Ich denke, aber ich bin mehr - Sharon Dirckx - E-Book

Ich denke, aber ich bin mehr E-Book

Sharon Dirckx

0,0

Beschreibung

Die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaft stellen den Menschen vor die Frage: Bin ich mehr als die biologischen Prozesse in meinem Gehirn? Habe ich überhaupt einen freien Willen? Gibt es eine Seele und woher kommt meine letzte Identität? Sharon Dirckx stellt verschiedene Antwortmöglichkeiten vor und kommt zu dem Ergebnis: Das Menschenbild des christlichen Glaubens verleiht dem Menschen Würde und Identität, die jenseits der rein biologischen Prozesse des Gehirns stehen und aus der Beziehung zum lebendigen Schöpfergott erwachsen. Ein fundierter und gut verständlicher Beitrag zu einem aktuellen Thema.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 191

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



SHARON DIRCKX

ICH DENKE,

ABER ICH BIN MEHR

Identität zwischen Neurowissenschaftund Schöpfungsglaube

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

Dieses Buch erscheint in der Reihe Glaube und Wissenschaft

des INSTITUTS FÜR GLAUBE UND WISSENSCHAFT.

Herausgeber der Reihe ist Dr. Alexander Fink.

ISBN 978-3-417-26998-7 (E-Book)

ISBN 978-3-417-24166-2 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© der deutschen Ausgabe 2021

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

May-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Originally published under the following title:

Am I Just My Brain?

© Sharon Dirckx /The Good Book Company, 2019

Die Bibelverse sind folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen. Textstand 20|11

Lektorat: Alexander Fink, Tabea Tacke

Umschlaggestaltung: Stephan Schulze, Holzgerlingen

Titelbild: Alina Grubnyak, unsplash

Satz: Burkhard Lieverkus, Wuppertal

Warum können Sie denken? Weil Ihre Neuronen feuern. Punkt. Aber ist das wirklich so? Sharon Dirckx bringt brillante Argumente dafür, dass man hier eben keinen Punkt setzen kann. Die Autorin kombiniert ihre beruflichen Fachkenntnisse mit der pädagogischen Klarheit einer Dozentin, um zu erklären, dass wir mehr sind als Maschinen. Darüber hinaus behauptet sie, dass die Frage »Bin ich nur mein Gehirn?« sich nicht nur an Neurowissenschaftler und Philosophen richtet, weil die Antwort darauf jeden Menschen betrifft. Sie legt überzeugend dar, warum wir die christliche Botschaft ernst nehmen sollten. Dieses Buch ist Nahrung für Verstand und Herz.

Dr. Pablo MartinezPsychiater und Autor

Sharon legt in gewohnt lesbarer Form überzeugende Argumente dafür vor, warum die Antwort auf die Frage »Bin ich nur mein Gehirn?« (Achtung, Spoiler!) Nein lauten muss. Ob man nun mit ihren Schlussfolgerungen einverstanden ist oder nicht, diese Reise durch die heißesten Themen der Neurowissenschaften ist eine hilfreiche, klare und knappe Zusammenfassung der unterschiedlichen philosophischen und theologischen Positionen und der neuesten wissenschaftlichen Daten.

Dr. Ruth M. BancewiczThe Faraday Institute for Science and Religion, Cambridge, Großbritannien

In diesem frischen, klaren und hilfreichen Buch schneidet Dr. Dirckx eine Schlüsselfrage des einmal so bezeichneten »wichtigsten Gesprächs unserer Zeit« an. Ist Freiheit nur eine Fiktion? Ist menschliche Würde nur eine Form des »Speziezismus«? Sind wir nicht mehr als nur unser Gehirn? Die Antworten auf solche Fragen betreffen uns alle, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir ihnen nachgehen.

