Ich kann dich nicht vergessen - Caroline Winter - E-Book

Ich kann dich nicht vergessen E-Book

Caroline Winter

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Das Licht des Sonnenuntergangs verlieh dem Schloßpark einen antiken Goldglanz, der die heruntergekommenen Rabatten und unbeschnittenen Sträucher weniger verwahrlost erscheinen ließ. Wenn Papa das Schloß, den Park, die Wälder, den gesamten Besitz verkaufen würde und wir zögen in die Stadt, würde alles leichter für mich sein, dachte Komteß Helena. Ich würde mich weniger einsam, weniger wie eine Gefangene fühlen. »Du bist noch nicht zum Diner angekleidet, Heli?« fragte eine sanfte Stimme hinter ihr. Helena, sah sich um, sah ihre Mutter lächelnd im Eingang stehen. Ein elegantes schwarzes Kleid mit weißem Hermelinbesatz schmückte ihre noch immer jugendlich schlanke Figur. »Wie sollte ich deiner Meinung nach gekleidet sein, Mama?« »Ich würde das kleine Schwarze wählen. Es eignet sich für jede Gelegenheit. Und trage die Haare offen wie gewöhnlich. Und nur eine Spur Rouge. Du hast mit deinen neunzehn Jahren noch kein starkes Make-up nötig.« »Ja, Mama.« »Und beeil dich ein wenig. Er müßte in Kürze hier eintreffen.« »Ja, Mama.« Er, der hier in Kürze aufkreuzte, war der Mann, der sich als künftiger Bräutigam vorstellen sollte. Was für ein Typ mochte er sein? Ach was.

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Fürstenkrone – 151–

Ich kann dich nicht vergessen

Prinzessin Danielle sehnt sich nach ihrem Liebsten …

Caroline Winter

Das Licht des Sonnenuntergangs verlieh dem Schloßpark einen antiken Goldglanz, der die heruntergekommenen Rabatten und unbeschnittenen Sträucher weniger verwahrlost erscheinen ließ.

Wenn Papa das Schloß, den Park, die Wälder, den gesamten Besitz verkaufen würde und wir zögen in die Stadt, würde alles leichter für mich sein, dachte Komteß Helena. Ich würde mich weniger einsam, weniger wie eine Gefangene fühlen.

»Du bist noch nicht zum Diner angekleidet, Heli?« fragte eine sanfte Stimme hinter ihr.

Helena, sah sich um, sah ihre Mutter lächelnd im Eingang stehen. Ein elegantes schwarzes Kleid mit weißem Hermelinbesatz schmückte ihre noch immer jugendlich schlanke Figur.

»Wie sollte ich deiner Meinung nach gekleidet sein, Mama?«

»Ich würde das kleine Schwarze wählen. Es eignet sich für jede Gelegenheit. Und trage die Haare offen wie gewöhnlich. Und nur eine Spur Rouge. Du hast mit deinen neunzehn Jahren noch kein starkes Make-up nötig.«

»Ja, Mama.«

»Und beeil dich ein wenig. Er müßte in Kürze hier eintreffen.«

»Ja, Mama.«

Er, der hier in Kürze aufkreuzte, war der Mann, der sich als künftiger Bräutigam vorstellen sollte. Was für ein Typ mochte er sein? Ach was. Ob schön oder häßlich, ob sympathisch oder unsympathisch, der Freier, der sich um ihre Hand bewarb, war ihr vollkommen gleichgültig.

Und wenn er ihr nicht gefiel, so konnte sie immer noch Nein sagen. Ihr geliebter Papa würde sie niemals zu irgend etwas zwingen. Das hatte er mehrfach betont. Und sie wußte, sie konnte sich in jeder Beziehung auf ihren gräflichen Papa verlassen.

*

Rasch und leise glitt der Rolls Royce durch die liebliche, in sanfte Hügel eingebettete Landschaft.

Ein toller Schlitten, dachte Andreas Schöller, während er das Luxusgefährt mit geübter Hand seinem Ziel entgegensteuerte.

