Ich reiche Wörter zum Reisen - Gianni Kuhn - E-Book

Ich reiche Wörter zum Reisen E-Book

Gianni Kuhn

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Beschreibung

Ausgewählte Gedichte und Prosatexte des in Frauenfeld (Thurgau) lebenden Autors Gianni Kuhn.

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Seitenzahl: 132

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Inhalt

GEDICHTE

warten auf den zug

airports gilgamesch

zürich überbrücken

schamrot mit weissem kreuz

white out

stau kolonnade gotthard

stauseen

zeit für die sennerin

quelle des rheins

greina hochebene

leventina

rhônegletscher

salzluft vom meer her

möwengelächter über bages

nachtkonzert

salinen

venedig überbrücken

schwarze küsten

andalusía

abendverkauf

verregnets gesicht austria

fussballs gewittersturz singen

intro

griffel

festland für matrosen

napoli negra

roma amor

kosmisches hintergrundrauschen

gibraltar

sahara

ölplattform

gletscherkinder

überflug

new york city kanal strömen

das pelagische schleppnetz

das mädchen björk

herz der finsternis

das herz australiens

donau quellen

valser therme

passo del lucomagno

solio paradies

lai da tuma

zugspitze

stilfser joch

hellbrunn zeitlos, ein teich

salzkammer süss

Nahender Tod

Rollstuhl

Dämmerung

Der Fremde

Tanka

Belauschen

Lebenseinstellung

Stiller

Steuerfrei

Rede an den jungen Dichter

Die Ballade vom Auswandern

Belfast

Elektromagnetisches Gedicht

Die Agonie der Fotografie

PROSA

Nackte Besucher

Mercier fährt immer Rad

Mein Haus in Novosiwinsk

Amor als Sieger

Zug nach Pankow

Blendung

Das erregendste Rot

Die fliegenden Hunde von Feldkirch

Drei Männer vom See

Fotografie von Apollo

Perlenkette

Wie atmet ein Fahrradfahrer?

Der Falkner von Brest

Aufenthalt im Paradies

In allen Dingen

Löschflugzeuge

Rot lackierte Fingernägel

Der Aquarellist

GEDICHTE

warten auf den zug

ein herzlich schweigendes willkomm

am bahnhofswartestamm um sechs in der früh,

alles ist rückwärts gewandt, der magen

noch kaffeeisoliert, die augen vertraumzipfelt,

die träume meist bös oder schlimm oder peinlich

oder einfach keine erinnerung mehr,

nur schmerzen

an schultern, nacken, im kreuz,

den krampf im bein, das stechen in der brust,

die zeitungslettern drücken sich

fest in die leere des hirns,

die lippen trocken ohne tau,

noch lange keine kussbereitschaft

zu erwarten,

obwohl der morgen fürs sinnliche

wie geschaffen wär, keine lust,

vielmehr noch keine zeit,

nur futter für die augen und

die empfindlichsten morgenohren

der welt,

der mond jedenfalls

zwillingt sich gegen den zigaretten

glimmpunkt, verfehlt die einheit

nur knapp, sinkt schliesslich ab,

der einfahrt des zuges,

wenn auch mit verspätung,

platz zu machen,

freie bahn!