Dr. Os GuinessAutor und Sozialkritiker

Bücher zu diesem Thema werden oft von Philosophen verfasst und sind für den durchschnittlichen Leser häufig schwer zu verstehen. Dieser Band wurde von einer Neurowissenschaftlerin geschrieben und wendet sich an Nichtfachleute. Das Glossar und die Diagramme sollten dieses wichtige Thema einem größeren Kreis zugänglich machen. Es hat mir Freude gemacht, diese Darstellung zu lesen, und gleichzeitig regte sie mich zum Denken an. Ich möchte sie Ihnen wärmstens empfehlen.

Dr. John V. Priestley, Professor em. der Neurowissenschaften,Queen Mary University of London, Großbritannien

Sind wir nur die Atome, aus denen wir bestehen? Kann man einen Menschen auf die graue Masse zwischen seinen Ohren reduzieren? Sharon Dirckx greift auf ihre naturwissenschaftliche Promotion zurück und bringt ihre langjährige Erfahrung als christliche Apologetin ein, um den Leser zu begleiten, wenn er diese wichtigen Fragen bedenkt. Ob Sie nun Christ sind, der intelligente Antworten auf neue Fragen in den Neurowissenschaften finden möchte, oder jemand, der den Verdacht hegt, dass die säkulare Sichtweise nicht die ganze Wahrheit ist: Dieses Buch wird Ihnen helfen, sich nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit Herz, Geist und allem anderen, was Sie ausmacht, mit diesem faszinierenden Thema zu beschäftigen.

Dr. Andy Bannister, Vortragsredner, Autor,Direktor des Solas Centre for Public Christianity

Sharon Dirckx hat ein ausgezeichnetes Buch verfasst, das in das herausfordernde Thema des menschlichen Bewusstseins einführt. In diesem wunderbaren kleinen Band definiert und diskutiert sie die wichtigsten Aspekte klar und deutlich und versteht es, schwierige Themen verständlich darzustellen. Das Ergebnis ist ein solide untermauertes Plädoyer dafür, dass unser Geist mehr ist als nur das physische Gehirn. Es untersucht Fragen, die die Neurowissenschaften nicht beantworten können, wie zum Beispiel, warum wir denken können, und zeigt, wie das letzten Endes auf die Realität eines Schöpfergottes hinweist. Nachdrückliche Empfehlung!

Dr. Gordon Dandie FRACSNeurochirurg, Sydney, Australien

Dr. Dirckx ist hervorragend qualifiziert, um der Frage »Bin ich nur mein Gehirn?« nachzugehen. Sie erläutert die weitverbreitete reduktionistische Auffassung, dass Gehirn und Geist dasselbe sind, und zeigt, dass sie eher von einer als selbstverständlich vorausgesetzten naturalistischen oder materialistischen Philosophie abgeleitet ist als von tatsächlicher Wissenschaft. Dieses Buch wendet sich an den unvoreingenommenen Leser und wird ihn bereichern, egal welche Weltsicht er vertritt. Ich möchte es von ganzem Herzen empfehlen.

John C. LennoxProfessor em. der Mathematik, University of Oxford

Dieses Buch zeigt, wie die offensichtliche Lücke zwischen Gott und Gehirn kein Stolperstein sein muss, sondern als Wegweiser dienen kann. Setzen Sie sich zu Füßen einer erfahrenen christlichen Neurowissenschaftlerin und entdecken Sie, wie das gehen kann.

Steve AdamsAutor, The Centre Brain

Für meine Eltern Dennis und Pauline

Eure Liebe und Unterstützung, die mich schon ein Leben lang begleiten, haben dieses Buch letztlich ermöglicht.

