Ihr letzter Trail - G.F. Barner - E-Book

Ihr letzter Trail E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Er liegt still, und die Nacht ist um ihn mit der drückenden Schwüle des Septembers in diesem Land am Vorfeld der Washoe-Berge. Um ihn ist die Stille, in der Männer schlafen und ihre Träume haben. Der eine, der kleine Diggi Brown, träumt von seinem Girl in Carson City und macht gerade den Mund auf. »Jenny«, sagt er versonnen. Und nach einer Pause: »Lovely!« Dann ist es wieder still, und Bart Trence dreht sich von der rechten Schulter auf den Rücken und schnarcht laut. Er schnarcht immer, wenn er auf dem Rücken liegt, der große und muskulöse Bart Trence. Es stört die anderen sechs Männer in dem kleinen Bunkhaus der großen LeRoy-Ranch nicht mehr. Es gehört zu ihrem Schlaf wie das leise Knarren des Windrades über ihnen auf dem Wasserradturm und das Heulen des Hundes, wenn der Mond ihn plagt. * »Jonny…, John…, John!« ruft Rick Lamotta gepreßt und berührt die Hand, die noch ganz warm ist, und Jonnys Augen sehen ihn an, als wenn sie ihn um etwas bitten wollten. Und da erst begreift Rick, daß ihn nicht sein Traum aufgeweckt hat, daß es der Schuß war, den Jonny Oro auf sich selber abfeuerte. Rick zieht sich am Wagenrad hoch und blickt auf den Zettel, der dort festgeklemmt ist. Auf dem Zettel steht in Jonnys krakeliger Schrift: Boß, du warst immer ein feiner Bursche. Nur einer kann durchkommen. Nimm das Wasser und geh! Geh immer weiter, bis du aus der Gila-Wüste heraus bist! Viel Glück. Und – es tut mir nicht leid! . Jonny »Wasser!« sagt Rick Lamotta heiser

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G.F. Barner – 112–

Ihr letzter Trail

G. F. Barner

Er liegt still, und die Nacht ist um ihn mit der drückenden Schwüle des Septembers in diesem Land am Vorfeld der Washoe-Berge.

Um ihn ist die Stille, in der Männer schlafen und ihre Träume haben. Der eine, der kleine Diggi Brown, träumt von seinem Girl in Carson City und macht gerade den Mund auf.

»Jenny«, sagt er versonnen. Und nach einer Pause: »Lovely!«

Dann ist es wieder still, und Bart Trence dreht sich von der rechten Schulter auf den Rücken und schnarcht laut. Er schnarcht immer, wenn er auf dem Rücken liegt, der große und muskulöse Bart Trence. Es stört die anderen sechs Männer in dem kleinen Bunkhaus der großen LeRoy-Ranch nicht mehr. Es gehört zu ihrem Schlaf wie das leise Knarren des Windrades über ihnen auf dem Wasserradturm und das Heulen des Hundes, wenn der Mond ihn plagt.

*

»Jonny…, John…, John!« ruft Rick Lamotta gepreßt und berührt die Hand, die noch ganz warm ist, und Jonnys Augen sehen ihn an, als wenn sie ihn um etwas bitten wollten.

Und da erst begreift Rick, daß ihn nicht sein Traum aufgeweckt hat, daß es der Schuß war, den Jonny Oro auf sich selber abfeuerte.

Rick zieht sich am Wagenrad hoch und blickt auf den Zettel, der dort festgeklemmt ist. Auf dem Zettel steht in Jonnys krakeliger Schrift:

Boß, du warst immer ein feiner Bursche. Nur einer kann durchkommen. Nimm das Wasser und geh! Geh immer weiter, bis du aus der Gila-Wüste heraus bist! Viel Glück. Und – es tut mir nicht leid! .

Jonny

»Wasser!« sagt Rick Lamotta heiser und kriecht an Jonny vorbei bis zum Wagenende. Dort zieht er sich hoch, und die Hitze ist wie ein glühender Hieb. »Wasser, einen Schluck Wasser!«

Er findet schließlich die Flasche, zieht sie heraus und macht sie auf. Und dann nimmt er einen kleinen Schluck der lauwarmen Brühe, legt den Kopf nach hinten und sieht einen Augenblick in die unbarmherzige Sonne über der Wüste.