airports gilgamesch

flughafen, gigantischer menschenarsch,

signalrot die feuerlöscher des gilgamesch,

dreiklänge scheinen aus den miniaturvideo

überwachungskameras zu kommen,

flughafen kloten, hier wird dem magermilch

pulver einer frühfahrt das wasser hinzugerührt,

der reizhusten durch reizende schuhe ersetzt,

und allmählich macht sich das vorstadtgewinsel

bemerkbar,

oh kloten, deine grünen augen wie sterne,

wer möchte da nicht songschreiber werden,

wer nicht abheben, durchziehen und raus

aus des schaffners augenpaar und knips,

raus aus der schweizerischen demokratie

und zollfrei fliegen,

doch der schaffner drückt den knopf,

was heisst, der zug ist zur abfahrt bereit,

näxt stop zjurik erklingts durch seinen

stimmgewaltigen mund

zürich überbrücken

zürich blauer trunkenbold

unter des himmels gedröhne seltsam still

wie gedanken an nichts und nochmals

das gestammel der kaffeetassen,

das klirren, alles umsteigen jetzt,

bleibt viel zeit noch, mehr als erwartet

zwischen urinoir und espressobar,

hier reimt sich selbst die duschanlage

mit der bijouterie,

nur der tau fehlt ein bisschen

auf den blumensträussen,

sgilt weiter die wartezeit zu überbrücken,

bis die bahnsteige für die nächsten anschlüsse

feststehn,

in der marmorhalle wieder auftauchn

in den halboffenen dreiklang

der allseits bekannten ansagerstimme,

wie heimat seine worte, wie glück,

eine zigarette entzündt sich hier einer,

ein kleiner privater, ein reisender

fast intim schon mit diesem ort,

graffiti stehen für den blauen himmel,

seine blicke kreisen hinauf

zur nana, dem engel

der niki de saint phall

schamrot mit weissem kreuz

wenn der alpenfirn sich rötet

geht’s unweigerlich gegen den alpstein,

der zug wiehert und winselt

unter den churfirsten lustgeprügelt

in vollster viersprachigkeit,

landlady landquart ist richtig gestimmt,

um nach schiers, küblis, klosters

den joint durchzuziehen:

