diese Daten unterstreichen, wie wichtig es ist, Fettleibigkeit vorzubeugen und sie wirksam zu behandeln, um ihre Weitergabe an die nächste Generation zu vermeiden.«117

Doch Moment mal! Die Mutter hatte vor und nach der Operation dieselbe DNA. Sie gab dieselben Gene weiter. Wieso hat sich ihr Gewicht während der Schwangerschaften aufs Gewicht ihrer Kinder unterschiedlich ausgewirkt? Endlich wissen wir, welcher Mechanismus dafür verantwortlich ist: die Epigenetik.

Die Epigenetik, wörtlich zusätzliche Genetik, fügt der DNA-Sequenz eine Informationsebene hinzu, die von unserer Umwelt beeinflusst werdenkann und die wir möglicherweise weitervererben.118 Es wird davon ausgegangen, dass dies die »Entwicklungsprogrammierung«119 (oder Stoffwechselprägung120) erklärt, die im Mutterleib erfolgt, abhängig vom Gewicht der Mutter oder sogar der Großmutter. Da sich sämtliche Eizellen im Körper der Tochter schon vor ihrer Geburt bilden121, könnte das Gewicht der Mutter in der Schwangerschaft noch das Fettleibigkeitsrisiko ihrer Enkel beeinflussen.122 Sie können sich jedenfalls vorstellen, dass daraus ein generationenübergreifender Mahlstrom wird, in dem Fettleibigkeit Fettleibigkeit generiert.

Können wir ihn aufhalten? Nun, Prävention scheint der Schlüssel dafür zu sein. Wegen des epigenetischen Einflusses, den das Gewicht der Mutter in der Schwangerschaft hat, schlussfolgerte ein Fachsymposium von Kinderärzten, es sei »sicherer, eine Schwangerschaft zu planen und sowohl Gewicht als auch Stoffwechsel der Mutter vorbeugend zu optimieren, als später die Kinder wegen Fettleibigkeit zu behandeln«.123 Das ist leichter gesagt als getan. Doch übergewichtige Schwangere können sich damit trösten, dass die Mütter in der Studie, die Kinder mit einem dreimal geringeren Risiko für Fettleibigkeit zur Welt gebracht hatten, im Durchschnitt immer noch fettleibig waren.124 Das deutet darauf hin, dass beträchtliches Abnehmen auch dann hilft, wenn man das Normalgewicht noch nicht erreicht.

Wenn Sie zwei Dutzend Versuchspersonen in einen Raum sperren und sie mit exakt derselben Menge überschüssiger Kalorien füttern, werden alle zunehmen – aber manche mehr als andere. In einer hunderttägigen Studie bekamen die Testpersonen täglich sechs Tage pro Woche je 1000 Kalorien zusätzlich. Sie nahmen dabei zwischen vier und vierzehn Kilo zu. Manche Menschen sind genetisch einfach stärker veranlagt, zuzunehmen. Diese vierundzwanzig Testpersonen waren zwölf eineiige Zwillingspaare. Der Unterschied bei der Gewichtszunahme war unter den Geschwistern um ein Drittel geringer als zwischen nicht verwandten Testpersonen.112 Eine Studie zum Abnehmen durch Sport kam zu einem ähnlichen Ergebnis.113 Ja, die Gene spielen also eine Rolle, aber das bedeutet nur, dass einige mehr tun müssen als andere. Idealerweise ist die Veranlagung zuzunehmen kein Grund zu resignieren, sondern Motivation, sich besonders anzustrengen, um das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Was geschah in den 1970er Jahren?

Seit den 1970er Jahren stieg der Kaloriengehalt der US-amerikanischen Lebensmittel derartig, dass das allein schon die gesamte Fettleibigkeitsepidemie erklären würde.125 Ähnliche Kaloriensteigerungen wurden parallel zum ständig wachsenden Gewicht der jeweiligen Bevölkerung auch in anderen Industrieländern beobachtet126 und als Hauptgrund für diese Entwicklung ausgemacht.127 Im Jahr 2000 produzierten die USA nach Abzug der Exporte täglich 3900 Kalorien für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind. Das ist fast das Doppelte von dem, was viele Menschen benötigen.128

