Ich will mich ja selbst lieben, - Ina Rudolph - E-Book

Ich will mich ja selbst lieben, E-Book

Ina Rudolph

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Beschreibung

Nein, ich muss mich nicht ändern!

Ist Selbstliebe anstrengend? Muss man dafür diszipliniert sein? Üben? Sich beherrschen? Und bin ich jemand anderes, wenn ich mich ändere? Eines vorweg: Ändern muss ich mich nicht, aber sich Fragen stellen, das macht Sinn. Und am besten die vier "The Work"-Fragen von Byron Katie. Mit deren Methode im Gepäck hat sich die sympathische Autorin auf den Weg gemacht, um in vielen beispielhaften Geschichten und Episoden aus ihrem Alltag und ihrer Erfahrung als Coach eine Antwort auf die zentrale Frage „Wie geht Selbstliebe?“ zu finden. Unterhaltsam geschrieben und mit charmanten Illustrationen wird die Ichfindung zur kurzweiligen Lektüre.

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Seitenzahl: 262

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INA RUDOLPH

Ich will mich jaselbst lieben,

aber muss ich mich dafür ändern?

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1. AuflageOriginalausgabeCopyright © 2017 Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, MünchenZeichnungen: Ina RudolphLektorat: Anne Nordmann, BerlinSSt · Herstellung: cbSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-20996-4V001www.goldmann-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung: Zur Methode »The Work« von Byron Katie

1 Verlieben

Sie hat mich zurückgewiesen

2 Selbstbild

Mir soll man nicht an den Karren fahren können

3 Bei mir bleiben

Ich brauche einen Mann

4 Vorsätze

Ich muss schaffen, was ich mir vorgenommen habe

5 Kindererziehung

Was ist meine Angelegenheit?

6 Beruf

Ich muss ich sein

7 Mein Körper

Ich kann keine verrückten Sachen machen

8 Beziehung

Er akzeptiert mich nicht so, wie ich bin

9 Liebeskummer

Ich will, dass er mich trotzdem liebt

10 Sex

Ich möchte jemanden an meiner Seite, mit dem der Sex schön ist

11 Mein inneres Kind

Ich habe heute Schwierigkeiten mit der Liebe, weil meine Eltern sie mir nicht vorgelebt haben

12 Vertrauen

Ich sollte nicht so misstrauisch sein

13 Scham

Wenn ich es nicht so mache, wie die anderen, bin ich kompliziert

14 Chaos

Das ist nicht das Leben, das ich wollte

15 Trennung

Ich brauche ihn

16 Unterstützung

Ich muss das hier allein durchstehen

17 Krankheit

Es wird mir schlecht gehen

18 Selbstliebe

Ich muss mich erst ändern, bevor ich mich lieben kann

Arbeitsblatt

Vorwort

Nicht alles, was wir glauben, ist auch wahr.

Ich bekomme nichts hin!

Ich bin zu dick / zu dünn!

Ich bin zu faul / zu ehrgeizig!

Ich sollte mal lockerlassen können!

Ich bin nicht gut genug!

Mit mir stimmt was nicht!

Ich müsste anders sein, als ich bin!

Wie fühlt es sich an, wenn Sie sich Vorwürfe machen, streng mit sich sind und sich kritisieren? Ist Ihr Leben dadurch besser geworden? Liebevoller? Und können Sie sich wirklich sicher sein, dass diese Gedanken wahr sind?

Wenn Sie solchen Gedanken glauben, können Sie Ihre eigene Schönheit nicht wahrnehmen, sehen nicht, wo Sie genug sind, liebevoll und genau richtig, so, wie Sie sind. Diese Gedanken verwehren Ihnen den Eintritt ins Paradies und stressen Sie unnötig.

In diesem Buch zeige ich Ihnen, wie Sie solche Glaubenssätze finden, überprüfen und auflösen können. Wie Sie bessere Perspektiven finden als Kummer und Schmerz. Glauben Sie Ihren stressigen Gedanken nicht mehr, löst sich auch die Härte gegen Sie selbst und andere Menschen auf. Ihr Blick weitet sich und Sie sehen Perspektiven, die vorher auch schon da waren, die Sie aus Ihrer verengten Wahrnehmung jedoch nicht sehen konnten.

Mit einem freundlichen Blick auf sich selbst können Sie entspannen. Ihr Leben mit Freude angehen. Spüren, wie gut es Ihnen geht. Sie empfinden Ihre Welt als reich, voller Möglichkeiten, und das ist auch wahr. Von diesem Lebensgefühl aus können Sie in ein schönes Leben starten. Und was immer Sie vorhaben, wird Ihnen eher gelingen! Los geht’s!

