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Cheer Stanford

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Beschreibung

Frauke Knullner, erfolgreiche Klarinettenspielerin, erfüllt sich mit 50 den Wunsch Mutter, zu werden, da das Leben als Frau nur so vollkommen für sie erscheint. Sie bekommt einen Jungen namens Finno, der das Klarinettentalent von ihr geerbt hat. Finno wächst zu einem musikalischen Wunderkind heran. In ihm keimt der Wunsch auf, seine Fähigkeiten weiter auszubauen und auf ein berühmtes Musikinternat zu gehen, um danach die Welt als erfolgreicher Musiker zu bereisen und überall Konzerte zu geben. Doch obwohl er ein Riesentalent ist, lehnt ihn das Internat immer wieder ab. Als Finno seinen Traum gerade aufgeben will, lernt er ein Mädchen kennen, mit deren Hilfe er den Grund für die Absagen herausfindet. Die Wahrheit, die dadurch ans Licht kommt, besiegelt das Schicksal aller Beteiligten… Außerdem: Exklusives Interview mit der Autorin Cheer Stanford über ihr Debütwerk »Ich sehe ROT«.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Prolog

 

 

Sie legt die Klarinette beiseite und schaut auf.

»Frauke, was hast du?«, erwidert der Mann und stellt die Kaffeetasse ab.

»Es wird Zeit, dass ich mein Talent weitervererbe. Ich will ein Kind.«

»Du bist schon fünfundvierzig. Ich bin fünfzig. Das klappt nicht mehr.«

Frauke steht auf.

Sie geht aus dem Wohnzimmer heraus.

Egon streicht sich über den Kopf und schmiert sich den Talg über die letzten Haarsträhnen.

Frauke kommt wieder herein und hat ein Heft in der Hand.

»Ich setze die Pille ab und dann klappt es. Und wenn nicht«, sie schlägt das Blatt auf, »machen wir das hier. Ich will unbedingt ein Kind!«

Egon setzt die Brille auf und schaut in das Heft.

»Künstliche Befruchtung.«

»Richtig.«

Frauke strahlt und klatscht in die Hände.

»Ich kaufe gleich heute einen Strampler! Und sie soll Finni heißen!«

Egon zuckt mit den Schultern und legt das Heft beiseite.

Er geht ins Schlafzimmer an den Nachttisch, öffnet das Fach und zieht eine Packung Tabletten hervor.

 

 

 

 

 

Teil 1

 

 

Kapitel 1

 

 

 

Drei Jahre später.

 

Egon nimmt Fraukes Hand.

»Ich habe etwas Angst um dich. Wird alles gut gehen? Mit deinen Vorerkrankungen… und in diesem Alter…«

»Der Arzt meint, wir haben gute Chancen, Eltern zu werden. Egon! Ich kann es kaum erwarten, endlich schwanger zu werden!«

Der Mann streichelt ihre Hand und dann betritt der Arzt den Raum.

»Frau Knullner, wir werden nun beginnen. Herr Knullner, bitte gehen Sie zur Schwester in den Nebenraum.«

Egon nickt dem Arzt zu.

Er geht aus dem Zimmer heraus.

Dort steht die Schwester und führt ihn in einen Raum.

»Brauchen Sie etwas Film?«

Egon wird rot.

Die Frau im weißen Kittel verzieht keine Miene.

Egon nickt.

»Was soll ich tun, wenn es jetzt nicht klappt?«

»Versuchen Sie es einfach.«

Die Frau lenkt ihn in den Raum, führt ihn zum Stuhl.

Sie schaltet das Licht aus, gibt ihm eine Fernbedienung und verlässt den Raum.

Egon tut, was er für Frauke tun muss.

Auch wenn er dabei nicht an sie denkt.

 

Kapitel 2

 

 

 

Frauke sitzt auf dem Sofa.

Sie blättert durch einen Katalog.

Egon schaut in die Röhre.

»Guck. Wie süß.«

Egon schaut nicht auf.

»Ich will das für Finni haben.«

Egon glotzt weiter in die Röhre.

»Hast du schon einen Wickeltisch gekauft?«

Egon nimmt die Fernbedienung. Er schaltet den Fernseher aus.

»Frauke.«

»Ja, Egon?«

»Ich habe es gekauft. Aber es steht noch im Laden.«

»Wie bitte?!«

Frauke schmeißt den Katalog vor Entsetzen zur Seite und schnellt in die Höhe.