In seinem Nacken schmerzt es dumpf. Irgendwo dort muß ihn Bing Matura mit seinem Gewehr getroffen haben. Der Hieb kam völlig überraschend und brachte ihn fast um.

Der Schmerz und die kurze Erfrischung des einen Schluckes bringen Rick das volle Bewußtsein wieder. Er wird klar und kann wieder normal denken.

Er denkt an seine Herde, die er, der große und bekannte Herdenboß Rick Lamotta, von San Angelo in Texas nach Santa Fe trailte.

Er sieht sich um. Er blickt auf die erschossenen Rinder, er sieht ihre Kadaver am Hang der Mulde, in der der Wagen steht. Da liegen die Rinder. Vielleicht dreizehn, vielleicht auch fünfundzwanzig.

Und auf der anderen Seite des Hügels liegen noch mehr. Er hat sie erschossen – er, Jonny und Lemmy. Und dann wollten sie die Nacht über in der Mulde bleiben, die wenigstens etwas den heißen Atem des Windes abhielt.

Er denkt an die zwanzig Männer, die einmal an der Herde waren, und an Bing Matura, der ein zuverlässiger Führer durch die Wüste sein sollte. Dieser Matura, den sein Boß, der Großrancher Daniel Blossom, angeworben hatte, war ein Lump.

Rick Lamotta sinkt langsam am Wagen herunter und hockt am Boden. Er hockt da und sieht auf die Schaufel, die unter dem Wagen steckt. Und dann nimmt er sie heraus und tritt neben den Wagen.

Als er arbeitet und der Schweiß ihn noch weiter ausdörrt, sieht er die ersten Geier.

*

»Rick Lamotta!« sagt er spröde, während seine Beine automatisch weiterwandern. »Rick Lamotta, geboren in Nord-Texas. Rick Lamotta, der Sohn von Fergus Lamotta, den sie den besten Rindermann am Red River nannten. Er übernahm von seinem Vater einen Trail, als er alt genug war. Und er versuchte, ihm alles nachzumachen. Rick Lamotta wurde noch bekannter und größer als sein Vater. Er hatte eine eigene Trailmannschaft und trieb Rinder überall hin. Er trieb sie nach Norden und nach Westen. Er kämpfte mit Roten und Banditen. Er vertrieb sie alle und brachte alle Herden durch. Und er war stolz und eingebildet! Er war vielleicht ein harter Mann, aber er war so groß, daß er nie daran glaubte, daß man ihn übertölpeln könnte. Und genau das hat man gemacht, Rick Lamotta, du taugst nichts mehr! Wenn du hier herauskommst, dann bist du fertig. Dann wirst du irgendwann einmal ein Pferd besitzen und wieder einen Sattel. Und dann wirst du reiten vom Morgengrauen zum Abendrot. Du wirst Bing Matura suchen!«

Rick Lamotta geht weiter und stöhnt nach einer Weile: »Ich werde dich suchen, du Lump. Ich werde dich suchen und finden. Und dann wirst du zuerst für die Rinder bezahlen. Danach für Jonny und auch für Lemmy.«

Er denkt an Lemmy, der keine Eltern hatte und allein auf der Welt war. Lemmy und Jonny Oro hatten beide dasselbe Schicksal. Beide keinen Menschen, zu dem sie gehen konnten, wenn der Trail vorbei war. Sie blieben immer bei ihm. Sie blieben auch auf diesem Trail bei ihm und wollten es nicht anders haben, als nur neben ihm im Sattel zu sitzen. Zwei heimatlose Reiter, die nur bei Rick Lamotta zu Hause waren.

Der eine brachte sich selbst um, und der andere lief weg, irgendwohin, und dabei nach Wasser schreiend.

Er trinkt nach einiger Zeit wieder einen kleinen Schluck. Wieder spuckt er das Wasser in den Sand, geht dann torkelnd weiter und kommt an ein Kakteenfeld. Als er etwas nach links ausbiegt, sieht er den Hut am Boden.

