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Marcus Reiß

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Beschreibung

Ich habe tausend Leben gelebt, hundert Schlachten geschlagen und mich dutzende Male verliebt. Was wäre das Leben ohne Bücher? Wenn wir lesen, tauchen wir in die Welt der Geschichte ein. Wir fiebern mit den Helden, verfluchen die Schurken und weinen mit den Liebenden. In dieser Anthologie haben sich zahlreiche engagierte Hobbyautoren zusammengeschlossen, um die Welt mit ihren Geschichten zu bereichern. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Von Fantasy bis zu Horror ist alles vertreten. Kommt mit uns und verliert euch in den fantastischen Welten.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Vorwort

Unser aller Leben ist ein Schmelztiegel verschiedensterGeschichten. Oftbleibensieunsverborgen,dennwirbetretenundverlassensie, ohneeszumerken.ZwischenBuchseitenaberhabenGeschichten AnfangundEnde-aufdenerstenBlick.WieimechtenLebenauch, beginnen sie jedoch nicht mit dem ersten und enden nie mit dem letztenWort.

Wir,dieLeser,lassensielebendigwerdenindemwirihnenZeit schenken.Sieverzaubernuns,weilwirunsaufsieeinlassenundihren IdeenGlaubenschenken.JederaufseineWeise.

IndieserspannendenAnthologiesinddieSiegergeschichtendes Ideenzaubersversammelt.Autor*innenverschiedenenAltershaben ihrePhantasiespielenlassenundimRahmendiesesSchreibwettbewerbes auf Wattpad Fabelhaftes in Worte gegossen.

IhreGeschichtenentführenDichin(alp)traumhafteWelten,feierndasUnheimlicheundspielenmitMenschlichkeiten.Siegeben derFurchteinGesicht,aberauchderLeidenschaft.Wasauchimmer dasThemaist,siewerdenDichüberraschen.

So viel ist sicher.

DankenmöchteichandieserStelledenvielenwunderbarenTeilnehmer/-innendesIdeenzaubers–fürihreZeit,ihrenMutundihre Kreativität.

BesondersdankbarbinichTobiasK.fürdenEntwurfdeswundervollenCoversundJ.M.WeimerfürdieErstellungdesKlappentextes.

Keah Rieger - Traumverloren

I.

Als Christina die Tür öffnete, stand sie davor und für einen kurzen Augenblick blieb Christinas Herz stehen.

Eine Sekunde.

Zwei Sekunden.

Dannbeganneswiederzuschlagen,langsamzunächst,dannimmerschneller,wumm,wumm,wumm,wieeinaltersschwacherMotor,dereinpaarAnläufebrauchte,umwiederindieGängezukommen.ImmerheftigerhämmerteesinihrerBrust,bisessohartgegen ihreRippenpochte,dasssiesichsicherwar,siewürdeeshörenkönnen.

»GutenAbend,FrauAbelein«,sagteAminahöflichundChristinahasstees,dassdiejungeFrausieimmersonannte.Eshörtesich alt an und streng, viel zu spießig, und obwohl Aminas tiefe Stimme sanft und entspannt klang, konnte man heraushören, dass sie einenRespektvorChristinahatte,dendiesenichtvonihrannehmen wollte.

»Bitte, nenn mich doch Christina«, sagte sie und lächelte. Sie wundertesichselbstdarüber,dassihreStimmesoruhigklang,alssie einenSchrittzurSeitetratundAminainsHausließ.IhrHaus,das sievorsovielenJahren,ineinemkomplettanderenLeben,wiees schien, gemeinsam mit Sebastian gebaut hatte. »Lily wartet schon ganz sehnsüchtig auf dich.«

»IchmusstenochkurzwasbeimTierheimabgeben,deshalbwurdeeseinwenigspäter«,entschuldigtesichAmina,zogihreJacke ausundstreiftesichanderGarderobedieweißenTurnschuhevon denFüßen.

Christinasah,dasssiepinkeSockenmitkleinenKätzchen darauf trug, unschuldig, kindlich, und sofort verknotete sich ihrHerzbeidemAnblick.Eserinnertesieschmerzhaftdaran,wer Aminaeigentlichwar.Wiealtsiewar.Wersieselbstwar.

»Ichhoffe,dasmachtIhnenkeineUmstände«,rissAminasStimmesieausihrenGedanken.

»Du«,erinnerteChristinasiemiteinemLächelnundversuchte denspitzenStichinihrerBrustzuignorieren,dersichimmerdann bemerkbarmachte,wennAminadasAngebot,siebeimVornamenzu nennen,höflichausschlug.

»Undnein,esmachtunskeineUmstände. WiressenerstineinerhalbenStunde.Gehruhigerstmalraufund stelldeineSachenab,kommerstmalan.«

Aminanickte,ginganihrvorbeiundsteuerteaufdieTreppezu. IhrlangerPferdeschwanzwippte,alssieunbeschwertdieStufenhin- aufhüpfte.AusdemAugenwinkelsahChristinaihrhinterher.Dieses Mädchen war wunderschön, dachte sie. Natürlich war auch Lily schön, aberaufeineandereArt.Aminawarbesonders,mitihrenschwarzen Locken,dendichtenlangenWimpern,ihrenGlutaugenundderkaramellfarbenenHaut,diesosehrandunkleSeideerinnerte…

Energisch schüttelte Christina den Gedanken ab, wischte sich diefeuchtenHandflächenamStoffihrerJeansabundschlossdie Haustür.DanachgingsiezurückindieKüche,umdasAbendessen weiterzukochen.EssollteFalafelgeben,siehattedasRezeptextrafür Aminaherausgesuchtundhoffte,dasssieallesrichtigmachteund sichvorderjungenFraunichtblamierenwürde.

Während sie die Zwiebeln für den Teig schnitt, schweiften ihre Gedanken wieder ab.

Was Amina und Lily in ihrem Zimmer wohl gerade taten? WahrscheinlichsaßensieimSchneidersitzaufLilysBettundtratschten überJungs.EinLächelnstahlsichaufChristinasLippen,alssiedarandachte,wiesieselbstdasGleichevorzwanzigJahrenmitihren Freundinnengetanhatte.Wieunbeschwertsiedochgewesenwar, wiefreiundvollerZuversicht.BisihreJugendmitachtzehneinso abruptes Endefand.

Siemerktegarnicht,dassihreHandmitdemMesserimmerenergischeraufdasGemüsevorihrniederfuhr.

Zack!

Zack!

Zack!

Dabei machte sie niemandem einen Vorwurf, oh nein. Lily am allerwenigsten,soeinewarsienicht,sieverabscheutedieseMütter zutiefst. Auch Sebastian traf keine Schuld … Na ja, vielleicht ein kleines bisschen, immerhin gehörten immer zwei dazu. Doch am Endewarsieselbstesgewesen,diedieEntscheidunggetroffenhatte.