INHALT

Über die Autorin

Einleitung

Glossar

1 Bin ich wirklich nur mein Gehirn?

2 Ist der Glaube an die Seele veraltet?

3 Sind wir nur Maschinen?

4 Sind wir mehr als Maschinen?

5 Ist Willensfreiheit eine lllusion?

6 Vom Gehirn zum Glauben bestimmt?

7 Ist religiöse Erfahrung nur Hirnaktivität?

8 Warum kann ich denken?

Weiterführende Literatur (deutsch)

Weiterführende Literatur (englisch)

Von derselben Verfasserin

Danksagung

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

ÜBER DIE AUTORIN

DR SHARON DIRCKX ist Wissenschaftlerin an und Schöpfungsglaube der Universität Oxford und Tutorin für christliche Apologetik. Sie hat auf dem Gebiet der Hirnforschung promoviert und hält regelmäßig Vorträge an Universitäten, auf Konferenzen und anderen Veranstaltungen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

EINLEITUNG

Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als Kind an einem Regentag am Fenster saß und beobachtete, wie die Regentropfen gegen die Fensterscheibe prasselten. Wie jedes normale Kind verbrachte ich einen Großteil meines Lebens damit herumzutoben. Aber in diesem Augenblick saß ich ganz still da, und ich hatte Zeit, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich kann mich erinnern, dass mir eine Reihe von Fragen durch den Kopf gingen:

Warum kann ich denken?Warum existiere ich?Warum bin ich ein lebendiger, atmender Mensch mit einem Bewusstsein, das Leben bewusst wahrzunehmen?

Ich kann mich nicht genau daran erinnern, wo diese Fragen herkamen. Ich weiß auch nicht mehr genau, wie alt ich damals war. Die Fragen waren einfach da. Niemand hatte sie angestoßen.

Ich weiß, dass ich nicht die Erste bin, die solch einen besonderen Augenblick erlebt hat. Wenn wir nur lange genug still sitzen, kommen alle möglichen Dinge an die Oberfläche unseres Bewusstseins. Lehrer der Achtsamkeit sagen uns sogar, dass es unserer Gesundheit guttut, wenn wir diese Art von Bewusstseinserfahrung einüben. Je mehr wir auf unser Innenleben (zum Beispiel auf unseren Herzschlag, unsere Atmung und Gefühlslage) und unsere Umgebung achten (wie zum Beispiel den Gesang der Vögel in einiger Entfernung oder eine zuschlagende Tür im angrenzenden Zimmer), desto besser. Bewusste Wahrnehmung ist offenbar von zentraler Bedeutung, um ein lebendiger, atmender Mensch zu sein.

Aber was genau sind Menschen eigentlich? Und wie bringen wir solche Aha-Erlebnisse wie das oben geschilderte mit manchen Narrativen zusammen, die wir aus dem Bereich der Wissenschaft hören? Sind wir lediglich hoch entwickelte Primaten? Sind wir Maschinen? Sind wir Seelen, die in einem Körper eingeschlossen sind? Oder sind wir eine Kombination aus allen dreien? Man hört viele unterschiedliche Antworten. Einige der lautesten Antworten auf diese Frage kommen aus den Neurowissenschaften. Sie sagen: »Du bist dein Gehirn. Du bist deine Neuronen. Warum du denken kannst? Weil deine Neuronen feuern. Punkt.«

Francis Crick, einer der Entdecker der DNA und 1962 – mit anderen Forschern zusammen – Gewinner des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin, schrieb in seinem Buch Was die Seele wirklich ist:

»Sie«, Ihre Freuden und Leiden, Ihre Erinnerungen, Ihre Ziele, Ihr Sinn für Ihre eigene Identität und Willensfreiheit – bei alledem handelt es sich in Wirklichkeit nur um das Verhalten einer riesigen Ansammlung von Nervenzellen und dazugehörigen Molekülen. Lewis Carrolls Alice aus dem Wunderland hätte es vielleicht so gesagt: »Sie sind nichts weiter als ein Haufen Neuronen.« Diese Hypothese ist so weit von den Vorstellungen der meisten Menschen entfernt, dass man sie wahrlich als erstaunlich bezeichnen kann.

Fünfzig Jahre später klingt diese Hypothese gar nicht mehr so unvorstellbar. Viele betrachten sie nicht einmal mehr als Hypothese. Ihrer Meinung nach ist es die Wahrheit. Die einzige Wahrheit. Hat Crick recht? Bestimmt unser Gehirn ganz und gar, wer wir sind? Wie wir diese Frage beantworten, hat weitreichende Konsequenzen.