»Wie soll ich das denn machen.«

Egon schaut auf seinen in Gips gewickelten Fuß.

»Dann ruf deinen Bruder an. Sein Sohn soll sich nützlich machen. Der hat sich schon ewig nicht mehr blicken lassen.«

Frauke stampft mit dem Fuß auf und fällt im selben Augenblick zurück auf das Sofa.

»Ich darf nicht schwer heben. Ich kann es nicht machen.«

Egon steht auf und holt das Telefon.

»Helge. Ja, ich bin’s. Kannst du den Ullrich rüberschicken?«

Frauke grinst zufrieden und legt eine Hand auf den Bauch.

Noch sieht es aus, als habe sie blähende Bohnen gegessen.

»Liebe Finni. Ich hoffe, wir sehen uns bald. Dann lehre ich dich, wie man Klarinette spielt.«

Egon legt auf.

Er kommt zurück.

»EGON!«

Frauke schreit.

Er steht stramm.

»Bring mir meine Klarinette oder ich muss weinen!«

Kapitel 3

 

 

 

Frauke schaltet das Licht an. Es ist 23 Uhr abends.

Sie rüttelt am schnarchenden Egon.

»Es…«

Egon regt sich nicht.

»Tut…«

Egon wälzt sich auf die andere Seite.

»Weh!«

Frauke schreit und hält sich den Bauch.

Egon wacht auf und springt aus dem Bett.

Sein Fuß tut auch weh.

»Frauke! Oh nein…«

Er schlägt die Decke zur Seite.

Blut kommt zum Vorschein.

Egon humpelt in den Flur und ruft Ullrich an.

»Du musst uns ins Krankenhaus fahren!«

Egon und Frauke gehen aus dem Haus in den Hof.

Ullrich fährt mit dem Auto vor.

Sie steigen ein und fahren los.

Frauke jammert und hält sich die kleine Wölbung.

Egon nimmt sein Handy und ruft im Krankenhaus an.

»Halten Sie sich bereit! Meine Frau ist zu früh dran!«

Sie kommen in der Klinik an.

Der Arzt empfängt sie.

Frauke wird schnell behandelt.

»Herr Knullner. Ich möchte mit Ihnen sprechen.«

Der Arzt holt Egon zu sich.

»Sternenkind…«

Kapitel 4

 

 

 

Frauke liegt im Bett.

Egon sitzt da und schaut sie an.

»Frauke…«

»Ich will ein Kind.«

»Frauke…«

»Ich will.«

»Wir sind alt.«

»Sonst bin ich nie eine echte Frau gewesen!«

Egon fährt sich durch die talgigen Haare.

»Der Arzt hat mir Hoffnung gemacht. Es wird klappen.«

Egon nimmt Fraukes Hand.

»Frauke…«

»Er soll Finno heißen und Klarinette spielen.«

 

Kapitel 5

 

 

 

Frauke liegt im Bett.

Sie springt auf.

Sie rennt aus dem Raum heraus.

Sie kotzt.

Frauke kommt zurück.

»Warum ist Egon nicht zu Hause!«

Sie tobt.

Sie legt sich auf das Sofa.

Sie betrachtet die Strampler, die für Finni waren.

»Ich will dich darin sehen, Finno.«

Sie legt eine Hand auf den Bauch.

Streichelt einmal darüber.

Noch einmal.

Noch einmal.

Sie lacht.

Frauke steht auf.

Sie geht zum Kühlschrank und futtert für zwei.

Sie geht zum Telefon. Greift den Hörer und ruft ihre Nachbarin Gilsa an.

»Kannst du den Garten für mich machen und die Hühner füttern?«

Sie wartet die Antwort ab.

»Ja, das wird Finno in ein paar Jahren für dich erledigen können. Ich muss mich doch jetzt schonen und Egon ist nicht da.«

 

Kapitel 6

 

 

 

Frauke wird unruhig. Sie steht auf und setzt sich gleich wieder.

»Egon.«

»Frauke…«

»Gib deine Hand.«

Frauke legt Egons Hand auf ihre Murmel.

Egon fühlt Tritte in Fraukes Bauch.

»Er will zu uns.«

Frauke heult.

Egon lacht.

Noch ein Tritt.

Dieses Mal stärker.

Egon lacht lauter.

Frauke heult heftiger.

Egon lacht jetzt über Frauke.