Noch heute hallten ihr Sebastians Worte in den Ohren.

»Willst du es behalten?«

Niemalswürdesiesichwünschen,dieseFrageandersbeantwortet zuhaben.Wiekönntesiedennauch?LilywareinwundervollesKind gewesen,fröhlichundsanftmütig,ein»Anfängerbaby«,wiemanso schönsagte.WederdieTrotzphasenochdiePubertätwarenbesondersforderndgewesen.Schonfrühhattesiedurchgeschlafen,durch- gebrüllteNächteundschwereKinderkrankheitenkannteChristina nurausErzählungenvonanderenMüttern,derenAnerkennungsie sichjedochharterkämpfenmusste.EineachtzehnjährigeMutterwar wederaufdemSpielplatznochimKindergartengerngesehen,das hattesiedamalssehrschnellfeststellenmüssen,undauch,dassdie anderenübersieredeten,sobaldsiedenBlickabwandte.

Dochsiegewöhntesichdaran,wiesiesichdarangewöhnte,dass manimDorfübersieundSebastiansprach.IhreHautwurdedicker undsieließsichnichtsanmerken,dochnachtsplagtensieSchuldge- fühleundVersagensängsteundsieweintesichindenSchlaf.

»Dasschaffendieniemals,diesindjaselbstnochKinder«,flüstertendieFrauenamSonntagmorgenbeimBäckerhintervorgehaltenen Händen.

»UmHimmelswillen.WaswollendieihrerTochterbieten?Sie solltensieweggeben«,tuscheltendieNachbarnbeiihremtäglichen Plausch amGartenzaun.

»Daspassierteben,wennmannichtaufpasst.Sebastianistselber schuld,dassersichnunseinLebenverbauthat«,lästertendieMänner amSamstagnachmittagaufdemFußballplatz.

»Schlampe!«, hallte es in Christinas Ohren.

»Asoziale.«

»Das arme Kind.«

SiebeideverlorennieeinWortdarüber.Eswar,alshätteeseine stillschweigendeÜbereinkunftzwischenihnengegeben,alleZweifler vomGegenteilüberzeugenzuwollen.Nun,dashattensiegeschafft! SiehattenetwasausihremLebengemacht,mehralsvieleandere,die sofreimütigübersiegeurteilthatten.TrotzderwidrigenUmstände hatteChristinaihrAbiturgeschafft,trotzallderstarrendenMädchen inihrerKlasse,trotzderspottendenLeuteaufderStraße,trotzall desÄrgersmitihrenEltern.Hochschwangerhattesiedamalsinden AbschlussprüfungengesessenundhatteamEndezueinerderBesten ihres Jahrgangsgehört.

Sebastian hatte eine Ausbildung in einem Steuerbürogemacht, Jahre später konnte er sich als Steuerberater selbständig machen. HeuteverdienteergutesGeld.SiehattensicheinkleinesHausbauen können,hatteneinenhübschenRasen,PfingstrosenimGartenund einneuesAutoaufdemHof.JedenSommerflogensienachSpanien.LilygingaufsGymnasiumundwürdenächstesJahrdasAbitur machen.SiewarauchheutenocheinMusterkind,hatteimmergute NotenundwarnieinunangenehmeDingeverwickelt.Ja,Christina konnte stolz auf ihre Tochter und ihr Leben sein. Sie hatten alles richtiggemacht,siehattenesallenZweiflerngezeigt. Nein, niemals würde sie sich wünschen, anders entschieden zu haben! Nie!

EnergischwischtesiemitdemHandrückendieTränenvonihren Wangen.DiekamenmitSicherheitnurvondenZwiebeln.

II

Eine halbe Stunde später kamen Lily und Amina in die Küche.

DieTellerstandenbereitsaufdemTischundChristinahatteessogar noch geschafft, sich umzuziehen und im Bad ein wenig frisch zu machen.DenaltmodischenPulloverhattesiegegendiedünneweiße Blusegetauscht,fürdiesieimmersovieleKomplimentebekamund diesiejüngeraussehenließ.Trotzdemwurdesiesichjedemeinzelnen grauenHaar,auchwennesnichtvielewaren,undjederkleinenFalte in ihrem Gesicht nur überdeutlich bewusst, in dem Moment, als Amina den Raumbetrat.

»Wow, das riecht ja mega-gut!«, sagte diese und ChristinafühlteihreWangenwarmwerden.Verlegenstrichsiesicheineblonde Strähne hinter dasOhr.

»Danke, aber warte erstmal ab, wie es schmeckt.«

»Wegen mir hätten Sie nicht marokkanisch kochen müssen«, erklärte Amina, doch ihre leuchtenden Augen sagten etwas anderes.

»Ich esse so ziemlich alles.«

»Ja,aberkeinFleisch«,entgegneteChristinalächelnd,während siedieKichererbsenbällchenunddenBulgursalataufdenTischstellte.»Ichhabezugehört.Undichwollteessowiesomalausprobieren, also keineSorge.«

»Sehr nett jedenfalls, danke.« Lily und Amina nahmen am Tisch Platz und Christinabegann, die Teller zu beladen.

»Was ist mit Papa, kommt er nicht?«, fragte Lily, ohne jedoch von ihremSmartphoneaufzusehen,aufdemsieherumtippte.Christina warfeinenBlickaufdieUhrüberderKüchentürundseufzte.

»Er hat nichts gesagt, aber ich würde nicht auf ihn warten. Du kennst ihn doch.«

LilygabeinGeräuschvonsich,dassowohlZustimmungalsauch WiderspruchseinkonnteundsteckteihrHandyindieHosentasche. Natürlich hatte auch sie bereits gemerkt, dass ihr Vater in letzter Zeit immer mehr Überstunden in der Kanzlei machte. Dabei war sichChristinanichtganzsicher,obdieÜberstundenwirklichnötig waren,oderobsiefürihneineArtFluchtvonzuhausedarstellten. Übelnehmenkonntesieesihmnicht.Umehrlichzusein,sogutlief eszwischenihnenschoneineganzeWeilenichtmehr.Nicht,dass irgendwasBesonderesvorgefallenwäre.Obwohlsienochsojung gewesenwarenundihreBeziehungmitderfrühenElternschaftund kurzdaraufdemTodvonSebastiansVateraufeineharteProbegestelltwordenwar,hatteesniemalsernsthaftenStreitzwischenihnen gegeben.Siehatteneinandergeliebt,siehatteneinanderbedingungslosvertrautundsichgegenseitiggestützt.NichteineeinzigeSekunde langhatteChristinaanSebastiansLoyalitätgezweifelt,dennerhatte ihr niemals auch nur den kleinsten Grund dafür geliefert. Er hatte sichfürsieundLilyentschiedenunderwarjemand,derzuseinem Wortstand–genauwiesie.Damalshattesiegeglaubt,nachallem, wassiezusammendurchgestandenhatten,gabesnichtsmehr,was ihreBeziehungundihreLiebezueinandernocherschütternkönnte.