Er kam sich in der Prunkkarosse wie ein Halbgott vor. Oder wie ein kleiner Junge, der das erste Mal mit einer elektrischen Eisenbahn spielte. Er registrierte die bewundernden Blicke anderer Autofahrer, wenn er sie mit Leichtigkeit auf der Autobahn überholte.

Fünfhundert Kilometer hatte er schon zurückgelegt, als er die Ausfahrt erreichte, die er im Geist markiert hatte. Sie führte zu einer wenig befahrenen Landstraße, die in eine dörfliche Umgebung mündete. Bei einer Weggabelung stoppte er. Vergebens suchte er nach einem Schild, das ihm die richtige Richtung wies. Ein Bauernmädchen kam ihm auf einem alten Fahrrad entgegen. Er ließ das Seitenfenster herab und rief:

»Weißt du, wie ich fahren muß, um zum Schloß des Grafen Bellinghall zu gelangen?«

»Da müssen S’ rechts entlang!« erwiderte das Mädchen und hielt das Rad an. »Nach ’ner Weile kommt eine Kreuzung. Da müssen S’ links abbiegen. Und dann geht’s immer gradaus.«

Die Fahrbahn wurde enger, war nicht mehr asphaltiert. Unmerklich schien die Zivilisation hinter Andreas’ Rücken zu versinken. Der Weg schlängelte sich eng, knochenhart und warm neben Wiesen, Feldern, Äckern, Gräben entlang. Tief stand die Sonne am Horizont. Die Schatten der Bäume wurden länger und kündigten die nahende Dämmerung an.

Andreas drosselte das Tempo, umkurvte einen Sandhügel, der mitten im Weg lag. Dann gab er vorsichtig wieder Gas.

Graf Mauritius von Bellinghall nahm die Parade seiner Mini-Dienerschaft ab, die in seinem Arbeitszimmer zur Musterung angetreten war.

Für diese ganz besondere Gelegenheit waren einige Beförderungen vorgenommen worden. Carl, weißhaariger Schloßgärtner und langjähriges Faktotum der gräflichen Familie, war zum Butler avanciert. Er schien sich in dem engen, schwarz-weißen Jackett nicht sehr behaglich zu fühlen.

Liesel, seine Frau, hatte ihre alten Funktionen als Köchin und Wirtschafterin beibehalten. Nur, daß sie heute ungewöhnlich gut frisiert war und über dem festlichen Trachtendirndl eine feinbesticke Seidenschürze trug.

Katrin, die Schwester von Carl und Liesel, die zeitweise in der Küche aushalf und bei Tisch servierte, war in den Rang einer Kammerzofe erhoben worden.

»Seien S’ ganz unbesorgt, Herr Graf«, meldete sich Carl zu Wort. »Es ist alles bestens arrangiert. Das Gästezimmer wurde auf Hochglanz gebracht.«

»Gut, gut«, nickte der Graf. »Wie ihr sicher schon begriffen habt, erwarten wir einen Gast, der mit besonderer Rücksichtnahme zu behandeln ist. Allerdings ohne allzu große Vertraulichkeit, wenn ich bitten darf. Behandelt ihn mit gebührender Distanz. Haben wir uns verstanden?«

Er machte eine leichte Handbewegung, und das Terzett nickte freundlich zustimmend.

»Also begebt euch an eure Plätze!« sagte der Graf. »Ihr wißt ja, was ihr zu tun habt, wenn unser Gast hier eintrifft.«

Allein geblieben, warf er einen Blick auf die Ahnenporträts, die die Wände des weitläufigen Raumes zierten.

Unter den Bellinghalls sind Marschälle und Admiräle die strahlenden Helden der Familie gewesen, dachte er wehmütig. Übriggeblieben bin ich. Ein alter Stratege, der eine Heirat zustanden bringen soll, um die Reste des ehemaligen Glanzes zu erhalten. Er trat an das Terrassenfenster, schob den Vorhang beiseite und blickte die Auffahrt hinunter. Es begann zu dunkeln. Der erwartete Gast mußte jeden Augenblick eintreffen…

*

Andreas Schöller sah in der Ferne ein Waldstück auftauchen, hinter dessen Baumwipfeln die Türme des Schlosses sichtbar wurden. Eine schnurgerade Platanenallee führte zu einem hohen, schmiedeeisernen Tor, dessen Flügel weit geöffnet waren.

