Illuminated Hearts 2: Nachtträger - Asuka Lionera - E-Book
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Illuminated Hearts 2: Nachtträger E-Book

Asuka Lionera

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Beschreibung

**Nichts ist stärker als die Magie der Liebe** Schon lange wünscht sich Felicity mehr zu sein als nur die kleine unbedeutende Schwester der größten Magier der Welt. Mit Shadow an ihrer Seite glaubt sie nun endlich jemanden gefunden zu haben, der sie dabei unterstützt, ihren Traum zu erfüllen und ihre eigene magische Gabe zu meistern. Doch während sie lernt, das Glimmen der Herzen zu verstehen, werden ihre Gefühle für Shadow zunehmend verwirrender. Je näher sie sich kommen, desto größer erscheint die Kluft, die sich zwischen ihnen auftut. Doch sie ist auf die Stärke angewiesen, die sie nur bei ihm verspürt. Denn in den Schatten lauern Gefahren, die größer sind, als sie ahnt…   //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der magisch-romantischen Reihe:  -- Illuminated Hearts 1: Magierschwärze -- Illuminated Hearts 2: Nachtträger  -- Illuminated Hearts 3: Verräterschatten -- Alle 3 Bände der Reihe über die Magie der Herzen in einer E-Box!// Diese Reihe ist abgeschlossen.  

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Seitenzahl: 541

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Asuka Lionera

Illuminated Hearts 2: Nachtträger

**Nichts ist stärker als die Magie der Liebe** Schon lange wünscht sich Felicity mehr zu sein als nur die kleine unbedeutende Schwester der größten Magier der Welt. Mit Shadow an ihrer Seite glaubt sie nun endlich jemanden gefunden zu haben, der sie dabei unterstützt, ihren Traum zu erfüllen und ihre eigene magische Gabe zu meistern. Doch während sie lernt, das Glimmen der Herzen zu verstehen, werden ihre Gefühle für Shadow zunehmend verwirrender. Je näher sie sich kommen, desto größer erscheint die Kluft, die sich zwischen ihnen auftut. Doch sie ist auf die Stärke angewiesen, die sie nur bei ihm verspürt. Denn in den Schatten lauern Gefahren, die größer sind, als sie ahnt …

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Vita

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© rini

Asuka Lionera wurde 1987 in einer thüringischen Kleinstadt geboren und begann als Jugendliche nicht nur Fan-Fiction zu ihren Lieblingsserien zu schreiben, sondern entwickelte auch kleine RPG-Spiele für den PC. Ihre Leidenschaft machte sie nach ein paar Umwegen zu ihrem Beruf und ist heute eine erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Mann und ihren vierbeinigen Kindern in einem kleinen Dorf in Hessen wohnt, das mehr Kühe als Einwohner hat.

KAPITEL 1

Shadow

Irgendwann höre ich auf, die Minuten zu zählen, die seit Felicitys Aufbruch zur Party von diesem Justin verstrichen sind. Wenn mich nicht alles täuscht, müssen inzwischen mehr als drei Stunden vergangen sein, doch ich weigere mich, auf die große Uhr zu schauen, die im Wohnzimmer an der Wand hängt und mit einem rücksichtslosen Ticken jede verdammte Sekunde verlauten lässt, die ich hier herumsitze.

Wahrscheinlich habe ich einen so mitleiderregenden Anblick geboten, dass sogar Zac und Cal, Felis ältere Brüder, sich dazu herabgelassen haben, sich mit mir abzugeben, nachdem ich von einem kurzen Abstecher in die Stadt zurückgekehrt bin. Ich hoffe nur, dass sich mein Vorhaben dann noch lohnen wird …

Zu dritt sitzen wir nun um den dunkelbraunen, antik wirkenden Tisch, der in der Mitte des Zimmers steht. Felis Brüder haben je ein Glas Whiskey vor sich, und ich wünsche mir, dass Alkohol auch bei mir funktionieren würde. Ich kann ihn zwar trinken, ohne dass mir etwas geschieht, doch er hat keinerlei Wirkung auf mich.

In solchen und ähnlichen Fällen verfluche ich den Umstand, dass ich nichts weiter als ein Familiar, ein Elementarwesen aus einer anderen Welt, bin.

»Irgendwas Neues?«, brummt Zac – gefühlt jede Viertelstunde in das Glas, das er sich, sobald es leer ist, wieder nachfüllt.

Cal seufzt und wirft zum x-ten Mal einen Blick auf sein Handy. »Nein.«

Ich weiß nicht, was sie erwarten. Feli wird nicht auf ihre Nachrichten antworten, ganz gleich wie viele sie ihr schreiben. Sie ist auf einer Party und hat Spaß und … wird wahrscheinlich gerade von jedem anwesenden Kerl begafft und mit Blicken ausgezogen werden. Mir gelingt es nicht, das Grollen, das sich bei diesem Gedanken in der Kehle bildet, vollends zu unterdrücken. Um es zu überspielen, verschränke ich die Arme vor mir auf dem Tisch und bette den Kopf darauf, doch ich gehe jede Wette ein, dass Zac und Cal es gehört haben.

Ich habe keinen Grund zu schmollen, schließlich hätte ich sie aufhalten oder ihr zumindest sagen können, wie ich mich dabei fühle, wenn sie zu dieser Party geht. Aber Feli wirkte so glücklich … Zum ersten Mal in ihrem Leben ist es ihr möglich, sich unter Gleichaltrige zu mischen, ohne ständig ihre Gabe im Hinterkopf zu haben.