Sie schreit.

»Er kommt!«

Egon lacht nicht mehr.

Er rennt.

Er holt das Telefon und ruft den Notarzt.

Es gibt kein Netz.

Egon ist bleich.

Frauke kippt vor Schmerz um und bricht sich den Arm.

 

Kapitel 7

 

 

 

Frauke will Finno in den Arm nehmen.

Doch ihr Arm hängt im Gips in einer Aufhängung.

Egon muss Finno nehmen und ihm Finnis Strampler anziehen.

Er ist ratlos.

Egon ruft die Schwester, sie soll das Baby einkleiden.

Als sie dies tut, betrachtet Egon seinen Sohn.

»Sieht aus wie ich, richtig?«

»Wie aus dem Gesicht geschnitten.«

Die Schwester nimmt das Kind, dessen Gesicht noch platt gedrückt ist und legt es Frauke auf den Bauch.

Das Kind schreit.

»Haben Sie ihn schon gestillt?«

Frauke schüttelt den Kopf.

Die Schwester geht zu Frauke und legt das Kind an.

Es klappt nicht.

Frauke weint.

Der Arzt kommt.

»Frau Knullner. Uns ist gelungen, was nur wenigen gelingt. Sie sind mit fünfzig Jahren Mutter geworden. Glückwunsch. Sie sind eine sehr starke Frau.«

Frauke weint nicht mehr.

Sie fühlt sich wohl.

Das Baby schreit.

Egon hält sich die Ohren zu.

 

Kapitel 8

 

 

 

Die Schwester betritt den Raum.

»Doktor Bleibtreu. Warum tun Sie das?«

Der Doktor steht auf.

»Binden.«

Sie reicht ihm die Verpackung.

»Mein Sohn soll auf die beste Uni gehen.«

»Was soll später aus Finno werden…«

»Schwester, ich habe gesehen, dass Ihre letzte Gehaltserhöhung schon sehr lange her ist.«

Die Schwester setzt sich.

 

Kapitel 9

 

 

 

Frauke wird in den OP geschoben. Egon bleibt mit Finno im Arm zurück.

»Hier haben Sie die Flaschen. Fraukes Milch.«

Egon nimmt sie an sich.

»Wir rufen Sie an, sobald die OP vorüber ist.«

Egon nickt.

Die Schwester legt eine Hand auf seine Schulter.

»Ein gebrochener Arm. Keine große Sache.«

Egon nickt.

Er ist blass.

Die Schwester geht.

Egon schlurft zum Auto und nimmt den Sohn mit.

Sie fahren eine dreiviertel Stunde.

Finno schreit die ganze Zeit.

Zu Hause angekommen, nimmt Egon das Kind, geht mit ihm zur Tür und schließt auf.

Er geht ins Wohnzimmer und legt Finno auf dem Sofa ab.

Finno schreit immer noch.

Egon holt eine Decke und wickelt das Kind ein. Er holt eine Flasche und füttert das Kind.

Finno schreit weiter.

Das Telefon klingelt.

»Es gab Komplikationen. Ihre Frau hatte einen Blutverdünner nicht abgesetzt. Es dauert länger.«

Finno schreit.

Egon schreit zurück.

 

Kapitel 10

 

 

 

Finno schreit.

Egon holt ein Bier.

Noch eins.

Noch eins.

Egon geht zu Finno.

Finno kotzt.

Egon flucht und geht mit Finno in den Hühnerstall.

Er legt das Baby zu den Hühnern ins Stroh und geht zurück ins Haus.

Egon wartet eine Stunde.

Dann geht er zu Finno und holt ihn zurück.

Finno ist ruhig.

Egon legt sich auf das Sofa und starrt in die Röhre.

Zehn Minuten sind vergangen.

Finno schreit wieder.

Egon zerschlägt die leere Flasche am Couchtisch und brüllt Finno an.

An der Tür klingelt es.

Egon legt die kaputte Flasche beiseite und geht zur Tür.

Gilsa steht da und meint, dass sogar ihr Radio den kleinen Finno nicht übertönen kann.

»Das ist nicht mehr zum Aushalten.«

Egon bricht in Tränen aus.

Gilsa gibt dem fünfundfünfzig Jahre alten Mann einen Schnuller.

»Bitte Herr Knullner. Den hatte mein Sohn, bis er fünf war.«

 

Teil 2

Kapitel 1

 

 

 

Zehn Jahre später.