davos track six,

18 stockwerke manhattan gischt

gleich bei der station flattert die u.s.a.,

die speckigen sterne im rheintal,

in gedämpftem ton die schmalspurbahn,

die rhätische château weiss gott was

für ein bordeauxrot ihre farbe,

spätestens in klosters das geschwätz

vor dem aufstieg,

welches die schweiz mit österreich

in ein bett legt,

der gotschna in helios sperre heisst

nebelverhangene schispitzen,

und zauberberg heisst deutsch

in der schweiz

und die schweiz ist eh für sich allein

nie etwas gewesen,

von dem die andern

nicht gewusst hätten,

dass es dies gibt,

so zieht die rhätische bahn

die völkergemeinschaft der touristen

unter ächzen und stöhnen weiter hinauf,

näher zum paradies

white out

der waldfriedhof liegt etwas ausserhalb

von davos

zwischen lärchen abgesenkt

und tief verschneit,

etwas oberhalb nur wenige meter vom hang

die kreisenden rotorblätter,

die vier männer mit dem sprengsatz,

der die lawine auslösen soll,

auf dass die skifahrer wieder sicher fahren

können,

white out

ist die vollkommene orientierungslosigkeit

eines hubschrauberpiloten,

wenn dieser zu viel schnee aufwirbelt,

rundherum ist alles weiss,

kein oben, kein unten,

weit dehnt sich das schneefeld in die tiefe

der lärchen

und selbst die vielen grabsteine sind nichts

weiter

als kaum wahrnehmbar sich wölbende

verschneite hügel

stau kolonnade gotthard

die hitze ist gussreif, kein kälteriss

nur offene münder und volle windeln,

kein platz für erbärmliche platzhirsche,

nur soziales geschiebe auf dem einstigen

urmeer,

nun treten wir am ort, kühlen uns

im biertopf die erhitzten sinne,

das sirrende wasserfallen in der ferne

schürt sehnsucht,

an den bergflanken vor der lockenden röhre

allerlei kapellen und landwirtschaftliches

gefährt,

der überhitzte kühlerhaubenunterbau knurrt,

ich tret mal aus und piss ins kohlenmonoxyd,

nichts als granitabpraller,

seh dabei kinder mit rahmverschmierten

mündern ausm schwarzwald, einen bergbauern

am berg die sense gewetzt, eine gruppe

strassenarbeiter ausm ausland die ausladende

inlandstrasse repariern, frag mich, was ich hier

mach, bis mirs abstellt,

endlich richtiges austreten, tankstelle in sicht,

zufrieden die zunge im dampfenden sprit,

spiritus sanctus kumpel, ein brandopfer

ist allerdings nicht angesagt, also halbier dir

die zigarette, spuck drauf, oder mach sie

sonstwie zur sau, ganz feucht muss sie sein,

kein glimmen mehr, keine hoffnung auf rauch,

sonst sind wir mächtig vor der zeit in der hitze

des südens,

nur explosiver und schneller

stauseen

schieferndes gneissgeschiebe unter meinem steiss,

weil oben hinter der mauer was wassermasse ruht,

allein die turbinen zu bedienen, lichtschienen

und allerlei steckdosiges zeugs,

aus der adlerperspektive ein richtiger see

wie die unten bei zürich, zug, luzern und genf,

zwar viel kleiner auf der karte, viel grösser

vor ort, weil sich niemand drauf wagt

mit einem heimatlichen schiff, nur vereinzelte

baumstämme kreiseln im blaugrünen wasser

als reaktion auf den turbinensog aus der tiefe,

die verwitterte betonwand hält alles zusammn

in ihrer monumentalen biegung armiert,

die ziegen am hang kümmert das allerdings

einen feuchten dreck

zeit für die sennerin

1

nebelbandagen über der unterkühlten haube,

drunter der scharrende motor, die lackkarosserie

hellblau voller taumoleküle,

vorbei am bretterzaun mit den abgerissenen plakatn,

vorbei am halbleeren buswarteschuppen, besprayt,

vorbei an hunden an der leine und fussgängern

die hundekacke ihrer lieblinge aufnehmend,

beide sind sie keine jäger mehr, nur noch sammler

2

bergwärts geht’s voller freude, ist doch klar,

voller vorfreude und hunger nach ionisierter luft

und fichtigem, moosigem, felsigem, wo alles

noch zusammenkommt, wos wasser direkt

aus der quelle sprudelt, wo alles noch stimmt

und auch mal richtig urtümlich stinken darf

gegen den blauen himmel

3

hanglagig den wagen parkiert, die waden mit

ringelblume einmassiert, aufm geröll der rutschtest

für die boots,

dann kreuz und quer hinaufgekeucht, den rost

im eigenen blut ausgekocht,

die lungen durchgeschruppt,

den körper geschlaucht,

den geist befreit

4

bei einbrechender dunkelheit ankunft

direkt ins nachtaugige kuhgemelk und blökecho,

spät, zu spät schon für die alpine siesta,

bald schläft die sennerin, muss morgens um vier

wieder raus für die milch und den käs,

keine zeit für den städter mehr heut

5