In der Dämmerung wirkte das Schloß imposant, sehr alt und ehrwürdig. Ein strenger Barockbau mit klar gegliederter Front, der den Eindruck von Reichtum und Wohlstand erweckte. Bei näherem Besehen bemerkte man jedoch starke Zeichen des Verfalls.

Der Rolls Royce fuhr die lange Baumallee entlang und hielt vor dem Portal. Etwas steifbeinig von der langen Fahrt in den Süden Deutschlands kletterte Andreas aus der Luxuslimousine und musterte neugierig die Umgebung.

Ein herrlicher Besitz, dachte er. Schade, daß er so heruntergekommen ist. Der Schloßherr scheint nicht gerade in Geld zu schwimmen. Na ja, nobel muß die Welt zugrunde gehen.

Auf den Stufen des Portals erschien Carl und bemühte sich um ein distinguiertes Auftreten, wie der Graf es ihm anbefohlen hatte.

»Schönen guten Abend«, grüßte Andreas locker und lächelte den Mann, der hier offenbar als Butler fungierte, freundlich an.

»Der gnädige Herr werden schon erwartet«, unterbrach ihn Carl und verbeugte sich ehrerbietig. »Wenn Sie bitte nähertreten wollen…«

Mit solch einem erlesenen Empfang hatte Andreas nicht gerechnet. Er schwieg verblüfft.

»Ich werde Ihren Koffer in das für Sie bereitstehende Gästezimmer tragen«, sagte Carl und trat einen Schritt beiseite, um dem Gast den Vortritt zu lassen.

»Aber ich habe gar keinen Koffer dabei«, sagte Andreas, noch immer konsterniert

»Verstehe. Er wird später kommen. Der Koffer, meine ich.«

»Nein, wirklich…«

»Der gnädige Herr spricht ausgezeichnet Deutsch«, stellte Carl mit einigem Erstaunen fest.

»Kommt Ihnen das ungewöhnlich vor?«

»Hier entlang, wenn ich bitten darf«, sagte Carl, ohne auf die lächelnd gestellte Frage von Andreas einzugehen. Damit führte er den Gast zu einer Seitentreppe, über die man zum Gästeflügel gelangte.

Wo, zum Teufel, bringt der mich hin? fragte sich Andreas.

»Hören Sie, ich müßte den Grafen sehen«, versuchte er den weißhaarigen Alten, der hier als Butler fungierte, zurückzuhalten, doch dieser setzte unbeirrt seinen Weg fort.

»Sie sehen den Herren Grafen in Kürze, gnädiger Herr. In einer halben Stunde wird das Diner serviert.«

»Danke, aber ich…«

»Sie haben genügend Zeit, sich ein wenig frisch zu machen, gnädiger Herr«, sagte Carl und öffnete eine Tür im Gästeflügel.

Andreas betrat einen riesigen Raum. Er war mit Möbeln ausgestattet, die mindestens so alt wie das Schloß waren.

»In diesem Bett…«, Carl wies mit ausladender Geste auf das pompöse Bett mit dem hohen Baldachin, »… schlief einst der Imperator.«

»Welcher Imperator?«

»Natürlich Napoleon. Im Jahre 1805. Als er die Österreicher besiegte.« Er wollte noch einiges mehr über die früheren Bewohner dieses Raumes bekanntgeben, unterließ es jedoch. Keine zu großen Vertraulichkeiten, hatte der Graf gesagt. Daran mußte man sich halten

»Interessant«, murmelte Andreas. »Aber hören Sie, ich habe den Eindruck, hier liegt ein Mißverständnis vor. Ich bin nur…«

»Ja, ich weiß, gnädiger Herr.« Carl trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Er fürchtete, der Gast könnte ihm Fragen stellen, auf die er nicht vorbereitet war. Schließlich war er nur ein schlichter Gärtner. Deshalb beeilte er sich, aus dem Zimmer zu kommen.

»Sobald das Diner angerichtet ist, ertönt der Gong«, haspelte er im Hinausgehen und zog die Tür hinter sich zu.