Wie sehr sie sich doch getäuscht hatte.

Doch wer hätte auch ahnen können, dass dieEintönigkeitdes AlltagssovielbrutalerseinkonntealsjederschwereSchicksalsschlag? HeuteredetensieundSebastiankaumnochmiteinander.Sie strittennicht,dennStreiterforderteeinegewisseLeidenschaftund manchmalschienesChristina,alswäredieseFlammevorlangerZeit erloschen.AnanderenTagenwarsiesichnichtsicher,obsiejemals dagewesenwarundwennsielängerdarübernachdachte,kamsie jedesMalzudemSchluss,dassesniemalseinrichtigesFeuerzwischen ihnengegebenhatte.VielleichtwareneseinpaarzarteFunkengewe- sen,damals,mitsiebzehn,dochdiesewarenbereitsersticktworden, bevorauchnureinekleineFlammedarausentstehenkonnte.Aber war das denn auch wichtig?Waren Vertrauen undZuverlässigkeit nichttausendmalmehrwertalseinunkontrollierbarerWaldbrand? DochinzwischenwarsiesichSebastiansuneingeschränkterEhrlichkeitnichtmehrganzsicher.Siewusstenicht,obertatsächlich Überstunden machte oder ob seine bedingungsloseLoyalitätvielleichtRissebekommenhatte.Dochwasnochschlimmerwar:Sie war sich nicht sicher, ob es ihr wichtig war.

HatteereineAffäre?Christinahatteschonoftdarübernachgedacht,wiesiesichfühlenwürde,fallsdiesderFallseinwürde.Wäre sietraurig?Odervielmehrerleichtert?

Wenn Sebastian pünktlich nach Hause kam, redeten sie beim AbendessenüberBelanglosigkeiten,dochwennLilyabendsbeieiner Freundinwarundsiebeidemiteinanderalleinwaren,waresofttotenstill.ManchmalkamesChristinasovor,alsseiensiezweiFremde, dieeinandernichtszusagenhattenundsiebeidewarenjedesMal froh, wenn das Abendessen überstanden war und die peinlich berührteStilleeinEndehatte.DannschaltetensiedenFernseherein oderSebastianverschwandinseinArbeitszimmer,woerbisspätin dieNachtüberseinenUnterlagenbrüteteundChristinaihninRuhe ließ.

Sex hatten sie durchaus, doch er war zu einer routinemäßigen Erledigunggeworden,wiedieWäscheamSamstagnachmittagoder derwöchentlicheEinkaufbeiDenns.ErwarinOrdnung,dochsie war nicht mit der Seele dabei und sie fürchtete, dass es Sebastian nicht anderserging.

Mehralsnureinmalhattesiesichbereitsgefragt,wosieeinander verlorenhatten.Wannwaresgeschehen?Warumwaresgeschehen? HatteeseinenganzbestimmtenMomentgegeben,eineSituation, diesieauseinanderriss,ohnedasssieesdirektgemerkthatten? Oder war es langsam passiert, über Wochen, Monate, Jahre hinweg?

Sie suchte und suchte, doch eine Antwort fand sie nicht.

III

»Und,wasstehtbeieuchheutesoan?Girlstalk?«,scherzteChristina,nurumihrebetontjugendlicheWortwahlimnächstenMoment zubereuen.Verdammt,wiepeinlichwardasdenn?Was wardenn nurlosmitihr?Siespürte,wiesichfeineSchweißperlenaufihrer Stirnbildeten.Aminalächelte,dochLilyzogeineAugenbrauenach oben,alswolltesiefragen:Echtjetzt,Mama?

Glücklicherweise sparte sie sich jeglichen Kommentar.

»AminahatheuteAbendausnahmsweisemalfreiundwirwol- lendieBögenfürdietheoretischeFührerscheinprüfungzusammen durchgehen«,sagtesiestattdessenundschobsichimnächstenMomenteinenLöffelmitBulgurindenMund.»Istjabaldsoweit.«

LilyhatteAminainderFahrschulekennengelerntundsokannte auchChristinadiejungeFrauerstseitwenigenMonaten.Dennoch kam es ihr so vor, als würden sie sich schon ewig kennen. Ob es Amina auch soging?

»Wahnsinn, wie die Zeit vergeht«, seufzte Christina in einem kurzenAnflugvonNostalgie,fingsichjedochimnächstenMoment wieder.Jetztnurnichtmelodramatischwerden,Lilyhasstees,wenn siedavonanfing,wieschnellsiegroßgewordenwar.Dabeistimmte es.GesternnocheinBaby,heuteschonfasterwachsen.Wowarendie ganzenJahregeblieben?»Ihrbeideschafftdasmitlinks«,sagtesie.

»Kommtstarkdaraufan,welchenPrüfermanhat«,sagteAmina undverzogdasGesicht.»MeineSchwesterhatteeinrichtigesArschloch, entschuldigen Sie die Wortwahl. Er hat sie so oft rückwärts einparkenlassenundüberdenRückspiegelböseangeschaut,dasssie sichnichtmehrgetrauthat,nachhintenzusehen.Unddannistsie wegen fehlendem Schulterblickdurchgefallen.«

»Ichbinmirsicher,dassindEinzelfälle.ZumindestüberdieTheorieprüfung müsst ihr euch keine Gedanken machen, ihr werden sehen,esistganzeinfach.VieleFragenlassensichmitgesundem Menschenverstandbeantworten.«

»Das stimmt allerdings«, sagte Lily.

»Wie läuft es denn bei dir im Tierheim?«, fragte Christina Amina.