Einleitung: Zur Methode »The Work« von Byron Katie

Ein Gedanke ist erst einmal nur ein Gedanke. Ein formloses, flüchtiges Etwas, das erst Auswirkungen auf mich hat, wenn ich anfange, es zu glauben. Diese Gedanken können mir bekannt sein oder auch in den Tiefen meines Unterbewusstseins vergraben sein. In beiden Fällen beeinflussen sie meine Einschätzung von Dingen und Menschen, die mir begegnen. Genauso, wie meine Einschätzung von mir selbst. Glaube ich zum Beispiel, ich müsste ein liebenswerterer Mensch sein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich Gefühle wie Unzufriedenheit oder Ärger spüre, wenn ich mein Handeln mal wieder als »nicht liebevoll genug« einschätze. Dann glaube ich vielleicht auch, dass ich mich erst ändern muss, bevor ich mich lieben kann. Dies ist ein guter Weg, das Glück und die Liebe immer auf morgen zu verschieben und wieder auf morgen, auf nächste Woche oder auf nie.

Was sind Ihre Gedanken? Worauf warten Sie noch?

Ich kann mich erst lieben, wenn ich …………………………

Und kennen Sie diese Gedanken auch in der Projektion auf andere Menschen?

Ich kann dich erst lieben, wenn du …………………………..

Welches sind Ihre kritischen Gedanken, die Sie davon abhalten, sich selbst freundlich zu begegnen? Und kann man die jemals loswerden?

Loswerden kann man seine Gedanken wohl nicht. Es sei denn für kurze Zeit in Meditation, in Gefahrensituationen oder mit einer ordentlichen Portion Alkohol oder anderen Drogen. Hirnforscher sagen, wir haben sechzig- bis achtzigtausend Gedanken am Tag. Diese Gedanken tauchen in einer unkontrollierbaren Geschwindigkeit auf und lassen sich nicht abstellen. Aber – ich kann den Gedanken freundlich begegnen. Und die, die Angst auslösen, Ärger, Frust und Enttäuschung kann ich überprüfen. Wir haben diese Gedanken irgendwann einmal gehört oder gelesen, eventuell in der Kindheit, von den Eltern oder Großeltern, den Erziehern oder Lehrern. Aus den Medien vielleicht. Und manchmal bauen wir daraus Konstrukte, die nirgendwo anders existieren als in unserem Kopf. Wir interpretieren, bewerten, befürchten. Alles erstmal nur Gedanken.

So, wie ich überprüfen kann, welche Lebensmittel ich wirklich vertrage oder welche Menschen und Dinge mir wirklich gut tun, kann ich überprüfen, ob diese Gedanken, die ich irgendwann einmal übernommen habe, auch für mich stimmen. Wie oft stellt sich doch heraus, dass es anders war oder kommt, als ich dachte. Ich muss nicht alles glauben, was ich denke.

In diesem Buch wird Sie eine Methode begleiten, die ich sehr liebe und die mir seit siebzehn Jahren hilft, mit meinen Gedanken Freundschaft zu schließen. THEWORK wurde vor circa dreißig Jahren von Byron Katie entwickelt und ist mittlerweile überall auf der Welt verbreitet. Sie ist einfach, und jeder, der seinen Verstand dafür öffnen kann, kann sie anwenden.

The Work ist ein einfacher Prozess der Selbstüberprüfung.

Teil 1 der Work besteht darin, die stressigen Glaubenssätze zu finden, die Gefühle wie Wut, Ärger, Hilflosigkeit und Verzweiflung auslösen. Stressige Glaubenssätze sehen zum Beispiel so aus: Niemand liebt mich. / Ich habe nicht genug Geld. / Ich muss anders sein. / Ich brauche eine bessere Arbeit. / Wenn mein Partner mich liebt, muss er auch treu sein. / Ich bin zu dick. (Das Arbeitsblatt am Ende des Buches hilft Ihnen beim Finden Ihrer stetigen Gedanken.)

Teil 2 der Work besteht aus der Überprüfung so eines Glaubenssatzes anhand von vier Fragen. Am Ende der Überprüfung verkehren wir den stressigen Gedanken in sein Gegenteil und schauen, ob dieses Gegenteil nicht auch wahr sein könnte. Dafür finden wir authentische und konkrete Beispiele aus dem eigenen Leben.

Die vier Fragen lauten:

Ist es wahr?Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist?Wie reagierst du? Was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?Wer wärst du ohne den Gedanken?

Beispiel:

Ich suche mir eine konkrete Situation, in der ich Stress empfunden habe. Eine Situation, in der ich ärgerlich, wütend, verzweifelt oder traurig war. Ich schaue genau hin, über wen ich mich geärgert und was ich in dieser Situation geglaubt habe. Diesen Glaubenssatz schreibe ich auf. Zum Beispiel:

Mein Partner liebt mich nicht.

Dann stelle ich mir die vier Fragen.

1. Ist das wahr?

Ich werde still. Ich lasse den Verstand die Frage stellen und warte, welche Antwort auftaucht.

2. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist?