von der mehrstimmigen morgenkadenz

aus dem schlaf gesogn wies mark ausm knochen,

schnell in den tagesarm genommen der benommene

städter, besonnt wie von sinnen,

der morgenmond schon abgeplattet,

der mund trocken, die kühe gemolken

6

der hochsonnenstand schattiert die armmuskeln

der sennerin, die schläft schon wieder ermattet,

nur der hund gibt laut,

brav, ist gut so,

die kühe sind an die bergweide geworfenes spielzeug,

die gletscherzungenluft züngelt aus dem nebental,

in weiter ferne ein hubschrauber mit holz

7

der abend löscht schliesslich alles aus,

nur siehst du hier mit dem herz

und so bleibts länger hell

in der mehrstimmigen abendkadenz,

der sennenhund holt die kühe runter

zum halbgedeckten stall, sist melkzeit,

die sennerin ist dir wieder entwischt

8

das melken dauert stunden und dann

folgt noch mehr arbeit in der käserei,

holt sich die müdigkeit nach mitternacht

wieder die sennerin unter den sternbildern

weg, vom berg her vereinzeltes blöken,

verlangsamt auch des städters herzschlag

zum schlaf

quelle des rheins

quäle den rhein, so hab ichs immer verstanden

als kind,

als hätt ich eine delle im gehirn, ein loch,

bis ich über die blöcke die eigenen kinder

hab hüpfen sehn, diese gämsböcke,

über kleine grüne polster aus moos

hab ich mich beim tomasee gehen gesehn,

einsaufen auch,

einen schuh fluchend aus dem eiswasser ziehn,

lachen mich aus, diese quader mit ihrem echo,

verhöhnen mich mit ihren abgerissnen wänden,

teils geschwärzt von erloschnen feuern,

teils schon von flechten zeitlos überrannt,

für steinhauer jedenfalls ist hier auszeit,

besser machen wär der nackte hohn,

zu fuss,

weder funktelefon noch brot noch genaue

karten oder gar leuchtraketen im rucksack,

vom panorama überwältigt und

vom eigenen mut überrascht,

von entgegenkommenden berggängern

ermuntert ins hochsommerliche gebirge zu stapfen,

derart gelockt und höher gezogn als jemals gedacht,

bis der erste schwindel und der zu lange anmarschweg

einem klarmacht, es gibt kein zurück,

nur vorwärts

auf immer enger werdenden pfaden,

sich durch felsspalten zwängen,

mit den turnschuhen

über abrutsche und loses gestein,

über erste unerwartet auftauchende

schneefelder,

darüber der himmel noch blau,

doch plötzlich mitten im nebel,

alsbald schlotternd in der zu leichten kleidung,

immer neu erschreckt durchs rieselnde gestein,

kein zurück mehr möglich,

sgilt die kinder je einzeln zu halten

an den klammen händen,

beruhigend auf sie einzureden,

so die schwierigsten stellen zu meistern,

halt irgendwie durchzukommen,

kaum noch sehen wir einander

im sich verdichtenden nebel,

sind nicht sicher, obs der richtige weg ist,

nieselregen setzt ein, ein eisiger wind,

einzig die hoffnung, den oberalppass heil

und bei tag noch zu erreichen

greina hochebene

die hubschrauber ziehen ihre kreise

akkurat in den anflugbahnen der bergdohlen

voller kakao, schnaps und allem,

was not tut, nur einziehn könnens das kreuz

ihrer rotorblätter nicht wie die dohlen ihre flügel,

spätestens nachts im zwanzigbettzimmer

frägst du dich schlaflos drehend,

ob du nicht doch dem berg auf den leim

gegangen bist, der hütten filz romantik

mit alkohol und käse drüber,

schläfst ein wenig,

grad genug, um dich

an die schlimmsten träume zu erinnern,

der morgen ist putzlappen und

reinigungskübel bei fuss noch bevor

die sonne am blank gewischten himmel

alles klarmacht,

brauchst selbst nichts zu tun als dich

von dem eigenen ledernen schuhwerk

über die hochebene tragen zu lassen,

gezogn von den augen und dem atem,

der stille zu stehen wünscht,

aber hechelt,

so zieht menschliches geschiebe

und langsames stottern

des gerölls unter deinen füssen

das lied an,

dieses rinnsal von einem menschen

auf der alpinen hochebene der greina

längs und quer forschend und suchend,

bleibt kein wunsch, bleibt nichts übrig

als dieses lied

leventina

morgens früh um sechs stehen drei junge

burschen in einem hellgelben und grauen airolo,

die weite tremola der passstrasse hinter sich,

das eisige halten beim hospiz, da war der himmel

noch eisen, jetzt aluminium, später benzindampf

und öl an den händen, beim einen die zündkerze

im eimer, beim andern die aufhängung des auspuffs

gebrochen, so stehen sie ganz oben in der leventina

um ihre drei eintakter mopeds, als schlügen in ihnen

ihre herzen

rhônegletscher

das hotel belvédère, diese eigenartig hohe gestalt,

zu den spitzen und zacken des gebirges keine