Anders als bei den meisten Magiebegabten manifestiert sich Felicitys Gabe nicht in Elementen, die sie beherrschen kann, sondern in einem Glimmen, das nur sie sieht – ein Leuchten der Herzen. Zwei ungleiche Glimmen stoßen sich gegenseitig ab und verursachen Feli physische Schmerzen allein dadurch, dass sie in ihrer Nähe sind. Um dem entgegenzuwirken, hat sie mich. Ich bin ihr Familiar und sie ist meine Trägerin. Ich ernähre mich von dem Magieüberschuss in ihrem Körper und kann dadurch die Auswirkungen ihrer Gabe abschwächen.

»Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, dass Felicity und Katie wenigstens gut angekommen sind«, murmelt Zac. »Was ist, wenn das Taxi einen Unfall hatte? Wir würden es erst erfahren, wenn es zu spät ist! Oder wenn ihr jemand was ins Getränk mischt? Feli ist doch so gutgläubig …«

»Zur Hölle, warst du auch so drauf, als ich zum ersten Mal um die Häuser gezogen bin?«, knurrt Cal und ich bin ihm dankbar dafür, dass er dadurch Zacs desaströse Visionen unterbricht. Ansonsten hätte ich es gleich getan – mit Gewalt. »Du verhältst dich schlimmer als eine verdammte Glucke! Krieg dich wieder ein! Ihr geht es garantiert gut und sie hat nur gerade andere Dinge zu tun, als sich bei ihren großen überfürsorglichen Brüdern zu melden.«

»Du meinst, sie ist wegen eines Jungen dort?«, hakt Zac nach.

Cal stößt die Luft mit einem verächtlichen Schnauben aus. »Du hast sie doch vorhin auch gesehen, oder? Glaubst du etwa, sie hat das Kleid aus Jux und Tollerei getragen und sich so herausgeputzt?«

»Wahrscheinlich nicht …« Zac trinkt einen kräftigen Schluck und greift sofort wieder nach der mittlerweile halb leeren Whiskey-Flasche.

»Selbstverständlich ist da ein Typ im Spiel! Gut möglich, dass sie jetzt in diesem Moment von irgendeinem Kerl flachgelegt …«

Mein Kopf ruckt nach oben, bevor Cal in der Lage ist, den Satz zu beenden. Mit gebleckten Zähnen grolle ich ihn an.

Cal blinzelt verdutzt, dann knurrt er: »Suchst du Streit, Familiar?«

»Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du einfach deine Klappe halten könntest«, entgegne ich so ruhig wie möglich – was nicht sonderlich ruhig ist.

Mir steht nicht der Sinn danach, erneut einen Streit mit Felis Brüdern vom Zaun zu brechen – nicht jetzt, wenn sie mich endlich halbwegs akzeptiert haben, nachdem sich Feli über ihr Verbot hinweggesetzt und sich auf eigene Faust einen Familiar geholt hat, aber wenn er noch eine ähnliche Bemerkung macht, kann ich für nichts garantieren! Die Horrorszenarien überschlagen sich im Kopf auch schon ohne sein dämliches Geplapper! Und ich habe keinen Alkohol, um die schlimmsten Möglichkeiten verdrängen zu können.

»Sonst was?«, will Cal wissen.

Der Blick, den ich ihm zuwerfe, muss Bände gesprochen haben, denn er zuckt zurück, soweit es ihm auf dem Stuhl möglich ist.

»Sonst hülle ich deinen Verstand für den Rest des Abends in Schatten, sodass du nichts weiter tun kannst, als sabbernd auf dem Boden zu liegen«, stelle ich in Aussicht. »Anschließend mache ich davon Fotos und verteile sie an jedes Klatschmagazin, das es gibt.«

»Na toll«, murmelt Zac ins Glas. »Unsere kleine Schwester ist auf ihrer ersten Party und gerät vielleicht gerade an einen zwielichtigen Typen und wir haben ihren eifersüchtigen Familiar an der Backe …«

Unter den verschränkten Armen verborgen balle ich die Hände zu Fäusten und wende schnell den Blick ab. Ich will nicht, dass die beiden erfahren, wie sehr Zac mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hat.

Eine Weile sagt keiner von uns etwas. Das einzige Geräusch neben dem nervtötenden Ticken der Uhr wird von den Eiswürfeln verursacht, die gegen das Glas schlagen, wenn einer der Brüder einen Schluck nimmt.

»Es ist verdächtig ruhig«, sagt Zac schließlich. »Nicht nur wegen Feli. Wahrscheinlich muss ich mich erst daran gewöhnen, dass sie jetzt auch eigenständig etwas unternehmen kann. Bisher wusste ich immer, wo sie sich gerade aufhält und …« Er zuckt hilflos mit den Schultern. »Ich musste mir keine Sorgen um sie machen. Aber das meine ich nicht. Seit wir die Abtrünnige gefangen haben, gab es keine neuen Verbrechen mehr.«

»Solltest du dich nicht darüber freuen?«, frage ich.

»Das sollte ich, ja«, gibt er zu. »Allerdings finde ich es eher besorgniserregend. Sie ist bei Weitem nicht die erste Abtrünnige, die wir dingfest gemacht haben, doch stets tauchte kurz darauf ein neuer Bösewicht auf, der uns herausforderte und auf die Probe stellte. Eine solch lange Ruhephase ist … ungewöhnlich. Und sie macht mich nervös.«

»Hat heute schon mal jemand nach der Abtrünnigen gesehen?«, will ich wissen.

