I Was Born for This  (deutsche Ausgabe) - Alice Oseman - E-Book
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I Was Born for This (deutsche Ausgabe) E-Book

Alice Oseman

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Beschreibung

Sie werden wissen, wer ich bin. Und dann bin ich etwas wert. Angel Rahimi ist ein Fangirl. Sie lebt eigentlich nur für The Ark – ein Pop-Rock-Trio, das seit ein paar Jahren die Musikwelt im Sturm erobert hat. Als The Ark endlich ein Konzert in London geben, ist Angel zu einem persönlichen Meet and Greet mit Jimmy, Rowan und Lister eingeladen. Aber dabei läuft einiges aus dem Ruder und Angel findet sich plötzlich in einem Toilettenraum wieder – zusammen mit Jimmy … Heartstopper-Autorin Alice Oseman schreibt es direkt ins Herz ihrer Leser*Innen: Egal, woran du glaubst, glaube vor allem and dich selbst. Eine humorvolle, weise und herzzerreißend ehrliche Geschichte über Selbstfindung,Vielfalt,Liebe und dasGlück, ein Fan zu sein. Graphic Novels aus dem Heartstopper-Universum: Heartstopper Volume 1 Heartstopper Volume 2 Heartstopper Volume 3 Heartstopper Volume 4 Heartstopper Volume 5 - erscheint im Dezember 2023 Heartstopper Volume 6 - folgt Romane aus dem Heartstopper-Universum: Nick & Charlie This Winter Weitere Jugendbuchromane von Alice Oseman bei Loewe: Loveless Nothing Left for Us (die deutsche Übersetzung von Radio Silence) Solitaire I was Born for This

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Seitenzahl: 442

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Inhalt

Montag

Angel Rahimi – »Ich glaub’s ja …

Jimmy Kaga-Ricci – »Aufwachen, Jimjam.« Rowan …

Angel Rahimi – Seitdem Juliet verkündet …

Jimmy Kaga-Ricci – »Ich stehe hier …

Angel Rahimi – Es ist zwei …

Jimmy Kaga-Ricci – Jemand hat mir …

Dienstag

Angel Rahimi – Um 11.14 stehe …

Jimmy Kaga-Ricci – Bitte, Gott, lass …

Angel Rahimi – »Und sie geben …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich habe schon …

Angel Rahimi – Glücklicherweise ist heute …

Jimmy Kaga-Ricci – Das Licht in …

Angel Rahimi – In dem Moment, …

Jimmy Kaga-Ricci – »Mein Jim-Bob! Was …

Mittwoch

Angel Rahimi – Es gibt nichts, …

Jimmy Kaga-Ricci – »Meine Freundin wurde …

Angel Rahimi – Also, das Neueste, …

Jimmy Kaga-Ricci – Üblicherweise haben wir …

Angel Rahimi – Ich bin schon …

Jimmy Kaga-Ricci – »Hey, Jimmy, alles …

Angel Rahimi – Juliet blickt durch …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich sollte vermutlich …

Donnerstag

Angel Rahimi – Heute werde ich …

Jimmy Kaga-Ricci – »Lister«, sagt Rowan …

Angel Rahimi – Es fühlte sich …

Jimmy Kaga-Ricci – Der Ablauf vor …

Angel Rahimi – »Ich sterbe«, sage …

Jimmy Kaga-Ricci – »Es gibt Absperrungen …

Angel Rahimi – Sie sind so …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich verliere schnell …

Angel Rahimi – Es sind noch …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich habe mein …

Angel Rahimi – Ich werde von …

Jimmy Kaga-Ricci – Sie sind überall …

Angel Rahimi – Ich mache mir …

Jimmy Kaga-Ricci – »Komm mir nicht …

Angel Rahimi – »Bitte nicht«, sagt …

Jimmy Kaga-Ricci – »Was soll ich …

Angel Rahimi – Er versucht, ganz …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich werde jetzt …

Angel Rahimi – Das Konzert findet …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich bin mir …

Angel Rahimi – Sie kommen aus …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich dachte, etwas …

Freitag

Angel Rahimi – Ich bin davon …

Jimmy Kaga-Ricci – Ich hätte wahrscheinlich …

Angel Rahimi – Ich ziehe mich …

Jimmy Kaga-Ricci – »Kannst du für …

Angel Rahimi – Eine merkwürdige Sache, …

Jimmy Kaga-Ricci – Jimmy Kaga-Ricci @jimmykagaricci

Angel Rahimi – angel @jimmysangels

Jimmy Kaga-Ricci – Jimmy Kaga-Ricci @jimmykagaricci

Angel Rahimi – Ich blicke von …

Jimmy Kaga-Ricci – Sie erscheint in …

Angel Rahimi – Irgendwie bin ich …

Jimmy Kaga-Ricci – »Mann, wie weit …

Angel Rahimi – Ich bin am …

Jimmy Kaga-Ricci – Großvater hat natürlich …

Samstag

Angel Rahimi – Alles ist Chaos. …

Jimmy Kaga-Ricci – »W-was?« Mein ganzer …

Angel Rahimi – Rowan hasst also …

Jimmy Kaga-Ricci – Großvater stellt im …

Angel Rahimi – Das warme Lächeln …

Jimmy Kaga-Ricci – »Was … wieso …

Angel Rahimi – Es ist fast …

Jimmy Kaga-Ricci – Es ist mitten …

Angel Rahimi – Ich bin zwar …

Jimmy Kaga-Ricci – Rowan hat mein …

Angel Rahimi – Es ist früher …

Jimmy Kaga-Ricci – Es ist meine …

Angel Rahimi – Ich weiß nicht, …

Jimmy Kaga-Ricci – Selbst ohne Taschenlampe …

Angel Rahimi – Jimmy erstarrt, offenbar …

Jimmy Kaga-Ricci – Listers Haut ist …

Sonntag

Angel Rahimi – »Hier, ich habe …

Jimmy Kaga-Ricci – angel @jimmysangels

Danksagung

»Kinder sagen, dass Leute manchmal gehängt werden, weil sie die Wahrheit sagen.«

Montag

»Als ich dreizehn Jahre alt war, hörte ich eine Stimme von Gott.«

Johanna von Orléans

ANGEL RAHIMI

»Ich glaub’s ja nicht. Ich sterbe«, sage ich und lege mir die Hand aufs Herz. »Du bist echt.«

Juliet, die gerade meiner Umarmung entkommen ist, grinst so dermaßen über beide Ohren, dass es aussieht, als würde ihr Gesicht zerreißen.

»Du auch«, sagt sie und zeigt mit dem Finger auf meinen Körper. »Das ist so komisch. Aber cool.«

Theoretisch sollte dies nicht komisch sein. Ich chatte seit zwei Jahren mit Juliet Schwarz. Online, aber Online-Freundschaften sind heutzutage nicht mehr so viel anders als echte, und Juliet weiß mehr von mir als meine engsten Freunde in der Schule.

»Du bist aus Fleisch und Blut«, sage ich. »Nicht nur Pixel auf dem Bildschirm.«

Ich weiß fast alles über Juliet. Ich weiß, dass sie nie vor zwei Uhr morgens schlafen geht, dass sie am liebsten Aus-Feinden-werden-Lover-Fanfic liest und heimlich ein Fan von Ariana Grande ist. Wenn sie erwachsen ist, wird sie eine von diesen Wein trinkenden Frauen sein, die alle Leute »Darling« nennen und dich auf eine Art anschauen, dass du dich fürchtest. Auch das weiß ich. Aber ich bin nicht vorbereitet auf ihre Stimme (tiefer und vornehmer als sie auf Skype klingt) und auf ihr Haar (es ist wirklich genauso rot, wie sie immer gesagt hat, auch wenn es auf dem Bildschirm braun aussieht) und ihre Größe. Sie ist einen ganzen Kopf kleiner als ich. Ich meine, ich bin 1,85 m groß, insofern hätte ich das vermutlich ahnen können.

Juliet glättet ihren Pony, ich rücke mein Kopftuch zurecht, und wir machen uns auf den Weg aus St.Pancras raus. Wir sind einen Moment lang still, und ich kriege plötzlich einen Nervositätsflash, was ein bisschen irrational ist, denn Juliet und ich sind sozusagen Seelenverwandte, zwei Wesen, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz in den Tiefen des Internets gefunden haben und die sofort ein Duo waren.