Dabei nahm die Anzahl der Kalorien bei der Lebensmittelversorgung im Lauf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst ab. Erst in den 1970er Jahren begann der Anstieg in zuvor ungekanntem Ausmaß.129 Man nimmt an, dass der Rückgang während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattfand, weil weniger körperlich gearbeitet wurde. Die Bevölkerung hatte einen geringeren Energiebedarf, also ernährte sie sich weniger energiereich. Sie brauchte all die zusätzlichen Kalorien nicht mehr. Doch dann kam es zum sogenannten Wendepunkt der Energiebilanz (dem Verhältnis der Energiezufuhr zum Energieverbrauch). Warum wurde aus dem »Beweg dich weniger und bleib schlank«, wie es die meiste Zeit im 20. Jahrhundert praktiziert wurde, plötzlich das »Iss mehr und nimm zu«, mit dem wir uns bis heute herumplagen?130 Wie kam es zu dieser Wende?

Stellen Sie sich ein Yes-Törtchen vor. Mit genug Zeit und Mühe kann jeder ehrgeizige Koch einen cremegefüllten, schokoladeummantelten Kuchenriegel selbst herstellen. Aber man kann ihn auch an jeder Ecke für weniger als einen Euro kaufen.135 Wenn wir jeden Kuchenriegel, den wir essen wollen, erst backen müssten, würden wir erheblich weniger essen.136

Und jetzt denken Sie an die gute alte Kartoffel. Wir essen schon sehr lange Kartoffeln, doch früher haben wir sie in der Regel gekocht oder gebacken. Alle, die schon einmal Pommes frites gemacht haben, wissen, wie mühsam das ist – erst schälen, dann schneiden, und dann noch das herumspritzende heiße Öl. Heute geschieht das alles mechanisiert und zentral, und die Kartoffelstifte werden tiefgekühlt auf − 40 °C zu jeder Fast-Food-Fritteuse und jeder Supermarkttiefkühlabteilung im Land gekarrt. So wurden Pommes frites zum Lieblingsgemüse der US-Amerikaner. Dass der Kartoffelkonsum in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, lässt sich fast ausschließlich auf Pommes frites und Kartoffelchips zurückführen.137

Genau so lief es bei der Zigarettenproduktion. Vor Erfindung der maschinellen Herstellung mussten Zigaretten von Hand gerollt werden. Die Zigaretten, für die fünfzig Arbeiter nötig gewesen waren, warf die Maschine in einer Minute aus. Die Preise fielen ins Bodenlose, und die Produktion erreichte Milliarden.138 Früher hatte kaum jemand Zigaretten geraucht, und plötzlich taten es alle. Lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch bei vierundfünfzig Zigaretten im Jahr, verzeichnet der Bericht des Surgeon General, der US-Gesundheitsbehörde, fürs Jahr 1964 einen Anstieg auf 4345.139 Ein durchschnittlicher US-Amerikaner rauchte nicht mehr eine Zigarette pro Woche, sondern siebzig. Das ist eine halbe Packung täglich.

Der Tabak machte vor seiner Massenvermarktung genauso süchtig wie danach. Neu war, dass man ihn plötzlich leicht und billig kriegte. Auch Pommes frites waren schon immer lecker. Doch während es sie früher selten und auch im Restaurant nicht immer gab, bekommt man sie heute mühelos überall. Vermutlich auch an der Tankstelle, im Kühlregal neben den Yes-Törtchen und den Zigaretten.

Allerdings: In den USA gibt es gefüllte Twinkies-Kuchenriegel schon seit 1930, und das US-Unternehmen Ore-Ida verkauft tiefgekühlte Pommes frites seit den 1950ern.140 Hinter dieser ganzen Story muss also noch mehr stecken als nur technische Innovation.