Zac nickt. »Terra ist gerade bei ihr. Sie stattet ihr alle zwei Stunden einen Besuch ab und erkundigt sich, ob sie irgendwas braucht. Bisher ist sie jedoch nicht sehr kooperativ. Na ja, wenigstens hat sie noch nicht versucht einem von uns ernsthaft zu schaden.«

Mir entgeht nicht der Blick, den er seinem jüngeren Bruder zuwirft, welcher auf einmal merklich still geworden ist, seit die Sprache auf die Wasserbändigerin kam.

»Warum habt ihr sie überhaupt hier eingesperrt?«, frage ich Zac. »Wäre es nicht einfacher, sie ins Gefängnis für Abtrünnige zu überführen? Oder … das mit ihr zu tun, was ihr normalerweise mit Abtrünnigen macht?«

Anstatt mir zu antworten, sieht Zac einfach nur Cal an, der das Holzmuster auf der Tischplatte äußerst interessant zu finden scheint. Ich seufze. Das ist mir Antwort genug. Feli und ich kennen zwar den Grund, aber ich hätte trotzdem nicht gedacht, dass Cal wissentlich wegen einer dahergelaufenen Abtrünnigen seine eigene Familie in Gefahr bringt. An Zacs Stelle könnte ich nicht so gelassen bleiben – erst recht nicht, wenn ich daran denke, was die Wasserbändigerin Feli bereits angetan hat. Ich schlafe auch nur ruhig, weil ich für gewöhnlich immer in der Nähe meiner Trägerin bin.

Doch jetzt ist sie nicht hier und ich fühle mich einsamer als in den Jahrtausenden, die ich im dunklen Exil zugebracht habe.

»Die Abtrünnige hat Feli gegenüber mehrmals einen Meister erwähnt«, sage ich, auch um mich selbst abzulenken. »Habt ihr eine Ahnung, wen sie damit meinen könnte?«

Bedächtig schwenkt Zac die braune Flüssigkeit im Glas hin und her. »Nein. Und wenn ich ehrlich bin, will ich es auch nicht herausfinden müssen. Diese Wasserbändigerin ist mit Abstand die stärkste Abtrünnige, mit der wir es je zu tun hatten. Oder … mit der ich es zu tun hatte, denn Cal war während der Kämpfe keine große Hilfe. Wenn sie tatsächlich einen Meister hat, der noch stärker ist als sie, haben wir ein ernstes Problem. Zwar seid Feli und du eine großartige Bereicherung, aber ich habe nicht vergessen, wie schlimm die Abtrünnige meine kleine Schwester beim letzten Kampf zugerichtet hat.«

Bei der Erinnerung an ihren zerfetzten Rücken und all das Blut beiße ich die Zähne zusammen. Stumm muss ich ihm recht geben: Die Wasserbändigerin hat es uns nicht leicht gemacht – und beinahe hätte Feli ihr Leben verloren, als sie versuchte mich zu retten.

»Um ein Haar hätte sie auch euch besiegt«, fährt Zac fort. »Sollte sie wirklich einen Meister haben, gebe ich mich nicht der Illusion hin, dass wir gegen ihn eine Chance hätten. Ihr zwei habt – anders als wir mit unseren Familiaren – zwar nach so kurzer Zeit noch nicht euer volles Potenzial ausgeschöpft, aber ich bezweifele, dass wir selbst gemeinsam gegen einen so mächtigen Feind bestehen könnten.«

»Was schlägst du stattdessen vor?«, hake ich nach. »Willst du den Schwanz einziehen und dich verkriechen?«

»Nein«, antwortet Zac. »Ich werde bei Gelegenheit mit der Magier-Allianz darüber beratschlagen, wie wir weiter vorgehen sollen. Auch die anderen Meister-Magier müssen gewarnt werden. Doch solange wir die Abtrünnige hier festhalten, kann ich nicht zur Magier-Allianz gehen. Wenn sie erfahren, dass wir eigenmächtig gehandelt und uns nicht an die Vorschriften gehalten haben, werden wir die Konsequenzen zu spüren bekommen. Außerdem … vermeide ich, so gut es geht, zum Hauptquartier der Magier-Allianz zu gehen. Ich war seit Jahren nicht mehr dort und … Nicht so wichtig.« Er fährt sich mit einer Hand durchs Haar. »Hoffentlich greift dieser ominöse Meister nicht schneller an, als wir ahnen … Aber dann war es doch keine so schlechte Entscheidung meines Bruders, die Abtrünnige hier unterzubringen. Wenn alle Stricke reißen, werden wir sie als Druckmittel verwenden.«

Cals Kopf schnellt zum ältesten Bruder herum und ein unbändiger Beschützerinstinkt lodert in seinem Blick auf, während er sich sichtlich beherrschen muss, Zac nicht über den Tisch zu zerren. Seelenruhig stellt Zac das Glas, das er in der Hand hält, zurück und mustert Cal eindringlich.

»Was ist dein verdammtes Problem?«, fragt er beherrscht. Ich komme nicht umhin, ihn für die – zumindest äußerliche – Ruhe zu bewundern.

»Ich … weiß es nicht«, murmelt Cal.

Zacs Blick huscht zu mir, während ich mein Bestes gebe, möglichst unsichtbar zu werden. »Aber du weißt es, nicht wahr? Du kommst mir so vor, als würde dich Cals Reaktion nicht überraschen.«

Ich zucke nur vage mit den Schultern. Wenn Feli ihren ältesten Bruder nicht eingeweiht hat, werde ich das mit Sicherheit nicht über ihren Kopf hinweg tun.

Alles, was ich sage, ist: »Stell weiterhin sicher, dass es Terra ist, die sich um die Abtrünnige kümmert. Weder Cal noch Lumia würde ich vorerst in ihre Nähe lassen.«

»Als ob ich mir von einem dämlichen Familiar verbieten lassen würde, in die Trainingshalle zu gehen!«, begehrt Cal auf, doch wir ignorieren ihn, als wäre er nichts weiter als ein greinendes Kind, das um die Aufmerksamkeit seiner Eltern bettelt.