Sie ist die scharfsinnige Romantikerin. Ich bin eher die mit den eigenwilligen Theorien. Verschwörungstheoretikerin. Und wir beide leben für The Ark, die beste Band seit Menschengedenken.

»Du musst mir sagen, wo wir lang müssen«, sage ich. »Ich habe überhaupt keinen Orientierungssinn. Manchmal verlaufe ich mich auf dem Weg zur Schule.«

Juliet lacht. Auch das ist ein neuer Klang. Ihr Lachen ist klarer als über Skype. »Na ja, du besuchst ja auch mich, also gehe ich schon davon aus, dass ich für den Weg zuständig bin.«

»Stimmt auch wieder.« Ich stöhne übertrieben. »Ich bin mir sicher, dass dies die beste Woche meines Lebens wird.«

»Oh mein Gott, genau, oder? Ich zähle die Tage runter.« Juliet holt ihr Handy raus, klickt den Bildschirm an und zeigt mir einen Countdown-Timer: noch 3Tage.

Ich fange an, draufloszuquatschen. »Ich bin total irgendwie am Ausflippen. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Ich weiß noch nicht mal, was ich sagen soll.«

Juliet plättet ihren Pony wieder, hakt sich bei mir unter und steuert mich Richtung Ausgang. Es gibt mir das Gefühl, dass sie genau weiß, was sie tut. »Keine Sorge, wir haben noch heute, morgen und übermorgen, um einen Plan auszuarbeiten. Ich mache eine Liste.«

»Oh Mann, echt ja?«

Keine von uns kennt Leute, die The Ark toll finden, aber das ist uns egal, weil wir haben ja einander. Früher hab ich immer versucht, mit den Leuten über The Ark zu reden – mit meinen Schulfreunden, meinen Eltern, meinem älteren Bruder –, aber niemanden interessierte das. Die meisten fanden mich nur irgendwie anstrengend, denn wenn ich einmal anfange, über The Ark oder überhaupt irgendwas zu reden, fällt es mir schwer, wieder aufzuhören.

Bis auf Juliet. Wir können Stunden über The Ark quatschen, und keine von uns ist genervt oder gelangweilt von der anderen.

Und dies ist das erste Mal, dass wir uns treffen.

Wir verlassen den Bahnhof und treten nach draußen. Es regnet in Strömen. Unglaublich viele Leute. Ich bin noch nie in London gewesen.

»Dieser Regen ist so schrecklich«, sagt Juliet und kräuselt die Nase. Sie zieht ihren Arm unter meinem hervor, um einen Regenschirm aufzuspannen, einen von diesen ausgefallenen Plastikdingern.

»Stimmt«, sage ich, aber das ist gelogen, denn mir macht Regen eigentlich nichts. Auch nicht so ein komischer Augustregen wie jetzt.

Juliet geht ohne mich weiter. Ich stehe einfach nur da, eine Hand unter den Träger meines Rucksacks gehakt, die andere in meiner Jackentasche. Vor dem Bahnhof stehen Leute und rauchen. Ich atme es ein. Ich mag Zigarettengeruch. Ist das schlimm?

Diese Woche wird die beste meines Lebens.

Denn ich werde The Ark treffen.

Und sie werden wissen, wer ich bin.

Und dann bin ich etwas wert.

»Angel?« Juliet ruft mich aus ein paar Metern Entfernung. »Alles okay?«

Ich drehe mich verwirrt zu ihr um, aber dann verstehe ich, dass sie meinen Online-Namen gerufen hat statt meines echten. Ich heiße Fereshteh. Seitdem ich dreizehn bin, benutze ich online Angel. Damals dachte ich, dass es cool klingt, und nein, ich habe mich nicht nach einer Figur aus Buffy the Vampire Slayer benannt. Fereshteh bedeutet Angel auf Farsi.

Ich liebe meinen Namen, aber Angel fühlt sich jetzt wie ein Teil von mir an. Ich bin nur nicht daran gewöhnt, das im echten Leben zu hören.

Ich strecke meinen Arm aus, grinse und sage: »Kumpel, ich lebe.«

Trotz unserer Nervosität beim ersten Treffen stellt sich raus, dass wir in der Wirklichkeit nicht viel anders sind als online. Juliet ist immer noch die coole, ruhige, gefasste Person, und ich bin immer noch der lauteste, nervigste Mensch der Welt, und wir reden den ganzen Weg bis zur U-Bahn darüber, wie aufgeregt wir sind, The Ark zu treffen.

»Meine Mum ist ausgeflippt«, erzähle ich ihr, als wir in der U-Bahn sitzen. »Sie weiß, dass ich ‚The Ark’ liebe, aber sie wollte es einfach verbieten, als ich ihr gesagt hab, dass ich hierhin fahre.«

»Was? Wieso?«

»Na ja, … ich verpasse deswegen meine Schulverabschiedungsfeier.«

Es ist noch ein bisschen komplizierter, aber ich will Juliet nicht mit Details langweilen. Ich habe letzte Woche meine Abiturergebnisse bekommen und bin ganz knapp am unteren Ende meiner ohnehin schon schlechten Noten entlanggeschrappt, die ich brauche, um auf meine Wunsch-Uni zu kommen. Mum und Dad haben mir natürlich gratuliert, aber ich weiß, dass sie ziemlich genervt sind, dass ich’s nicht besser hingekriegt habe. So wie mein älterer Bruder Rostam, der in jeder seiner Prüfungen mindestens eine Eins gemacht hat.

Und dann hatte Mum doch tatsächlich den Nerv, mir vorzuschreiben, an einer sinnlosen Schulabschiedsfeier teilzunehmen statt zum Konzert zu fahren. Ich sollte meiner Schulleiterin die Hand schütteln und mich von Leuten verabschieden, die ich wahrscheinlich mein Lebtag nicht mehr wiedersehen werde.

»Die Feier ist am Donnerstagmorgen«, erzähle ich. »Am selben Tag wie das Konzert. Meine Mum und mein Dad wollten kommen.« Ich zucke mit den Schultern. »Es ist echt bescheuert. Wir sind doch nicht in Amerika. Wir machen keine große Schulverabschiedung. Nur diese kleine Feier, die absolut sinnlos ist.«

Juliet runzelt die Stirn. »Das klingt furchtbar.«

»Jedenfalls habe ich meiner Mum gesagt, dass ich auf gar keinen Fall dahin gehe und dafür The Ark verpasse, und wir hatten diesen Riesenkrach, was total nervig ist, weil wir uns nie streiten. Sie kam mit allen möglichen Ausreden an, wie Oh, in London ist es nicht sicher, ich kenne diese Freundin ja gar nicht, wieso könnt ihr nicht ein anderes Mal gehen?, bla, bla, bla. Am Ende bin ich einfach gegangen, denn natürlich hätte ich nicht einfach akzeptiert, dass sie Nein sagt.«

»Jesus«, sagt Juliet, aber es klingt, als ob sie es nicht richtig versteht. »Und geht es dir jetzt gut damit?«

»Ja, es ist schon okay. Meine Mum versteht es halt einfach nicht. Ich meine, wir werden diese Woche einfach bei dir zu Hause verbringen, Filme schauen, zu einer Fan-Veranstaltung gehen, dann zum Empfang und zum Konzert am Donnerstag. Das ist ja nun nicht gerade gefährlich. Und diese Schulgeschichte ist so dermaßen sinnlos.«

Juliet platziert ihre Hand mit einer dramatischen Bewegung auf meiner Schulter. »The Ark wird dein Opfer zu schätzen wissen.«

»Kameradin, ich danke dir für deine Unterstützung«, sage ich mit genauso dramatischer Stimme.

Als wir oben in Notting Hill Gate rauskommen, brummt mein Handy in der Tasche. Ich hole es raus und schaue auf das Display.

Oh. Dad hat mir endlich geantwortet.