»WirhabeneinenneuenKaterbekommen«,erzähltediese.»Noch ganzklein,wurdeausgesetztundangefahren…aberdasSchlimmste istüberstanden.Ichwerdeniemalsverstehen,wiemanTierensowas antunkann.Einbisschenbinichtraurigdarüber,dassesbaldvorbei seinwird.«

»Wie lange hast du denn noch?«

»NurnochbiszumJuni,ichgönnemirdannzweiMonatePause. IchmöchtezumeinerFamilienachMarokkoreisenundimSeptemberstehtdannderUmzugnachMünchenan.«

»Ichfind’sechtunglaublich,dassesendlichgeklappthat«,sagte Lily.»Ichfreumichriesigfürdich.«

»Nach München?«, fragte Christina. »Das ist ja ziemlich weit weg, macht es deinen Eltern nichts aus?«

»WennmanTiermedizinstudierenwill,mussmannehmen,was man kriegt«, sagte Amina und zuckte die Achseln. Ihre dunklen Brauenhattensicheinwenigzusammengezogen,wasihremGesicht einen konzentrierten Ausdruck verlieh. Gott, wie schön sie war, selbst,wennsiesoernstguckte.»IchhabeohnehinGlückgehabt, dassessoschnellgeklappthat.Manchewartenjahrelangodergehen zum Studieren insAusland.«

»Ja, da hast du recht«, sagte Christina, die sich schmerzhaftan ihreeigenenPläneerinnerte.»Alsichsoaltwarwiedu,wollteich auch Tiermedizinstudieren.«

»Ehrlich? Warum haben Sie es nicht gemacht? Hat Ihr Schnitt nicht gereicht?«

»Naja,nichtsofort.AbermiteinoderzweiWartesemesternwäre es gegangen. Das Problem war eher, dass ich schwanger warund deswegenaufeinStudiumverzichtethabe.«

»Und später? Warum haben Sie später nicht studiert?« AminabetrachtetesiemitaufrichtigemInteresseinihrenklugen,

aufmerksamenAugen,dochausirgendeinemGrundfühlteChristina sichdurchdieFragenderjungenFrauangegriffen.Waswusstesie dennschon?Alsobessoeinfachgewesenwäre.

»Daswarnichtsoleicht«,sagtesieschließlich.»Dafürhättenwir ineinegroßeStadtziehenmüssen,andereseineUniversitätgibt,die das Studium anbietet. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit Lily in eineGroßstadtzuziehen.UnsereFamilielebtschließlichhier,Kinder brauchenihreFamilieundsiebrauchenNaturumsichherum.AußerdemwollteichsieauchnichtdenganzenTaginFremdbetreuung geben,dasfindeichnichtgut.UndwirhabenjaauchGeldgebraucht, einStudiumbringtkeinGeld,sonderneskostet,unddasüberJahre. WirhattenkeinefinanzielleUnterstützungvonunserenElternund

…«Siemerkteselbst,wiesieineinenRechtfertigungsmodusverfiel undzwangsich,denMundzuhalten.EtwashatteAminasFragein ihraufgewühlt.

NatürlichwareseineblödsinnigeFragegewesen,wiehättensie bitteeinStudiumschaffensollen?AuchSebastianhättegernestu- diertundhattedaraufverzichtenmüssen.WennmaneinKindhatte, musstemanebengewisseOpferbringen.WennmaneinKindhatte, wardasnichtnurdasWichtigsteaufderganzenWelt–eswardasEinzigeaufderganzenWelt.KinderundSelbstverwirklichungvertrugen sichnuneinmalnichtmiteinander.LilyzuliebehattensieeineWahl getroffen. Christina blieb die ersten Jahre zuhause und Sebastian machteeineAusbildung.Erst,alsLilymitvierindenKindergarten kam,machteChristinasichGedankenüberihreberuflicheZukunft.

»Und dann haben Sie angefangen, in einer Metzgerei zu arbeiten?«,sagteAminaundlachte.»NehmenSieesmirnichtübel,aber dasisteinkrasserKontrast–vomVeterinärstudiumzurFleischtheke.«

»Naja,manhatnichtimmereineWahl«,sagteChristinasäuerlich undbegann,denTischabzuräumen.Oh,wiesehrerinnerteAmina sieanihreigenes,ihrjüngeresIch.Sonaiv,sounbeschwert.Christina ärgertesichüberihreFragen,dochsiekonntesieihrnichtwirklich übelnehmen.Woherhättesieesdennauchwissensollen?Siehoffte nur,dassAminaniemalssovomLebenenttäuschtseinwürde,wie sieesbisweilenwar.Doch…nein,warsiedas?Warumdenn?Esgab überhaupt keinen Grund, enttäuscht zu sein. Ihr Leben war doch gut. Nur, weil es mit dem Studium nicht geklappt hatte, war ihr Lebennichtschlecht.SiehattengenugGeld,einenhübschenRasen, Pfingstrosen im Garten und ein neues Auto auf dem Hof. Jeden SommerflogensienachSpanien.

Nur,weilesandersgelaufenwar,hießdasjanicht,dassesschlecht war.

»BrauchstdunochHilfe,Mum?«,rissLilysieausihrenGedanken.

»Nein, nein«, sagte Christina automatisch.

»Dann gehen wir jetzt wieder nach oben, ja?«

»Allesklar,machteucheinenschönenAbend,ihrbeiden«,sagte sie.SiesahaufdieUhr,eswarbereitshalbachtundSebastianwar immer noch nichtzuhause.

IV

Es war halb zehn und Christina hatte es sich mit einerFlasche

Wein auf der Couch bequem gemacht. Der Fernseher lief, doch obwohlihrBlickaufdenBildschirmgerichtetwar,nahmsienicht in sich auf, was sie dort sah. Der Wein war bereits halb leer und Sebastianwarnochimmernichtzuhause.Zwischendurchhatte er ihreineSprachnachrichtgeschickt,dassesspäterwerdenwürdeund dasssienichtaufihnwartensollte.Nicht,dasssiedasgetanhätte.

EswareinAbendwievieleandere,unddochfühltesiesichan diesemTageinsameralssonst.VondenMädchenwarnichtszusehen oder zu hören, nur einmal hatte oben die Tür von Lilys Zimmer geknarzt,alseinevonbeidenzurToilettegegangenwar.Christina vermisste die Tage, als sie noch die Nummer eins in Lilys Leben war.ObwohlihreTochterkeinschwierigesKindgewesenwar,hatte Christinaesoftalsanstrengendempfunden,immerverfügbarsein zumüssen.Wieofthattesiesichgewünscht,einfachmaleinpaar Minuten allein sein zu können? Samstagmorgens auszuschlafen? Wieoftwarsiegenervtgewesen,wennLilyeinfachnichteinschlafen wollteoderChristinasogaraufderToiletteamRockzipfelhing?

NundachtesievollerWehmutandieseZeitenzurück.Dochgleichzeitigfragtesiesichimmerhäufiger,wieihrLebenverlaufenwäre, hätteesLilyniemalsgegeben.Dannwäresieheutenichtwehmütig. Wasmannichtkannte,konntemanschließlichauchnichtvermissen. Wiekamesnur,dasssieinletzterZeitimmerhäufigerwünschte, sie könnte die Zeit zurückdrehen? Lag es an Amina? LilywarihreTochterundsolangesiekleinwar,gabeseineenge Bindungzwischenihnenbeiden.Dochjeältersiewurde,destodünner wurde dieses Band.