Rick stammelt erschrocken: »Lemmys Hut! Wie, in aller Welt, sollte Lemmy hierher…«

Keuchend bückt er sich nach dem Hut, ihm ist, als wenn er auf einmal Gesang hört, und dann kommt er auch schon am Feld vorbei auf einen Hügel.

Unter ihm ist ein Tal, in dem wenige Fettholzbüsche stehen und sonst nur Kakteen. Und in der Mitte des Tals ist eine freie Fläche von weißem Sand.

Rick Lamotta hält an und starrt auf die Fläche hinab. Er sieht den Schatten einer riesigen Kaktee, der wie ein Finger über den Sand weist.

Und halb im Schatten liegt ein Mann auf dem Gesicht und bewegt zuckend Hände und Beine.

»Lemmy!« ruft Rick entsetzt. »Lemmy! Großer Gott, es ist Lemmy! Wie kommt er hierher?« Er läuft den Hang hinunter und läßt sich neben ihm auf die Knie hinunter. »Lemmy, Alter, was ist mit dir los? Wie kommst du hierher?«

Er sieht, wie Lemmy zusammenfährt und langsam den Kopf dreht. Dann wacht er ganz auf. Seine blauen Augen sehen Rick an, und sein Haar hängt ihm wirr in die Stirn. Er hat Mund und Gesicht voll Sand, atmet rasselnd und fällt wieder zurück.

Und dann sagt Lemmy Burns lallend: »Wasser… Gebt mir doch einen Schluck Wasser! Nur Wasser! Ihr wollt mich verdursten lassen, ihr Halunken! Wasser… Wasser! Corner, warum schlägst du mich denn…?«

»Lemmy!« sagt Rick schrill. »Lemmy, wach doch auf! Ich bin es, Rick! Lemmy, hörst du mich nicht?«

»Rick… Rick ist tot«, sagt Lemmy lallend. »Wasser… Gebt mir doch Wasser! Ihr Hunde, nicht einmal Wasser…«

Rick Lamotta faßt ihn hart an der Schulter und blickt noch einmal auf die Berge, die er gerade noch über den Kamm des Hügels sehen kann.

Er packt Lemmy und zieht ihn keuchend hoch. Und Lemmy Burns steht wirklich und torkelt neben ihm los. Sie gehen beide in einer wirren, geschlängelten Linie auf den dunklen Einschnitt zwischen den Bergen zu. Die Luft wird merklich frischer, je weiter sie sich an die Berge heranschieben.

»Wasser!« schreit Lemmy laut und kreischend auf. »Da ist Wasser! Ich sehe Wasser!« Er steht oben auf dem Hang, beleuchtet vom Mond und hoch über Rick, der ihm keuchend nachrennt und versucht, ihn einzuholen. Und er ruft so schrill und laut, daß es Rick durch Mark und Bein geht: »Wasser… Wasser! Da ist es – Wasser!«

Er verschwindet plötzlich, und Rick schreit: »Lemmy, warte! Lemmy, halt! Nicht weiter, Lemmy!«

Er stürzt den Hang hoch und sieht unter sich einen breiten silbrig schimmernden Streifen, der wie Wasser schimmert.

»Halt, Lemmy!« schreit Rick lauthals. »Halt, das ist kein Wasser! Halt, nicht springen! Lemmy, nicht springen, es ist zu tief! Halt… Halt!«

Er sieht, wie Lemmy an der Kante der Plattform zaudert. Aber dann gibt sich Lemmy Burns einen Ruck, und sein Hut segelt langsam und flatternd von seinem Kopf in die Tiefe auf den Steilhang zu, der in den Talkessel läuft.

»Lemmy!« ruft Rick entsetzt. »Lemmy, du Narr, warum bist du… Lemmy!«

Er läuft an der Plattform vorbei und kommt zwischen zwei Felsen durch. Die Halde ist unter ihm, er rutscht sie hinab und stemmt sich unten gegen einen Block.

Und seine Augen sehen den silbernen Streifen, der nichts ist als eine eingetrocknete Salzstelle, auf die der Mond scheint und die so silbern schimmert wie Wasser aus einem Quell.