Dad

Mum wird sich schon beruhigen. Melde dich einfach bei uns, wenn es geht. Ich weiß, dass diese Schulgeschichte nicht wirklich wichtig ist. Mum macht sich nur Sorgen, ob du die richtige Wahl triffst. Aber wir verstehen, dass du deine Unabhängigkeit willst, und wir wissen, dass du dich nur mit guten Menschen anfreundest. Du bist achtzehn und aufmerksam und stark. Die Welt ist nicht so schlecht, egal, was deine Mutter sagt. Du weißt, sie ist mit anderen Werten aufgewachsen als ich. Sie respektiert Traditionen und akademische Leistung. Aber ich habe mir durchaus einige Eskapaden erlaubt, als ich jung war. Du musst dein Leben leben können, inschallah!! Und du musst mir was mitbringen, worüber ich schreiben kann, du kleine Langweilerin!! Hab dich lieb xx

Wenigstens ist Dad auf meiner Seite. Ist er normalerweise. Ich glaube, er hofft heimlich, dass ich in eine leicht missliche Situation gerate, damit er darüber in einem seiner Selfpublishing-Romane schreiben kann.

Ich zeige Juliet die Nachricht. Sie seufzt. »Die Welt ist nicht so schlecht. Was für ein Optimist.«

»Nicht wahr?«

Wir verbringen die Woche im Haus von Juliets Oma. Juliet selbst lebt außerhalb von London, aber hat vorgeschlagen, dass es einfacher für uns wäre, zum Fantreffen und Konzert zu gehen, wenn wir die Woche über in London bleiben. Ich hatte nichts daran auszusetzen.

Das Haus ist in Notting Hill, und Juliets Familie ist reich. Das wurde mir ziemlich am Anfang unserer Freundschaft klar, als Juliet mehr als 500Pfund für The Ark-Merchandising-Produkte ausgab, um an einem Give-Away-Wettbewerb teilzunehmen und dann nicht mit der Wimper zuckte, als sie nicht gewann. In den vielen Jahren, seitdem ich Teil der The Ark-Fangemeinde bin, habe ich gerade genug Geld gespart, um mir einen Ark-Hoodie und ein Poster zu leisten.

Und natürlich ein Meet-and-Greet-Ticket für diesen Donnerstag in der O2-Arena.

»Wow, das ist schick hier«, sage ich, als wir durch die Tür in den Flur treten. Er ist gefliest. Alles ist weiß, und an den Wänden hängen echte Gemälde.

»Äh, danke?«, antwortet Juliet, und man hört ihr an, dass sie keine Ahnung hat, wie sie darauf reagieren soll. Meistens vermeide ich es, darüber zu reden, dass ihre Familie so viel reicher ist als meine, weil das für uns beide unangenehm wäre.

Ich ziehe meine Schuhe aus, und Juliet lässt mich mein Zeug in das Zimmer stellen, in dem wir schlafen werden. Es gibt noch ein paar weitere Räume, in denen ich schlafen könnte – ein extra Schlafzimmer und ein Büro –, aber ein Großteil des Vergnügens, bei Freundinnen zu übernachten, besteht doch darin, sich mit Gesichtsmasken auf dem Bett einzukuscheln, Pringles zu essen und tiefschürfende Gespräche zu führen, während im Fernsehen eine schreckliche Romcom läuft, oder?

Anschließend stellt mich Juliet ihrer Oma vor, die Dorothy heißt. Sie ist klein wie Juliet und sieht viel jünger aus, als sie wahrscheinlich ist. Ihr Haar ist rotblond gefärbt und immer noch lang. Sie trägt Designer-Gummistiefel, während sie mit einer Brille auf der Nasenspitze am Küchentisch sitzt und in die Tasten ihres Laptops hämmert.

»Hallo«, sagt sie mit einem warmen Lächeln. »Du musst Angel sein.«

»Genau. Hallo.«

Okay, es ist total merkwürdig, wenn mich die Leute im echten Leben Angel nennen.

»Und, freust du dich auf das Konzert am Donnerstag?«, fragt Dorothy.

»Total.«

»Kann ich mir vorstellen.« Sie schließt ihren Laptop und steht auf. »Na, ich versuche mal, euch nicht zu sehr im Weg zu sein. Ihr habt euch sicher eine Menge zu erzählen.«

Ich versichere ihr, dass sie auf keinen Fall im Weg ist, aber sie verlässt die Küche trotzdem, und ich fühle mich ein bisschen schuldig. Ich weiß nie, wie ich mich gegenüber Großeltern verhalten soll, weil meine tot beziehungsweise im Ausland sind. Auch so eine Sache, über die ich nie rede. Nie.

»Also«, sage ich und reibe meine Hände aneinander. »Was haben wir denn zu essen?«

Juliet schwenkt ihr Haar und haut mit der Hand auf den Küchentisch.

»Warte es ab«, sagt sie und zieht eine Augenbraue hoch.

Dann zeigt sie mir all das Essen und die Getränke, die sie für diese Woche gekauft hat – Pizzas und Limo sind die Haupt-Bestandteile –, bevor sie mich fragt, was ich jetzt möchte, und ich wähle eine klassische Limo mit Orange und Passionsfrucht, weil ich unbedingt etwas in der Hand halten muss. Ich hasse es, nichts in der Hand zu haben, wenn ich nicht rede. Was machst du mit deinen Händen?

Und dann sagt Juliet noch was anderes.

»Also, wenn wir uns so um sechs wieder auf den Weg machen, dann sollte uns das doch genug Zeit geben, um dahin zu kommen, oder?«

Ich kratze mit dem Fingernagel am Etikett der Limoflasche.

»Äh – woooooohin gehen wir?«

Juliet erstarrt und blickt mich von der anderen Seite der Kücheninsel an.

»Zum Abholen – warte mal … habe ich dir davon gar nicht erzählt?«

Ich ziehe übertrieben die Schultern hoch.

»Mac, ein Freund von mir, kommt auch«, sagt sie. »Also hierher. Um The Ark zu sehen.«

Ich habe keine Ahnung, wer Mac ist. Ich habe noch nie von Mac gehört. Ich will nicht wirklich mit jemandem abhängen, den ich noch nie vorher getroffen habe. Ich will auch nicht wirklich neue Freundschaften schließen. Diese Woche gehört Juliet und The Ark. Freundschaften zu schließen, ist anstrengend, sich mit Mac anzufreunden, wird anstrengend, weil er mich nicht kennt und nicht an mich und mein exzessives Reden und meine Leidenschaft für eine Boygroup gewöhnt ist, und diese Woche geht es nicht um Mac. Diese Woche gehört mir und Juliet und unseren Jungs – The Ark.

»Habe ich dir das wirklich nicht erzählt?«, fragt Juliet und fährt sich mit der Hand übers Haar.

Sie klingt, als würde sie sich deshalb ziemlich schlecht fühlen.

»Nein …«, sage ich. Es klingt unhöflich. Okay. Beruhige dich. Es ist okay. Mac ist okay. »Aber – es ist okay! Mehr Kumpels! Ich bin gut darin, mich mit neuen Leuten anzufreunden!«

Juliet schlägt sich mit den Händen ins Gesicht. »Gott. Es tut mir soooo leid. Ich hätte schwören können, dass ich dir davon erzählt habe. Ich verspreche dir, er ist echt total nett. Wir quatschen so gut wie jeden Tag auf Tumblr.«

»Yeah«, sage ich und nicke enthusiastisch, aber ich fühle mich schuldig. Ich möchte ihr sagen, dass es für mich nicht wirklich okay ist, und dass es nicht das ist, was ich erwartet hatte, und, wenn ich ehrlich bin, wäre ich wahrscheinlich nicht gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass ich die Woche mit einem Typen, den ich nicht kenne, sozial sein müsste. Aber ich will nicht, dass die Dinge komisch werden, wo ich doch erst zehn Minuten hier bin.

Also werde ich lügen müssen.

Nur diese eine Woche.

Ich hoffe, dass Gott mir vergibt. Er weiß, dass ich hier sein muss. Für The Ark.

»Okay, also wir gehen um sechs los, kommen für Pizzas zurück, legen einen Film ein, und dann um zwei ist die Preisverleihung, okay?«, plappere ich, und die Wörter stolpern aus meinem Mund.

Es ist 17.17Uhr. Wir bleiben heute Nacht auf, um die West Coast Music Awards zu schauen, die um zwei Uhr morgens beginnen. Unsere Zeit. Unsere Jungs – also The Ark – treten dort auf. Es ist das erste Mal, dass sie bei einer amerikanischen Preisverleihung live dabei sind.

»Ja«, sagt Juliet und nickt energisch. Nicken beginnt seine Bedeutung zu verlieren. Ich drehe mich um und laufe durch die Küche. Juliet holt ihr Handy raus.

