Hungern als Prophylaxe für ein langes Leben? - Bernd Herberth Schelker - E-Book

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Bernd Herberth Schelker

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Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Gesundheit - Ernährungswissenschaft, Note: 1,0, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Institut für Anthropologie), Veranstaltung: Anthropologie, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Idee der Nahrungsrestriktion unterliegt die Grundannahme, dass Nahrungsmangel für Organismen im Prinzip gesünder ist als Nahrungsüberschuss. Denn während der Evolution waren alle Organismen überwiegend mit dem Problem des Nahrungsmangels konfrontiert, wodurch sie zu dessen Bewältigung bestimmte Adaptationen erlangten. Von dieser Annahme ausgehend ist das zentrale Anliegen dieser Magisterarbeit die Beantwortung der Frage, auf welche Art die Nahrungsrestriktion (NR) als Präventionsmaßnahme die Alterungsprozesse des Menschen positiv beeinflusst und ob sie seine Lebensspanne nachweislich erhöhen kann. Zur Erlangung dieses Ziels wird untersucht, welche Effekte die Nahrungsrestriktion auf nahrungssensible Signalwege, physiologische Parameter und molekulare Alterungsprozesse bei Modellorganismen, Rhesusaffen und Menschen hat. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen wird dann eingegrenzt, wie groß der Einfluss der Nahrungsrestriktion auf die Lebensspanne des Menschen ist.

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Inhaltsverzeichnis

 

1. Einleitung

2. Alterung und ernährungsbedingte Krankheiten

2.1 Evolutionäre Theorien des Alterns

2.2 Molekulare Alterungsprozesse

2.3 Krankheit und Altern

2.4 Ernährung und Typ-2-Diabetes

3. Kalorien- und Nahrungsrestriktion

3.1 Lebenserwartung und maximale Lebensspanne

3.2 Physiologische Wirkungen der Nahrungsrestriktion

3.2.1 S. cerevisiae

3.2.2 C. elegans

3.2.3 D. melanogaster

3.2.4 Nagetiere

3.2.5 Rhesusaffen

3.2.6 Mensch

3.3 Vergleichende Analyse von Meta-Studien und NR-Analoga

3.3.1 Speziesübergreifende Meta-Analysen

3.3.2 NR-analoge Bedingungen; Einwohner Okinawas

4. Molekulare Mechanismen der Nahrungsrestriktion

4.1 Evolutionär konservierte Signalstoffe und Signalwege

4.2 Funktion von Insulin bei Mensch und Modellorganismen

4.3 Molekularer Ablauf der nahrungssensitiven Signalkaskade

4.4 Effekte der TOR-Hemmung

4.4.1 TOR und Proteinsynthese

4.4.2 TOR und Autophagie

4.5 Effekte der FOXO-Aktivierung

5. Potential der Nahrungsrestriktion aus evolutionärer Sicht

5.1 Lebenszyklusstrategien: Verteilung der Ressourcen

5.2 Anpassungen an extreme Umweltbedingungen

5.3 Insulinsignalweg als Multitool

5.4 Anpassungen des Menschen, Thrifty Geno-/Phenotype

5.5 Einfluss von Hungerperioden

5.6 Übertragbarkeit von Studien an Modellorganismen

6. Zusammenfassung der Ergebnisse und Resümee

6.1 Aus Kapitel 2: Alterung und ernährungsbedingte Krankheiten

6.2 Aus Kapitel 3: Kalorien- und Nahrungsrestriktion

6.3 Aus Kapitel 4: Molekulare Mechanismen der Nahrungsrestriktion

6.4 Aus Kapitel 5: Potential der Nahrungsrestriktion aus evolutionärer Sicht

6.5 Resümee

7. Diskussion und Aussicht

7.1 Das Insulin-Paradox

7.2 Problem BMI: Übergewicht oder Nahrungsrestriktion?

7.3 Nahrungsrestriktion als Ernährungsrichtlinie

8. Literaturverzeichnis

9. Abbildungsverzeichnis

10. Tabellenverzeichnis

11. Abkürzungsverzeichnis

12. Eidesstattliche Erklärung

 

1. Einleitung

Der Idee der Nahrungsrestriktion unterliegt die Grundannahme, dass Nahrungs-mangel für Organismen im Prinzip gesünder ist als Nahrungsüberschuss. Denn während der Evolution waren alle Organismen überwiegend mit dem Problem des Nahrungsmangels konfrontiert, wodurch sie zu dessen Bewältigung bestimmte Adaptationen erlangten.

