Ihr Traum - Marie von Ebner-Eschenbach - E-Book

Ihr Traum E-Book

Marie von Ebner-Eschenbach

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Beschreibung

Ihr Traum Marie von Ebner-Eschenbach - Freifrau Marie Ebner von Eschenbach (* 13. September 1830 auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier in Mähren als Marie Dubský von Tebomyslice; 12. März 1916 in Wien) war eine mährisch-österreichische Schriftstellerin. Ihre psychologischen Erzählungen gehören zu den bedeutendsten deutschsprachigen Beiträgen des 19. Jahrhunderts in diesem Genre.Marie von Ebner-Eschenbach, geborene Freiin Dubský, ab 1843 Gräfin, war die Tochter des Franz Baron Dubský, ab 1843 Graf Dubský, und seiner zweiten Frau Baronesse Marie von Vockel. Väterlicherseits hat sie ihre Wurzeln im alten böhmisch-katholischen Adelsgeschlecht der Dubský von Tebomyslice. Mütterlicherseits stammt sie vom Geschlecht der sächsisch-protestantischen Familie Vockel ab. Sie hatte sechs Geschwister, darunter den österreich-ungarischen General und Diplomaten Viktor Dubský von Tebomyslice.

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Marie von Ebner-Eschenbach
Ihr Traum

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Ihr Traum

Erlebnis eines Malers

Im Sommer 79 hatte ich von einem hohen Kunstfreunde den Auftrag erhalten, Land und Leute des Kronlands Mähren in einer Reihe von Bildern zu charakterisieren. Da ich meine Zeit gehörig ausnützen und auch ganz unabhängig bleiben wollte, vermied ich, von der Gastfreundschaft der Schloßbewohner Gebrauch zu machen, und nahm trotz der Liebenswürdigkeit, mit der sie mir überall angeboten wurde, mein jeweiliges Standquartier wohl oder übel – meistens übel – im Dorfwirtshaus.

Rasch ging die Arbeit mir von der Hand. Ende September hatte ich alle meine Skizzen und sogar einige Bilder fertig. Mit gutem Gewissen und sehr heiterem Mut durfte ich wieder heimwärts fliegen nach Wien, wohin für den ersten Oktober eine Verabredung mich rief – mächtig rief… Ich verrate nichts, ich sage nur: mein Herz, das heute noch von Winterfrost nichts weiß, befand sich damals im Drang der Herbstäquinoktialstürme.

Am Morgen des letzten September erwachte ich zugleich mit dem Haushahn im Gasthof des Dorfes Willowic. Ein ganzer Tag war noch zu überwinden, bevor sie aufging, die Sonne des ersten Oktobers. Wenn ich heute meine Heimreise antrat, lagen noch ein paar Abendstunden, lag eine sicherlich schlaflose Nacht zwischen der Stunde meiner Ankunft und der meines Glückes. Ich entschloß mich, meine Ungeduld tagsüber zu verrennen und die Nacht lieber im Waggon als im Bett zu durchwachen. Einen Lokalzug verschmähend, der mich zur nächsten Nordbahnstation gebracht hätte, hing ich meinen Tornister um, steckte einigen Mundvorrat zu mir und trat die Wanderung an. Sonderliche Genüsse bot sie mir nicht. Die Gegend dort ist ebenso fruchtbar wie unmalerisch; sie erinnert mich immer an ein nichtssagendes, aber von Gesundheit strotzendes Gesicht. Der Menschenschlag aber ist nicht übel, und hie und da hatte ich doch Gelegenheit, mein Skizzenbuch herauszuziehen und während meiner kurzen Rast eine Kindergruppe und die schlanke Gestalt eines hübschen Mädchens oder eines jungen Burschen zu konturieren.

Die Sonne neigte sich schon zum Untergang, und ich schritt gemütlich weiter, überzeugt, daß ich die Richtung nach meinem Ziele innehielt. Um mich dessen jedoch zu vergewissern, holte ich von Zeit zu Zeit Erkundigungen bei Vorübergehenden ein.

»Jen rovno«, hieß es anfangs, dann einmal: »Na levo«, einmal: »Na pravo«, und je weiter ich kam, desto bedenklicher schüttelte der Angesprochene den Kopf und sagte: »Daleko! daleko!«

Also erst geradeaus, dann links, dann rechts, und endlich weit, weit!

Es begann zu dunkeln. Seit einer Weile schon rieselte ein dichter, kühler Regen mit großer Emsigkeit nieder. Die Abspannung, nach der ich mich so herzlich gesehnt hatte, war allmählich eingetreten, und meine Phantasie fing an, mir einen wenn auch noch so langweiligen Aufenthalt im Wartezimmer der Bahnstation als etwas Wünschenswertes vorzuspiegeln.