Tätliche Beihilfe

Der immer weiter steigende Kalorienüberschuss, mit dem sich die Fettleibigkeitsepidemie erklären lässt, hatte weniger mit der Quantität als mit der Qualität von Lebensmitteln zu tun – das heißt der Lawine an billigen, extrem kalorienreichen Fertiggerichten von minderwertiger Qualität. Daran ist die US-Bundesregierung nicht ganz unschuldig. Ohne es zu wissen, subventionierten die Steuerzahler mit Milliardenbeträgen die Zuckerindustrie, die Maisindustrie, der wir hochkonzentrierten Fruktosesirup verdanken, und die Sojaindustrie, die die Hälfte ihrer Erträge zu Pflanzenöl und die andere Hälfte zu billigem Tierfutter verarbeitet, das wiederum zu spottbilligem Fleisch für die Fast-Food-Industrie führt.141 Wann haben Sie zuletzt Sorghum gegessen? Eben. Aber warum subventionieren die US-amerikanischen Steuerzahler die Sorghum-Industrie dann mit fast einer Viertelmilliarde US-Dollar pro Jahr?142 Weil die Hirse fast ausschließlich an Tiere verfüttert wird.143 Wir haben ein System geschaffen, das die Produktion von Zucker, Öl und Tierprodukten begünstigt.144

Das erste »Farm Bill«-Agrargesetz wurde als Notfallmaßnahme in den 1930er Jahren in der Weltwirtschaftskrise erlassen, um kleine Landwirte zu schützen. Die späteren Farm Bills aber nutzte die Agrarindustrie in ihrer Klientelpolitik als Goldesel.145 Die US- und die europäische Agrarpolitik zielt darauf ab, die Kosten gewinnträchtiger Landwirtschaftsprodukte wie Zucker und von Grundnahrungsmitteln wie Fleisch, Weizen, Milchprodukten und Eiern zu senken.146 Es geht um viel Geld – und um viel Fleisch. Von 1970 bis 1994 sanken zum Beispiel die Rindfleischpreise weltweit um mehr als 60 Prozent.147 Ohne die Milliarden US-Dollar, die die US-amerikanischen Steuerzahler jährlich zum Honigtopf beitragen148, müsste die Getränkeindustrie für Maissirup mit hohem Fruchtzuckergehalt etwa 10 Prozent mehr hinlegen.149

Subventionen sind auch ein Grund dafür, warum Hühnchen so billig sind. Nach einer dieser Farm Bills wurden Mais und Soja so stark subventioniert, dass die Preise unter den Produktionskosten lagen. Dadurch bekommt die Geflügel- und Schweinefleischindustrie jedes Jahr effektiv jeweils rund 10 Milliarden US-Dollar geschenkt.150

All das verändert unser Essen. Zum Teil dank Subventionen wurden Fleisch, Süßwaren, Eier, Öl, Milchprodukte und Limonade immer billiger (bezogen auf den Lebensmittelpreisindex), während die Fettleibigkeitsepidemie immer weiter Fahrt aufnahm und sich die relativen Kosten von frischem Obst und Gemüse verdoppelten.151 Das erklärt, warum der Anteil der US-Amerikaner, die täglich fünf Portionen Obst und Gemüse essen, in derselben Zeit von 42 auf 26 Prozent fiel.152 Warum werden nicht Obst und Gemüse subventioniert? Weil sich damit nicht das große Geld machen lässt.

Rohe oder nur minimal verarbeitete Lebensmittel wie Konservenbohnen oder Tomatenmark werden von der Nahrungsmittelindustrie als Rohstoffe bezeichnet. Ihre Gewinnspanne ist so gering, dass sie manchmal als Lockangebote unter dem Herstellungspreis angeboten werden, um Kunden anzuziehen, die dann, so jedenfalls die Hoffnung, auch zu »höherwertigen« Produkten greifen.153 Am profitabelsten für Erzeuger wie auch Verkäufer sind ausgeklügelte, extrem denaturierte Kreationen, triefend vor Fett, Zucker und Salz, künstlich aromatisiert, künstlich gefärbt und mit Steuersubventionen künstlich verbilligt.