Es sagt etwas über unseren freien Willen aus. Wenn wir von unserem Gehirn gesteuert werden, haben wir dann wirklich die Freiheit, Entscheidungen zu treffen, oder werden wir einfach von chemischen Reaktionen im Hirn gesteuert? Aber wie kann dann jemand für sein Handeln verantwortlich sein, sei es gut oder böse?

Es sagt etwas über die Robotik aus. Roboter übernehmen immer mehr Arbeit und sind in Form von Google Assistant, Alexa und Siri auch in unsere Häuser und Wohnungen eingekehrt. Werden wir schließlich in der Lage sein, Roboter mit Ichbewusstsein und wirklicher, aber künstlicher Intelligenz zu bauen?

Es sagt etwas über Ethik aus. Wenn wir von unserem Gehirn definiert werden, hängt unser Sein, unsere Persönlichkeit, daran, dass wir ein einwandfrei funktionierendes Gehirn haben. Doch wenn das stimmt, welchen Status sollten wir dann denen zubilligen, deren Gehirn noch nicht vollständig entwickelt ist, wie etwa das von Früh- und Neugeborenen? Oder denen, deren Gehirn niemals ihre volle Leistungsfähigkeit erreicht hat, wie etwa bei Menschen mit einer Lernbehinderung? Oder denen, deren Gehirne einmal gut funktioniert haben, jetzt aber degenerieren, weil sie an Alzheimer oder vaskulärer Demenz leiden? Im Grunde betrifft das jeden von uns. Bei jedem, der älter als achtzehn Jahre alt ist, und auch wenn er fit und gesund ist, hat der Verlust von Gehirnzellen eingesetzt, und das in atemberaubendem Tempo. Unser Gehirn baut mit dem Alter ab. Bedeutet das etwa, dass damit auch unsere Personalität verloren geht?

Schließlich sagt es auch etwas über Religion aus. Können Neurowissenschaftler Religion heute einfach wegerklären, weil sie herausgefunden haben, dass das Gehirn eine entscheidende Rolle bei Glaubens- und sonstigen religiösen Erfahrungen spielt? Ist Glaube einfach ein bestimmter Gehirnzustand, den nur Menschen mit passender Anatomie haben können?

Bin ich mehr als mein Gehirn? Das ist nicht einfach eine wissenschaftliche Frage. Sie rührt auch an Fragen der Identität, die die Wissenschaft allein nicht beantworten kann, und um ihr vollständig auf den Grund zu gehen, müssen wir sie auch aus dem Blickwinkel der Philosophie und Theologie, nicht nur der Neurowissenschaften, betrachten.

Der menschliche Geist ist dabei von besonderer Bedeutung. Sind wir mehr als unsere Neuronen, wenn es so etwas wie Geist gibt? Im Gehirn sondern wir nicht nur chemische Stoffe ab, sondern denken auch Gedanken. Und wir denken nicht mit unserem Gehirn, sondern mit unserem Geist. Aber was genau ist der menschliche Geist, und in welchem Verhältnis steht er zum Gehirn? Das ist der Knackpunkt. Wie das Verhältnis von Geist und Gehirn aussieht, ist umstritten. Die amerikanische Romanautorin und Essayistin Marilynne Robinson trifft den Nagel auf den Kopf, wenn sie schreibt:

Wer sich mit seiner Definition von Geist durchsetzt, setzt sich auch mit seiner Definition von Menschsein überhaupt durch.1

Die Antwort auf die Frage »Bin ich mehr als mein Gehirn?« ist nicht nur für Neurowissenschaftler und Philosophen wichtig. Sie hat Auswirkungen, die alle Menschen betreffen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

GLOSSAR

Es ist unvermeidlich, dass ein Buch zu diesem Thema viele Fachausdrücke enthält. Ich habe versucht, die biologische Fachsprache auf ein Minimum zu beschränken, aber die von Philosophen gebrauchten Fachbegriffe, mit denen sie ihre Gedanken zum Ausdruck bringen, können ebenso verwirrend sein. Ich hoffe, die folgende Liste hilft Ihnen, etwas besser die Gedanken, Fragen und Antworten in diesem Buch zu verstehen.

