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Über Liebe, Politik und das Leben als solches: eine Auswahl der besten Gedichte, mal urkomisch, mal bissig-satirisch Tucholsky war auch als Lyriker brillant, ein spitzzüngiger Kritiker ungerechter Verhältnisse und politischer Dummheit. In seinen Gedichten zeigt er sich aber ebenso als amüsanter, schlagfertiger und hochsensibler Erzähler kleiner Geschichten und menschlicher Schicksale. Hier sind seine besten Gedichte versammelt.
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Seitenzahl: 47
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kurt Tucholsky
Gedichte und Chansons
Reclam
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RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962362
2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH
Coverabbildung: © Redmer Hoekstra; Abbildungen Innenteil: © shutterstock.com / Alissy-lay
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2025
RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-962362-7
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014481-7
reclam.de | [email protected]
Der Mensch an sich
An das Baby
Fang nie
Sonntagsmorgen, im Bett
Stationen
Media in vita
Der Mensch und seine Ideale
Mit einem japanischen Gott
Luftveränderung
Zu tun! Zu tun!
Gefühle
Pfeifen anrauchen
Das Ideal
Nebenan
Deine Welt
Ach, Ernestine
An ihr
Nichts anzuziehen –!
Ehekrach
Wenn die Igel in der Abendstunde
Lied fürs Grammophon
Aus!
Malwine
Lamento
Der Lenz ist da!
Der Lenz ist da!
Nicht! noch nicht!
Berliner Herbst
Silvester
Du mein Berlin!
Berliner Fasching
Home, sweet home
Place des Vosges
Ein Berliner auf Reisen
Park Monceau
Geheimnis
Das Lächeln der Mona Lisa
– Hurra! – Ferien –!
Karrieren
Raffke
Karrieren
An das Publikum
Der Mitesser
Imma mit die Ruhe!
Tierischer Epilog
Der Pfau
Trunkenes Lied
Zu dieser Ausgabe
Nachwort
Alle stehn um dich herum:
Photograph und Mutti
und ein Kasten, schwarz und stumm,
Felix, Tante Putti …
Sie wackeln mit dem Schlüsselbund,
fröhlich quietscht ein Gummihund.
»Baby, lach mal!« ruft Mama.
»Guck«, ruft Tante, »eiala!«
Aber du, mein kleiner Mann,
siehst dir die Gesellschaft an …
Na, und dann – was meinste?
Weinste.
Später stehn um dich herum
Vaterland und Fahnen;
Kirche, Ministerium,
Welsche und Germanen.
Jeder stiert nur unverwandt
auf das eigne kleine Land.
Jeder kräht auf seinem Mist,
weiß genau, was Wahrheit ist.
Aber du, mein guter Mann,
siehst dir die Gesellschaft an …
Na, und dann – was machste?
Lachste.
Fang nie
was mit Verwandtschaft an –!
Denn das geht schief, denn das geht schief!
Sieh dir lieber ’ne fremde Landschaft an –
Die Familie wird gleich so massiv!
Denn so von Herzen hundsgemein
kann auf der ganzen Welt kein Fremder sein …
Fang nie was mit Verwandtschaft an –
dann
bist du glücklich dran –!
Was – was ist?
Ach so. Heute ist Sonntag. Da kann ich noch liegen.
Mit den Schultern kuscheln. Mich ans Kopfkissen schmiegen –
Aus alter Gewohnheit wacht man sonntags immer
so früh auf wie wochentags – das kommt vielleicht von dem Schimmer
da von den Jalousien – was ist denn das für ein Geratter und Gebraus?
Na, jedenfalls heute muss ich nicht raus.
Ich kann heute ganz stille liegen und ruhn.
Und muss gar nichts. Und hier kann mir keiner was tun.
So ein Bett ist eigentlich eine schöne Sache –
da müsste noch so eine Sonnenplache
drüber sein, und dann fährt man damit überall hin.
Woher kommt das, dass ich heute so furchtbar müde bin –?
Gestern Abend haben wir wesentlich zu viel Schweden-punsch getrunken,
Paul war zum Schluss ganz in seinen Sessel versunken;
ich habe auch noch so einen komischen Geschmack im Mund
und – –
Halb neun! Da muss ich richtig wieder eingeschlafen sein.
Sonntagsmorgen im Bett, das ist fein.
Das heißt: Was nun noch kommt, ist weniger schön …
Heute muss ich zu Onkel Otto und Tante Frieda gehen –
Margot ist auch da, die keusche Lilie …
Warum, lieber Gott, ist man sonntags stets in Familie?
Vor Tisch sind sie beleidigt, und nach Tisch sind sie satt –
wenn ich dran denke, wird mir jetzt schon ganz matt.
Abends ist Theater … morgen muss ich unbedingt mal mit Kempner telefonieren:
Er muss mir die Diele billiger tapezieren –
achtzig ist zu viel – der Junge ist wohl nicht ganz gesund!
und – –
Halb zehn!
»Willi! Aufstehn! Aufstehn!«
Ja doch, ja!
Ich stehe ja schon auf, Mama –
Jetzt geht der Sonntag los! Nein: eigentlich ist er jetzt vorbei.
Jetzt kommen die Zeitungen und Briefe und Telefon und Geschrei.
Das ist nun weniger geruhsam und labend …
Aber so ist das im Leben:
Das Schönste vom Sonntag ist der Sonnabendabend.
Erst gehst du umher und suchst an der Frau
das, was man anfassen kann.
Wollknäul, Spielzeug und Kätzchen – Miau –
du bist noch kein richtiger Mann.
Du willst eine lustig bewegte Ruh:
sie soll anders sein, aber sonst wie du …
Dein Herz sagt:
Max und Moritz!
Das verwächst du. Dann langts nicht mit dem Verstand.
Die Karriere! Es ist Zeit …!
Eine kluge Frau nimmt dich an die Hand
in tyrannischer Mütterlichkeit.
Sie passt auf dich auf. Sie wartet zu Haus.
Du weinst dich an ihren Brüsten aus …
Dein Herz sagt:
Mutter.
Das verwächst du. Nun bist du ein reifer Mann.
Dir wird etwas sanft im Gemüt.
Du möchtest, dass im Bett nebenan
eine fremde Jugend glüht.
Dumm kann sie sein. Du willst: junges Tier,
ein Reh, eine Wilde, ein Elixier.
Dein Herz sagt:
Erde.
Und dann bist du alt.
Und ist es so weit,
dass ihr an der Verdauung leidet –:
dann sitzt ihr auf einem Bänkchen zu zweit,
als Philemon und Baucis verkleidet.
Sie sagt nichts. Du sagst nichts, denn ihr wisst,
wie es im menschlichen Leben ist …
Dein Herz, das so viele Frauen besang,
dein Herz sagt: »Na, Alte …?«
Dein Herz sagt: Dank.