Lemmy Burns liegt still, den Kopf auf dem Schotter und die Beine angezogen. Er hat die Hände auf der Brust liegen, und Rick beugt sich hinunter.

»Lemmy!« sagt er heiser. »Lemmy.«

»Bruder«, sagt er und lächelt ein wenig. »Bruder – jetzt sind – wir – bald – zu Hause. Zu – Hause – zu…«

Und dann fällt sein Kopf haltlos zur Seite, und das Lächeln bleibt in seinem zerschundenen Gesicht wie der Abglanz eines Wunders.

»Lemmy«, sagt Rick zerrissen. »Lemmy, du Narr! Warum springst du denn auch…«

Und dann ist er still und dreht sich langsam um. Er sieht auf die Felsen und auf die Steine unter ihnen. Und dann durchsucht er Lemmys Taschen. Er findet Lemmys Tabakbeutel und die kleine silberne Kette, die ihm irgendein Girl schenkte und die er um seinen Hals trägt.

Er schaufelt mit den Händen eine Grube und schleppt keuchend und taumelnd Steine herbei. Und dann legt er Lemmy den Hut aufs Gesicht und schichtet die Steine langsam zu einem Haufen, der sich höher und höher wölbt.

Er sieht den Spalt zwischen den Felsen und taumelt auf ihn zu. Er geht in einer Felsrinne, die an manchen Stellen so schmal ist, daß er sich nur quer durchschieben kann.

Langsam verläßt er den Talkessel, und die Rinne nimmt ihn auf. Er kommt immer weiter, sieht schließlich eine schmale Schlucht, die nach Westen zu laufen scheint, und torkelt in ihr vorwärts.

Die Felsen sind um ihn und scheinen ihn erdrücken zu wollen.

Rick Lamotta taumelt immer weiter und kracht schließlich der Länge nach zu Boden. Er liegt da und atmet flach und rasselnd.

Dann hebt er den Kopf und lauscht.

Rick liegt ganz still und lauscht. Er hört das Rauschen deutlich, und seine Augen werden groß und weit.

»Ich – ich bin wahnsinnig«, sagt er heiser. »Ich bin verrückt. Jetzt höre ich es auch schon. Da rauscht es. Da ist etwas. Da ist Wasser!«

Er torkelt gegen einen Felsen und sieht einen kleinen Felsspalt vor sich. Und das Rauschen ist jetzt lauter und lauter und dröhnt in seinen Ohren. Er stolpert in den Spalt hinein und sieht den Sandboden. Er sieht Fettholz zwischen Sand und Felsen. Und als er um die Ecke des schmalen Felsganges mit den meterhohen Wänden biegt, starrt er aus herausquellenden Augen auf das Wasser.

Rick Lamotta sieht den runden Kreis eines Wassertümpels zwischen den Felsen. Er sieht einen Talkessel von vielleicht achtzehn Schritt Durchmesser. Und er sieht aus der Wand rechts einen Strahl Wasser kommen. Der Strahl ist nicht dicker als ein kleiner Finger und rinnt plätschernd über die Felsen in die Tiefe.

Und unten sammelt es sich an wie in einer Schüssel.

»Ich bin verrückt«, sagt er entsetzt. »Das ist nicht wahr! Ich bin verrückt! Hier gibt es kein Wasser! Das ist nicht wahr!«

Er torkelt wie betrunken weiter und tritt in das silberne Etwas hinein. Er starrt seinen Stiefel an und die Ringe, die von diesem Stiefel nach allen Seiten laufen. Und dann hebt er auch den anderen Fuß und tritt mitten hinein in das, was niemals Wasser sein kann. Er stolpert und fällt der Länge nach hin.

Als sich das Wasser kalt und kristallklar über ihm schließt, verschluckt er sich. Das Wasser dringt in seinen Mund und fährt ihm wie Eis die Kehle hinab.

Hustend und würgend taucht er wieder auf und wälzt sich an den Rand des Tümpels. Und dann beginnt er auf einmal zu schluchzen.