 

Im Hause Knullner wird gefeiert. Frauke wird sechzig.

»Finno, du bist ja gewachsen.«

Gilsa tritt hervor.

»Ja.«

Finno lächelt, steht aufrecht und trägt den Schnuller ihres Sohnes um den Hals an einem Bindfaden.

Gilsa zeigt auf den Schnuller.

»Den hat schon mein Sohn benutzt. Und aus ihm ist was geworden. Du wirst schon sehen, Finno, bei dir wird es genauso.«

Gilsa zwinkert und tätschelt den Jungen.

»Danke, Frau Gluttner.«

Finno wird von der Mutter gerufen.

»Zeig unseren Gästen, was ich dir beigebracht habe.«

Finno nickt und tritt neben die Mutter in die Mitte eines Kreises.

Die Gäste lauschen Finnos Klarinettenspiel.

Sie klatschen und tuscheln, als es vorüber ist.

»Ein Wunderknabe! Er spielt jetzt schon wie du in deinen Zwanzigern!«

Frauke freut sich und fühlt sich wohl.

Sie zieht ihren Finno zu sich heran.

»Das habe ich ihm in die Wiege gelegt. Ein Hoch auf meine guten Gene!«

Die Gäste klatschen und Frauke wird mit Lob überschüttet.

Sie badet sich in der Anerkennung der anderen.

So lange, bis ihr Kreuz schmerzt. Dann muss sie sich setzen.

Kapitel 2

 

 

 

Finno ist stolz und macht sich einen Kakao.

Weil er noch zu heiß zum Trinken ist, geht Finno mit der Klarinette in den Hühnerstall direkt neben dem Haus.

»Meine Lieben.«

Er setzt sich zwischen die Hennen und den Hahn.

Sie kennen Finno und tun ihm nichts.

Ein Huhn ist besonders zahm und kommt zu ihm.

»Rot. Wie schön.«

Er streichelt das Huhn.

»Blau, Grün und Gelb, kommt doch auch her.«

Die anderen Hühner kommen dazu.

»Ich wurde für mein Klarinettenspiel sehr gelobt.«

Finno grinst über beide Backen. Er beginnt zu spielen und die Hühner fliehen.

»Hey! Ihr Banausen! Bald werde ich auf der ganzen Welt Konzerte geben, wartets nur ab! Dann bin ich zu beschäftigt, um für euch zu spielen und ihr bereut es, mir heute nicht zugehört zu haben!«

Die Hühner flattern mit den Flügeln und der Hahn kräht.

Kapitel 3

 

 

 

Egon sitzt mit seinem Bruder Helge auf dem Sofa.

Beide starren in die Röhre.

Auf dem Couchtisch stehen zwei Flaschen Bier.

»Dein Sohn hat Talent.«

»Ich weiß.«

»Ullrich hat kein Talent.«

»Ich weiß.«

»Ullrich wurde wieder gekündigt.«

»Schade.«

»Wenn Finno berühmt wird und im Orchester spielt, muss er für Ullrich einen Job finden.«

»Sicher.«

Egon nimmt einen Schluck.

Helge streicht sich über die grauen Bartstoppeln am Kinn.

Egon hält sich den Bauch.

Jetzt hat er eine Murmel.

Kapitel 4

 

 

 

Ullrich geht mit seiner Freundin in die Küche.

»Arroganter Rotzbengel.«

»Meinst du den Finno?«

Linda streichelt Ullrich über den Arm.

»Ich habe mich die ganzen zehn Jahre um den gekümmert. Und was hab ich davon? Kein eigenes Leben. Ich hasse Finno.«

»Aber er kann doch nichts dafür. Frauke ist schuld.«

»Wieso musste diese Frauke noch ein Kind bekommen? Ich hasse diese Familie.«

Linda nimmt Ullrichs Hände und drückt sie.

»Wollen wir weggehen?«

»Ja Linda, lass uns abhauen. Sie sollen mich nie wieder finden. Ich will endlich nur mit dir zusammen leben und mit niemand anderem. Ich will nicht, dass mir die Frau meines Onkels Vorschriften macht und meine Eltern tatenlos zusehen.«

Linda weint los.

»Verlieren wir keine Zeit! Freiheit erwartet uns! Lass uns in ein Land ziehen, was abseits von dieser schrecklichen Familie liegt.«

Linda klatscht und heult Wasserfälle.