»Scheint, als ob die Jungs endlich im Hotel angekommen sind!«, sagt sie und starrt auf ihr Handy. Wahrscheinlich auf @ArkUpdates auf Twitter – unsere übliche Quelle für alles, was mit The Ark zu tun hat. Kaum zu fassen, dass ich in der letzten Stunde gar nicht nachgeschaut habe.

»Gibt es schon Bilder?«

»Nur ein verschwommenes, wie sie aus dem Auto steigen.«

Ich lehne mich über ihre Schulter und schaue auf das Foto. Da sind sie. Unsere Jungs. The Ark. Verschwommen, pixelig und halb verdeckt durch gigantische Bodyguards in dunklen Anzügen. Rowan führt sie an, Jimmy ist in der Mitte und Lister dahinter. Sie scheinen verbunden. Wie die Beatles auf dem Abbey Road-Cover oder eine Gruppe Kleinkinder, die auf einem Kindergarten-Ausflug in den Park Händchen halten.

JIMMY KAGA-RICCI

»Aufwachen, Jimjam.« Rowan tritt mich vors Schienbein. Rowan, Lister und ich fahren alle im gleichen Auto mit, was eine angenehme Abwechslung ist. Normalerweise kommen wir bei diesen Preisverleihungs-Shows einzeln an, und ich muss die Autofahrt mit einem Bodyguard verbringen, der mich die ganze Zeit anstarrt, als wäre ich eine seltene Pokémon-Karte.

»Ich bin wach«, sage ich.

»Nein, bist du nicht«, sagt er und wedelt mit den Fingern über seinem Kopf. »Du bist hier oben.«

Rowan Omondi sitzt mir gegenüber auf dem Rücksitz unseres Hummers. Er sieht heiß aus. Wie immer. Sein Haar ist seit ein paar Monaten in Zöpfchen gedreht, seine Fliegerbrille – brandneu. Er trägt einen roten Anzug mit weißen und goldenen Blumen drauf – Feuer auf seiner schwarzen Haut. Seine Schuhe sind von Christian Louboutin.

Er verschränkt seine Finger über dem Knie. Seine Ringe klimpern. »Ist doch nichts Neues, okay? Wir haben so was schon oft gemacht. Was surrt?« Er tippt sich an die Schläfe und schaut mich an. Was surrt? Ich liebe Rowan. Seine Wörter klingen, als ob er sie sich ausgedacht hätte. Wahrscheinlich der Grund, wieso er unser Texter ist.

»Angst«, sage ich. »Ich bin nervös.«

»Wovor?«

Ich lache und schüttle den Kopf. »Funktioniert so nicht. Haben wir schon drüber gesprochen.«

»Yeah, aber alles hat eine Ursache und eine Folge.«

»Angst ist die Ursache und die Folge. Doppeltes Pech.«

»Oh.«

Die Sache mit der Angst ist nicht neu. Die Angst ist sozusagen das vierte Mitglied unserer Band. Ich habe versucht, in der Therapie mit ihr fertig zu werden, aber ich hatte dieses Jahr keine Zeit für viele Sitzungen, wegen der Europatour und dem neuen Album, und ich bin mit der neuen Therapeutin immer noch nicht richtig warm geworden. Ich habe ihr noch nicht mal von der massiven Panikattacke erzählt, die ich beim »Children in Need«-Konzert letztes Jahr hatte. Habe trotzdem gesungen. Es ist auf YouTube. Wenn man genau guckt, kann man die Tränenrinnen auf meinem Gesicht erkennen.

Wir schweigen. Ich kann in der Ferne das Kreischen hören. Es klingt ein bisschen wie eine Welle. Wir müssen fast da sein.

Mein komisches schlechtes Gefühl besteht wahrscheinlich zur Hälfte aus Angst und zur Hälfte aus echter Nervosität wegen heute Abend, plus die anderen Sachen, vor denen ich mich permanent fürchte. Ich tendiere dazu, mich ständig vor irgendwas zu fürchten, selbst wenn die Dinge gar nicht furchtbar sind. Gerade sehr weit oben auf Jimmys Liste der meist gefürchteten Sachen sind die Punkte unseren neuen Vertrag unterzeichnen und nach der Tour nach Hause kommen, neben unser Konzert heute Abend bei der West Coast Music Preisverleihung, anders gesagt unser erster Liveauftritt in Amerika. Es wird nicht anders sein als alle unsere Konzerte, außer dass unser Publikum aus den besten Musiker*innen der Welt besteht und aus Leuten, die noch nie von uns gehört haben, statt aus Teenagern, die jeden unserer Texte auswendig mitsingen können.

Alles ändert sich irgendwie gerade, und ich bin aufgeregt und habe Angst, und mein Gehirn weiß nicht, wie es mit all dem fertig werden soll.

»Wie kann es sein, dass du noch Luft für deine Ängste hast, wo wir endlich im Dolby auftreten werden?«, sagt Lister mit einem breiten Grinsen im Gesicht, während er auf seinem Sitz auf und ab hüpft.

»Ich meine, ich hab das Gefühl, ich kack mich gleich ein vor Freude und Aufregung. Tue ich vielleicht. Bleiben Sie dran.«

Rowan kräuselt seine Nase. »Können wir bitte nicht über Shit reden, während ich Burberry trage?«

»Wenn wir über Angst reden, können wir auch über Kacke reden. Im Grunde genommen ist es ein und dasselbe.«

Allister Bird. Für mich ist es ziemlich leicht zu erkennen, dass er seit gestern keine Zigarette und keinen Drink hatte. Auf der einen Seite sieht er aus, als würde er vor Freude gleich explodieren, aber er hat Augenringe und knirscht unterbewusst mit den Zähnen. Cecily, unsere Managerin, hat nach dem Vorfall bei The X-Factor, über den wir nicht mehr reden, eine »Kein-Alkohol-fünf-Stunden-vor-Events-Regel« aufgestellt, und er soll an Tagen, an denen wir singen, nicht rauchen, obwohl er das meistens trotzdem tut.

Niemand außer uns weiß das. Für alle anderen ist er wunderschön, perfekt, makellos etc. Er hat diesen Look wie James Dean und Calvin Klein, so als ob er gerade aus dem Bett gestolpert wäre. Er trägt heute Abend eine Louis Vitton Bomberjacke und zerrissene schwarze Skinny Jeans.

Lister klopft mir etwas zu hart auf die Schulter.

»Aber ein bisschen freust du dich wenigstens, oder?«, fragt er grinsend.

Ich muss ebenfalls grinsen. »Ja, ich freue mich ein bisschen.«

»Gut. Jetzt zum wirklich wichtigen Thema: Wie sehen meine Chancen aus, Beyoncé zu treffen, und wie wahrscheinlich ist es, dass sie weiß, wer ich bin?«

Ich blinzele aus dem Autofenster. Es ist abgetönt, und Hollywood sieht dunkler aus, als es sollte. Mein Herz klopft zu schnell in einem kaum wahrnehmbaren Mix aus Angst und Aufregung, und ich erlebe plötzlich eine Welle von Ich glaub’s nicht, dass ich jetzt hier bin. Es passiert mir immer seltener, aber manchmal erinnere ich mich, wie merkwürdig mein Leben eigentlich ist.

Wie gut es ist. Was für ein Glück ich habe.

Ich schaue zu Rowan. Er blickt mich leicht grinsend an.

»Du lächelst«, sagt er.

»Halt die Klappe«, sage ich, aber er hat recht.

»Ihr Jungs solltet alle versuchen, Spaß zu haben«, sagt Cecily. Sie überkreuzt ihre Beine und blickt beim Reden nicht von ihrem Handy auf. »Nach dieser Woche wird alles für euch fünfhundert Prozent hektischer.«

Cecily, die Lister gegenübersitzt, ist die Einzige von uns, die halbwegs wie ein normaler Mensch aussieht – sie trägt ein blaues Kleid, hat ihre dichten schwarzen Locken auf eine Seite gekämmt, und um ihren Hals hängt ein Schlüsselband. Das einzig Teure an ihr ist das massige iPhone in ihrer Hand.

Cecily Wills ist unsere Band-Managerin. Sie ist nur ungefähr zehn Jahre älter als wir, aber sie kommt überall mit uns hin und sagt uns, was wir zu tun haben, wohin wir gehen und wo wir stehen und mit wem wir sprechen sollen. Wenn wir sie nicht hätten, hätten wir absolut keine Ahnung, was wir wann, wo tun sollten.