Abwärtskausalität: Der Prozess, durch den der Geist in der Lage ist, »abwärts« auf das Gehirn einzuwirken und im Gehirn Veränderungen zu verursachen.

Bewusstsein: Eine Eigenschaft des Geistes, aufgrund derer unsere subjektiven Gedanken, Gefühle, Erfahrungen und Wünsche existieren.

Determinismus: Der Glaube, dass eine vorausgehende Ursache ein bestimmtes Ergebnis garantiert. Jedes Ereignis hat eine Ursache.

Geist: Träger des unsichtbaren Innenlebens einer Person in Form von Gedanken, Gefühlen, Emotionen und Erinnerungen. Der menschliche Geist ist der Träger des Ichbewusstseins.

Kompatibilismus: Der Standpunkt, dass der Determinismus wahr, aber gleichzeitig auch vereinbar mit dem freien Willen ist. Kompatibilisten glauben, dass Menschen durch vorhergehende Ursachen determiniert sind, aber auch Handlungsfreiheit besitzen, wenn sie nicht eingeschränkt werden oder wenn sie versuchen, ihre Wünsche zu erfüllen. Man bezeichnet dies auch als weichen Determinismus.

HAAD: Hypersensitive Akteurerkennung (»Hypersensitive Agency Detection Device«). Nach Auffassung kognitiver Religionswissenschaftler ist dieser Mechanismus in den menschlichen Geist eingebaut und sorgt dafür, dass Muster, Signale und andere Akteure aus der Umgebung wahrgenommen werden können.

Harter Determinismus: Der Glaube, dass vorausgehende Ursachen ein bestimmtes Ergebnis hundertprozentig garantieren, und zwar so, dass kein anderer Ausgang möglich wäre. In der Neurowissenschaft ist das mit dem Glauben gleichzusetzen, dass das menschliche Gehirn und die Wahlmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, auf jeder Ebene von den zugrunde liegenden Ursachen determiniert werden. Dadurch wird die Möglichkeit eines freien Willens ausgeschlossen.

Inkompatibilismus: Die Auffassung, dass freier Wille und Determinismus einander ausschließen. Diese Auffassung kann von harten Deterministen und Anhängern des Libertarismus gleichermaßen vertreten werden, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der harte Determinist glaubt, dass die starre Struktur des Gehirns die Möglichkeit eines freien Willens ausschließt. Der Anhänger des Libertarismus glaubt, dass der menschliche Wille nicht eingeschränkt ist und das, was im Gehirn vorgeht, deswegen nicht auf jeder Ebene gesteuert werden kann.

Libertarismus: Die Auffassung, dass Akteure (in diesem Fall Menschen) freie Entscheidungen treffen können, die nicht von vorausgehenden Ursachen bestimmt werden. Diese Auffassung betont die Existenz eines freien Willens.

Materialismus: Die Auffassung, dass über die beobachtbare Materie in Zeit und Raum nichts weiter existiert. Im Rahmen dieses Buchs wird der Begriff gleichbedeutend mit Physikalismus gebraucht.

Neurochirurg: Ein Arzt, der dafür ausgebildet wurde, Funktionsstörungen in Gehirn und Nervensystem zu diagnostizieren und Patienten mit solchen Beschwerden zu operieren.

Neurologe: Ein Arzt, der dafür ausgebildet wurde, Funktionsstörungen im Gehirn und Nervensystem zu diagnostizieren und zu behandeln.

Neurowissenschaftler: Ein Wissenschaftler, der sich mit dem Gehirn und seinen Funktionen beschäftigt.