»Ich will mein eigenes Leben leben.«

Linda zieht ihren Ullrich in Richtung Haustür.

»Warte Liebste. Bevor wir gehen, muss ich noch etwas tun.«

Ullrich tritt zu Finnos abgekühltem Kakao und spuckt hinein.

Jetzt nimmt er hastig Lindas Hand und sie flüchten aus dem Hause Knullner.

 

Kapitel 5

 

 

 

Finno kommt zurück ins Haus.

»Hühner sind dumm.«

Er nimmt den kalten Kakao und trinkt alles aus.

Er möchte zurück zu Frauke und den Gästen wieder vorspielen.

Finno möchte noch einmal den dröhnenden Applaus hören.

Ein Tuscheln dringt zu ihm durch.

»Das hat Frauke schlau gemacht«

Vera, die Freundin von Frauke hat es gesagt.

Luisa, die andere Freundin, meint:

»Seine Zukunft gehört den Alten.«

Vera flüstert mitleidig.

»Der arme Junge.«

Finno versteht nicht, was die Damen da reden.

Er schüttelt den Kopf.

Er geht zu seiner Mutter, lässt sich von ihr in die Mitte stellen und spielt stolz vor.

 

Teil 3

 

Kapitel 1

 

 

 

Drei Jahre später.

 

Finno kommt von der Schule heim.

»Die Lehrerin sagt, ich soll die Schule wechseln.«

Frauke sitzt auf dem Sofa und liest Zeitung.

»Hast du etwas angestellt?«

Finno holt die Klarinette hervor.

»Frau Musser sagt, mit meinem Talent gehöre ich nach New York und nicht in diese Provinz.«

Frauke liest sich die Ankündigungen der Nachbarschaft durch.

»Du kannst doch gar kein Englisch.«

»Sie will mich dem Musikinternat in Weimar vorstellen. Wir haben heute ein Bewerbungsvideo aufgenommen.«

Frauke schaut mit ihrer Gleitsichtbrille von der Zeitung auf.

»Ach?«

Finno antwortet mit euphorischem Klarinetten Gedudel.

»Die Aufnahmeprüfung bestehe ich mit links.«

»Weimar ist aber ganz schön weit weg.«

Finno lässt von der Klarinette ab.

»Ich bin kein Baby mehr, Mutter.«

»Ich vermisse dich aber, wenn du weg bist.«

»Am Wochenende besuche ich dich.«

Frauke nimmt die Brille ab, faltet die Zeitung zusammen und wirft sie in den Müll.

»Finno? Wie heißt dieses Internat?«

 

Kapitel 2

 

 

 

Eine Feder liegt auf dem Fußabtreter vor der Tür.

 

Finno kommt von der Schule heim.

»Da ist ein Brief für dich gekommen.«

Frauke ruft es, während sie den Backofen heizt.

Finno nimmt den Brief vom Musikinternat, der auf der Bank im Flur liegt.

Er rennt mit der Klarinette unterm Arm in sein Zimmer.

Finno öffnet den Brief.

»Sie haben sich gegen mich entschieden.«

Finno legt die Klarinette ab, faltet den Brief zusammen und legt ihn ganz tief unten in eine Schublade.

»Sie haben sich gegen mich entschieden.«

Er läuft aus dem Haus hinaus.

In den Hühnerstall hinein.

Er setzt sich in die Ecke und weint.

Rot kommt dieses Mal nicht.

Aber Blau schreit.

Grün und Gelb schreien auch.

Der Hahn fliegt durch den Stall und schreit.

»Was schreit ihr? Ich sollte schreien. Ich wurde abgelehnt.«

Finno wischt sich über die Wangen.

»Tröste mich, Rot.«

Finno sucht Rot.

Rot ist nicht im Stall.

Finno geht zurück ins Elternhaus.

Auf dem Herd kochen Klöße, Rotkohl und Soße.

Im Ofen backt ein Huhn.

Finno schreit.

»Hühner gehören nicht in die Röhre!«

Egon kommt herein und reibt sich die roten Hände.

Er sagt: »Hühner sind zum Essen da.«

Frauke verbrennt sich beim Herausnehmen des Hühnchens. Ihre Hand wird rot.

Auf dem Esstisch liegt eine Feder.