Zac scheint zu dämmern, worauf das Ganze hinausläuft, denn er wispert: »Kennt Feli den Grund auch?«

Ich nicke nach kurzem Zögern – und er versteht. Geräuschvoll stößt er den Atem aus und schließt die Augen, bevor er sich mit einer Hand über die Stirn reibt.

»Das hat mir gerade noch gefehlt …«, murmelt er so leise, dass nur ich ihn verstehen kann.

Im nächsten Moment hören wir das knirschende Geräusch von Autoreifen, die über den Kiesweg hinauf zur Villa fahren. Augenblicklich ist das Gespräch von eben vergessen und wir drei springen zeitgleich auf, um zur Haustür zu rennen. Keiner von uns kann sich jedoch dazu überwinden, sie zu öffnen, also stehen wir stumm davor und warten. Das Blut rauscht in meinen Ohren, während ich auf jedes noch so kleine Geräusch von jenseits der Tür lausche.

Es vergehen etwa zwei Minuten, die mir wie eine verdammte Ewigkeit vorkommen, bis sie endlich geöffnet wird. Als Erste betritt Katie, Felicitys beste Freundin und Magierin mit dem »schönen Schein«, die Villa; den Arm hat sie um Feli gelegt und drängt sie so sanft dazu, ebenfalls hereinzukommen.

Mein Herz setzt für mehrere Schläge aus, als ich Feli sehe, die nur für einen kurzen Augenblick den Kopf hebt. Auch Zac und Cal ziehen hinter mir scharf die Luft ein. Die dunklen Schlieren auf Felis Wangen lassen ihre Haut noch blasser aussehen, was die vom Weinen geröteten Augen betont.

Einen Moment lang nehme ich nichts anderes wahr als eine brennende Wut, die in mir wütet, sodass ich demjenigen, der ihr Kummer bereitet hat, dafür am liebsten die Kehle herausreißen würde, doch ich zwinge mich dazu, Feli weiter anzuschauen. Unbewusst suche ich nach Wunden oder Anzeichen dafür, dass sie auf irgendeine Art verletzt sein könnte. Sie trägt noch das rückenfreie schwarze Kleid und scheint äußerlich unversehrt zu sein. Das leise, halb unterdrückte Schluchzen, das sie von sich gibt, während sie verbissen den Kopf gesenkt hält und zu Boden starrt, reißt mir schier das Herz entzwei. Ich habe keinen Schimmer, was geschehen ist, aber wer auch immer ihr etwas angetan hat, wird dafür büßen!

Ohne ein Wort schiebt Katie Feli an uns vorbei und führt sie die Treppe hinauf. Ich werfe ihren Brüdern nur einen Blick zu, den sie nickend erwidern, bevor wir den beiden Frauen nach oben folgen.

»Sie will niemanden von euch sehen«, sagt Katie über die Schulter hinweg in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. Dann sieht sie mich an. »Dich am allerwenigsten.«

Mit diesem einen Satz zieht sie mir den Boden unter den Füßen weg und ich erstarre mitten auf der Treppe. Wild überschlagen sich die Gedanken, während ich versuche zu begreifen, was geschehen sein könnte. Keine Möglichkeit gefällt mir.

Zac versetzt mir einen Stoß gegen den Rücken, der mich eine Stufe nach oben stolpern lässt. Als ich mich zu ihm umdrehe, deutet er mit einer Kinnbewegung zum ersten Stock, wo Katie gemeinsam mit Feli gerade im Flur verschwindet, der zu ihrem Zimmer führt. Ich atme einmal tief durch und folge ihnen; Zac und Cal bleiben mir auf den Fersen.

Da es keiner von uns wagt, sich über Felis Wunsch hinwegzusetzen, belagern wir die Tür. Cal tigert auf und ab, während Zac unruhig mit dem Fuß auf den Boden tippt. Beide machen mich mit ihrem Getue schier wahnsinnig und ich will sie anschreien, dass sie mit dem Unfug aufhören sollen, doch der Hals ist wie zugeschnürt.

Als Katie endlich wieder aus dem Zimmer kommt und die Tür hinter sich schließt, umkreisen wir sie wie ein Rudel Raubtiere ihre Beute. Sie quittiert unser Verhalten nur mit einer hochgezogenen Augenbraue und verschränkt die Arme vor der Brust.

»Wer hat ihr etwas angetan?«, will Zac wissen.

»Wie schlimm ist es?«, kommt es von Cal. »Reicht es, wenn wir dem Kerl einen Besuch abstatten und ihm ein wenig Angst einjagen?«

»Oder müssen wir ihm ernsthaft wehtun und ihm anschließend sein erbärmliches Leben zur Hölle machen?«, grolle ich und blecke die Zähne.

»Ich kenne da ein paar Orte, wo ihn nie jemand finden wird«, sinniert Zac, und Cal und ich nicken.