Natürlich standen sie sich trotzdem nahe, schließlichwarChristinaihreMutter,dochaufgewisseWeisewar LilyihrmitdenJahrenfremdgeworden.SiewareindeutigSebastians Tochter. Sie hatte seine breite Nase, sein charmantes Lächeln unddasstörrischebrauneHaar.SiehatteseineErnsthaftigkeit,seine BodenständigkeitundseinTalentfürdasLogische.Sebastianhätte sieniemalsverleugnenkönnen,dochwennChristinanichtbeiihrer Geburtdabeigewesenwäre,sohättesiemanchmalbezweifelt,dass LilywirklichihreTochterwar.DiesenGedankensprachsiejedoch niemalsaus.Wemhättesiedasauchsagenkönnen?Manwürdesie fürverrückthaltenoderfüreineschlechteMutter.Dennoch,sie konnte zwischen sich und ihrer Tochter kaum Gemeinsamkeiten feststellen.

Lily hatte nichts von ihrem Sinn für das Schöne, für dieKunst. Musik empfand sie meist als anstrengend und sie hatte nichts für Tiereübrig.Eswarnichtso,dasssiesiehasste,dochsieempfand auch keine besondere Zuneigung zu ihnen, sie waren ihr schlicht egal.SebastianhattesichimmergegeneinHaustiergewehrt(denn Haustiere kosteten Geld und sie hatten ohnehin schon mehr Verpflichtungen, als sie je haben wollten), doch als Lily noch jünger gewesen war, hatte Christina jahrelang darauf gewartet, dass ihre TochterirgendwanndenWunschäußernwürde.Siehattesieinden Zoogeschleppt,inTierparks,inTierheime,inderleisenHoffnung, dass Lily sich eines Tages einen Hund oder eine Katze wünschen würde und Sebastian seiner kleinen Prinzessin den Wunsch nicht ausschlagenkonnte.Dochvergeblich,derWunschkamnicht.

StattdessenwurdeLilybereitsmitachtJahrenMitgliedineinem DebattierclubundmitzwölfbekamsieeineAuszeichnungfürein PhysikprojektanihrerSchule.Siewareinfachsoanders,sovöllig anders,undauchihreFreundewarenanders.Christinafandniemals einenBezugzuihnenundirgendwannakzeptiertesie,dasssiedas vielleichtauchüberhauptnichtmusste.SiewarnichtLilysFreundin, auch,wennsiesichdasnochsosehrwünschte.SiewarihreMutter. VielleichtwareseinfachdasSchicksaleinerMutter,jemandenso schmerzhaftzuliebenundsichimmerzuSorgenzumachen,ohne dassdieseGefühleaufdieselbeWeisejemalserwidertwurden.

Wieerfrischendwaresdagewesen,alsLilyvoreinigenMonaten Amina kennen lernte und mit nach Hause brachte, denn in Amina konnte Christina sich selbst wiederfinden. Die junge Frau war unbeschwert und voller Leben, sie lachte oft und nahm die Dinge leicht, doch vor allem hatte sie Träume, mit denen Christina sich identifizierenkonnte.PlötzlichwurdeihrvollerSchmerzbewusst, dasssienichtnurSebastianüberdieJahreverlorenhatte,sondern auch sichselbst. Sieertapptesichdabei,wiesieabendsbeieinerFlascheRotwein im Internet nach Universitäten recherchierte, an denen sie ihren TraumvomStudiumvielleichtdochnochwahrnehmenkonnte.Sie erwischtesichselbstdabei,wiesienachkleinenAppartementsinder nächsten Großstadt suchte und nach Anzeigen für Studentenjobs, mitdenenmansicheinsolchesnebeneinemaufwendigenStudium leisten konnte. Doch am Ende des Tages klappte sie ihren Laptop wieder zu, schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf und fragtesich,wemsiedennetwasvormachenwollte.

Selbst,wennLily balderwachsenwar,Christinawürdenichtmehrstudieren.Siewar Mittedreißig,indiesemAlterstudiertemanebennichtmehr.Die anderenwürdensieauslachen,dieLeuteimDorf,ihreEltern,ihre Kommilitonen.

WennsieinsBettgingundendlicheinschlief,KörperundSeele schwer vom Alkohol, träumte sie von einem Leben, das niemals stattgefundenhatte.SieträumtevoneinerjungenChristinaineinem vollenHörsaalundvoneinerAminaimselbenAlter.Sieträumtevon wildenStudentenpartysundganzenNächteninderUnibibliothek, von schmerzenden Füßen und rauchenden Köpfen, von lebhaften DiskussionenundbestandenenPrüfungen,vomLebenineinerWG miteinemMädchenwieAmina.VomAusprobieren,vomScheitern, vomWeitermachenundvondemgroßenStolz,dereinejedekleine Errungenschaft begleitenwürde.

Undeinmalträumtesiesogardavon,wiesieAminaküsste.Eswar einschönerTraumundalssieaufwachte,warenihreWangennass.

V

SebastiankamnieinihrenTräumenvor.Dabeiwaresnichtso, dasserihrgleichgültigwar.Wassiebeideverband,warkeineRomantik,eswarvielleichtsogarmehralsdas:EineinnigeVerbundenheit, Zuneigung,grenzenlosesVertrauen.Wennmansovielzusammen gemeisterthattewiesiebeide,konnteeinemderanderenichtgleichgültigsein,obwohlChristinamanchmaldasGefühlhatte,dassihr Manndasanderssehenwürde.

Dochwennsieehrlichwar…warnichtsiediejenigegewesen,die sich von ihm distanziert hatte?

In den letzten Monaten hatte sie Sebastian im Stillen Vorwürfe gemacht.SiefühltesichvomLebenverraten,hatteihrenSinnverlorenundwaraufderSuchenacheinemSchuldigen.Werwärefür dieseRollebessergeeignetgewesenalsderMann,dersieinjungen JahrengeschwängertunddamitallihrerTräumeberaubthatte?Er hatteseinLebenimmerhinnormalweiterlebenkönnen,hattekeine Opfer bringen müssen. Hatte eine gute Ausbildung gemacht, war dieKarriereleiterhinaufgestiegen,konntesichselbstverwirklichen, wieessoschönhieß,währendsiesichmitdreckigenWindelnund nochdreckigerenKompromissenhattezufriedengebenmüssen.

DochnunbrannteihrnocheineandereFrageunterdenNägeln, undsiefraßsichtiefinihreHaut,bisinihreSeelehinein,undließ sie nicht mehrlos.

Warum haben Sie später nicht studiert?

AminasFragehallteihrschondenganzenAbendindenOhren nachundsieärgertesichdarüber.SiemochtediejungeFrau,vermut- lichmehr,alssiesollte,dochzumerstenMalseitvielenMonaten fragtesiesich,obeswirklichAminawar,indiesiesichverliebthatte. War es wirklich dieses optimistische, naive Mädchen – oder hatte ChristinaihrHerzaneineIllusionverloren,aneineErinnerung,an einWas-wäre-gewesen-wenn-Szenario?