Rowan verdreht die Augen. »Immer so dramatisch.«

»Ich bringe nur ein bisschen Realität rein, Baby. Der neue Vertrag ist ziemlich anders als der, den ihr jetzt habt. Und ihr müsst euch an euer Leben nach der Tour gewöhnen.«

Der neue Vertrag. Wir werden alle einen neuen Vertrag mit unserem Plattenlabel, Fort Records, unterzeichnen, sobald wir später in der Woche von unserer Europatournee zurück sind.

Das heißt längere Tourneen. Mehr Interviews. Bedeutendere Sponsoren, knalligeres Merchandising, und vor allem bedeutet es, endlich die USA zu erobern. Wir hatten vor Kurzem eine Top-Ten-Single in Amerika, aber der Plan ist, dass wir hier ein echtes Publikum bekommen, eine US-Tournee und vielleicht sogar weltweit berühmt werden.

Was wir natürlich wollen. Unsere Musik in der ganzen Welt bekannt und unseren Namen in den Geschichtsbüchern. Aber ich kann nicht sagen, dass mich der Gedanke an mehr Interviews, mehr Gastauftritte, mehr Tourneen, mehr alles besonders positiv in die Zukunft blicken lässt.

»Müssen wir darüber jetzt reden?«, murmele ich.

Cecily tippt weiter auf ihrem Handy herum. »Nein, Baby. Lasst uns zu Angst und Kacke zurückkehren.«

»Gut.«

Rowan stöhnt. »Jetzt schaut, was ihr gemacht habt. Jimmy hat schlechte Laune.«

»Ich bin nicht schlecht gelaunt …«

Lister lässt seinen Mund in Fake-Schock nach unten fallen. »Und wieso ist das bitte schön meine Schuld?«

»Ihr beide seid schuld«, sagt Rowan und zeigt auf Lister und Cecily.

»Ihr seid überhaupt nicht schuld«, sage ich. »Ich bin einfach in einer komischen Stimmung.«

»Aber du freust dich auch, oder?«, fragt Lister nochmals.

»Ja. Versprochen. Ich freue mich.« Und das stimmt. Ich freue mich und bin aufgeregt.

Ich bin nur auch nervös und voller Angst.

Alle drei schauen mich an.

»Hey, come on, wir treten im Dolby auf!«, sage ich und bemerke, dass ich schon wieder lächle.

Rowan zieht seine Augenbrauen leicht hoch und hat die Arme verschränkt, aber er nickt. Lister stößt ein Jubelgeräusch aus und rollt das Fenster langsam runter, bevor ihm Cecily auf die Hand haut und das Fenster wieder hochfahren lässt.

Das Kreischen von draußen ist jetzt ziemlich durchdringend, und das Auto kommt zum Halten. Mir ist ein bisschen schlecht. Ich habe keine Ahnung, wieso mich das alles heute so viel mehr fertigmacht. Normalerweise bin ich okay. Vorsichtig, immer angespannt, aber okay. Die Schreie klingen nicht mehr wie eine Welle. Für mich klingen sie wie das metallene Kratzen schwerer Maschinen.

Ich bin mir sicher, ich werde Spaß haben, sobald wir drinnen ankommen. Ich reibe mit den Fingern über mein Schlüsselbein und taste nach meinem winzigen Kreuz. Ich bitte Gott, mich zu beruhigen. Ich hoffe, er hört zu.

Ich bin wie immer ganz in Schwarz. Figurbetonte Hose, Chelsea-Stiefel, die drücken, eine große Jeansjacke und ein Shirt, an dem ich immer rumziehe, weil ich das Gefühl habe, es erstickt mich. Und den kleinen Trans-Pin, den ich immer zu Events trage.

Rowan schnallt sich ab, tätschelt mir leicht die Wange, kneift Listers Nase und sagt: »Los geht’s, Jungs.«

Die Mädchen sind nichts Neues. Sie sind immer irgendwo da und warten auf uns. Es macht mir nicht wirklich was aus. Ich kann nicht behaupten, dass ich sie verstehe, aber ich muss sie irgendwie zurücklieben. So wie ich auf Instagram Videos von umfallenden Hündchen liebe.

Wir steigen aus dem Auto, und irgendeine Frau frischt unser Haar und unser Make-up auf, und eine andere bürstet meine Jacke mit einer Fusselrolle. Irgendwie mag ich die Art, wie sie immer scheinbar aus dem Nichts erscheinen. Einige Männer tragen dicke Kameras und Jeans. Glatzköpfige Bodyguards tragen Schwarz. Jeder von ihnen hat einen blöden Lanyard.

Rowan setzt sein ernsthaftes Gesicht auf. Es ist zum Totlachen. Eine Art Schmollmund und glühende Augen. Vor den Kameras lächelt er nicht so viel.

Lister hingegen lächelt in alle Richtungen. Er sieht auf Fotos nie schlecht aus. Sein Gesicht ist das Gegenteil eines Resting Bitch Face.

Das Kreischen ist ohrenbetäubend. Die meisten von ihnen rufen nur »Lister«. Lister dreht sich um und hält eine Hand hoch. Ich wage ebenfalls einen Blick.

Die Mädels. Unsere Mädels. Sie krallen an einem Maschendrahtzaun, wedeln mit ihren Handys und kreischen, weil sie so glücklich sind.

Ich strecke eine Hand in die Luft und salutiere ihnen, und sie schreien zurück. Das ist die Art, wie wir miteinander kommunizieren.

Die Erwachsenen, die uns eskortieren, schieben uns weiter. Bodyguards und Visagistinnen und Frauen, die Walkie-Talkies tragen. Rowan läuft in der Mitte, Lister vorneweg, und ich bleibe ein bisschen hintendran. Irgendwie bin ich aufgeregter als normalerweise bei diesen Preisverleihungen. In UK sind sie irgendwie immer ein bisschen ähnlich, aber das hier ist unsere erste Veranstaltung in den USA, und das macht sie besonders. Dies ist unser erster Schritt in Richtung US-Musikindustrie, weltweiten Erfolgs und eines musikalischen Erbes.

Wir haben es geschafft: von einer runtergekommenen Garage im ländlichen Kent zum roten Teppich in Hollywood.

Ich blicke in die kalifornische Sonne und bemerke, dass ich wieder lächle.

Fotos sind anscheinend sehr wichtig. Als ob es nicht schon genug High Quality-Aufnahmen von uns in der Welt gäbe. Cecily hat mir das mal versucht zu erklären. Sie brauchen aktuelle HQ-Fotos von uns. Sie brauchen HQ-Fotos von mir, jetzt, wo ich die Seiten meines Kopfs rasiert habe. Sie brauchen HQ-Fotos von Rowans Anzug, weil er etwas Besonderes ist, worüber die Modemagazine berichten werden. Sie brauchen HQ-Fotos von Lister. Weil sie sich verkaufen.

Wir drei kommen für die Pressefotos zusammen. Es fühlt sich manchmal immer noch so an, als ob es nur wir drei wären, auch wenn wir konstant von anderen Menschen umringt sind – Erwachsene, die um uns herumwuseln, uns die Hände auf den Rücken legen und uns sagen, wo wir stehen sollen, bevor sie aus dem Weg springen, sodass das Feuerwerk der Kamerablitze beginnen kann. Listers und mein Blick treffen sich, und er sagt lautlos »kacke mich ein« und wendet sich dann mit einem blendenden Lächeln den Kameras zu.

Ich stehe wie immer in der Mitte und halte meine Hände vor mir. Rowan, der größte von uns, steht links von mir, mit einer Hand auf meiner Schulter. Lister steht rechts, seine Hände in den Hosentaschen. Wir haben das nie so besprochen. Wir machen das einfach so.

Genau wie die Mädchen rufen die Fotograf*innen hauptsächlich nach Lister.

Lister hasst das.

Rowan findet es total lustig.

Ich finde es total lustig.

Aber außer uns dreien weiß das niemand.

»Hierher!« »Einmal nach rechts schauen!« »Leute!« »Lister!« »Hierher!« »Jetzt nach links.«

Und so weiter. Wir können nicht wirklich was tun, außer in das Blitzlichtgewitter zu schauen und zu warten.

Dann schließlich bedeutet uns ein Mann, dass es weitergeht. Die Fotografenmeute ruft weiter nach uns. Sie sind schlimmer als die Mädels, weil sie es des Geldes wegen tun und nicht aus Liebe.