Das ist ein Ding, dachte Andreas und sah sich um. Die Wände waren mit verblichenen Seidentapeten verkleidet. Überall standen Blumen in antiken Vasen. Ein wunderschöner indischer Teppich zierte den Fußboden. Außer dem Prunkbett standen Barockstühle, Barockkommoden, eine Empire-Recamiere mit verschlissenen Seidenkissen herum.

Wie in einem Museum, flog es ihm durch den Kopf. Oder bei einer Auktion von Antiquitäten. Da kommt man her und will nur… und läßt mir nicht mal Zeit, den Mund aufzumachen.

Dieser alte Butler nimmt mich am Eingang wie ein Paket in Empfang, schleift mich in dieses Mausoleum hinauf, kündigt mir an,

an der Abendtafel sei ein Platz

für mich reserviert… Ja, bin ich

in einen Narrenkäfig hineingeraten?

*

»Er spricht ausgezeichnet Deutsch«, wußte Carl seiner Herrschaft zu berichten. »Und er scheint ein anständiger junger Mann zu sein. Ja, und sein Koffer wird nachgeschickt.«

Der Graf und die Gräfin Rosalie, die am Kopfende der langen Tafel standen, tauschten lebhafte Blicke untereinander aus.

»Und was hast du für einen Eindruck von ihm?« fragte die Gräfin, nachdem Carl sich zurückgezogen hatte.

Der Graf hob die Schultern.

»Ich habe ihn ja nur vom Fenster aus beim Verlassen des Rolls Royce gesehen. Da läßt sich nicht viel sagen.«

»Und ich sah ihn von oben, als er die Halle durchquerte. Irgendwie hatte ich ihn mir anders vorgestellt.«

»In welcher Hinsicht?«

»Schwer zu sagen. Etwas amerikanischer…«

»Ach, du dachtest, er taucht hier in Cowboystiefeln, Cowboyhut und Lasso wie in einem Western auf?« bemerkte der Graf sarkastisch und schnippte einen Fussel vom Ärmel seines Trachtenanzugs, der seine Erscheinung als Landedelmann unterstrich.

»Nein, aber ich hatte ihn mir nicht wie einen x-beliebigen jungen Deutschen vorgestellt. Ich hatte etwas Exklusiveres erwartet.«

»Hör zu, meine Liebe, selbst wenn er im Frack erschiene, um vor uns eine gute Figur zu machen, wird er bestimmt immerzu amerikanischen Kaugummi kauen und die Füße auf den Tisch legen.«

Die Gräfin näherte sich ihrem Gemahl, nahm liebevoll seinen Arm und sah ihn flehentlich an.

»Ich bitte dich, Mauritius, versuche dich zu beherrschen. Du weißt, was für uns auf dem Spiel steht. Also behandle den jungen Mann nicht wie einen Wilden.«

»Schon gut, sei ganz beruhigt, Rosalie. Vorausgesetzt, er benimmt sich nicht wie ein Eroberer. Manche reich gewordenen Amerikaner, die nach Europa kommen, glauben, sie könnten für ihre Dollars die ganze Welt kaufen.«

»Aber er ist doch nur zur Hälfte Amerikaner. Sein Vater stammt von hier und hat sogar als junger Bursche für unsere Familie gearbeitet, bevor er in die Vereinigten Staaten auswanderte.«

»Das verschlimmert die Dinge, meine Liebe. Das weißt du genau. Wir haben lange genug darüber diskutiert. Sein Vater wünscht diese Heirat, um Vergeltung zu üben. Und ich…, ich bin auf Grund der Verhältnisse gezwungen, ihm nachzugeben. Aber wenn sein Sohn sich in den Kopf gesetzt hat, hier den großen Herrn zu spielen, dann werde ich ihn mit einem Fußtritt davonjagen. Das schwöre ich dir!«

»O Gott! Es wäre das Ende für Bellinghall.«

»Ich weiß. Aber mir ist nichts geblieben als mein Stolz. Und falls jemand glaubt, ich wäre geneigt, auch ihn zu verkaufen, so hat er sich gründlich getäuscht.«

*

Der große bronzene Gong verkündete mit acht dumpfen Schlägen, daß das Diner serviert war.