Zu hundert Prozent? Ich bedenke folgende Fragen: Kann ich immer erkennen, ob jemand mich liebt? Kann ich absolut sicher sein, dass es langfristig das Beste für mich wäre, wenn mein Partner mich liebte?

3. Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich diesen Gedanken glaube?

Wie reagiere ich, wenn ich glaube, dass mein Partner mich nicht liebt? Wie behandle ich ihn mit diesem Glauben? Ich finde konkrete Beispiele wie: »Ich ziehe mich zurück«, »Ich bestrafe ihn, indem ich ihn nicht beachte«, »Ich antworte ihm kurz und knapp, wenn er mich etwas fragt«.

Ich frage mich: Wie fühlt es sich an, ihn so zu behandeln?

Darüber hinaus kann ich mich fragen: Wie behandele ich mich selbst, wenn ich glaube, dass mein Mann mich nicht liebt? Und wie fühlt sich das an?

Wie ist mein Leben, wenn ich diesen Gedanken für wahr halte? Ich bemerke all die Auswirkungen, die der Gedanke »Mein Mann liebt mich nicht« auf mich und mein Leben hat.

4. Wer wäre ich ohne den Gedanken?

Ich stelle mir vor, wie meine Situation gewesen wäre, wenn dieser Gedanke nicht aufgetaucht wäre. Ich sehe meinen Mann vor mir. Sehe, was er tut und wie das auf mich wirken würde, wenn ich nicht den Gedanken hätte »Er liebt mich nicht«. Ich nehme mir Zeit wahrzunehmen, wie mein Leben ohne diesen Gedanken wäre und wie sich das anfühlen würde.

Kehre den Gedanken um

Der ursprünglich stressige Gedanke »Mein Mann liebt mich nicht« kann in der Umkehrung heißen:

»Mein Mann liebt mich.«

Ich frage mich: Könnte das auch wahr sein? Ist es vielleicht sogar wahrer als der ursprüngliche Glaubenssatz? Ich suche drei konkrete Beispiele dafür, dass diese Umkehrung wahr ist.

Andere Umkehrungen lauten:

»Ich liebe mich nicht.«

»Ich liebe meinen Mann nicht.«

Für alle Umkehrungen finde ich drei ehrliche Beispiele, die auf mein Leben zutreffen. Es geht nicht darum, mich selbst anzuklagen, sondern darum, Alternativen zu entdecken, die mir Frieden bringen. Solange ich glaube, das Problem läge im Außen und jemand anders sei für meine Probleme verantwortlich, hört mein Leiden nicht auf.

Im Prozess der Work findet jeder seine eigenen Antworten. Sie bekommen hier keine guten Ratschläge oder Tipps. Die Methode hilft Ihnen, Ihre eigene Weisheit anzuzapfen. Das führt zu Klarheit, Frieden und echtem Selbstbewusstsein.

In meinen Vorträgen wird immer wieder die Frage gestellt, wie sich das Leben verändert, wenn man langfristig seine stressigen Gedanken überprüft; wenn man sich immer besser versteht und mit seinen Gedanken Frieden schließt.

Genau das möchte ich Ihnen in diesem Buch erzählen. Siebzehn Jahre arbeite ich jetzt mit »The Work« und aus diesen Jahren habe ich Ihnen Geschichten aufgeschrieben. Es sind Geschichten aus meinem Leben oder aus dem von Klienten. Sie sehen, wie die Work Ihnen einen Weg zu echter Selbstliebe zeigen kann, den Sie dann nur noch beschreiten müssen. Immer wieder werden Sie in den Geschichten die vier Fragen und die Umkehrungen entdecken, mal deutlich und mal ein wenig versteckt. Ich zeige Ihnen auch, wie man stressige Glaubenssätze ausfindig macht und was ich damit meine, dass die Work eine Meditation ist. Katies wunderbare Idee der drei Angelegenheiten wird näher beleuchtet und überall geht es um die Arbeit mit unseren Gedanken; wie sie wirken und wie wir ihnen begegnen können, um das zu bekommen, was wir wirklich wollen: aufrichtig und authentisch durchs Leben zu gehen, ohne uns verbiegen zu müssen.

1 Verlieben

Sie hat mich zurückgewiesen

Als Sara zu mir kommt, sieht sie müde und abgekämpft aus. Wir trinken einen Tee, sitzen schweigend beisammen, sie kämpft mit den Tränen. Ich frage sie, ob sie die Tränen nicht einfach laufen lassen möchte, und sie weint ein bisschen. Nach einer Weile erzählt sie.