Ich laufe automatisch eng neben Rowan, und er dreht sich zu mir um und sagt: »Ganz schön lebhafter Haufen heute Abend, was?«

»California, Baby«, sage ich.

»Es ist eine merkwürdige alte Welt.« Er streckt seinen Arm aus, um seinen Ärmel zu richten. »Und ich schwitz mir echt einen ab.«

»Ich bin derjenige, der komplett Schwarz trägt!«

Die Kamera reflektiert in seiner Brille. »Wenigstens trägst du Socken. Ich hab das Gefühl, ich kann meine Füße jetzt schon riechen.« Er wedelt einen Fuß zu mir. »Lederschuhe ohne Socken sind eine absolute Katastrophe. Da unten entwickelt sich das reinste Sumpfgebiet.«

Ich lache, und wir laufen weiter.

Hier sind die meisten Mädchen. Ein langer roter Teppich erstreckt sich vor uns, und an beiden Seiten lehnen sich Mädchen über die Absperrung und wedeln mit ihren Handys. Ich wünschte, wir hätten die Zeit, mit jeder einzelnen von ihnen zu reden.

Lister stürzt sich direkt rein, läuft an der linken Seite des Teppichs entlang und hält immer mal wieder an, um sich in das Handy eines Mädchens zu lehnen. Sie greifen nach seinen Armen, seiner Jacke, seinen Händen. Er lächelt und geht weiter. Ein paar Meter hinter ihm folgt unauffällig ein Bodyguard.

Rowan hasst die Mädels, er hasst es, wie sie kreischen und nach ihm grabschen und ihn anbeten und darum betteln, dass er ihnen auf Twitter folgt. Aber er will nicht, dass sie ihn hassen. Also geht er hin und lässt sie ebenfalls ein paar Selfies machen.

Ich nicht mehr. Ich gehe nicht mehr in ihre Nähe. Winken und Lächeln machen mir nichts aus, und ich bin dankbar, auf jeden Fall dankbar, dass sie da sind und uns unterstützen und lieben, aber … sie ängstigen mich.

Sie könnten jeden Moment nach mir greifen und mich verletzen. Jemand von ihnen könnte eine Waffe haben. Niemand würde es mitkriegen. Lass eine böse Person unter ihnen sein, und ich bin tot. Und ich bin eine große Zielscheibe. Als Mitglied einer der erfolgreichsten und bekanntesten Boybands in Europa bist du eine echte Zielscheibe.

Typisch ich. Paranoia, Angst und zu viel Denken – alle in ein winziges Gehirn gequetscht.

Stattdessen laufe ich langsam und winke. Sie winken mir zurück, lächeln, weinen, sind so glücklich. Dies ist gut. Sie haben eine super Zeit.

Kurz vor Ende des Teppichs ist der Abstand zwischen den Gittern etwas breiter, und wir laufen alle wieder zusammen. Manchmal wünsche ich mir, wir könnten uns wirklich an den Händen halten. Auch wenn man mir eine Milliarde Pfund geben würde, würde ich kein Solokünstler sein wollen und all dies allein machen müssen.

Es stresst. Es ist beängstigend. Das geht nie weg. Die Mädels kreischen, und sie greifen nach dir. Viele von ihnen mögen uns nur, weil wir hübsche Gesichter haben. Aber solange wir drei zusammen sind und unsere Musik spielen und dieses Leben leben können – unsere Musik jede Woche in einer anderen Stadt, in Millionen von Gesichtern ein Lächeln zaubern, etwas bewegen – solange ist alles gut und in Ordnung und okay.

Rowan lächelt mich an und nickt. Er klopft Lister auf den Rücken. Wenigstens bin ich nicht allein.

ANGEL RAHIMI

Seitdem Juliet verkündet hat, dass ich nicht die einzige Internet-Freundin bin, die diese Woche bei ihr verbringen wird, ist alles bestimmt siebzig Mal verklemmter geworden. Sie fühlt sich deswegen schlecht, und ich fühle mich unwohl damit, und keine von uns ist mehr ganz glücklich mit irgendwas.

Glücklicherweise kann ich hervorragend faken, dass ich mit Sachen okay bin, selbst wenn in meinem Gehirn ein kleiner schreiender Zwerg sitzt, dem das definitiv nicht passt.

Ich halte das Gespräch in Gang, während wir zur U-Bahn-Station laufen, wo wir Mac treffen werden, dessen Nachnamen und ganze Persönlichkeit ich nicht kenne. Auch darin bin ich gut – zu reden, selbst wenn es nichts zu reden gibt.

Juliet scheint froh darüber zu sein und spielt mit. Besonders wenn ich Rowans Instagram erwähne. Wir biegen um die Ecke, und ich entdecke das rotblaue U-Bahn-Zeichen am Ende der Straße.

»Also«, mache ich weiter. »Wie ist Mac so?«

Juliet stopft die Hände in die Hosentaschen. »Na ja … Also, er ist ein Ark-Fan, er ist genauso alt wie wir, achtzehn, er …« Sie stockt. »Er ist ein echter Musik-Freak.«

»Hmm!« Ich nicke. »Wie lange kennst du ihn schon?«

»Erst, ähm, ein paar Monate, aber wir reden so ziemlich jeden Tag auf Tumblr. Deswegen habe ich das Gefühl, ich kenne ihn schon seit Jahren. Ich meine, hoffentlich stellt er sich nicht als vierzigjähriger Stalker mit Filzhut heraus.«

Sie tut so, als würde sie sich an einen imaginären Filzhut tippen, worauf ich ein prustendes Lachen herausstoße.

»Ja, hoffentlich nicht!«

Ich frage mich, ob Juliet bei mir auch das Gefühl hat, mich seit Jahren zu kennen. Obwohl wir wirklich seit zwei Jahren miteinander befreundet sind.

»Da ist er!« Juliet zeigt in die Menge, die aus den Schranken der U-Bahn strömt. Ich habe keine Idee, auf wen sie zeigt. Ich sehe etliche Typen in unserem Alter, und Mac könnte wirklich jeder von ihnen sein. Wegen Juliets ziemlich dürftiger Beschreibung von ihm sind meine Erwartungen niedrig.

Und dann winkt ein Typ in unsere Richtung.

Meine Erwartungen stellen sich als genau richtig heraus.

Er ist die Definition eines durchschnittlichen weißen britischen Jungen.

Er sieht uns – na ja, er sieht Juliet – und winkt uns zu. Er lächelt. Ich halte ihn für attraktiv. Also typische Gesichtszüge. Der Haarschnitt, den alle Jungs im Moment tragen. Ein bisschen, als ob er in einem Labor erzeugt worden wäre. Ich weiß es nicht wirklich. Er sieht aus wie die Art von Person, von der ich denken sollte, dass sie attraktiv ist.

Juliet tritt ein bisschen hervor, als er auf uns zukommt, und lässt mich hinter sich stehen.

»Hey«, sagt sie. Sie klingt nervös.

»Hey«, sagt er, als er auf sie zukommt. Er klingt ebenfalls nervös.

Sie lächeln sich beide an, und dann streckt er die Arme aus, und sie stellt sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu drücken.

Ah. Mir kommt eine Ahnung, was hier wirklich abgeht.

»Wie war deine Reise?«, fragt Juliet, nachdem sie sich aus der Umarmung gelöst hat.

»Ganz okay«, sagt Mac. »Züge halt. Du weißt schon.«

Sie lacht zustimmend.

Züge halt. Du weißt schon.

Sie machen zwei zum Verzweifeln lange Minuten lang Small Talk, bevor ich vorgestellt werde.

»Oh! Ja«, sagt Juliet und dreht sich absolut erstaunt um, um herauszufinden, dass ich immer noch da bin. »Also, dies ist meine Freundin Angel.«

Und wieder fühlt es sich total komisch an, als Angel vorgestellt zu werden, nicht als Fereshteh. Aber für diese Leute bin ich das. Die Internet-Leute. Angel.

Mac reißt seinen Blick von Juliet los und nimmt mich in den Fokus. »Hey, was geht?«, fragt er, aber seine Augen sagen: »Was zum Teufel machst du denn hier?«

»Hi«, sage ich und versuche fröhlich zu klingen. Ich hasse es, wenn Leute »was geht« statt »Hallo« sagen.