konkurrenz,

oben die dammagruppe voller stolz die stirn zum

himmel,

wie der hund zum licht seine zähne fletscht,

nahe der schon in der bronzezeit begangenen

verbindung des furkapasses,

vom hotel belvédère aus hinter der mit daumen

und zeigefinger zum mund geführten kaffeetasse

die einst nach gletsch runterleckende zunge,

die dichter in ihren bann schlug,

heute nurmehr ein jämmerlicher eisbär, aus dessen

mund speichel läuft,

wurmstichig blaues eis für japaner und hochzeitspaare,

verschütteter kaffee,

im hotelbett des belvédère sind längst die lichter

der vorbeifahrenden autos erloschen,

ohne schlaf liegt da einer,

als sich der eisstrom zu bewegen beginnt,

ein fliessen, ein reissen,

als wollte er mit seiner gletscherzunge das erstbeste

schlauchboot zwischen oberwald und ulrichen kentern lassen,

sich durchs wallis runterlecken, um den lac de genève

mit einem schnalzen zu leeren,

als wollte er die ganze rhône in die camargue

runter drücken,

fest ins meer sein eis

salzluft vom meer her

der strand starrt vor sich hin, gewellt der sand,

die linse gestrafft und gezogen zum horizont,

der ozean kullert möwen in schichten und flug

bahnbögen gegen das salzig gebrochene kliff,

was am strand steht untergräbt jede welle, ziehts

weg und schlenkert es raus auf den weiten ozean,

dort sind die schifffahrtsstrassen mit teer belegt,

die seeluft vom öl erfüllt, von möwen eingeatmet,

bin bis zu den waden durchs treibende wasser gewatet,

bis mir die zehen vor freude zu tanzen beginnen,

unterkant walzernde wale, nur nicht im grün des flach

gebogenen, wo quallen wohnen zwischen gestein,

zwei männer in neoprenanzügen, mit harpunen bewaffnet,

steigen in die brandung, schnorchelnd die fische zu suchen,

die ohren wattig vom weissen kreiseln des schaums,

dem dröhnen der brecher und der stille dazwischen,

die schiffstaue loskant, die segel als wolkenfetzen,

so sonnt der horizont sein himmelkörnigstes licht

möwengelächter über bages

die möwe auf dem stromleitungsmast

lacht vor sich hin oder setzt erst an

für die andern als vorgesang,

bevor der lachende chor einsetzt,

seis zote oder gewäsch oder schlichtes

geplapper, ein witz, eine anekdote,

hier wird alles in der höhe besprochen,

über dem hochkonzentrierten salzwasser

dieses binnengewässers, dem étang von bages,

und wenn du pech hast, scheissen sie dir

dazu noch kalkweiss auf den kopf

nachtkonzert

die abfallcontainer stinken vor sich hin

von den abtrocknenden fischernetzen sekundiert

bei leichtem wellenschlag, der nicht

die nächtliche wärme zu drosseln vermag,

laufende automotoren konzertieren nachts um zwei,

wenn draussen die möwen schon schlafen, nur die katzen

sind auf der jagd, während im scheinwerferlicht ihrer autos

zwei männer mit den eisenkugeln ein pétanquespiel riskieren,

die aufgerissenen gelben schnäbel der möwen ruhen,

nur das echo ihrer salven ist noch immer verkeilt im dorf,

ein letztes klacken, ein letztes wort noch, dann sind

auch die männer weg, nur der mörtel von den wänden bröckelt

salinen

teils aus dem mattgelben stein gehauen,

teils gemauert die endlos scheinenden

rechtecke, vor dem türkis des mittelmeers

hingelegte fenster,

schöpft ein älterer mann mit einer hölzernen

handschaufel das salz aus dem seichten wasser,

füllt es in geflochtene körbe, rotbraun und gold

in der sonne,

wo obendrauf die grobkörnigen weissen pyramiden

selbst den himmel blenden,

kaum einen steinwurf entfernt,

von einem hügel mit föhren und gelbflackerndem

ginster getrennt der doule, der salzsee

ganz nahe am meer,

im auffrischenden wind rollt er den salzschaum

in riesigen schwaden ans sandige ufer,

so dass die badenden kinder schreien vor glück

in den wellen aus schaum

und gar nicht bemerken, wie die scharfkantigen

steine darunter ihre füsse ritzen

mit haardünnen linien aus blut

verzieren

venedig überbrücken

4 stern hotel, »monaco/grand canal«, terrasse

fürs frühstück inclusive und schwarze gondeln,

lackschuhe der lagune,

die frau schon um die achtzig und im licht

der rollenden sonne über der lagune,

dreht und wendet sich in der kühlen aprilluft,

kein reh mehr, doch sie weist am abend

die harten lebern bestimmt zurück, will zarte,

dafür sei dieses lokal schliesslich berühmt,

sie fröstelt ein wenig, doch nicht mehr

als viel jüngere, die ermattet nach ausflügen

auf die inseln der gegend in der bar sich erholen,

von leukämie im endstadium jedenfalls ist ihr