Was, wenn all das überhaupt nicht stimmte? Wenn es gar nicht Sebastianwar,derihrdieTräumegeraubthatte,wennesgarnicht Lilywar,sondernsieselbst?Was,wennsiesichnichtausAlternativlosigkeitfürdiesesLebenentschiedenhätte,sondernausFeigheit?

Wo ein Wille ist, ist ein Weg, hieß es doch.

Oder: Wer will, findet eine Lösung. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

WarenSebastianundLilyihreAusredegewesen?

DieserGedankezogihrfüreinenkurzenAugenblickdenBoden unterdenFüßenwegundsieschnapptenachLuft. Mit zitternden Fingern nahm sie das Weinglas in die Hand und leertedenRestderFlaschehinein.DieKirchturmuhrimDorfschlug elf.ChristinastarrteandieWand.IhreSichtwarbereitsverschwommen,dochsiehattedasGefühl,klarerzusehen,alsjezuvor.Zum erstenMalfragtesiesich,obesüberhauptstimmte,dassSebastian aufnichtshatteverzichtenmüssen.SiekniffdieAugenzusammen und versuchte angestrengt, sich zu erinnern. Hatte er nicht auch Träumegehabt?HatteernichtimmerdieWeltbereisenwollen?Es warzulangeher,siewussteesnichtmehr…

DochAminahatteetwasverändert,auch,wennsiedasselbstnicht wusste.DiejungeFrauhatteeinenSamengesetztundnunlagesan Christina,diesenauchzugießen,daswurdeihrjetztklar.Nein,es warnichtzuspät.Eswarniezuspät.

EntschlossenstelltesiedasleereGlasaufdenTischundstreckte sichaufderCouchaus.Siegähnteherzhaft. SiewürdeesSebastiansagen,dachtesieschläfrig.Gleichmorgen. Siewürdendarüberreden.Vielleichtkonntensiewiederanfangen, gemeinsamzuträumen.EinenNeuanfangwagen.Vielleichthatten sie noch eineChance.

AlsSebastiannachHausekam,schliefsiebereitstiefundfest.Sie bekamnichtmit,wieerdieDeckeüberihrausbreiteteundsiesanft auf die Stirnküsste.

Sie war so schön, dachte er. Morgen würde er endlich mit ihr reden.

Michael Jonak (alias Kami No Yona) - Heldengott aus Dämmerland - Einmal Hölle und zurück (ohne Zahnfee)

Prolog: Was zuvor geschah – Die Stimme

Lie-bes Ta-ge-buch...

Klingtirgendwieblöd!Was,wennichdasnichtüberlebe? Lie-bes ... Tes-ta-ment...

WasfüreinSchwachsinn!Triffteseher,klingtaberziemlichdumm! Ichhassees,AnfängevonGeschichtenschreibenzumüssen!

Es war ein-mal ...

Zu altbacken!

Am An-fang er-schuf ich ...

Um Gottes willen!

Lie-ber Le-ser ...

Leser? Dann müsste ich’s ja für die Roland-Emmerich-Verfilmung nur wieder ändern!

En-ter-preis, Stern-zeit ...

Hihi.–Verdammt!SchreibtmanEnterpriseso?Achegal,denEinstiegändereichehnochmal!Jedenfallsirgendwas,damitklarwird, wiedramatischdasGanzeist.PersönlicheralseinTagebuch;endgültigeralseinTestament;fantasievolleralsjedesMärchen;theatralischer alsdieBibel;filmreifundzeitlosmusserwerden!DerKlassikerder Zukunft! Also ...

Hey,Moment!Deristklassisch!Klassischergeht’snicht!Ja,der istgut! Also,

Freitag, der Dreizehnte

NochdreidersiebenTageGnadenfrist,diemirverkündetworden waren.DerTagderAbrechnungrücktunaufhaltsamnäher.

MeinHeldenmutistnunmehrseitgeschlagenenvierTagenZigarettenholen.Hätteihmnichtvertrauensollen.Eriststiftengegangen. Feigling!UndzwaranjenemschicksalhaftenletztenMontag.Der Tag,andemmirdieStimmesagte,dassmeineUhrbaldabläuft.Eine Uhr,dieeinsteinunsichtbarerFeindinmeinInnerespflanzte.Ein uralterFeind.GeißelderMenschheit;süßesGift;unheiligerDämon, denichselbstheraufbeschwor.SchwarzseineGestalt,fauligerAtem und schwer zu töten. Ein Feind, der – heiliger Stephen King, steh mirbei–denNamenEsträgt.Vorname:Carrie.SechsJahrestellte ich mich ihmentgegen.

Ich!–HeldengottausDämmerland,LetternschmiedderWörter- Esse,FantastausSchreibstadt-Schweig/Vielleichtge-Fels,geborenim sagenumwobenen Tal derAhnungslosen.

Ahnungslos,wievoreinigenWochen,alsichdieletzteSchlacht verlor.Verloren,wiemeineGedankenanebenjenemunheilvollen letzten Montag. Der Tag, an dem mich die Stimme heimsuchte; mich daran erinnerte, dass mein Kampf verloren war; dass meine Dämonen-Uhr in einhundertsechsundachtzig Stundenablief.

UnschuldigsahichmirgeradedieletztenSekundeneinerharmlosenDokumentationüberBrunnenan,alsdasHausplötzlichbegann, unter gewaltigem Beben...

– Na gut: Vibrieren–

... das Haus also unter gewaltigem Vibrieren ...

– Ja,eigentlichwar’snurderTisch

...derTischvibriertealsoingeisterhaftenSchüben,gleichmäßig wiedertodbringendeAtmendesBalrogvonMorgoth.Panikdurchstieß mir mit seinem vergifteten Speer brennend Herz und Hirn. DieeisigenKlauendesGrauensstahlensichmordlüsternummeine Kehle…

– IchbindannansHandygegangen.–

›SiebenTage...‹,hattedieteuflischeStimmeamTelefongekrächzt.

›InsiebenTagensindsietot...‹DanndasGeräusch,alswürdenHalswirbelblutröchelndzerbersten.WürgenunderstickendeAtemzüge voller…

– Gut,dieStimmeräuspertesich.–

›Verzeihung.InsiebenTagensindsietotalglücklich,dasssieden Termin gemacht haben. Ich wollte sie bloß daran erinnern‹, hatte dieStimmedannverächtlichgelacht.

WelchenFluchsiemirdamitauferlegte,sollteichdannvonDienstag bis heute zu spüren bekommen. Schlaflose Nächte, gepeinigt vonSchmerzen,verfolgtvonihremEcho,indessendiabolischem FlüsternderWahnsinnwogte,denichnuninmeinenKieferknochen pulsierenfühlte.