Von dieser Annahme ausgehend ist das zentrale Anliegen dieser Magisterarbeit die Beantwortung der Frage, auf welche Art die Nahrungsrestriktion (NR) als Präven-tionsmaßnahme die Alterungsprozesse des Menschen positiv beeinflusst und ob sie seine Lebensspanne nachweislich erhöhen kann. Zur Erlangung dieses Ziels wird untersucht, welche Effekte die Nahrungsrestriktion auf nahrungssensible Signalwege, physiologische Parameter und molekulare Alterungsprozesse bei Modellorganismen, Rhesusaffen und Menschen hat. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen wird dann eingegrenzt, wie groß der Einfluss der Nahrungsrestriktion auf die Lebensspanne des Menschen ist.

Die dazu vorgenommene Untersuchung besteht aus der Verknüpfung der Erkenntnisse aus Gebieten der Evolution und Physiologie und ihrer molekularen und zellulären Mechanismen.

Im 2. Kapitel werden dazu zunächst die molekularen Mechanismen der Alterung und ihr Zusammenhang mit alters- und ernährungsbedingten Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Arteriosklerose vorgestellt. Damit wird der gegenwärtige, über-wiegend in Industriestaaten bestehende Gesundheitszustand und mögliche Ansatzstellen für die Nahrungsrestriktion als potentielle Präventionsmaßnahme aufgezeigt.

Im 3. Kapitel werden Ergebnisse aus Einzelstudien und Meta-Analysen (Laborstudien) sowie Erkenntnisse aus der Forschung zu Menschen die unter NR-analogen Bedingungen leben (Langzeitstudie: The Okinawan diet), hinsichtlich der Auswirkungen der NR auf Physiologie, Gesundheit, Pathologie, Alterung und Lebensspanne von Modellorganismen wie Hefen, Nematoden, Fliegen und Nagetiere sowie von Rhesusaffen und Menschen vorgestellt und verglichen. Diese Vergleiche sollen dabei helfen einzuschätzen, welches Ausmaß eine NR auf die Gesundheit und Lebensspanne des Menschen haben kann.

Im 4. Kapitel werden die bei Modellorganismen, Rhesusaffen und Menschen durch eine NR aktivierten Signalstoffe und Signalwege beschrieben und miteinander verglichen. Am Beispiel der Säugetiere wird der molekulare Ablauf der Signalkaskade und ihrer Implikationen für die Alterung anhand des nahrungs-sensiblen Insulin/IGF-1-Signalwegs (IIS) und seiner Ziele wie TOR (target of rapamycin) und FOXO (forkheat box O) detailliert geschildert. Damit wird der Einfluss der nahrungssensiblen Signalwege auf die molekularen und physiologischen Mechanismen der Alterung ersichtlich.

Im 5. Kapitel werden Hypothesen erörtert, welche die evolutionäre Entstehung der Nahrungssignalwege mithilfe von Hungerperioden, der Ressourcenverteilung (resource allocation) und Lebenszyklusstrategien (life history strategies) begründen. Diese Analyse soll zusätzlich klären, ob die bei unterschiedlichen Spezies unter NR beobachteten physiologischen Effekte, auf molekular gleichen Strukturen und Funktionen basieren. Denn erst wenn dies zutrifft, können die bei Tieren beobachteten Auswirkungen einer Nahrungsrestriktion auf die Lebensspanne evidenzbasiert auf das Ausmaß einer NR auf die Lebensspanne beim Menschen übertragen werden. Die Untersuchung der molekularen Mechanismen und evolutionären Faktoren stellt somit eine Absicherung für die Einschätzung dar, welches Potential eine NR für die Gesundheit hat und letztlich welcher prozentuale Anstieg für die Lebensspanne des Menschen zu erwarten ist.

Die Resultate aus diesem Gesamtkomplex werden im 6. Kapitel zusammengefasst und es wird ein Resümee für die Beantwortung der Ausgangsfrage, ob die Nahrungsrestriktion die Lebensspanne des Menschen erhöhen kann, gezogen. Abschließend werden im 7. Kapitel Probleme wie das Insulin-Paradox und Aussichten der Nahrungsrestriktion als Präventionsmaßnahme diskutiert.

2. Alterung und ernährungsbedingte Krankheiten

 

Im Folgenden werden zunächst evolutionäre Theorien und molekulare Mechanismen der Alterung vorgestellt. Damit wird die Grundlage geschaffen, um im weiteren Verlauf zu veranschaulichen, welche Zusammenhänge zwischen primären zellulären Alterungsmechanismen und alterungs- und ernährungsbedingten Krank-heiten bestehen. Abschließend wird eine Überleitung zu den gegenwärtigen Gesundheitsproblemen der einkommensstarken Länder vorgenommen.