»Wow, Jungs, kommt mal wieder runter!«, unterbricht uns Katie. »Ihr macht ja sogar mir Angst, wenn ihr euch miteinander verbündet! Und ich bezweifele, dass ihr irgendwo etwas verschwinden lassen müsst … Von dem armen Kerl würde garantiert nicht mehr genug übrig bleiben, nachdem ihr euch um ihn gekümmert hättet.«

»Raus mit der Sprache!« Mit jeder verstreichenden Sekunde fällt es mir schwerer und schwerer, die Fassung zu bewahren. »Was ist passiert?«

Katie mustert mich mit zur Seite geneigtem Kopf. Die verdammte Ruhe, die sie ausstrahlt, macht mich nur noch rasender. Ich will endlich wissen, welcher Scheißkerl es gewagt hat, meine Trägerin zum Weinen zu bringen, und was er ihr vielleicht abgesehen davon noch angetan hat. Für jede einzelne ihrer Tränen, für jede Berührung gegen ihren Willen werde ich ihn leiden lassen. Langsam. Qualvoll. Gründlich und mit grimmiger Genugtuung. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er es nicht mal mehr wagen, sie aus der Ferne anzusehen!

»Im Grunde«, sagt Katie nach einer Weile, in der sie mich nur so angesehen hat, als wäre ich das begriffsstutzigste Wesen, dem sie je begegnet ist, »bist du passiert.«

Zac und Cal sehen von Katie zu mir und scheinen ebenso verwirrt zu sein wie ich.

»Ich weiß nicht, wie ihr euch das vorgestellt habt«, fährt Katie fort und zwängt sich an uns dreien vorbei, nicht ohne Cal zuzuzwinkern und sich vor Zac in Pose zu werfen. Ich werde ihr den dünnen Hals umdrehen, wenn sie nicht endlich mit der Sprache rausrückt! »Feli ist nicht wie ich – und das ist auch gut so! Sie ist nicht dafür gemacht, ihr Herz sprunghaft zu verschenken und sich das zu nehmen, was sie gerade haben will. Auch nicht, wenn sie es sich noch so sehr wünscht. Und das hat sie heute Abend auf die harte Tour erfahren müssen.«

»Hättest du die Güte, endlich damit aufzuhören, in Rätseln zu sprechen?«, grolle ich.

Doch Katie schüttelt den Kopf. »Werde ich nicht. Vielleicht schaltet ihr dann mal von selbst euren Grips ein. Langsam, aber sicher wird es nämlich für Außenstehende seltsam mit anzusehen, wie blind ihr seid und wie verdammt dämlich ihr euch anstellt.«

Ich stoße ein Grollen aus, weil meine Geduld mit ihr und ihrem Geplapper endgültig erschöpft ist, wirbele herum und will nach der Türklinke zu Felis Zimmer greifen. Meine Trägerin ist da drin und weint und ist vielleicht verletzt! Da habe ich keine Zeit, um sie weiter mit ihrer besten Freundin zu vertrödeln!

»Nichts da!«, zischt Katie und stellt sich mir schneller, als ich es für möglich gehalten hätte, in den Weg. »Sie will dich nicht sehen. Keinen von euch, aber dich schon gar nicht!«

Ich blecke die Zähne. »Glaubst du im Ernst, dass du mich aufhalten kannst? Ich muss weder an dir vorbei noch die Tür benutzen, um in dieses Zimmer zu gelangen!«

»Shadow«, sagt Zac mahnend hinter mir.

Meine Hände zittern, weil ich mich davon abhalten muss, Katie zu erwürgen. Diese verdammte Magierin mit dem »schönen Schein«! Schon wieder steht eine von ihnen zwischen mir und meiner Trägerin! Schatten wabern aus mir heraus und meine Muskeln beben unkontrolliert. Ich besitze Prinzipien: Eines davon ist, dass ich keine wehrlosen Frauen schlage. Aber bei Katie mache ich liebend gern eine Ausnahme, wenn sie mir nicht augenblicklich aus dem Weg geht!

Cal legt eine Hand auf meine Schulter. Sie ist so kalt, dass sie sich beinahe durch den Shirtstoff und anschließend in die Haut brennt. Ich verziehe das Gesicht und die Schatten verschwinden.

»Wir sollten alle ein wenig runterkommen«, sagt er und zieht die Hand zurück.

»Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir Feli vorerst ein wenig Ruhe gönnen«, fährt Zac fort, versöhnlicher diesmal. »Sie sah ziemlich fertig aus.« Dann wendet er sich an Katie. »Ist sie wirklich nicht verletzt?«

Katie winkt ab. »Niemand hat ihr ein Haar gekrümmt, das könnt ihr mir glauben! Wenn es anders wäre, hätte ich mich schon früher bei euch gemeldet. Alle lagen ihr zu Füßen und der Abend lief prächtig.«

»Aber?«, hakt Cal nach.

»Es steht mir nicht zu, das zu erzählen«, erwidert die Magierin.

Okay, das genügt! Das Ende der Fahnenstange ist nun offiziell für mich erreicht. Glaubt Katie ernsthaft, dass sie uns mit solch fadenscheinigen Erklärungen abspeisen kann? Immerhin haben wir alle gesehen, wie Feli aussah …

Unsanft schiebe ich die Magierin beiseite, doch sie packt mich am Arm.

»Wenn du jetzt da reingehst, machst du alles nur noch schlimmer«, prophezeit sie.

Dummerweise glaube ich ihr das. Ich besaß schon immer ein unvergleichliches Talent dafür, Dinge schlimmer zu machen … Warum sollte es diesmal anders sein? Dennoch lasse ich die Hand, mit der ich bereits nach der Klinke greifen wollte, sinken. Katie würde nicht grundlos behaupten, dass Feli mich nicht sehen will, wenn es nicht die Wahrheit wäre. Es verletzt mich, von meiner Trägerin ausgeschlossen zu werden, doch ich werde mich ihrem Willen beugen.

Katie stößt erleichtert den Atem aus. »Ich rufe euch, wenn sich etwas ändern sollte«, teilt sie uns mit.