Nicht-reduktiver Physikalismus (Neurowissenschaften): Die Auffassung, dass der menschliche Geist durch das Gehirn hervorgebracht wird. Wenn eine ausreichende Anzahl von Komponenten zusammenkommt und eine gewisse Stufe der Komplexität erreicht, entsteht durch Emergenz etwas Neues, nämlich Geist. Der Geist basiert auf Materie, kann jedoch nicht ausschließlich auf physische Prozesse reduziert werden.

Physikalismus: Die Auffassung, dass es über die beobachtbare materielle Welt hinaus nichts anderes gibt. Im Rahmen dieses Buchs wird der Begriff gleichbedeutend mit Materialismus gebraucht.

Psychiater: Ein Arzt, der dafür ausgebildet wurde, Geisteskrankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. Ein Psychiater darf im Rahmen der Behandlung Medikamente verschreiben.

Psychologe: Ein Nichtmediziner, der dafür ausgebildet wurde, Patienten mit Geisteskrankheiten zu behandeln. Ein Psychologe darf keine Medikamente verschreiben und behandelt Patienten in der Regel durch Psychotherapie.

Reduktiver Physikalismus (Neurowissenschaften): Die Auffassung, dass man den menschlichen Geist auf physiologische Prozesse im Gehirn zurückführen kann. Dieser Auffassung zufolge gibt es so etwas wie Geist gar nicht. Der Geist ist das Gehirn.

Substanzdualismus (Neurowissenschaften): Die Auffassung, dass das materielle Gehirn und der immaterielle Geist wesensmäßig verschieden sind, also unterschiedliche »Substanzen«. Der Geist kann ohne Materie existieren, doch bei Menschen interagieren die beiden. Der Geist geht wesensmäßig über das Gehirn hinaus.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1

BIN ICH WIRKLICH NUR MEIN GEHIRN?

Ich werde niemals den Tag vergessen, an dem ich zusah, wie ein menschliches Gehirn aus einem Leichnam entfernt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war mir das Gehirn bereits vertraut, weil ich mich schon jahrelang damit befasst und auch mit bildgebenden Verfahren gearbeitet hatte. Trotzdem war dies eine völlig neue Erfahrung.

Eine Gruppe von uns stand in grünen Kitteln und blauen Plastikschuhen im Sezierraum einer medizinischen Fakultät. Die eisige, dienstliche Atmosphäre passte zur kalten Umgebungsluft. Der stechende Geruch des Formaldehyds, mit dem Leichen konserviert werden, stieg uns in die Nase. Auf dem Tisch vor uns lag der Leichnam einer älteren Frau.

Ich sah hier nicht zum ersten Mal eine Leiche, aber dieses Mal war etwas anders. Die Frau hatte ihren Körper der medizinischen Forschung zur Verfügung gestellt. Wir waren hier, um uns die Anatomie des menschlichen Gehirns anzuschauen, und der erste Schritt bestand darin, es aus dem Körper zu entfernen. Unser Anatomieprofessor, der den Kurs leitete, begann. Dabei floss zwar kein Blut, weil die Person schon vor einiger Zeit verstorben war. Doch es musste viel gesägt und auch rohe Gewalt eingesetzt werden, um den Schädel aufzuschneiden und das Gehirn freizulegen. Trotz der ungelenken Technik war es eine zutiefst läuternde und Ehrfurcht einflößende Erfahrung, und wir empfanden unaussprechlichen Respekt vor der namenlosen Frau, die ihren Körper der Wissenschaft vermacht hatte, damit andere etwas lernen konnten.

Einige Minuten später lag das Gehirn vor uns, eine Masse aus Wasser und Fettgewebe mit einem Gewicht von nur 1,5 Kilogramm. Ich schaltete in den Studenten-Modus um und dachte weniger an den Menschen und mehr an die Anatomie des Gehirns. Ja, man konnte nicht leugnen, dass da auf dem Tisch vor uns der Mittler der Gedanken, Gefühle, Sehnsüchte und Erlebnisse dieser namenlosen Frau lag.