»Lemmy!« schreit er und schlägt in das Wasser hinein, das unter der Hand aufspritzt. »Lemmy… Lemmy! Warum mußtest du springen? Warum mußtest du…«

Seine Hand taucht die Blechflasche in den Tümpel. Er sieht, wie Luftblasen hochsteigen und die Flasche sich füllt. Und er schüttelt immer wieder den Kopf.

Er lacht und kommt sich wie ein Narr vor, als er schließlich den Hut vor sich hält und torkelnd auf die Felsen steigt. Er klettert bis nach oben und sieht über das mondbeschienene Land. Im Westen sieht er die nächste Bergkette, vielleicht zehn bis fünfzehn Meilen entfernt.

Er hält den Hut vor sich und geht los und achtet genau darauf, daß er nicht stolpert. Hastig marschiert er voran, er fühlt sich frisch und ausgeruht, als er die Bergkette hinter sich läßt und auf die nächste zuhält. Ab und zu trinkt er aus dem Hut, aber er hütet sich, zuviel zu trinken.

Er taumelt leicht, aber er weiß, daß es nur Schwäche ist. Seine Hand schabt über die kratzenden Bartstoppeln, und die Berge scheinen jetzt näher gekommen zu sein.

Er taumelt vorwärts, knickt manchmal ein und denkt oft, daß er nicht mehr weiter kann. Er verliert das Gefühl für Zeit und Raum wieder, obwohl er immer noch Wasser hat. Aber die Schwäche ist da. Seit drei Tagen hat er nichts gegessen.

Keuchend und schwankend wie ein Trunkener taumelt er aus einem engen Schlauchcanyon und sieht das Tal vor sich. Er sieht am Ende des Tales Rauch und kneift die Augen zusammen.

Und dann sieht er den Wagen.

Seine Augen weiten sich, als er Jonny Oro sitzen sieht. Jonny sitzt am Vorderrad des Wagens. Er hat die Hand hochgenommen und lächelt.

In seiner Hand schimmert der langläufige Revolver.

»Du warst immer ein feiner Bursche«, sagt Jonny lächelnd. »Du warst immer ein feiner Bursche, Boß.«

»Nein… Halt!« schreit Rick Lamotta und sieht, wie sich der Hammer des Colts langsam hebt. »Halt, nicht schießen, Jonny! Nicht schießen! Wir finden einen Doc für dich. Wir kommen beide durch!«

*

Rick Lamotta richtet sich mit einem Ruck auf, und das Wasser rinnt von seinem Körper, als wenn es aus allen Poren geschossen ist.

Er sieht das Loch der Tür und den hellen Streifen draußen. Er sieht die Sonne und über sich zwei, drei Gesichter.

Und seine Hand hebt sich abwehrend, als er den großen Schatten von Bart Trence über sich erkennt.

Bart Trence hat die Kanne in der Hand und starrt ihn durchdringend an.

Der Tag ist klar, und die Luft ist rein wie an jedem Septembertag in Nevada.

»Was – was…«, sagt Rick stockend und fühlt, wie seine Arme zittern. »Bart, du bist das? Es ist ja schon hell.«

»Ja, du Narr«, sagt der riesenhafte Bart Trence heiser. »Es ist hell, und du hast uns alle munter gemacht mit deinem Geschrei! Verdammt, ich werde dich eines Tages nicht nur naßgießen! Eines Tages werde ich dich verprügeln, Mann! Was träumst du denn dauernd?«

»Ich – ich?« fragt Rick stockend. »Den wievielten haben wir heute?«

»Den sechsten September 1879, du Narr«, sagt Bart heiser. »Wie spät ist es bei dir?«

»Bei mir?« fragt Rick heiser und schüttelt den Kopf. »Bei mir?«

Er sieht ihn an und die anderen fünf Männer, die in der Tür stehen und zu ihm hinsehen. Und dann auf einmal weiß er, daß es vor zwei Jahren war und er nur geträumt hat.

Er wird immer wieder so träumen. Und immer denselben Traum. Vielleicht wird er eines Tages wirklich verrückt, vielleicht sieht er dann Lemmy wirklich und hört den Knall richtig, mit dem Jonny Oros Revolver losgeht.