 

2.1 Evolutionäre Theorien des Alterns

 

Das biologische Phänomen der Alterung ist ein nach wie vor nicht vollständig verstandenes Problem der biologischen Wissenschaften. Schon 1957 deutete Georg C. Williams auf ein scheinbares Paradox hin: „Es ist wirklich verwunderlich, dass – nachdem das Wunderwerk der Embryogenese vollbracht ist – ein komplexes Metazoon an der viel simpler erscheinenden Aufgabe scheitert, einfach das zu erhalten, was schon geschaffen ist.“ (Williams 1957). Für den Menschen bedeutet dies, dass im ersten Schritt aus der Zusammenkunft einer Ei- und Samenzelle ein funktionsfähiger Körper mit der riesigen Anzahl von ca. 3,72x1013 Zellen entsteht (Bianconi et al. 2013), welche Organe, verschiedene Gewebetypen, viele verschiedene Proteine und selbst eine große Anzahl an Schutz-, Instandhaltungs-, und Reparaturmechanismen bilden, der Organismus diesen erst so aufwendig aufgebauten Körper im zweiten Schritt dann aber einfach nicht mehr instand halten kann. Aus Sicht der Physik besteht die Entwicklung von Organismen darin, Ordnung zu erhalten, indem sie Energie durch Nahrung aufnehmen und somit Entropie „exportieren“[1]. Warum die unterschiedlichen Spezies verschieden lange Lebens-spannen besitzen, könnte man dann mit deren unterschiedlichen Fähigkeit „Ordnung zu halten“ erklären.

 

Tatsächlich unterliegen bis auf wenige Ausnahmen alle Organismen Alterungsprozessen und sterben nach einer für sie biologisch mehr oder weniger festgelegten Zeit[2].

 

Um den Vorgang der Alterung zu erklären, existieren Schadenstheorien wie z. B. die Rate-of-living-Theory (Pearl 1928), die Theorie der freien Radikale (Harman 1956) und die Telomer-Hypothese (Hayflick, Moorhead 1961) sowie einige Theorien, die den Vorgang in einen evolutionären Zusammenhang stellen (Rensing, Rippe 2014, S. 17). Infolge Raymond Pearls Rate-of-Living-Theory (1928) wurde z. B. noch lange ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Stoffwechsel und der lebens-verlängernden Wirkung einer geringeren Nahrungsaufnahme vermutet. Die Metabolismusrate einer ad libitum gefütterten Maus ist zwar tatsächlich höher als die einer hungernden Maus, doch konnte McCarter et al. (1985) nachweisen, dass der Umsatz pro Gramm Körpergewicht sich bei Tieren mit reduzierter Kalorienaufnahme nicht reduzierte, sondern sich sogar häufig erhöhte (Kirkwood, 2000, S. 208). Brzek et al. (2012) haben schließlich ermitteln können, dass die initiale Metabolismusrate für die späteren Auswirkungen auf eine Nahrungs-restriktion entscheidend ist. So reagierten z. B. Mäuse stärker auf eine Nahrungsrestriktion, wenn ihre Umsatzrate bei Beginn der Fastenphase höher lag. Des Weiteren fanden sie keinen Zusammenhang zwischen der Höhe der Metabolismusrate und der Anfälligkeit oder dem Schutz vor oxidativem Stress. Nach Kirkwood ist nicht der Grundumsatz, sondern der Anteil der für Wartung und Instandhaltung des Körpers aufgewendete Energiebetrag maßgeblich, denn kleine Vögel hätten zwar einen höheren Umsatz wie manche kleine Säuger, würden aber in der Regel länger leben als diese (Kirkwood 2000, S. 207).