Er sieht aus wie die etwas ältere Version der Jungs, die mich im Schulbus gemobbt haben.

Nach einer langen Pause höre ich auf, die beiden anzuschauen und sage: »Okay, unangenehme Vorstellungsrunde beendet, lasst uns losziehen. Ich brauche Pizza.«

Halb erwarte ich, dass Juliet einen sarkastischen Kommentar macht oder wenigstens mir zustimmt, so wie sie es machen würde, wenn wir online reden, aber das passiert nicht. Sie lacht einfach nur höflich mit Mac.

»Oh, Radiohead sind so cool«, sagt Mac auf dem Rückweg zum Haus von Juliets Oma. Ich laufe leicht hinter Mac und Juliet. Der Bürgersteig ist zu eng für drei Leute nebeneinander. »Klar sind sie inzwischen schon ziemlich alt, aber sie sind immer noch wichtig. Ich bin mir sicher, du magst sie bestimmt.«

Juliet lacht. »Du kennst mich. Ich hör mir alles an, was halbwegs depressiv klingt.«

»Ich muss dir einen Link zu Everything In Its Right Place schicken. Dann reden wir darüber. Es ist so schaurig«, macht er weiter und fährt sich mit der Hand durchs Haar.

Sein Akzent ist nicht so anders als der von Juliet, nobel wie die Leute bei Made in Chelsea, aber aus seinem Mund klingt es so viel schlimmer. Juliet klingt wie die Kinder aus Narnia-Filmen, aber Mac klingt wie ein Film-Verbrecher.

»Ja, mach das«, sagt Juliet und nickt enthusiastisch.

Ich hätte nicht gedacht, dass sich Juliet für Radiohead interessiert. Natürlich ist ihre Nummer eins The Ark und wird es auch immer bleiben, aber alles in allem ist sie mehr ein Pop Rock-Fan und hört peppiges Zeug. Nicht die trübseligen alten Radiohead.

»Ich mag einfach diesen ganzen alten Neunzigerjahre Indiekram«, erzählt Mac weiter. »Klar, es ist ungewöhnlich, auf diese Art von Musik zu stehen, aber besser als zu mainstream zu sein, oder?«

»Oh ja, auf jeden Fall«, sagt Juliet und lächelt ihn an.

»Egal, ich bin jedenfalls froh, dass ich mit dir über Musik reden kann«, macht Mac weiter und lächelt. »Niemand an meiner Schule steht wirklich auf die Sachen, die ich mag.«

»Wie The Ark?«, fragt Juliet.

»Ja, genau.«

Mac stürzt sich in einen Monolog über die Ähnlichkeiten zwischen The Ark und Radiohead, und dass er sicher ist, dass sie in ihren weniger fröhlichen Songs von Radiohead inspiriert sind, aber ich schalte mich aus der Konversation aus. Dieser Typ redet fast so viel wie ich, aber mit zehnmal mehr Meinung. Ich bin mir sicher, dass Juliet ihn für einen spaßigen Musik-Nerd hält, und ich bin sicher, dass ich so negativ bin, weil ich dachte, dass ich Juliet diese Woche für mich allein habe, aber ich kann nicht aufhören, mir auszumalen, dass er eine Art Notfall-Anruf bekommt und zurück zum Zug muss und keinen von uns je wiedersieht.

Nicht mal die Anwesenheit von Juliets Oma verhindert, dass ich mich wie das dritte Rad am Wagen fühle. Es gibt kein Drumherum. Mac und Juliet sind wie Ferris Bueller und Sloane, und ich bin Cameron. Bis auf die Tatsache, dass sie lame sind und ich kein schickes Auto habe.

Extrem erleichtert ziehe ich mich für mein Abendgebet nach oben zurück, um einfach mal zehn Minuten Pause von Macs Stimme zu haben. Ich bitte Gott, mir Stärke zu geben, freundlich zu sein und nicht zu sehr über Mac zu urteilen, wo ich ihn doch erst seit einer Stunde kenne, aber eine Frau kann sich eben nur eine gewisse Anzahl an Monologen über obskure alte Bands anhören, bevor sie die Beherrschung verliert.

Inzwischen ist es elf, und Dorothy ist lang zu Bett gegangen. Wir haben gegessen und sitzen jetzt im Wohnzimmer, Mac und Juliet auf dem Sofa und ich im Sessel. In dem Fernseher läuft irgendeine Netflix-Serie, die ich noch nie zuvor gesehen habe, während wir auf den Livestream um zwei Uhr morgens warten, wenn The Ark über den roten Teppich laufen. Ich bin es gewohnt, mit den meisten Leuten Gespräche am Laufen zu halten, aber Mac und Juliet scheinen hervorragend allein klarzukommen.

Um fünf nach zwölf passiert das Schlimmste.

Juliet geht pinkeln und lässt mich und Mac allein im Wohnzimmer.

»Also«, sagt er und streicht sein Haar zurück. Also? Was soll ich denn bitte schön mit also anfangen?

»Also«, sage ich.

Mac schaut mich an und lächelt. Es ist ein merkwürdiges Lächeln. Definitiv fake, aber immerhin versucht er, nett zu sein, denke ich mal. Und ich verstehe, wieso Juliet sich für ihn interessiert. Er hat langes Haar, und sein komisches Lächeln ist irgendwie süß, vermute ich mal. Fast hat er was von The Ark, wenn man ihn in zerrissene schwarze Jeans stecken würde.

»Erzähl mir was von dir, Mac.«

Er lacht, als ob das, was ich gesagt habe, wirklich komisch wäre. »Wow, was für eine große Frage!« Er lehnt sich nach vorne und stützt seine Ellbogen auf den Knien ab. »Also, ich bin achtzehn, ich habe gerade Abitur gemacht, und in ein paar Wochen fange ich in an, Geschichte zu studieren. In Exeter.«

Ich nicke, als ob mich das alles super interessieren würde.

»Und äh, ich schätze, ich bin … ein absoluter Musikfan!« Er lacht und kratzt sich am Kopf, als ob es ihm wirklich peinlich wäre, das zuzugeben.

»Das ist so interessant«, sage ich. Ich habe absolut nichts über ihn erfahren. »Also Juliet und du, ihr habt auf Tumblr angefangen, miteinander zu chatten?«

Er lächelt wie ein Schaf. »Oh, na ja, ich habe ihr vor ein paar Monaten auf eine Nachricht geantwortet, einfach nur um ins Gespräch zu kommen. Und dann haben wir angefangen zu reden. Ich glaube, wir sind uns ziemlich ähnlich.«

»Mmmh, ja total!« Ich versuche, es nicht sarkastisch klingen zu lassen. Juliet und Mac könnten nicht unterschiedlicher sein. Juliet mag Memes und analysierende Fan-Theorien. Mac sieht aus, als würde er #like4like-Selfies auf Instagram posten.

»Was ist mit dir?«, fragt er. »Erzähl mir von dir.«

»Also okay«, sage ich und komme mir vor, als hätte ich die Einladung zu einem Duell angenommen. »Ich bin achtzehn, grade mit der Schule fertig und gehe im Oktober auf die Uni, um Psychologie zu studieren.«

»Psychologie? Das ist ja cool. Willst du Psychologin werden? Oder Therapeutin oder so was?«

Ich halte meine Hände hoch und zucke mit den Schultern. »Wer weiß das schon, Mann?«

Er lacht, aber er sieht ein bisschen panisch aus, nicht wissend, ob er jetzt lachen soll oder nicht. Das ist für mich einfacher, als ihm die ganze Wahrheit zu erzählen, dass ich Psychologie gewählt habe, weil es das einzige Fach ist, in dem ich ansatzweise gut war oder das mich in der Schule interessiert hat – in allem anderen bin ich unterhalb des Durchschnitts –, und ich weiß einfach nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll.

Was ein bisschen beschissen ist, besonders wenn dein älterer Bruder im dritten Studienjahr Medizin am Imperial College in London ist und deine Mutter und dein Vater beide unterrichten und du wirklich bessere Gene als diese abbekommen haben solltest.

Aber darüber muss ich jetzt nicht nachdenken. Diese Woche gehört The Ark. Darauf habe ich so gewartet. Um den Rest meines Lebens kann ich mich später kümmern.