Mein Weg, eine gut gehaltene Vizinalstraße, führte längs einer bewaldeten Anhöhe dahin, und plötzlich drang zwischen den vom Sturm gerüttelten Baumwipfeln ein funkelnder Glanz mir ins Auge. Etwas tiefer unten glaubte ich hellen Lichtschein durch das Dickicht schimmern zu sehen. Er verschwand, nachdem ich ein paar hundert Schritte weitergegangen war; dafür aber stieß ich am Ende des Wäldchens auf einen breiten Hohlweg, an dessen beiden Seiten sich zwei Reihen, soviel mir in der Dunkelheit wahrzunehmen möglich war, ziemlich ansehnlicher Bauernhäuser erhoben. Das Wirtshaus war unschwer zu finden, und bald trat ich pudelnaß und mit triefendem Regenschirm in die von Tabaksqualm und Petroleumdünsten erfüllte Gaststube. An einem schmalen Tische saßen einige Bauern, tranken, rauchten und spielten Karten. Der Wirt und ein junger Livreebedienter standen, dem Spiele zusehend, daneben. Ich lüftete den Hut vor der Gesellschaft, wandte mich an den Wirt, verlangte zu essen und zu trinken und forderte ihn auf, mir eine Fahrgelegenheit nach N., das nicht mehr weit sein könne, zu verschaffen.

Obwohl der Mann jedes meiner Worte verstand – ich sah es ihm an dem stumpfen Kegel seiner Nase an –, erwiderte er verächtlich: »Ne rozumim!« (ich verstehe nicht) und wandte mir den Rücken.

Die Bauern blinzelten einander verstohlen und schmunzelnd zu, der Bediente jedoch, der mich seit meinem Eintreten aufmerksam betrachtet hatte, sprang jetzt mit einem Schrei des Jubels auf mich los. Er rief: »Herr Professor!« und ich rief: »Christel Mayerchen, vulgo Varus!«

»Jawohl, Varus, ich bin’s, ich bin’s! Eine Ehre für mich, daß Sie mich wiedererkennen!«

»Und auch ein Wunder«, sagte ich, denn mein Farbenreiber von einst, der gutmütige Knirps, den wir – niemand wußte aus welchem Grunde – Varus nannten, hatte sich gewaltig herausgemacht. Als ein prächtiger Bursche stand er vor mir, in all und jedem verändert, nur nicht in seiner großen Dienstbeflissenheit.

»Herr Professor«, sagte er, »Sie wollen zum Nachtzug zurechtkommen? Das geht nicht mehr, mit Bauernpferden schon gar nicht. Ja, wenn Sie nur um eine Viertelstunde früher gekommen wären, die unseren hätten Sie mit dem größten Vergnügen hingeführt.«

»Die unseren?«

»Die gräflichen mein ich, die aus dem Schlosse, aber auch die bringen Sie jetzt nicht mehr hin.«

»Nicht mehr?« – ich hätte den Menschen prügeln mögen für diese Nachricht und schnaubte ihn an: »Wann kommt der nächste Zug nach N.?«

»Morgen acht Uhr früh. Um fünf steht der Wagen, der Sie hinführt, vor dem Schloß… Aber kommen, Herr Professor, ins Schloß kommen müssen Sie.«

Ich schickte ihn zum Teufel samt allen Einladungen, die er in fremdem Namen machte.

Da brach er in ein freudiges Gelächter aus: »Wenn sich’s nur darum handelt – eine Einladung von der Frau Gräfin, noch dazu eine sehr dringende, will ich gleich bringen.« Sprach’s – und war draußen mit einem Satze.

Ich hatte nun nichts Eiligeres zu tun, als mein ganzes, auf meiner Künstlerfahrt erbeutetes Tschechisch zusammenzuraffen, um einige Fragen an die Anwesenden zu stellen: Wie die Frau Gräfin heiße, ob sie alt oder jung, verheiratet oder verwitwet, ob sie eine gute Dame und beliebt im Dorfe sei.

Den Namen erfuhr ich. Es war der eines alten Landadelsgeschlechtes, und ich besann mich einer in Paris lebenden russischen Fürstin – einer berühmt und berückend schönen Frau, die aus demselben Hause stammte. Meine weiteren Erkundigungen blieben fruchtlos. Der Wirt und seine Gäste schnitten geheimnisvolle Gesichter und antworteten ausweichend.