Noch bevor wir uns abwenden, verschwindet sie wieder in Felis Zimmer. Ich starre auf die verschlossene Tür, während widersprüchliche Gefühle in mir toben. Erst Zacs Boxhieb, der mich am Oberarm trifft, bringt mich wieder ins Hier und Jetzt zurück.

»Wir gehen wieder nach unten«, sagt er. »Kommst du mit?«

Nach kurzem Zögern schüttele ich den Kopf. »Ich werde hier warten.«

Vorher werde ich noch alles zusammensuchen, was Feli brauchen könnte, sobald ich das Zimmer betreten darf. Süßigkeiten, falls sie doch ihre Gabe auf der Party einsetzen musste und zu viel Magie verbraucht hat. Etwas zu trinken. Eine Schüssel mit Wasser und einen Lappen, damit sie sich das Gesicht waschen kann.

Zac sieht mich einen Moment lang an, bevor er mir eine Hand auf die Schulter legt und sagt: »Nachdem ich dich etwas besser kennenlernen konnte, bin ich froh darüber, dass Feli dich hat.«

Ich nicke knapp. Es bedeutet mir viel, ihn das sagen zu hören, schließlich ist Zac das Oberhaupt dieser Familie. Ich benötige zwar sein Einverständnis nicht, um in Felis Nähe zu sein, aber ich fühle mich besser im Wissen, zumindest ihren ältesten Bruder nicht mehr komplett gegen mich zu haben.

Ich folge den beiden nach unten, biege aber anstatt ins Wohnzimmer in die Küche ab. Dort belade ich ein Tablett mit allem, was ich später gebrauchen könnte.

Anschließend trage ich es nach oben, nehme gegenüber von Felis Tür auf dem Fußboden Platz, lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand und warte.

***

Es muss weit nach Mitternacht sein, wenn mich mein Zeitgefühl nicht komplett im Stich gelassen hat, bis sich erneut die Tür öffnet und Katie herauskommt. Als sie mich sieht, bleibt sie stehen.

»Wie lange sitzt du da schon?«, fragt sie.

Ich zucke mit den Schultern. »Fast die ganze Zeit, würde ich sagen. Wenn du mir verrätst, wie spät es ist, kann ich dir eine genauere Auskunft geben.«

Sie seufzt und dreht sich um. »Warte kurz.«

Ich unterdrücke den Drang, laut aufzulachen. »Ja, was auch sonst?«, murmele ich stattdessen.

Sie verschwindet erneut im Zimmer, kommt aber schon nach kurzer Zeit wieder heraus.

»Pass auf, folgender Deal«, sagt sie, während sie sich gegen den Türrahmen lehnt und die Arme verschränkt. »Ich bleibe heute Nacht hier und schlafe nebenan. Du darfst zu Feli. Aber ich warne dich! Wie du sicherlich weißt, sind die Wände in diesem Haus sehr dünn. Wenn ich also höre, dass Feli wieder weint oder sich aufregt, bin ich sofort auf der Matte und werfe dich hochkantig raus. Klar so weit?«

Ich stehe auf und balanciere das Tablett auf einer Hand. »Glasklar.«

»Gut.« Katie drückt die Tür weiter auf. »Dann viel Glück.«

Ohne ein weiteres Wort geht sie ins Nebenzimmer. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hat, habe ich genug Mut gesammelt, um Felis Zimmer zu betreten. Ich weiß selbst nicht, was mich hat zögern lassen. Vielleicht die Tatsache, dass sie mich gar nicht sehen will. Katie hat mit keinem Wort erwähnt, dass Feli tatsächlich nach mir verlangt hat. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich sie für heute zur Ruhe kommen lasse … Aber falls sie meine Hilfe braucht …

Wenn sie mich nicht sehen will, werde ich sofort wieder verschwinden, nehme ich mir vor. Aber ich muss mich davon überzeugen, dass es ihr so weit gut geht.

Lautlos betrete ich das Zimmer, in dem kein einziges Licht brennt. Da ich mich ohne Probleme in der Dunkelheit zurechtfinde, gehe ich hinüber zum Schreibtisch und stelle das Tablett ab. Feli liegt zu einer Kugel zusammengerollt auf dem Bett und trägt noch immer das schwarze Kleid. Sie hat sich nicht geregt oder zu erkennen gegeben, dass sie mich bemerkt hat. Bis auf leise Schluchzer und ab und zu ein Schniefen gibt sie keinen Ton von sich. Aber sie wirft mich auch nicht gleich wieder hinaus. Ich werte das einfach mal als gutes Zeichen.

Plötzlich kommt mir das, was Katie vorhin zu mir gesagt hat, wieder in den Sinn. Dass ich passiert wäre. Dass es meine Schuld sei, dass Feli in diesem Zustand ist. Zwar weiß ich noch immer nicht, was sie damit meinte, aber es veranlasst mich dazu, Feli so viel Raum wie nötig zu geben und mich nicht in irgendeiner Weise aufzudrängen.

Daher lasse ich mich neben dem Bett auf dem Boden nieder und lehne mich gegen das Gestell.

»Ich bin hier«, murmele ich in die Dunkelheit. »Du kannst mich anschweigen oder mit mir reden, ganz egal. Aber … ich bin hier.«

Ich ziehe die Beine nah an den Körper und lege das Kinn auf die angewinkelten Knie. Wenn ich etwas in meinem schier endlos langen Exil gelernt habe, dann, dass die Stille nicht immer leer und bedrückend sein muss. Manchmal ist sie auch voller Antworten auf Fragen, die man noch nie zu stellen gewagt hat. Ich akzeptiere es, wenn Feli lieber schweigen will, aber es ist mir wichtig, ihr mitzuteilen, dass ich zuhöre, wenn sie reden will.