Lebensmittel sind unterschiedlich lukrativ. Beim Profit pro Quadratmeter Verkaufsfläche gehören Süßwaren wie Schokoriegel zur Spitzengruppe. Auch frittierte Snacks wie Kartoffel- und Maischips sind äußerst gewinnträchtig. PepsiCos Tochterfirma Frito-Lay brüstet sich damit, dass ihre Produkte nur etwa 1 Prozent der Supermarktverkäufe ausmachen, aber mehr als 10 Prozent der Umsatzrendite bei 40 Prozent Gewinnwachstum.154

Kein Wunder, dass das ganze System auf Müll ausgerichtet ist. Die gesteigerte Kalorienzufuhr wurde nicht nur durch mehr, sondern auch durch anderes Essen verursacht. Mehr als die Hälfte der Kalorien, die heute von den meisten US-amerikanischen Erwachsenen konsumiert werden, stammen von solchen subventionierten Lebensmitteln – und damit scheint es uns schlechter zu gehen. Die, die am meisten essen, riskieren in höherem Maß chronische Krankheiten: höhere Cholesterinwerte, mehr Entzündungen und ein stärkeres Ausschlagen der Waage.155

Wer ist denn nun der Hauptschuldige an der Fettleibigkeitsepidemie? Hier wird oft die sinnlose Entscheidungsfrage gestellt: Fett oder Zucker? Beide werden stark subventioniert, und die Produktion beider explodierte gleichzeitig mit dem Bauchumfang der Bevölkerung. Außer mit einem deutlichen Anstieg des Weißmehlkonsums ging die wachsende Fettleibigkeit mit 20 Prozent höherem Zucker- und 36 Prozent gestiegenem Fettkonsum pro Kopf einher (Letzterer meist als Öl157, vermutlich im frittierten Fast Food und industriellen Junkfood).158 Zugesetzter Zucker und Fett sind heute die Hauptkalorienquellen der US-Amerikaner.159

Unersättlich

In den 1970er Jahren gab sich die US-Regierung nicht mehr damit zufrieden, die ungesündesten Lebensmittel zu subventionieren, sondern fing an, die Unternehmen für deren Herstellung zu bezahlen. Die Farm Bills kehrten lang bestehende Produktionsbeschränkungen zum Preisschutz um und belohnten stattdessen die Hersteller für die schiere Menge ihres Ausstoßes.160 So fluteten noch mehr überschüssige Kalorien in die Supermärkte.

1981 hielt der CEO von General Electric eine Rede, die als Geburtsstunde der »Shareholder-Value-Bewegung« gilt. Dieses Konzept machte die Maximierung kurzfristiger Renditen zum vorrangigen Ziel von Unternehmen.161 Dadurch gerieten die Lebensmittelhersteller an der Wall Street unter den enormen Druck, Quartal für Quartal immer höhere Gewinne auszuweisen, um ihren Aktienkurs hochzutreiben. Der Markt war schon längst mit Kalorien überschwemmt, und jetzt mussten sie noch mehr verkaufen.

Dies bringt die Geschäftsführer von Lebensmittel- und Getränkeunternehmen in die Bredouille. Es ist ja nicht so, dass sie sich die klebrigen Hände reiben bei dem Gedanken, noch mehr Hänsels und Gretels in ihre Zuckerknusperhäuschen und damit in den Untergang zu locken. Die Lebensmittelgiganten könnten nicht einmal dann das Richtige tun, wenn sie es wollten, denn sie sind ihren Investoren verpflichtet. Wenn sie aufhören würden, Kinder zu umgarnen, oder versuchten, gesündere Produkte zu verkaufen, oder etwas ausprobierten, was ihre Quartalsergebnisse aufs Spiel setzt, würde die Wall Street fordern, dass im Management Köpfe rollen.162 Gesundes Essen ist schlecht fürs Geschäft. Das ist keine große Verschwörung, und es gibt auch keinen Schuldigen, auf den man mit dem Finger zeigen könnte. Es ist das System.

Exzesse vermarkten

Bei diesen unablässigen Forderungen nach Wachstum und schnellen Gewinnen im sowieso schon übersättigten Markt blieb der Lebensmittelindustrie nur eins: Es musste mehr gegessen werden. Wie die Tabakindustrie holte auch sie die Werbeprofis an Bord – und zwar richtig.163 Heute werden jährlich zig Millionen US-Dollar investiert, um einen einzigen Schokoriegel zu bewerben.164 Allein McDonald’s steckt jedes Jahr Milliarden in die Werbung.165 Bisher hat die Lebensmittelindustrie mehr Geld für Werbung ausgegeben als jeder andere Wirtschaftszweig in den USA.166