Sie sei nun fast vierzig und habe immer noch keinen richtigen Partner gefunden. Ob Mann oder Frau, da sei sie nicht so festgelegt. Gerade ist sie in eine Frau verliebt. Diese Frau mochte sie ihrerseits auch sehr, hat sie sogar zu sich nach Hamburg eingeladen, und sie haben ein Wochenende miteinander verbracht. Am Sonntagabend, beim Abschied, hat die andere Frau sich eher wieder etwas Abstand gewünscht, lieber ohne Erotik. Sara blieb stark, sagte, das sei kein Problem, na klar, sie sei für alles offen. Drei Straßenzüge weiter ist sie zusammengeklappt. Sie konnte sich nur noch auf den Bordstein setzen, weinte und schluchzte und Menschen fragten, ob sie helfen könnten. Sara wusste nicht wohin mit sich und wusste nicht, woher dieser heftige Schmerz rührte. Vom Kopf her war ihr klar, dass sie unverhältnismäßig stark reagierte, doch nun, wo sie hier sitzt, auf meinem Sofa, tut es immer noch weh.

Sara ist gekommen, um die Work zu machen, und Schritt eins in der Work ist: den stressigen Glaubenssatz finden. Den oder die Gedanken, die sie in ihrer Situation geglaubt hat und die die Ursache sind für ihren Schmerz.

Das, was uns im Leben zustößt, das, was geschieht, kann der Auslöser für Schmerz sein – nicht aber seine Ursache. Die Ursache liegt in unserem Glaubenssystem. Deshalb reagieren verschiedene Menschen auch so unterschiedlich auf ein und dieselbe Sache. Nehmen wir an, es sitzen acht Menschen in einem Raum, es ist Abend und plötzlich geht das Licht aus. Einer sagt: Ich habe Angst. Ein anderer: Ach, das haben wir gleich – ich such mal den Sicherungskasten. Der dritte: Hilfe, ich bin blind. Der vierte verliert sich in Befürchtungen: Was, wenn wir die Ursache nicht finden? Der fünfte ist der Meinung, es sei doch ganz schön im Dunkeln usw.

Wir reagieren auf ein und denselben Auslöser unterschiedlich, weil wir alle unterschiedliche Dinge in unserem Leben erlebt haben, die Welt durch unterschiedliche Filter sehen und unterschiedliche Dinge glauben. Über die Dunkelheit, über andere Menschen, über Liebe, Gesundheit, Gott und über alles, worüber man etwas glauben kann – also alles, woran man auch denken kann.

Um meine Stress auslösenden Gedanken in einer belastenden Situation zu finden, gibt es ein hilfreiches Arbeitsblatt (im Anhang), mit dessen Hilfe zuerst folgender Satz mit Inhalt gefüllt werden soll:

Ich bin … [Gefühl] auf/wegen … [Name], weil …

Ich frage Sara die erste Frage von diesem Blatt und nehme Bezug auf ihre Situation:

»Was war dein Gefühl in dem Moment, wo die Frau, in die du verliebt bist, dir gesagt hat, dass sie sich etwas Abstand wünscht? In dem Moment, wo du durch die Straßen gegangen bist: Wie hast du dich gefühlt und was hast du gedacht, bevor du zusammengeklappt bist?«

Sara wischt sich die Tränen ab und sagt: »Verzweifelt. Ich war verzweifelt.«

Ich ergänze den ersten Teil des Satzes: Ich bin verzweifelt … und frage, wegen wem sie verzweifelt war.

»Na ihretwegen«, sagt Sara und schnieft.

Ich ergänze den Satz: Ich bin ihretwegen verzweifelt, weil … und frage sie, warum sie ihretwegen so verzweifelt war.

»Weil sie mich zurückgewiesen hat …«, sagt Sara, und Tränen rinnen ihre Wangen herunter.

Der erste Satz auf dem Arbeitsblatt lautet hier also:

Ich bin ihretwegen verzweifelt, weil sie mich zurückgewiesen hat.

Der Gedanke, den Sara im Moment ihrer Verzweiflung geglaubt hat, hieß:

Sie hat mich zurückgewiesen.

»Ja«, sagte Sara, »dieser Gedanke tut richtig weh.«

Sara hat nur eine Stunde Zeit, daher fangen wir gleich an. Ich bitte sie, sich so gut es geht zu entspannen und nicht so viel nachzudenken, sondern eher aus der Ruhe heraus alle Antworten, die sich zeigen wollen, auftauchen zu lassen. Sie lehnt sich zurück, und ich erinnere sie an die Situation, in der dieser Glaubenssatz sie geschmerzt hat.

»Du bist in Hamburg, ihr habt ein Wochenende miteinander verbracht, ihr verabschiedet euch, und sie sagt, sie wünsche sich etwas mehr Abstand. Vielleicht ohne Erotik. Du sagst: Das ist doch kein Problem, na klar, ich bin für alles offen.

Drei Straßenzüge weiter klappst du zusammen.

Du glaubst: Sie hat mich zurückgewiesen.

Dann stelle ich ihr die erste Frage der Work:

Ist das wahr?