Es dauert nicht lange, bis Feli sich regt, doch ich bringe nicht den Mut auf, etwas zu sagen, um sie nicht zu verschrecken. Sie setzt sich auf, schnieft ein paarmal und fragt dann: »Haben wir zufällig noch was zu trinken hier? Ich würde in dem Zustand ungern bis hinunter in die Küche gehen …«

Ich kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken und komme auf die Füße. »Bleib sitzen! Ich hab was mitgebracht. Kann ich ein Licht anmachen?«

Feli zögert mit einer Antwort. »Ich sehe garantiert furchtbar aus …«

»Kleines, du lagst schon mit zerfetztem und blutverschmiertem Rücken vor mir. Das sah furchtbar aus und es hat mir eine Heidenangst eingejagt. Ein bisschen verlaufene Schminke ist nichts dagegen.«

Sie murmelt eine Zustimmung und ich schalte die dimmbare Stehlampe in der Zimmerecke ein. Dann hole ich beide Getränke, die ich mitgebracht habe – süß und natur –, und trage sie zu Feli.

Ich habe zwar vorhin schon an der Haustür gesehen, dass Feli mitgenommen aussah, aber mittlerweile scheint es noch schlimmer geworden zu sein. Die Augen sind feuerrot und auf ihren Wangen und am Hals haben sich ebenso rote Flecken ausgebreitet. Die Make-up-Schlieren von der verlaufenen Wimperntusche bilden einen dunklen Kontrast zu ihrer ansonsten blassen Haut. Auch die kunstvolle Hochsteckfrisur hat gelitten.

Feli gibt ein freudloses Lachen von sich. »O je, ich muss einen katastrophalen Anblick abgeben, wenn ich dich so sehe …«

»Nichts, was wir nicht wieder auf die Reihe kriegen«, entgegne ich, schüttele kurz den Kopf und halte ihr beide Getränke hin. Sie entscheidet sich für die Limo.

Nachdem sie ein paar Schlucke getrunken hat, reicht sie mir die Flasche zurück. »Danke.«

»Komm mal mit«, sage ich und strecke ihr die Hand entgegen.

Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen, als sie sie – ohne zu zögern – ergreift und sich widerstandslos von mir zum Schreibtisch führen lässt. Nachdem sie sich auf den Drehstuhl gesetzt und nach einem Schokoriegel gegriffen hat, mache ich mich daran, die unzähligen Haarnadeln, die noch in ihrer Frisur stecken, zu lösen. Ich gehe behutsam vor und es dauert lange, doch Felis zufriedenes Lächeln, das ich hin und wieder sehe, wenn sie den Kopf nach hinten neigt, belohnt mich dafür. Als die letzte Nadel herausgezogen ist, greife ich nach der Bürste, die in der oberen Schreibtischschublade liegt, und kämme sorgfältig die Knoten aus ihrem langen, im Lichtschein bernsteinbraunen Haar. Sie beschreibt die Farbe als straßenköterbraun und langweilig, aber ich bin fasziniert von den helleren Strähnen, die sich zwischen das Haselnussbraun gemischt haben und gerade in verschiedenen Blond- und Kupferschattierungen schimmern.

»Daran könnte ich mich gewöhnen«, murmelt sie und lehnt den Kopf nach hinten gegen meinen Bauch, damit sie zu mir aufsehen kann. »Kannst du das ab jetzt immer machen?«

Ich schmunzele auf sie hinab. »Gehört bei mir – wie der Rest auch – zum Service.«

Ihr Blick, in den ein leichtes Funkeln zurückgekehrt ist, flackert, bevor sie wieder nach vorn schaut und sich sichtbar versteift. »›Service‹, hmm?«

Erneut senkt sich Stille über uns, aber diesmal gleicht sie einer erdrückenden Last, die uns mit jeder verstreichenden Sekunde weiter zu Boden drückt. Wieder und wieder gehe ich in Gedanken das eben Gesagte durch, überlege, womit ich sie verletzt haben könnte, aber mir fällt nichts auf. Bisher konnte sie mit meinen Späßen und Neckereien umgehen, bot mir stets Kontra, deshalb trifft mich ihr plötzliches Schweigen umso mehr.

Ich lege die Bürste beiseite und greife nach dem Lappen und der Schüssel. Das Wasser ist mittlerweile kalt, aber ich kann es nicht ändern. Um warmes zu holen, müsste ich das Zimmer verlassen, und die Angst, dass Feli mich dann nicht mehr hereinlässt, ist viel zu groß. Vor allem seit sie sich plötzlich so abweisend mir gegenüber verhält …

Nachdem ich den Lappen ausgewrungen habe, drehe ich sie zu mir und knie mich vor sie. Sanft umfasse ich ihr Kinn und neige ihren Kopf nach hinten, um die letzten Make-up-Spuren wegwischen zu können. Ich tupfe ihr über die Lider, die Wangen, den Kiefer, während ich mir Mühe gebe, ihrem leeren Blick auszuweichen, der durch mich hindurchzusehen scheint.

Als ich über ihren Mund tupfen will, fällt mir die bebende Unterlippe auf und ich zögere.

»Ist das«, wispert sie, »alles für dich nichts weiter als ein ›Service‹?«

Ihre Worte, die eingesunkene Haltung und die verkrampften Hände, die sie im Schoß knetet, versetzen mir einen Stich. Doch am schlimmsten trifft mich der Blick aus glasigen großen Augen, die jegliches Strahlen verloren haben.