Vom Butler geführt, ließ Andreas sich durch endlose Gänge geleiten, bis dieser vor einer hohen Doppeltür stehen blieb und die Flügel aufstieß.

»Das Speisezimmer, gnädiger Herr«, sagte er, seiner Butlerrolle getreu, im Tonfall eines Fremdenführers.

Beeindruckt ließ Andreas den Blick durch den riesigen, holzgetäfelten Raum mit drei schweren Bronzekronleuchtern schweifen. Er nahm die mit Kristall und Silber geschmückte Tafel wahr, die hochlehnigen schwarzen, von Meisterhand geschnitzten Stühle, den mächtigen Marmorkamin, in dessen Höhlung Holzscheite aufgeschichtet waren.

Mit schlecht verhohlenem Erstaunen wurde er von der Gräfin, mit offenkundiger Kälte vom Grafen begrüßt. Ihre indignierten Blicke ließen nur eine Schlußfolgerung zu: Es mußte an seiner Bekleidung liegen.

Wie die meisten seiner Altersgenossen trug er lässige Jeans, ein offenes Hemd und eine leichte Freizeitjacke. Mit Sicherheit kein Aufzug, der für diese Gelegenheit angemessen war. Letztendlich war er ja nur gekommen, um…

»Willkommen auf Schloß Bellinghall, Mr. Holzinger«, unterbrach die Gräfin seinen Gedankengang, ein Lächeln auf ihre Lippen zwingend. »Oder sollte ich einfach Sepp zu Ihnen sagen?«

Mr. Holzinger? Sepp? fragte sich Andreas verwirrt. Und blitzartig überkam ihn die Erkenntnis, in welchem Irrtum die Schloßbewohner sich befanden.

Ein Mr. Holzinger aus der USA hatte über einen Hamburger Importeur einen Rolls Royce gekauft. Er sollte am Flughafen bereit stehen, sobald die Maschine der Pan-American-Airways in Hamburg-Fuhlsbüttel landete.

Der Autosalon, in dem er, der Student Andreas Schöller, während seiner Semesterferien als Verkäufer jobbte, erhielt die Aufgabe, den Rolls Royce zum Flughafen zu fahren, um ihn seinem neuen Besitzer zu übergeben.

In letzter Sekunde erreichte den Autosalon ein Fax, wonach sich die Ankunft von Mister Holzinger um 24 Stunden verzögerte. Auch für den Rolls Royce hatte sein Empfänger eine neue Bestimmung getroffen. Er sollte bei seiner Ankunft auf Schloß Bellinghall für ihn bereit stehen, da er den Rest seiner Transatlantiküberquerung per Bahn zurückzulegen gedenke.

»Herr Graf«, begann Andreas sichtbar verlegen, aber entschlossen, den Irrtum auf der Stelle aufzuklären. Da wurde er abermals unterbrochen.

»Das ist unsere Tochter Helena«, sagte der Graf mit Blick zur Tür. Andreas wandte den Kopf und sah im Eingang ein umwerfend schönes Mädchen stehen.

Wie verzaubert betrachtete er das vollkommene Oval ihres Gesichtes, die feinen Züge, die kupferblonden Haare, die ihr über die schmalen Schultern fielen.

Ihre Augen waren groß und glänzend, doch von einer sonderbaren Traurigkeit erfüllt. Es machte sie womöglich noch schöner, noch anziehender, doch er fragte sich unwillkürlich, was dieses junge Mädchen bekümmern mochte.

Sie hat doch alles, was man sich wünschen kann, dachte er: Jugend, Schönheit, ein Schloß, hochrangige Eltern, einen Adelstitel.

»Dies, meine Liebe«, sagte die Gräfin zur ihrer Tochter, »ist Sepp Holzinger aus Amerika, der uns heute die Ehre gibt.«

Mit unbewegter Miene musterte Helena einige Sekunden den jungen Mann im Freizeit-Look. Dann nickte sie mechanisch mit einem Lächeln, das sofort wieder erlosch.

»Wollen wir zu Tisch gehen?« fragte der Graf brüsk und nahm am Kopfende der langen Tafel Platz.