Ich lasse diese Frage so stehen und gebe ihr Ruhe und Zeit, damit sie diese Frage in sich bewegen kann. Sie atmet, hält inne, seufzt und sagt dann:

»Ich kann da kein Nein finden.«

»Oh, das musst du auch nicht. Du kannst deine ehrliche, authentische Antwort finden. Wie lautet deine ehrliche Antwort? Ja oder Nein?«

»Ja«, sagt Sara. »Sie hat mich zurückgewiesen.«

»Und kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass dein Gedanke wahr ist?«,

stelle ich ihr die zweite Frage der Work.

»Kannst du wirklich einhundertprozentig sicher sein, dass sie dich zurückgewiesen hat?«

Diese Frage scheint Sara zu beschäftigen. Sie überlegt, blinzelt zu mir herüber und fragte: »Ehrlich und authentisch?«

Ich nicke.

»Ja, kann ich.«

Sie sieht mich an, als erwarte sie jetzt eine Rüge oder Zurechtweisung. Ich sage:

»Niemand muss diese ersten beiden Fragen mit Nein beantworten. Die Work ist nur eine Überprüfung. Du findest deine Antworten, die jetzt gerade für dich stimmen. Das ist alles.«

Sara entspannt sich wieder und lehnt sich zurück.

Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?,

stelle ich die dritte Frage der Work.

Wie hast du in deiner Situation reagiert, als du geglaubt hast, dass sie dich zurückgewiesen hat?

»Ich war verletzt und wütend zugleich.« Saras Augen werden wieder feucht.

»Und ich verurteile sie dafür.« Sie schüttelt den Kopf.

»Und mich selbst verurteile ich auch. Ich sage zu mir: ›Siehst du!‹ Ich klage mich an, verschließe mein Herz, mach mich klein und hart. Oh Gott, das fühlt sich so unfrei und abhängig an …«

»Seit wann kennst du diesen Gedanken?«

ist eine mögliche Zusatzfrage zur dritten Frage. Mit ihr können wir Zusammenhänge finden und zeitlich in die Tiefe reisen.

»Wann ist der Gedanke, dass andere dich zurückweisen, zum ersten Mal aufgetaucht?«

Sara überlegt nicht lang und sagt: »Meine Mutter! Meine Mutter hat mich früher zurückgewiesen. Da gibt es tausende Situationen.« Wieder stürzen die Tränen in Bächen aus ihren Augen. »Deswegen tut es wahrscheinlich auch so weh, oder?«

Auf der einen Seite tut es ihr weh, an die vielen Zurückweisungen in ihrer Kindheit zu denken, auf der anderen ist sie erleichtert, hat sie jetzt doch eine Idee, woher dieser übermäßige Schmerz kommt, den sie in Hamburg gefühlt hat.

Ich bitte Sara, einmal tief zu atmen. Und noch einmal. Das tut einfach gut, wenn wir so viel Schmerzvolles angeschaut haben.

»Wer wärest du ohne diesen Gedanken?«

lautet die vierte Frage der Work.

»Wer wärest du? In Hamburg, die Frau mit der du das Wochenende verbracht hast und in die du verliebt bist, sagt dir, dass sie sich Abstand wünscht, und du hast nicht den Gedanken, dass sie dich damit zurückweist.

»Puh«, sagte Sara, »ohne den Gedanken … Ich höre ihre Worte … Sie möchte keine Erotik mehr mit mir …, und ich denke nicht, dass sie mich zurückweist …«

»Ja«, sage ich, »schau sie an. Sieh ihr ins Gesicht. Ohne deinen Gedanken. Was siehst du?«

»Oh …, ohne meinen stressigen Gedanken sehe ich, dass sie eine Beklemmung fühlt, dass es ihr nicht gut geht. Ich sehe das und es tut mir leid. Ich mag sie ja wirklich. Das fühlt sich gar nicht hart an. Mitfühlend eher, warm und weich. Vielleicht hat es gar nichts mit mir zu tun? Sie hat ein Problem … Ach, da fällt mir ein, dass sie an dem Wochenende auch etwas von einem Mann erzählt hat, den sie kennengelernt hat. Ja, vielleicht hat es überhaupt nichts mit mir zu tun?«

Sara schaut mich erstaunt an.

»Ohne den Gedanken an Zurückweisung bin ich kein Opfer. Ich bin mehr bei mir. Mein Leben ist o. k. Ich spüre, wie sie mit sich kämpft, und wir sind auf Augenhöhe. Obwohl sie sagt, was sie sagt.« Sara steht auf, geht drei Schritte und setzt sich wieder.

»Das fühlt sich ganz anders an. Ich bin nicht mehr schuldig. Schön, ja, schön ist das.«

Ich schaue sie an und warte ab, so lange, wie sie ihren Bildern ohne ihren belastenden Glaubenssatz noch folgen möchte. Irgendwann schaut sie mich an und sagt nichts mehr.