In der Reagan-Ära fielen die letzten Schranken: Gab es davor noch Einschränkungen bei Lebensmittelwerbung für Kinder im TV, war jetzt alles erlaubt.167 Zusätzlich zu den Zehntausenden Lebensmittel-Spots, die jährlich aus dem Fernsehen auf die Kinder einstürmen168, gibt es sie auch im Internet, in den Printmedien, in der Schule, auf dem Handy, im Kino und auch sonst überall.169 Und fast alle angepriesenen Produkte schaden der Gesundheit.170

Lebensmittelwerbung zielt nicht nur massiv auf die Jüngsten und ist allgegenwärtig171, sie wird auch immer raffinierter. Die Unternehmen beschäftigen Kinderpsychologen, die ihnen zeigen, wie man Kinder dazu bringt, ihre Eltern zu manipulieren. Schon die Verpackung ist so designt, dass sie die Aufmerksamkeit von Kindern erregt, dann räumt man sie auf Kinderaugenhöhe ins Supermarktregal.172 Kennen Sie diese Kugelkameras an der Decke? Sie hängen da nicht nur wegen der Ladendiebe. Mit Überwachungskameras und einer Art GPS am Einkaufswagen werden Strategien entwickelt, um die Kunden zu den gewinnträchtigsten Produkten zu lotsen.173 Um Impulskäufe zu fördern, greifen die Unternehmen zur Verhaltenspsychologie. Dabei kommen sogar Technologien zum Einsatz, die die Blickrichtung verfolgen.174

Die beispiellose Zunahme an Macht, Umfang und Raffinesse der Lebensmittelvermarktung seit den 1980ern geht Hand in Hand mit dem Ausbruch der Fettleibigkeitsepidemie. Seit dieser Zeit haben sich Werbemethoden wie Product-Placement, Werbung in Schulen und Event-Sponsoring von fast null zu Multimilliarden-Dollar-Industrien entwickelt. Ein anerkannter Wirtschaftswissenschaftler fasst den Stand der Dinge so zusammen: »Die zugegebenermaßen unvollständigen Daten, die wir haben, lassen nur eine überzeugende Interpretation zu: Den starken Anstieg der Fettleibigkeit haben wir dem Marketing zu verdanken.«175 Innovationen in der Herstellung und politische Hütchenspiele bescherten uns ein Lebensmittelangebot, das mit fast 4000 Kalorien pro Kopf und Tag aus allen Nähten platzt. Entscheidend aber war vermutlich das neue, manipulative Marketing, mit dem versucht wurde, uns diesen Kalorienüberschuss schmackhaft zu machen.176

Fürstlich bewirtet

Die einleitenden Worte des Berichts der National Academy of Medicine über die Gefahr der Lebensmittelwerbung lauteten: »Werbung funktioniert.«177 Ja, es gibt tatsächlich jede Menge solider randomisierter Studien, mit denen ich Ihnen beweisen könnte, wie Werbung und andere Marketingmethoden Ihr Essverhalten verändern und Sie dazu verleiten, mehr zu essen.178 Aber es reicht ja wohl zu wissen, dass die Industrie zweistellige Milliardensummen dafür ausgibt.179 Glauben Sie wirklich, dass Coca-Cola auch nur einen Cent mehr als nötig lockermachen würde, um die Leute dazu zu bringen, sein braunes Zuckerwasser zu trinken? Das ist so ähnlich wie bei meinen Medizinerkollegen, die sich von Pharmakonzernen einladen lassen und empört sind, wenn ich andeute, dass sich das auf ihre Verschreibungspraxis auswirken könnte. Glauben Sie wirklich, die Pharmaunternehmen würden ihr Geld verschenken? Wenn es nicht funktionieren würde, würden sie es nicht tun. Im Leben gibt es nichts umsonst.

Damit Sie sich eine Vorstellung davon machen können, wie perfide Werbung ist, möchte ich Ihnen ein Forschungsergebnis vorführen. Es wurde in Nature veröffentlicht, einer der weltweit renommiertesten wissenschaftlichen Fachzeitschriften180. Er trug den Titel »Musik beeinflusst die Produktwahl« und berichtete von einem Experiment, bei dem in der Weinabteilung eines Lebensmittelladens entweder französische Akkordeon- oder deutsche Blasmusik gespielt wurde.181