»Schon gut, Bart!« sagt er rauh und nimmt langsam die Beine aus dem Bett. »Schon gut, es war weiter nichts. Mach mich nur immer gleich munter, wenn ich mal schreie! Manchmal träumt man eben, verstehst du?«

»Ich verstehe gar nichts!« sagt Bart Trence. »Ich weiß nicht, warum du schreist und dir fast das Hemd zerreißt. Hast du jemanden umgebracht, Mann, daß du ihn immer wiedersiehst?«

»Sehe ich so aus?« fragt Rick langsam. »Nun gut, ich habe niemanden umgebracht. Schon gut, Bart, ich bin wieder da.«

Er steht auf und fährt in seine Hosen. Und dann streift er sich das Hemd über den Kopf und sieht die seltsamen Blicke der anderen Männer, die ihn forschend mustern. Er kennt sie alle seit fast einem Jahr. Und als er kam, fragte man nach seinem Namen.

Er erinnert sich genau, was er antwortete: »Ich heiße Rick, einen anderen Namen habe ich nie gekannt. Meine Eltern sind tot, und ich wurde irgendwo im Süden großgezogen. Wie ich weiter heiße, weiß ich nicht. Sagt nur einfach Rick zu mir.«

Rick Lamotta geht langsam aus der Tür, und der Colt in seinem Halfter steht mit dem Kolben nach außen. Es ist ein langläufiger blauer Navycolt mit einem Perlmuttgriff.

Und dieser Colt lag einmal in der Hand von Jonny Oro, bevor es knallte und der Colt zu Boden fiel.

»Rick«, sagt der kleine Diggi Brown neben ihm langsam. »Rick, warum ziehst du eigentlich nie, wenn wir Rinder treiben?«

Sie gehen beide nebeneinander zum Waschtrog, und der kleine Diggi Brown sieht zu dem großen Rick hoch. Er ist ein fröhlicher Mann, dieser Diggi Brown, der gern einen Spaß macht und sich nichts dabei denkt, andern einen kleinen Streich zu spielen.

»Rick, warum träumst du immer? Wer ist Jonny, und wer ist Lemmy?«

»Ich weiß nicht«, sagt Rick zweifelnd. »Junge, manchmal träume ich eben. Ich kannte mal jemanden, der so hieß. Der eine hieß Jonny, der andere Lemmy. Es waren zwei prächtige Burschen.«

»Deine Partner?« fragt der kleine Mann vorsichtig. »Du brauchst nicht zu antworten, wenn du nicht willst. Du sprichst ja ohnehin in der Woche kaum eine halbe Stunde.«

»Manchmal redet ein Mann wenig«, erwidert Rick ruhig. »Sie waren meine Partner, yeah. Die besten Partner, die ein Mann haben kann.«

Der kleine Diggi Brown sieht ihn an und schweigt. Sie gehen zum Waschtrog, und das kalte Wasser macht Rick wieder ganz munter.

Man beobachtet ihn, während er sich wäscht. Sie sehen seinen harten Körper, und es ist seltsam, daß selbst Bart Trence, der sich sonst mit jedem Mann der fast dreißig Männer der LeRoy Ranch geprügelt hat, niemals versucht, mit Rick einen Streit zu beginnen. Er droht nur immer und sieht seine Drohungen von Rick abprallen wie von einem Felsen.

Und es gibt Leute auf der LeRoy Ranch, die ihren letzten Cent wetten würden, daß der Neue auch mit einem Bart Trence auf die ruhige Art fertigwerden kann.

Rick Lamotta sieht das Windrad, als er sich abtrocknet. Er sieht die Fenster des Hauses und die beiden Ställe. Es ist eine prächtige Ranch, und es sind prächtige Burschen auf ihr. Sie machen manchen Unsinn, und der Rancher ist in Ordnung.

Rick sieht, wie das Fenster im Obergeschoß aufgeht und kneift die Augen zusammen. Einer der Boys pfeift kurz zwischen den Zähnen, und eine Stimme sagt oben aus dem Fenster scharf: »Lester, du solltest dich schämen, verstanden?«