 

Evolutionäre Theorien der Alterung versuchen Entwicklungs- und Alterungsprozesse sowie die speziesspezifische Verteilung der Alterungsraten im Zusammenspiel mit Prozessen der Mutation und Selektion zu erklären (Ljubuncic, Reznick 2009). Eine der ersten biologischen Theorien, die den Vorgang des Alterns erklärte, wurde von August Weismann aufgestellt. Ihm zufolge sollte das Älterwerden von Organismen eine altruistische evolutionäre Anpassung darstellen, um zu verhindern, dass die Nachkommen mit ihren Eltern um knappe Ressourcen konkurrieren (Weismann 1892). Der von Weismann implizierte Mechanismus der Gruppenselektion war jedoch durch den von Williams entstandenen und Dawkins weiter verbreiteten Gedanken des Gen-Egoismus nicht mehr haltbar. Von Peter B. Medawar und William D. Hamilton wurde deshalb angenommen, dass die mit fortschreitendem Alter einsetzende Seneszenz aus der postreproduktiven Abnahme darwin’scher Selektionskräfte resultiere. Medawars Idee, dass es mit zunehmendem Alter zu einer Akkumulation von Mutationen kommt, welche durch die natürliche Selektion nicht zu verhindern ist (weil postreproduktiv), entwickelte Hamilton weiter zu seiner Theorie der antagonistischen Pleiotropie. Diese besagt, dass sich Gene in der Population ausbreiten, wenn sie sich in präreproduktiven Phasen noch positiv auf Wachstum und Reproduktion auswirken, aber erst in fortgeschrittenem Alter nachteilige Effekte auf die Lebensdauer haben. Und da nur wenige Individuen ein hohes Alter erreichen und sich in höherem Alter seltener fortpflanzen, können Gene, die erst in höherem Alter schädlich sind, nicht ausselektiert werden und akkumulieren schließlich in der Population[3] (Fabian, Flatt 2011).

 

Speziesspezifische intrinsische Alterungsprozesse spiegeln deshalb direkt ihre extrinsische Mortalität wieder. Die intrinsischen Prozesse sind aber das Ergebnis einer Anpassung an spezifische extrinsische Faktoren wie Nahrungsverfügung, Fressfeinde, Prädatoren, Krankheiten etc., welche durch eine Optimierung der Verteilung begrenzter Ressourcen vorgenommen wird. Auf diesen Vorstellungen aufbauend entwickelte Kirkwood die Disposable-Soma-Theory. Diese besagt, dass Zellen prinzipiell zwar beliebig exakt arbeiten können (Bsp.: Hydra, Keimbahn), aufgrund von begrenzten Ressourcen aber eine Aufteilung der vorhandenen Energie in Keim- oder Somabahn vorgenommen wird. Da der einzige biologische Imperativ das Überleben der Gene ist, lohnt es nicht in die Erhaltung des Körpers zu investieren, wenn dieser sowieso früher oder später durch Unfälle, Krankheiten oder Predatoren getötet werden kann (Kirkwood 1977). Kirkwood und Holliday griffen dann auf die Mutations-Akkumulations-Theorie und die Theorie der antagonistisch pleiotropen Gene zurück und zeigten, dass die Energieverteilung dazu führt, dass in der Keimbahn aufgrund mehr Energieressourcen wiederum mehr Energie für Reparatur- und Instand-haltungsmechanismen verwendet wird und es so zu einer geringeren Ansammlung von Schäden gegenüber der Somabahn kommt. Dadurch beschränkt sich der größte Teil der angesammelten Schäden auf die Körperzellen der Eltern, während die Nachkommen mit relativ fehlerfreiem Genmaterial aufwachsen (Kirkwood, Holliday 1979). Damit verbindet die Disposable-Soma-Theory mechanistische und evolutionäre Theorien der Alterung und legt dar, dass Alterung nicht programmiert, sondern ein „…genetisches Pseudo-Programm, ein Schatten des Entwicklungs-Wachstums“ ist (Blagosklonny 2013). Der mit der Entstehung der Metazoa evolvierte Mechanismus der Ressourcenverteilung in Keim- und Somabahn ist ein während der Evolution festgelegtes Programm, das innerhalb eines Individuallebens nicht verändert werden kann. Damit Individuen aber flexibler auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren können, existieren viele weitere Mechanismen, welche z. B. die Anzahl an Nachkommen und die Langlebigkeit auf die zur Verfügung stehende Nahrungsenergie abstimmen. Die Entstehung, Bedeutung und molekularen Mechanismen der Ressourcenverteilung sind für die vorliegende Arbeit von zentraler Bedeutung und werden in Kapitel 4 und Kapitel 5 ausführlicher behandelt.

 

2.2 Molekulare Alterungsprozesse

 

Seitens der Biogerontologie wird die Alterung heute definiert als eine mit dem Alter fortschreitende Degeneration der intrinsischen physiologischen Funktionen, die zu einer Erhöhung der altersspezifischen Mortalitätsrate und einer Abnahme der altersspezifischen Reproduktionsrate führen (Flatt 2012). Unter Seneszenz kann spezifisch die Abnahme der physiologischen Funktionalität und unter Senilität der Komplex der pathologischen Entwicklungsprozesse von altersbedingten Krankheiten verstanden werden (Monaco, Silveira 2009). Im Zusammenhang mit dem Zellzyklus spricht man zusätzlich von Zell-Seneszenz, wenn man Zellen bezeichnet, die sich in einem Zellzyklus-Arrest befinden (Campisi et al. 2007).