Frauke sagt zu Finno:

»Sei nicht traurig, ich habe dich beim Klarinettenklub im Nachbardorf angemeldet.«

Teil 4

Kapitel 1

 

 

 

2 Jahre später.

 

Frauke legt die Füße hoch.

»Der Ullrich war lange nicht mehr da.«

Sie zieht sich die Strümpfe aus.

»Ich erreiche ihn auch gar nicht.«

Egon guckt in die Röhre, die Fernbedienung hüpft auf seinem Bauch, als er hustet.

»Der ist weg.«

»Wie weg?«

Frauke dreht sich zu Egon.

»Mit seiner Frau auf und davon.«

Egon greift nach den Salzbrezeln.

Frauke guckt ihn an.

»Guck nicht so. Wir haben jetzt Finno.«

Frauke setzt sich die Brille auf.

»Wir müssen besser aufpassen, Egon.«

 

Kapitel 2

 

 

 

Finno ist beim Klarinettenklub im Nachbardorf.

Die Tür geht auf und ein Mädchen mit roten lockigen Haaren betritt den Raum.

»Das ist Finja. Sie ist für eine Woche bei uns.«

Finja setzt sich neben Finno.

Sie schaut Finno an und er schaut zurück.

Die Schüler stehen auf und die Übung beginnt.

Finno spielt zuerst Klarinette. Finja spielt auch, aber Finno ist besser.

Sie setzen sich wieder.

»Du gehörst nach New York und nicht hierher.«

Finja schaut Finno an.

Er schaut nicht zurück.

»Ich bin gar nicht so gut.«

»Selbst in Weimar habe ich nie jemanden gehört, der so gut wie du spielt.«

Finno fährt herum.

»Weimar?«

»Ich komme vom Musikinternat in Weimar, gerade sind Ferien.«

Der Lehrer ermahnt beide.

Bis zum Ende des Unterrichts reden sie nicht mehr und spielen nur noch Klarinette.

Als es um sechs ist, packen sie die Taschen zusammen.

Finja tippt Finno auf die Schulter.

»Hast du Zeit?«

Finno weiß es nicht genau.

Er ist sonst immer halb sieben zu Hause.

»Mach eine Ausnahme.«

Finjas rotes Haar ist so stechend rot.

Er stimmt zu.

Kapitel 3

 

 

 

Frauke greift zum Telefon.

»Mein Sohn ist noch nicht heimgekommen.«

Die Uhr schlägt sieben.

»Wann ist er losgegangen?«

Frauke dreht sich um und das gelockte Telefonkabel spannt sich.

»Er hat kein Handy.«

Draußen wird es dunkel.

»Mit einem Mädchen?!«

Sie schreit. Und kreischt.

Egon macht den Fernseher lauter.

 

Kapitel 4

 

 

 

Finja und Finno sitzen auf einer Parkbank.

Finja redet auf ihn ein.

»Du kannst wirklich toll spielen.«

Finno schaut in den Sonnenuntergang.

»Bewirb dich auch in Weimar.«

Finno greift nach seinem Rucksack.

»Du würdest alle begeistern.«

Er nimmt die Klarinette heraus.

»Hier bei den Alten versauerst du.«

Finno pustet in die Klarinette.

»Ich habe mich beworben und wurde abgelehnt.«

Finja verstummt.

»Und warum wurde ich dann angenommen?«

Finno weiß es nicht.

Finja lacht.

»Probiere es noch mal und ich empfehle dich auch meinem Lehrer.«

Finno schaut auf die Uhr.

»Ich muss los.«

Finja meint:

»Allein im Dunkeln habe ich aber Angst.«

Finno nimmt ihr den Rucksack ab und sagt:

»Dann bringe ich dich nach Hause.«

Drei Straßen vor Finnos Haus biegen sie ab.

Finja zeigt auf ein verklinkertes Haus.

»Dort vorn wohnen meine Eltern.«

Finno stutzt.

»Warum kenne ich dich nicht, obwohl wir so nah beieinander wohnen?«

Finja weiß keine Antwort, weil sie Finno auch noch nie vorher gesehen hat.

»Aber morgen treffen wir uns wieder?«

Finno sagt:

»Morgen haben wir aber keinen Klarinettenunterricht.«

»Und?«

»Ich darf nicht ohne Grund rausgehen.«

Finja wirft das rote Haar über ihre Schulter und lacht.

»Bin ich nicht Grund genug?«

Kapitel 5

 

 

 

Finno kommt nach Hause.