Samstag, der Dreizehnte (plus eins)

VielleichthabeicheinenAusweggefunden!–Dachteichkurz. InderstürmischenNacht,diemirdiesesMalnurbruchstückhaftenZugangzurjenseitigenWeltgewährte,istesmirgelungen,meine KontakteinDämmerlandzuerreichen.Mitderwohlheroischsten Ansprache,diedasUniversumjevernahm,appellierteichanmeine Truppen.EinstehendesHeer,daswederAngstnochSkrupelkannte. Waffenstarrende Armeen aus Wesen jenseits aller Vorstellungskraft, durchmicherschaffen.MirdenTreueidbisindenTodgeschworen. Schlachterprobtundbereit,mirFolgezuleisten.Mächtigund… nicht da.

Ich konnte es nicht fassen. Meine Macht war zu erschöpft; die

StimmemeinerImaginationzuschwach.AusgesaugtvondenBlutegelnderFinsternis.DerFluchderStimmewarweitreichender,als ichzuvornochannahm.Toll!AlsokeineUnterstützungdurchdie Warlords vonDämmerland.

Ich bin am Arsch.

Knautschi,ichhabeschlechteNachrichten.MeintreuerFreund, wir werden keine Unterstützung bekommen. Wir müssen uns dem Bösen allein entgegenstellen.

Sonntag, der Dreizehnte (plus zwei)

EineweitereschlafloseNacht.EinweiterererfolgloserVersuch umBeistandfürdiebevorstehendeSchlacht.Dämmerlandhatmich verraten!AußerKnautschi,meinemtreustenKameradenundWegbegleiterinsomanchdunkelstenStunden,gelangesmirnicht,auch nureineneinzigenweiterenWaffenbruderzumobilisieren.

IchwarnichtamArsch,ichwargef...ähm...gefährlichdemotiviert.

Dreizehn Uhr. Ich bin so erschöpft, dass mir nun doch die Au- genzufallen.Konzentrationistsohinüber,amEndemancherSätze benutzeichschondasfalscheErdbeere.

Knautschi komm, schlafen. Schnautschi, schafen ...

Schauschi ... schaf ... Schschi ... scha ...

Schischasch ...

... Schnarch.

I: Dämmerland

Gääääähn ...

Huch?!Werbistdudenn?WiekommstduinmeineGeschichte? BistdudieZahnfee?HabichdichausVersehenausDämmerland mitgebracht?–Wasdasist?Boar,solchschwierigeFragensokurz nach dem Wachwerden! Wer du bist, ist mir eigentlich auch ganz egal.SichernurwiedereinerdieserLeser–sorry,oderLeserinnen. Seh’ichjanicht!EineAurahatnunmalkeinen…duweißtschon was,oderkeine…duweißtschonwas.

Du hast nicht zufällig vor, einfach wieder zu verschwinden und mich noch ausschlafen zu lassen? Wär ja auch zu schön gewesen.

Bitte,dannerklärich’sdirkurz.–Dashatmannundavon,Autor zusein.

Ich liebe diese Zeitspanne zwischen Schlafen und Aufwachen. Im Dämmerzustand zwischen Traumprogramm und Realitäts-

modusexistiereichamliebsten.InmeinenTräumenbinicheinfach vielzugöttlich–inderRealitätvielzuarmselig.Ja,Fantasieistschon wasGeilesunddieWeltdadraußen,ofteinfachscheiße.Aberdazwischen...dazwischenhabichmeineRuhe.Hiermischtsichbeides,so wieichdaswill.WasichdurchdasPortalderUnbestimmtheitmit aufdiejeweilsandereSeiteschmuggele,obliegtganzalleinemir!Ich würdeesalsregenTauschhandelaufdemSchwarzmarktdesGeistes bezeichnen.

In den jenseitigen Landen versorge ich mich bei meinem Fan- tasyDealermitmeinertäglichenDosisFeen-Koks,Einhorn-Pilze odervondemZeug,wassichallmächtigeZaubererundglänzende Weltretter-Helden ständig spritzen. Ohne den Stoff könnte ich in meiner Welt keinen Tag überleben. Im Gegenzug bringe ich den SpinnernausdemDiesseitsimmerdasZeugmit,ohnedasdiesewiederumnichtexistierenkönnten.MaleinbiszweiSäckevollBullshit odereinenStapelgestorbenerIdeen,maleinebuntgemischteTüte mitWut,LiebeskummerundEnttäuschung.OderResignation!Ja, Resignation und Sinnlosigkeit kommen bei denen immer gut an. DarausquirlensiedanndenKramzusammen,denichbrauche.Du siehst,esisteingenialerKreislauf.

Das,duneugierigerEindringling–sorry,oderEindringeline–,ist Dämmerland.

II: Später Sonntagmorgen

Natoll,jetzthastdumichsoweitwachgemacht,dassichwieder hierindeinerunsäglichenRealitätbin.Wassoll’s.Malsehen,wasmir dieTypendiesmalmitgegebenhaben.–Wiespätisteseigentlich? Ach,erstkurzvorneun.Verzeihung,einundzwanzigUhr,meinte ich.AlsodieperfekteZeit,umaufzustehen.Wartekurz,ichmuss bloßmalschnellaufsKlo.

InderZeitkannstduwenigstensschonmalKaffeemachenund hiernichtnurfaulrumlesen.

∗ ∗ ∗

Dabinichwieder.Hatetwaslängergedauert,musstenochvorsichtig Zähne putzen. Kann ich dir ’ne Kippe anbieten? So zum Kaffee? Nicht?Jetztfangdunichtauchnochmit„Dasistaberungesund!än. Mämämämämä!Weißichselbst.SagtmirauchmeinHausarztjedes Mal.Selbstmeine...Scheiße!

Höraufzulachen!Dasistnichtwitzig!...Zahnärztin,wollteich sagen.Dieseverfi...verflixtenZahnschmerzen.Diesindwohldas Einzige,gegendaskeineFantasiehilft.Ichweißdasziemlichgut.ImmerhinhabeichesseitgeschätztensechsJahrenimSelbstexperiment herausgefunden.JetztkeineMoralpredigten!Verklemm’sdireinfach, ja?ImmerhinwäredieFragedamitgeklärt,warumduwahrscheinlich hier bist, auch wenn du nicht die dämliche Zahnfee bist. Ummir beimLeidenzuzusehen,stimmt’s?Dubistganzschönpervers,wenn ichdasmalsagendarf.Aberdukannstdichjetztschonmalaufwas gefasstmachen.DennmeineRachewirdgrausamsein!Wasdunäm- lichnichtbedachthast:EineshabeichausderWeltderImagination bereitsvorLängeremmitgebracht.DieMachtderGeschichten!Und diese hier ist meine Welt! Hier bin ich Gott! Und ich nehme dich dahinmit,woesmirgefällt.WasmeinWilledirgestattet,siehstdu; wasicherlaube,darfstdufühlen.