»Ehrlich gesagt«, antwortet Mac, »ich habe keine Ahnung, was ich nach der Uni machen soll. Ich meine, ich habe Geschichte gewählt, weil ich es interessant finde, aber es ist nicht die Art von Fach, mit der du direkt auf einem bestimmten Karrierepfad landest. Im Gegensatz zu dem, was Juliet macht, was natürlich total mutig ist, nicht den Rechtsanwaltsweg ihrer Eltern einzuschlagen, sondern stattdessen was mit Bühne und Theater zu machen …«

Er schwafelt noch ein paar Minuten weiter, ohne Pausen für mich zu lassen, in denen ich was sagen könnte, und ich merke, wie ich wieder abschalte. Ich kann mir tatsächlich vorstellen, wieso er und Juliet klarkommen. Sie ist mehr die Zuhörerin.

»Hey«, sagt er plötzlich. »Wir sollten einander auf Twitter folgen.«

»Oh«, sage ich. »Ja, cool, auf jeden Fall.«

Wir holen beide unsere Handys aus den Taschen.

»Was ist deine URL?«, fragt er.

»jimmysangels.«

Er lacht. »Wie Charlie’s Angels? Das ist cool. Ein echter Klassiker.«

Tatsächlich habe ich Charlie’s Angels nie gesehen. »Na ja, ich heiße Angel, und du weißt, dass ich Jimmy liebe, also bitte schön.«

»Heißt du wirklich Angel? Weil das ist echt cool.«

Ich hole kurz Luft, aber dann sage ich nur mit einem Lächeln: »Yep!«

Technisch gesehen keine Lüge.

»Mac ist kurz für Cormac, was so bescheuert ist, weil Cormac ein irischer Name ist, ich aber nicht mal ein bisschen irisch bin …«

»Wie lautet deine URL?«

»Oh ja, das ist mac-anderson.«

Ich gehe davon aus, dass das sein ganzer Name ist. Cormac Anderson. Seine Tumblr-Beschreibung lautet »mac, 18, uk, ich lebe für musik und coole schuhe«. Deswegen schaue ich mich um, um zu sehen, was er vorher getragen hat, und es tut mir weh, dass es Yeezys sind. Wieso müssen alle Yeezys tragen? Kosten die nicht £800?

»So«, sagt er.

»Cool«, sage ich.

Wir sitzen einen Moment schweigend und nicken einander zu.

Die Tür öffnet sich, und Juliet kommt zu uns zurück. Gott sei Dank. Mac schaut sie unheimlich erleichtert an.

Sie hält im Türrahmen an, grinst und schaut von mir zu Mac.

»Ihr zwei seht aus, als hättet ihr … euch unterhalten«, sagt sie.

»Das ist korrekt«, sage ich.

»Stimmt, wir sind jetzt Best Friends Forever«, sagt Mac und grinst. »Wir brauchen dich nicht mehr, Jules.«

Jules? Ich will sterben. Erst »Züge, du weißt schon« und jetzt Jules? Jules?

Sie kommt ins Zimmer und setzt sich wieder auf das Sofa neben Mac. »Das ist schlecht, weil es nur noch ein paar Stunden sind, bis wir The Ark sehen, und ihr mich schon rauswerfen müsst, wenn ihr denkt, ich werde das verpassen.«

Er stupst sie an und murmelt etwas, das ich aus meinem Sessel nicht hören kann. Sie lacht. Ich kriege dieses merkwürdige Gefühl, dass sie sich über mich lustig machen, aber sie würden doch nicht direkt in mein Gesicht lachen. Oder doch? Nein. Sie setzen ihr flirtiges Gerede fort, und ich öffne Twitter zum hundertsten Mal beim Versuch, dieser romantischen Komödie zu entkommen, in der ich anscheinend als komische Seitenfigur mit Migrationshintergrund gelandet bin.

Ich vermisse die Juliet von vorher schon jetzt.

Ab ein Uhr morgens refreshe ich ständig @ArkUpdates auf der Suche nach irgendeinem Zeichen, dass The Ark auf dem Weg sind. Der Livestream vom roten Teppich beginnt erst in einer Stunde, aber man weiß nie, wann jemand einen Schnappschuss von den dreien im Auto oder beim Verlassen des Hotels oder was auch immer, wann auch immer hochlädt.

Man weiß nie, was als Nächstes in der The Ark-Fangemeinde passiert.

Die Fangemeinde ist eine der größten im Internet, und ich bin von Anfang an dabei. Sie ist überall – auf Twitter, Tumblr, Instagram, YouTube und auf ziemlich allen anderen großen Social Media-Websites – und sie wird jeden Tag größer. Von zehnjährigen Fans, die den Jungs einfach nur FOLLOW ME BACK!!! schreiben, zu Fans mit Ende zwanzig, die Länger-als-fünf-Romane-zusammen-Fanfiction schreiben, und dann Leuten, so alt wie ich, die die ganze Zeit diskutieren und theoretisieren und lieben und hassen und immer, immer an unsere Jungs denken.

Ich war dabei, als The Ark Cover auf YouTube postete. Ich war da, als sie ihren ersten Plattendeal abschlossen, nachdem eins ihrer Videos viral ging. Ich war da, als sie das erste Mal bei Radio 1 auftraten und als ihre erste Single in der UK auf Platz eins landete.

Ich war da während des Shitstorms, der sich entlud, als Jimmy mit sechzehn enthüllte, dass er trans ist. Er wurde bei Geburt weiblich zugeschrieben. Ich war da, als all die Kommentare kamen. Die guten:

Jimmy Kaga-Ricci: ein neues Trans-Idol.

Und die vielen schlimmen:

Geht ›Diversität‹ jetzt zu weit?

The Ark: ein Schwarzer, ein Weißer und jemand, der nicht so genau weiß, wer er eigentlich ist.

Begründet sich der neue Ruhm von The Ark in der Leidenschaft der Millenials für Diversität?

Zerstört politische Korrektheit die Musikindustrie?

Das meiste davon war Gejammer von mittelalten Kommentatoren, aber es gab ein paar vernünftige Leute, die durchaus das Gute darin sehen konnten, dass ein trans Mann zu einem der berühmtesten und beliebtesten Musikern der Welt wurde.

Ich war da, als sie das GQ-Cover rausbrachten und ihren ersten Festivalgig in Glastonbury hatten. Ich war da, als es losging mit der Jowan-Verquickung – dass Leute sich wünschten, dass Jimmy und Rowan in einer Beziehung miteinander sind –, und ich war da, als die Gerüchte losgingen, dass Lister bisexuell ist. Ich war da während der Diskussionen, wie Jimmy und Rowans Freundschaft entstand, und natürlich während des »Johanna von Orleans«-Video-Diskurses.

Ich war vielleicht nicht überall physisch präsent. Aber spirituell, mental und emotional war ich da.

Es gibt ein neues Bild von Jimmy auf @ArkUpdates, das auf Twitter von einer Stylistin gepostet wurde. Jimmy lächelt und schaut von der einen zur anderen Seite. Er ist komplett in Schwarz, wie erwartet, aber er trägt eine Jeansjacke, was neu ist. Sie sieht gut auf seiner Haut aus. Sein Haar, seidig und braun, ist jetzt an den Seiten rasiert, wodurch sein Gesicht noch elfenartiger, aber irgendwie auch älter aussieht. Es ist manchmal kaum zu glauben, dass wir das Gleiche Alter haben. Und dann wieder habe ich das Gefühl, wir wären zusammen aufgewachsen.

Jimmy Kaga-Ricci ist mein Liebling.

Ich würde nicht sagen, dass ich ihn oder überhaupt einen von ihnen anziehend finde. Darum geht es nicht. Aber wenn irgendjemand hier der Angel ist, dann auf jeden Fall er.

JIMMY KAGA-RICCI

»Ich stehe hier heute Abend auf dem roten Teppich der West Coast Music Awards mit drei der besten Musiker Großbritanniens – hier sind The Ark: Lister, Rowan und Jimmy.«

Der Moderator trägt Abendanzug und ein Lächeln – ich weiß seinen Namen nicht. Er wendet sich an uns, gleichzeitig wird die Kamera auf uns gerichtet. Dieser Bereich des roten Teppichs ist speziell für Interviews, und alle wollen mit uns reden. Wir laufen und halten immer nur an, wenn Cecily auf einen Interviewer zeigt.

Ich sage so fröhlich wie möglich »Hi, alles klar?«, Lister sagt »Hey«, und Rowan nickt nur und grinst.

»Wie geht es euch Jungs heute Abend?«