Egon sitzt vorm Fernseher, Frauke vor ihrem leeren Teller am Tisch.

»Du bist heute spät.«

Frauke guckt streng.

Finno überlegt, was er sagen soll.

Er will rot nicht noch einmal verlieren.

Aber er traut sich auch nicht, seine Mutter anzulügen.

Immerhin ist Frauke doch seine Mutter.

»Im Klarinettenklub ist jetzt für eine Woche ein Mädchen und weil es schon dunkel war und sie Angst hatte, habe ich sie nach Hause gebracht.«

Frauke zieht ihre Mundwinkel nach oben.

»So ein anständiger Junge.«

Finno nickt und setzt sich an den Tisch.

Frauke geht in die Küche.

Mit einem Messer zerschlägt sie einen Apfel.

»Meinen Finno bekommt die Göre nicht, koste es, was es wolle.«

Ihr Blick schweift über die Herdplatte.

 

Kapitel 6

 

 

 

Finno kommt von der Schule nach Hause, legt den Ranzen ab, zieht aber die Jacke nicht aus.

Gleich will er Finja treffen.

Frauke erscheint.

Sie hält ein Blatt in den Händen.

»Man kann sich wieder für Weimar bewerben.«

Finno schaut auf.

»Wenn du es wirklich willst, musst du dich dieses Mal richtig anstrengen.«

Finno tritt an Frauke heran und nimmt das Bewerbungsblatt.

Er denkt an Finjas rote Haare.

»Ich werde mich wirklich bemühen. Koste es, was es wolle.«

»Gut. Dann fangen wir gleich mit dem Klarinettenunterricht an.«

 Finno zieht die Jacke aus und bleibt daheim.

 

Kapitel 7

 

 

 

Finno ist müde.

Er denkt an Finja.

Er möchte sie sehen.

Aber er muss weiter üben.

Er ist traurig, dass er jetzt nicht bei ihr sein kann.

Aber er hofft, sie bald jeden Tag in Weimar sehen zu können.

Er schreibt einen Brief an sie:

»Liebe Finja, leider muss ich diese Woche weiter üben und kann dich nicht treffen. Ich übe für die Aufnahmeprüfung in Weimar, wie du es vorgeschlagen hast. Ich bin mir sicher, dieses Mal schaffe ich es und dann können wir uns bestimmt jeden Tag sehen. Dein Finno.«

Er steckt den Brief auf dem Nachhauseweg von der Schule in Finjas Briefkasten.

Zu Hause übt er fleißig weiter.

Solange, bis er beim Klarinettenspielen vor Erschöpfung einschläft.

Er ist müde, doch Aufgeben kommt nicht infrage.

Denn er denkt an Finjas rote Haare.

Kapitel 8

 

 

 

Am Abend bevor Finja abfährt, trifft sie Finno.

Sie unterhalten sich auf einer Parkbank, unweit von ihren Wohnhäusern.

»Durftest du nach draußen?«

»Nein.«

»Aber du bist trotzdem da.«

»Weil ich einen wichtigen Grund habe.«

Finja lacht und streicht sich das lockige Haar hinters Ohr.

»Wie können wir in Kontakt bleiben?«

»Wir könnten uns Briefe schreiben.«

Finno schlägt es vor.

Finja lacht.

»Das ist zu altmodisch. Ich kann nicht solange warten, bis dein Brief ankommt. Ich möchte sofort deine Antwort sehen.«

»Hast du eine andere Idee?«

»Du fragst mich nach meiner Nummer.«

Finno stutzt.

»Deine Nummer?«

»Hast du kein eigens Handy?«

Finno schüttelt den Kopf.

»Meine Mutter erlaubt es nicht.«

»Sag das doch gleich!«

Finja steht auf, läuft los und verschwindet.

Finno wartet und wenige Minuten später kommt sie zurück.

»Ich schenke es dir.«

Sie gibt ihm ihr altes Klapphandy.

»Du musst noch eine Karte reinstecken und mit Geld aufladen, damit wir schreiben können.«

»Das…«

Finno schnellt aufgeregt in die Höhe.

»Kriege ich hin!«

»Und? Fragst du mich jetzt?«

»Schönes Mädchen mit den roten Haaren. Darf ich deine Nummer hab’n?«

Teil 5

Kapitel 1

 

 

 

Drei Wochen später.

---ENDE DER LESEPROBE---