Worin meine Rache besteht, willst du wissen? Muhahaaa! Ich werdedichjetzteinfachmitindietiefsteTiefederHöllereißen!Ich habumachtUhrdorteinenTermin.

SindjanochelfStunden?HastdudasWichtigsteschonwieder vergessen?Dubistganzschön...naja,sagenwir...begriffsstutzig. Nochmal zum Mitschreiben: ICH BIN HIER GOTT! Sehet und staunet!

Ich muss nur ehrfurchtgebietend einmal in die Hände klatschen

...

und es ist ...

III: Tag der Abrechnung

... sieben Uhr dreißig.

Na,beeindruckt?WennichkeineGnadenfristbekomme,warum danndu?KaffeekannstdudirindieHaareschmieren!Habjaschon Zähnegeputzt.

∗ ∗ ∗

Und schon sind wir auf dem Bußgang zum Schafott. Schande! ... Schande! ... Schande! ... Schande! ... Schande! ... Ichbinextraetwasfrüherlosgegangen,damitichlangsamergehenkann.Wärejaauchunpassend,dorthinzueilen,woichhin muss.So,alswürdeichesnichtschnellgenugerwartenkönnen.Das wirdschließlichkeineinfacherSpaziergangdurchdenStreichelzoo-Ponyhof vomSchlaraffenland.

Mann,istdasarschkalt.PisswetterundWind.WasgäbeespassendereszudiesemschwerenGang.Brrrrr.

Hab ich alles dabei? Eintrittskarte? – Check. Galgenhumor? – Check. Handy für Notfälle? – Check.

Mut? ... Mut? ... Hab ich natürlich neben meinen Nerven und derganzenCoolnesszuHausevergessen.Schnuppe!Diewärenmir nachherspätestesamEingangehausderTaschegefallen.

Guckmal,darechts...dasalteSchlachthaus.Undgleichkommt linksdasBestattungsinstitut.DirektdahinteristderFriedhof.Wenn ichanOmenglaubenwürde...wenn...dannwürdeauchdasLied

„HighwaytoHell”vonAC/DC,dasderTypimAutodageradehört, mir ernsthafte Sorgen machen. Komm,lassunsdochlieberetwasschnellergehen.Nurso...nicht,

dass ich an sowas glauben würde!

Verdammt,dahintenistesschon.Wartemal!Eigentlichkönnte ichdasdochliebernocheinmalverschieben.Miristgradeeingefallen, dassichheutedocheigentlichdiesewichtigeSachemachenwollte. Ach,verdammt!Wemmacheichhierwasvor!?Zähnezusammenbeißen und ... FUCK, SHIT, Mist-kack-verdammte-Scheiße!Warum nehme ich mich selbst auch wörtlich!? Du blöder Idiot! Nein, Mann – Verzeihung, oder Frau –, ich meinte nicht dich! Dafälltmirein:KönnenAureneigentlichauchSchmerzenspüren?

Nur so. Wenn du noch gehen willst, tu dir keinen Zwang an. AnsonstenkannstdumaldieTüraufmachen,wirsindnämlichda.

Danke.

SpürstdudeneisigenHauch?DiesesseltsameGefühl,dasdiese Türsichfürimmerhinterunsschließenkönnte?Verriegeltvonden unsichtbaren Häschern irgendeiner finsteren Präsenz. Wir sollten nichtdenAufzugnehmen!IchhabesoeinseltsamesBauchgefühl.

∗ ∗ ∗

Und? Treppe war besser, oder? Irgendwie weniger beklemmend.

Nur meine Macke, Treppenstufen mitzuzählen, hat mir nicht erspart,dreiMalbisdreizehnzählenzumüssen.Dreimaldreizehn ist neununddreißig – Quersumme zwölf – plus die eine Stufe vor demerstenTreppenabsatz:wiederdreizehn!Solangsambekomme ich dochMuffensausen.

Aber jetzt sind wir oben. Keine Panik. Das ist bloß eine stink- normaleTür.Gut,derGriffsiehtaus,alshättensichdaranbereits hunderte meiner Vorgänger mit Krallen und Zähnen zur Wehr ge- setzt,dorthineingezerrtzuwerden,abersonst...einestinknormale Tür.

Also los! Es ist ganz einfach. Zittrige Hand – Türklinke – drücken –öffnen.

IV: Vorhof zur Hölle

Riechstdudas?DasistderGeruchvonDesinfektionsmittel.Desinfektions-undReinigungsmittel,diedenGeruchvonAngstschweiß überdeckensollen.Angstschweiß,derseitAnbeginnvonjedergierigen Pore dieser kalten Wände aufgesaugt, ja, eingeatmet wurde. DasselbeZeugbenutzenauchTatortreiniger,umBlutunddenGestank des Todes zu kaschieren. Und siehst du all das Weiß? Vom NeonlichtnochweißerstrahlendeWände,MöbelundPforten.Auch nurAblenkung!DochmichtäuschendieseFassadennicht.

Mich! – Heldengott von Dämmerland! Niemals! Man kann einen Hort des Schmerzes und der Folter übertünchen wie man will, aberes istundbleibteinseelenleererPfuhlderQualen.SelbstdieSpiegel reflektieren nurWeiß.

Nureineshabensiedochgradenichtreflektiert,oder?DasWesen, dasaussahwieeineganznormaleFrau.DieFrauinWeiß.Siehatte keinSpiegelbild.Dabinichmirsicher.Jetztsetztsiesichhinterden Tresen.Verdammt,ichwusstees.SieistderWächter,dessenStimmeichbereitsvernommenhatte.Siewares,diemirdieterminierte Einladungausgesprochenhat.Sieistes,mitderichjetztdiesenunnatürlichenPaktderSelbstkasteiungbesiegelnwerde.Hoffentlich bemerktsiemeinenackteAngstnicht,sonst...Zuspät!IhreAugen habenmichfixiert.DasPortal,daswirsoebendurchschrittenhaben, wirdlängstversiegeltsein.KeinZweifel.Fluchtunmöglich.

Wo...wo...wobistdu?–Achda.Warumversteckstdudichhinter mir?DukommstjetztschönmitzudiesergeisterhaftenGestalt.Ich muss meine Einladungskarte vorzeigen. Halt ja die Klappe, sonst bemerktsiedich!DannwärderSpaßfürdichhiersofortvorbei.Also, pschscht!

Hallo. Natürlich.Bitte,hiermeineKarte.

Jetztistsieweg.UndsomitistdieersteProzedurdesRitualsbereits abgeschlossen.MeinGeististjetztineinemgefährlichenSchwebezustand.NochnichtinderGewaltdesgroßenPeinigers,aberauch nicht mehr in meinemKörper.

Danke.