Ich frage:

»Wie wäre denn dein ganzes Leben, wenn du diesen Gedanken nicht mehr glauben würdest?«

Auch dies ist eine mögliche Zusatzfrage zur vierten Frage der Work.

»Manche Menschen wollen dich um sich haben, andere wieder nicht, es verliebt sich jemand in dich und entscheidet sich dann doch anders. Wie wäre dein Leben, wenn du diese Geschehnisse nicht als Zurückweisung ansehen würdest?«

»Boah«, sagt Sara und lacht schallend. »Boah.« Es sieht aus, als würde sie in Gedanken durch ihr Leben spazieren. »Genial. Viel leichter. Dann würde ich das, was andere sagen oder tun, nicht mehr persönlich nehmen.«

Vorhin hat Sara ihre Mutter erwähnt. Mit deren Verhalten hatte es wohl angefangen, dass Sara diesen stressigen Gedanken geglaubt hat.

»Sieh mal deine Mutter vor dir, früher, in einer dieser tausend Situationen. Hast du eine?« Sara nickt. »Wer wärest du in dieser Situation gewesen, wenn du da nicht gedacht hättest ›Sie weist mich zurück‹?

»Du meinst, wenn ich das damals nicht persönlich genommen hätte?«

»Ja, schau deine Mutter an, in der Situation früher. Was siehst du ohne deinen Gedanken?«

Sara lacht. »Irgendwie will ich aber, dass sie Schuld hat. Wer hat denn die sonst? Sie hat mich oft angeschrien. Nein, nein, ich verstehe schon.« Sara atmet noch einmal tief ein. »Ohne meinen Gedanken ist sie nicht nur meine Mutter. Sie hat auch ihr eigenes Leben, ihren eigenen Schmerz, ihre eigene Wut und auch ihren eigenen Kampf. Sie kommt nicht klar. Deswegen ist sie so.«

»Und wie ist das für dich, das jetzt so zu sehen? Ohne Schuld?«

»Verrückt, irgendwie. Es ist eine Befreiung, das ohne Schuld zu sehen. Auch das hatte wahrscheinlich überhaupt nichts mit mir zu tun. Sie musste das einfach so machen.«

»Könnte es sein, dass es Zurückweisung überhaupt nicht gibt? Zurückweisung ist ja nur ein Wort, eine Bezeichnung, eine Interpretation von etwas, was jemand tut. Wie wäre dein Leben ohne Zurückweisung?«

»Ja, verrückt. Verrückt wäre das. Alles, was die anderen tun, fühlen und sagen, ist deren Baustelle, nicht wahr? Es ist deren Kampf, um durchs Leben zu kommen, deren Selbstfindung. Wenn jemand mich anschreit, ist es seine Wut, seine Unausgeglichenheit. Ich bin nur der Blitzableiter. So könnte ich das Leben auch sehen und so wäre es viel einfacher …«

Nach den vier Fragen drehen wir den ursprünglich stressigen Glaubenssatz in sein Gegenteil. Meist gibt es mehrere. Und meist ist das Gegenteil von etwas Stressigem freundlicher und liebevoller. Ein Gegenteil von »Sie hat mich zurückgewiesen« könnte sein:

Sie hat mich nicht zurückgewiesen.

Ich bitte Sara, für dieses Gegenteil, diese Umkehrung, ein Beispiel zu finden. Ein Beispiel, warum es auch wahr sein könnte, dass die Frau in Hamburg sie nicht zurückgewiesen hat. Das ist keine Gehirnwäsche und auch keine Verdrehung von Tatsachen, denn Sara schaut nach echten Beispielen, warum diese Umkehrung auch stimmen könnte. Wir wollen uns hier nicht in die Tasche lügen. Saras erstes Beispiel lautet:

»Es hat mit ihrem Leben zu tun, nicht mit meinem. Sie möchte etwas Abstand. Sie möchte keine Erotik mit mir. Das liegt in ihr begründet.«

»Gut, kannst du noch ein Beispiel finden?«

Sara überlegt. »Ja, sie hat auch gesagt, dass sie gern weiter Kontakt mit mir möchte. Nur halt nicht so nah.« Sara hat unter dem Stress ihres Gedankens völlig verdrängt, dass die Frau in Hamburg gesagt hat, dass sie durchaus gern Kontakt hätte. Durch die Umkehrung kann sie sich nun daran erinnern. »Sie hat mich nicht zurückgewiesen, sie möchte ja Kontakt. Und – da fällt mir auch gleich ein drittes Beispiel ein: Wir haben ein paar Tage später telefoniert, sie hat mich angerufen, und sie hat mir von sich erzählt. Intime Dinge, Dinge, die sie nicht jedem anvertrauen würde. Das heißt auch, dass sie mich nicht zurückweist, oder?«

Sara sitzt noch ein, zwei Minuten nur da und spürt dem Gefühl nach, welches sich durch die Umkehrungen eingestellt hat. Der Horizont ist weiter geworden, sie kann wieder frei atmen und spürt sogar eine warme Zuneigung zu der Frau aus Hamburg.