 

Der menschliche Körper besteht aus 3,72 x 1013 Zellen (Bianconi et al. 2013) und durchläuft während seines Lebens ca. 1016 Zellteilungen (Alberts et al. 1994). Multipliziert man die Gesamtzahl der Körperzellen mit der Anzahl der durch-schnittlich in einer Zelle enthaltenen Proteine[4], Lipide und Mitochondrien[5], liegt die Vermutung nahe, dass Prozesse zur Erhaltung der DNA und anderer Zellbestandteile von hoher Relevanz für die Erhaltung der Zellen und letztlich des gesamten Organismus sind. Dementsprechend werden als wichtigste zentrale Ursachen der Alterung die oxidative Schädigung von DNA, Proteinen, Lipiden und Mitochondrien, die Telomerverkürzung sowie Gendefekte an DNA-Reparaturmechanismen an-gesehen (Rensing, Rippe 2014, S. 47).

 

 

Abb. 1: Die funktionale Verbindung der Hauptfaktoren der Alterung (López-Otín et al. 2013).

 

Diese integriert in einen Gesamtkomplex ergeben nach López-Otín et al. (2013) neun Faktoren[6], die sich miteinander verknüpft hierarchisch in drei Kategorien einteilen lassen (siehe Abb. 1):

 

a. Die Hauptverursacher von Zellschäden

 

Genominstabilität (Genomic instability), Telomerverkürzung (Telomere attrition), epigenetische Veränderungen (Epigenetic alterations) und der Verlust der Protein-Beständigkeit (Loss of proteostasis) sind die primären Hauptverursacher von Zellschäden. Zur Genominstabilität zählt man die lebenslange Akkumulation von genetischen Schäden. Diese werden ausgelöst durch exogene physikalische, chemische und biologische Noxen sowie durch endogene Verursacher wie DNA-Replikations- und Reparaturfehler, hydrolytische und oxidative Schädigungen (López-Otín et al. 2013). Bezüglich der Frage zu welchem Anteil freie Radikale Alterungsprozesse beeinflussen und ob sie überhaupt negativ oder positiv auf diese wirken, bestehen innerhalb der mitochondrialen Theorie der freien Radikale (Mitochondrialfree radical theory of aging, MFRTA) einige Kontroversen (Schiavi, Ventura 2014). Während z. B. viele Studien nachweisen konnten, dass die Überexpression von antioxidativ wirkenden Enzymen die Lebensspanne der betroffenen Organismen verlängerte, bestand in anderen Studien eine positive Korrelation zwischen höherem oxidativem Stress und einer längeren Lebens-spanne[7]. Von Relevanz für die vorliegende Arbeit und ein Pro-Argument für die MFRTA ist, dass die Nahrungsrestriktion zu erhöhter Langlebigkeit führt, indem sie oxidativen Stress durch die Aktivierung der Superoxid-Dismutase (SOD) reduziert (Qiu et al. 2010). Zentrale kontrovers diskutierte Zweifel an der MFRTA nach Schiavi, Ventura (2014):

 

1. Es besteht eine fehlende Korrelation zwischen der ROS-Intensität und der Langlebigkeit bei einigen Spezies (Chen et al. 2007).

 

2. Antioxidantien lassen in Einzelfällen in verschiedenen Spezies von C. elegans bis hin zum Menschen schädliche Effekte erkennen (Ernst et al. 2013).

 

3. Die Deletion von antioxidativ wirkenden Enzymen zusammen mit der Verabreichung von Oxidantien führte nicht zu einer Verkürzung der Lebensspanne, sondern sogar zu lebensverlängernden Effekten (Schmeisser et al. 2013).

 

4. Die Reduzierung der Mitochondrientätigkeit besaß in einigen Fällen lebens-verlängernde Effekte (Copeland et al. 2009).

 

5. Nicht-toxische ROS-Mengen aktivierten protektive, interzelluläre Mechanis-men wie z. B. die Autophagie und verlängerten so die Lebensspanne (Ferraro et al. 2014).

 

 

Abb. 2: Korrelation zwischen Lebensspanne und mitochondrialen Schäden, ROS und Autophagie (Schiavi, Ventura 2014).