* * *

Das Gehirn fühlt sich von der Konsistenz her etwa wie ein Pilz an. Glücklicherweise sitzen bei uns aber keine Pilze zwischen den Ohren. Ganz im Gegenteil. Dieses unglaubliche Organ macht nur 2 Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber 20 Prozent der zugeführten Energie, obwohl es zu fast 75 Prozent aus Wasser besteht. Im menschlichen Gehirn finden sich etwa 86 Milliarden Gehirnzellen, sogenannte Neuronen. Jedes dieser Neuronen kann bis zu 1000 Impulse pro Sekunde an Zehntausende anderer Zellen senden, und das mit einer Geschwindigkeit von bis zu 430 Kilometern pro Stunde.2 Während Sie diese Worte lesen, erzeugt Ihr Gehirn genug Strom, um eine LED-Leuchte zu betreiben, und in jeder Minute fließt so viel Blut durch Ihren Kopf, dass Sie damit eine Weinflasche füllen können. Im Menschen ist das Gehirn höher entwickelt als in jedem anderen Geschöpf, obwohl der Preis für das größte Gehirn mit 7,5 Kilogramm an den Pottwal geht.

Jeder Gedanke, jede Erinnerung, jedes Gefühl und jede Entscheidung, die Sie treffen, werden durch dieses Ding gefiltert, das wir Gehirn nennen. Wenn man die Chemie und Physiologie unseres Gehirns verändert, hat das Auswirkungen auf unsere Fähigkeit zu denken. Wenn ich zum Beispiel nur ein wenig dehydriert bin, kann das meine Aufmerksamkeitsspanne, mein Gedächtnis und meine Fähigkeit, klar zu denken, dramatisch verschlechtern. Und viele von uns wissen, dass der morgendliche Koffeinschub wichtig ist, um unsere Denkprozesse zu Beginn eines neuen Tages in Gang zu setzen.

Wir wissen heute aber auch, dass Veränderungen in unserem Denken auch Auswirkungen auf das Gehirn selbst haben. Früher glaubten Wissenschaftler, dass das Gehirn sich nicht verändern lasse, doch heute weiß man, dass es unglaublich »plastisch« ist in dem Sinne, dass es sich laufend verändert und im Laufe eines Menschenlebens neue Verbindungen und Wege schafft. Veränderungen im Gehirn beeinflussen unser Denken. Aber unser Denken, unser Lebensstil und unsere Gewohnheiten prägen auch die Art und Weise, wie unser Gehirn wächst und sich entwickelt.

DAS GEHIRN STUDIEREN

Schon früh wusste ich, dass ich Wissenschaftlerin werden wollte. In der Schule strengte ich mich an – vielleicht sogar ein wenig zu viel – und bereits in meiner frühen Teenagerzeit träumte ich davon zu promovieren. Nach meiner Schulzeit in Durham schrieb ich mich an der Universität in Bristol ein, wo ich Biochemie studierte.

Die Vorlesungen begeisterten mich, die Laborarbeit weniger. Damals war es in den Biochemielabors warm, oft lag der Geruch von Hefe in der Luft. Studierende in weißen Kitteln mischten, zentrifugierten und schüttelten exotische Gebräue, pipettierten winzige Mengen Flüssigkeit von einem Reagenzglas in das andere oder beobachteten besorgt, wie ihre Glasröhrchen ein langes heißes Wasserbad genossen. Es konnte Wochen, manchmal Monate dauern, bevor wir wussten, ob ein Experiment gelungen war. Und wenn nicht, mussten wir wieder ganz von vorn anfangen. Das war Mitte der 90er-Jahre. Seitdem hat sich eine Menge getan.