»Welche Umkehrung kannst du noch finden?«

Ich habe mich zurückgewiesen.

So lautet die zweite Umkehrung, die Sara nun auf sich wirken lässt.

»Oh ja«, sagt sie. »Das stimmt. Ich habe mich ganz klein gemacht neben ihr. Alles habe ich gleich persönlich genommen. Das war sicher anstrengend für sie.«

Sara sinnt nach einem weiteren Beispiel.

»In meiner Kindheit und Jugend gibt es dafür unzählige Beispiele. Mit meiner Mutter und meinem Vater. Es war, als hätte ich beschlossen, nicht mehr ich zu sein. Ich habe mich bis zur Unkenntlichkeit zurückgenommen.Ich kann mir vorstellen, dass es für andere seltsam ist, jemanden vor sich und doch kein Gegenüber zu haben. Diese Umkehrung ist, glaube ich, viel wahrer. Ich habe mich zurückgewiesen, und ich tue das immer noch. Aber«, sagt Sara und setzt sich auf, »aber das ist ja etwas, was ich ändern kann, das liegt in meiner Hand. Daran kann ich selbst etwas tun. Daran, was die anderen tun, nicht. Das ist gut. Ja, ich verstehe das jetzt. Sie hat mir dieses Gefühl nicht gegeben – das war ich selbst. Sie hat mich eigentlich sogar wertgeschätzt.«

»Ah«, sage ich, »das könnte unsere dritte Umkehrung sein.«

Sie hat mich wertgeschätzt.

»Ja, sagt Sara, sie hat Interesse an mir gehabt, hat freundlich mit mir gesprochen, hat mich nicht verurteilt. Sie hat sich lediglich mitgeteilt. Sie hat gesagt, sie wünsche sich etwas mehr Abstand. Sie hat sich mir gegenüber nicht verschlossen, sie hat mich teilhaben lassen an ihren Gefühlen. Wenn ich das nicht als Zurückweisung betrachtet hätte, hätte es sogar schön sein können. Und …«, Sara lacht, »sie hat sogar gesagt, dass sie für mich da ist, falls ich irgendetwas brauche, um in den Frieden zu kommen. Mann! Wie konnte ich das denn vergessen!«

Fünf Minuten bleiben noch, dann muss Sara gehen.

»Wie geht’s dir jetzt?«, frage ich.

»Gut. Ich fühle mich friedlich, irgendwie. Mein Herz ist wieder offen. Das ist wirklich ein schönes Gefühl.«

Wir verabschieden uns, und sie verspricht, demnächst zu berichten, wie es ihr mit der Work weiter ergangen ist.

Ein paar Tage später schreibt sie:

Es ist ein tolles Lebensgefühl, wenn es Zurückweisung gar nicht gibt! Alle können alles machen. Ich lasse sie frei und gebe nur acht, dass ich mich selbst nicht zurückweise. Echt schön – und das Gefühl hält an. Danke dir!

2 Selbstbild

Mir soll man nicht an den Karren fahren können

Bevor ich The Work kennenlernte, habe ich mich durch einige andere Methoden geschnuppert. Ich begann mit Gestalttherapie, weil ich ein schönes Buch darüber gelesen hatte (Gras unter meinen Füßen), dann kam ich zur Familienaufstellung, von dort zur Kinesiologie, zwischendrin waren noch Tai-Chi und Chi Gong dran und irgendwann fand ich eine Lehrerin, die hatte extra Tools für Sänger und Schauspieler. Und sie machte NLP. Das alles war furchtbar interessant, und ich beschloss, neben meinem Schauspielberuf eine Ausbildung zum NLP-Master zu machen.

Eines Tages lernte ich dort, dass man die Menschen in zwei Kategorien einteilen kann. (So beginnen ja auch manche Witze. »Es gibt zwei Arten von Menschen …«.) Man unterscheidet im NLP zwischen »Matcher« und »Mismatcher«. Matcher sind diejenigen, die gern anderen folgen, Gleichklang schätzen und bereit sind, sich harmonisch in ein System einzufügen. Die Mismatcher legen nicht so viel Wert auf Harmonie. Ist man ihnen nicht so wohlgesinnt, sagt man ihnen nach, dass sie ständig etwas zu kritisieren haben, immer überall die Schwachpunkte sehen, Verbesserungen vorschlagen und einfach nerven, weil sie unbequem sind. Etwas wohlmeinender könnte man sagen, sie seien Vordenker, Pioniere, Leute, die was riskieren, die auch dann zu ihrer Meinung stehen, wenn die Menge anders denkt, und die bereit sind, alles in Frage zu stellen.

Mit einem gewissen Unbehagen stellte ich damals fest, dass ich in dieser Kategorisierung keinerlei Chance hatte, mich durchzumogeln. Ich konnte nicht behaupten, ein Mischtyp zu sein, der irgendwie von beiden etwas hat, je nachdem, in welcher Situation er sich befindet. Als es darum ging, wer aus unserer Gruppe ein Mismatcher war, wurden nur zwei Leute angesehen. Eine davon war ich.

Damals bin ich erschrocken, denn ich sah vor allem das Negative am Mismatcher. Aha, ich gehe anderen also auf die Nerven, meine gut gemeinte Kritik ist anscheinend nicht willkommen und mein Scharfblick nicht erwünscht. So, so. Na fein. Als ich den Schmerz dahinter bemerkte, fragte ich mich: Kann ich denn jemand anderes sein? Jetzt, hier, sofort? Gibt es die Möglichkeit, mich dafür zu entscheiden, ein Mensch zu sein, der für andere keine Last ist? Kann man freiwillig zum Matcher konvertieren? Und, Moment mal kurz, will ich das überhaupt? Denn ehrlich gesagt gibt es ja auch bei den Matchern Aspekte, die andere durchaus nerven können. Zum Beispiel sind sie Mismatchern gegenüber oft nicht so tolerant.

Ich beobachtete meine Gedanken. Was sagte mir mein Schmerz? Ich wollte, dass andere nur die angenehmen Teile des Mismatchers an mir entdecken. Die wollte ich geschätzt wissen. Die Welt sollte mich als Bereicherung wahrnehmen, als freundliche Pionierin, als jemanden, der zwar Dinge in Frage stellt, jedoch so, dass es alle nur freut und niemanden nervt. Ich wollte die schöne, die rote Hälfte vom Apfel, aber ohne die Gefahr, dass mir der Bissen im Halse stecken bleibt.

Später, als ich die Work kennenlernte, tauchte dieser Wunsch wieder in mir auf. Ich wollte die Gute sein. Eine reine Weste haben. Man sollte mir nicht an den Karren fahren können. Schneewittchen ohne Feinde, ohne die böse Königin. Einfach nur weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie das Ebenholz des Fensterrahmens.

Langweilig, sagen Sie? Sie meinen, Schneewittchen hätte sich ohne Gegenspieler am Schlossbüffet dick und rund gefuttert, wäre träge und stumpf geworden und niemals in die Märchengeschichte eingegangen?

Ich entdeckte den Glaubenssatz:

Mir sollte man nicht an den Karren fahren können.

Und stimmt das? Ist das wahr?

Gibt es überhaupt einen Menschen auf der Welt, dem man nicht an den Karren fahren kann?

Einige Politiker mussten in der letzten Zeit zurücktreten, obwohl es lange Zeit so aussah, als wäre ihre Weste blütenrein. Selbst Kanzlerin Merkel, die sich anscheinend niemals etwas Relevantes hat zu Schulden kommen lassen, ist nicht nur die Gute. Auch Obama nicht. Über Mutter Teresa hat man herausgefunden, dass ihr Missionierung wichtiger war als die eigentliche humanitäre Hilfe und der Dalai Lama wird wegen Abspaltungsaktivitäten von China kritisiert.

Wie könnte ich es da schaffen, dass mir niemand an den Karren fahren kann? Oh, doch, ich sehe eine Möglichkeit. Ich könnte so langweilig, trist und uninteressant sein, dass nichts und niemand auch nur ein Fünkchen Lust verspürt, seinen Karren meinetwegen überhaupt aus dem Schuppen zu holen. Ich könnte still und leise in meinem Kämmerlein sitzen, ohne mich am Weltgeschehen zu beteiligen.

Aber, Hand aufs Herz, diese Chance habe ich längst vertan. Es ist also nicht wahr. Vielleicht sogar unmöglich.

Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich diesen Gedanken glaube?

Oder: Wie geht es mir, wenn ich etwas möchte, was nahezu unmöglich ist? Wie fühlt es sich an, wenn ich nur meine guten Anteile erlaube und den Rest verstecken muss?

Ich erinnere mich an eine anstrengende Zeit in meiner Jugend, in der ich gern unangreifbar gewesen wäre. Alles, was ich anderen Menschen gegenüber äußerte, wurde von mir im Vorfeld geprüft und gefiltert. Es durfte ja nichts von den unerwünschten Anteilen das Licht der Welt erblicken. Ich konnte mir partout nicht gestatten, auch mal ungerecht zu sein, aufzubrausen oder zuzugeben, dass ich auch fiese Gedanken hatte. Das reine, unschuldige Schneewittchengesicht musste gewahrt werden. Kam auch nur der Hauch einer Kritik, erschrak ich, als wäre ich mit dem Jäger aus dem Märchen unterwegs in den Wald, unterwegs zu meiner Hinrichtung. Kritik durfte nicht sein!