In Bristol hörte ich auch zum ersten Mal von Neuroimaging. Einige Freunde von mir, die Physik studierten und nur ein paar Räume weiter auf dem gleichen Flur arbeiteten, versuchten einer archaischen Maschine, die mehr oder weniger von Paketband zusammengehalten wurde, Ergebnisse zu entlocken. Sie benutzten dafür eine damals ganz neue Technologie, mit der sie in den Körper schauen konnten, ohne auch nur einen einzigen Schnitt zu machen: die Magnetresonanztomografie (MRT). Diese Technik fand ich hochinteressant, und so begann ich, zwei Jahre später an der Universität Cambridge meine Doktorarbeit zu diesem Thema zu schreiben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die vierjährige Tochter eines Wissenschaftlers uns dort an das Alleinstellungsmerkmal der MRT erinnerte: »Papa, tut es nicht weh, wenn man das Gehirn eines Menschen so aufschneidet?« Sie blickte auf einen Bildschirm, auf dem man den rotierenden Kopf eines Mannes sah, der förmlich gepellt wurde, sodass Schicht für Schicht des Inneren seines Gehirns sichtbar wurde. Tut das weh? Kein bisschen. Mit einer MRT bekommt man elektronische Scheibchen des Gehirns, keine echten.

Die Magnetresonanztomografie bietet die Möglichkeit, ins Innere des menschlichen Gehirns zu blicken.

Eine der aufregendsten Beiträge des Neuroimaging besteht darin, dass es Wissenschaftlern die Untersuchung des Gehirns gesunder Menschen ermöglicht. Zur Wende zum 20. Jahrhundert gab es nur eine Möglichkeit, einen Blick ins Gehirn zu werfen: indem man zum Skalpell griff und zu schneiden anfing. Auf diese Weise konnte man nur Menschen untersuchen, die eine so schreckliche oder auch unheilbare Krankheit hatten, dass sie bereit waren, alles zu versuchen; oder aber diejenigen, die von ihrer Krankheit bereits besiegt worden waren. Die Erfindung der bildgebenden Verfahren bedeutete, dass man nun gesunde und kranke Gehirne vergleichen konnte.

Spulen wir vor in die 90er-Jahre: Die funktionelle MRT (fMRT) stellte einen entscheidenden Entwicklungsschritt dar, weil wir uns jetzt nicht mehr nur eine Struktur in einer Reihe von unbewegten Bildern anschauen konnten, sondern auch Gehirnaktivität. Stellen Sie sich vor, Sie steigen auf einen Turm. Der anstrengende Aufstieg wird mit einer spektakulären Aussicht belohnt. Von oben fallen uns zunächst die großen, unbewegten und leicht zu erkennenden Strukturen ins Auge wie etwa Gebäude und Straßen. Doch dann bemerken wir auch, wie sich Fußgänger, Autos und Busse bewegen. Heute wird die MRT am häufigsten eingesetzt, um unbewegte Bilder vom Gehirn oder anderen Körperteilen zu liefern, wie etwa Knie- oder Schultergelenk. Im Gegensatz dazu misst die fMRT Bewegung innerhalb des Hirns, insbesondere Blutströme. Wenn ein Teil des Gehirns härter arbeitet, strömt mehr Blut, um diesen Teil mit Sauerstoff und Zucker zu versorgen. Die funktionelle MRT misst diesen Blutstrom und kann uns sagen, welcher Teil des Gehirns arbeitet. Diese Entwicklung der späten 1980er-Jahre sollte die Landschaft der Neurowissenschaft für die nächsten Jahrzehnte prägen – eine Landschaft, die wir noch heute erforschen.

Ich genoss das Vorrecht, elf Jahre in der fMRT-Forschung zu arbeiten, und habe mit einigen brillanten Neurowissenschaftlern zusammengearbeitet, die wichtige Beiträge zu diesem Forschungsfeld geliefert haben. Mittels fMRT haben wir untersucht, wie das Gehirn sich um einen Tumor herum neu organisieren oder von einer süchtig machenden Substanz verändert werden kann. Zu Anfang konzentrierte ich mich in meiner Forschung auf gesunde Freiwillige, später arbeitete ich auch mit Krebspatienten und Kokainabhängigen.

SIND WIR NUR UNSER GEHIRN?