Ich weiß nicht, was ich darauf entgegnen soll, deshalb setze ich wortlos die Arbeit fort und sie drängt mich nicht zu einer Antwort. Dennoch verstärkt sich das ungute Gefühl im Magen. Als ich fertig bin, helfe ich ihr auf und führe sie in den hinteren Bereich und zum Ankleidezimmer.

»Zieh dich um, damit du in dem Kleid nicht schlafen musst«, sage ich sanft und will wieder nach vorn gehen.

»Warte!« Feli dreht mir den Rücken zu und schiebt sich die Haare über die Schulter. »Ich bekomme den Verschluss nicht ohne Hilfe auf.«

Kurz balle ich die Hand zur Faust, bis ich das leichte Zittern unter Kontrolle habe, bevor ich den silbernen Knopf im Nacken öffne, der das Kleid hinten zusammenhält. Es sinkt zu Boden und ich drehe mich schnell um, ehe ich auf die Idee komme, etwas ganz Dummes zu tun. Sie genauer anzusehen oder ihre nackte Haut zu berühren, zum Beispiel. Etwas sagt mir, dass beides gerade das Schlimmste wäre, was ich machen könnte.

»Ich warte vorn auf dich. Du solltest noch etwas essen und dann …«

»Shadow«, wispert sie.

Bei dem seltsamen Unterton in der Stimme scheint sich jeder einzelne Muskel in meinem Körper zu verspannen und es kostet mich sämtliche Willenskraft, mich nicht auf der Stelle zu ihr umzudrehen. So habe ich sie noch nie gehört – gleichzeitig flehend und resigniert –, doch auch derart verlockend, dass alles in mir danach schreit, sie in die Arme zu schließen und vor der ganzen Welt abzuschirmen.

»Sieh mich an.«

Ich beiße fest die Zähne zusammen und schüttele den Kopf.

Ohne auf meinen Protest zu reagieren, läuft sie um mich herum und stellt sich direkt vor mich.

»Was ist los?«, will sie wissen. »Warum willst du mich nicht ansehen? Falls es ›Service‹ ist, den du mir bietest …« Sie legt mir eine Hand auf die Brust und beinahe zucke ich vor der Berührung zurück. Ihre Hände sind so eiskalt, dass ich es sogar durchs Shirt spüren kann. »… dann will ich ihn auch vollständig in Anspruch nehmen.«

Ich packe ihr Handgelenk und starre sie an. Auf den ersten Blick könnte ihre Haltung dank des geraden Rückens und gereckten Kinns selbstsicher wirken, doch die Tränen, die ihre Wangen hinunterrollen, gleichen einem Hieb in die Magengrube. Ich verbiete mir, sie mit der freien Hand wegzuwischen oder irgendetwas unterhalb ihres Halses anzusehen. Nur kurz schaue ich ihr in den Augen, deren Blick leer, wütend und flammend zugleich auf mich wirkt.

So hat sich Feli noch nie verhalten … Sie würde sich mir nie ungeniert an den Hals werfen – das passt nicht zu ihr. Mit dem Verhalten verletzt sie jedoch nicht nur sich selbst, sondern auch mich. Ich habe mich einmal von einer früheren Trägerin zu einem Gegenstand degradieren und benutzen lassen. Diese Erfahrung will ich nie wieder machen müssen – erst recht nicht mit Feli!

»Ich habe keine Ahnung, was in dich gefahren ist«, grolle ich, »aber ich werde erst wieder mit dir reden, wenn du zur Vernunft gekommen bist!«

So schnell mich meine Füße tragen, haste ich aus dem Zimmer, stürme ohne anzuklopfen in das nebenan und werfe Katie aus dem Bett, die mich mit einigen wüsten Beschimpfungen bedenkt, doch das ist mir egal.

»Kümmere dich um sie«, weise ich sie knapp an, nachdem sie halbwegs wach ist und endlich den Mund hält. »Ich weiß nicht, was mit ihr los ist – und du sagst mir ja auch nichts! –, aber ich werde ihr Zimmer nicht betreten, solange sie nicht klar im Kopf ist.«

Bevor Katie die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen, haste ich wieder hinaus und eile ins Erdgeschoss. Ich muss so viel Raum zwischen Feli und mich bringen wie nur möglich … Was sollte das, verdammt noch mal? So kenne ich sie nicht … Und ich will sie nie wieder so sehen! Verloren und getrieben und endlos traurig – mit einer Mauer aus Eis um sich herum, die noch nicht einmal ich durchdringen kann.

***

Cal und Zac sind im Wohnzimmer und beäugen mich mit einer Mischung aus Argwohn und perfidem Interesse, während ich rastlos durch das Zimmer laufe, mir durchs Haar fahre und gleichzeitig in allen Sprachen, die ich beherrsche, fluche.

»Was ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragt Cal, nachdem er anscheinend keine Lust mehr hat, das Schauspiel weiter zu verfolgen.

»Deine Schwester«, knurre ich.

»O ja, man glaubt es nicht, wenn man sie anschaut, aber Feli kann einen wirklich auf die Palme bringen, wenn sie es drauf anlegt«, sagt Cal. »Bei mir schafft sie es auch regelmäßig.«

Jede einzelne Zelle in mir scheint vor Anspannung zu kribbeln. Ich habe viel zu viel Magie in mir, die ich nicht in sinnvolle Bahnen lenken kann. Meine Trägerin braucht keine Heilung und es ist kein Abtrünniger weit und breit, den ich ungespitzt in den Boden rammen könnte. Wenn ich diese überschüssige Energie nicht bald loswerde, geschieht noch ein Unglück!

Lumia und Terra betreten das Wohnzimmer, und noch bevor sie etwas sagen können, wirbele ich zu ihnen herum.

»Ihr zwei, was habt ihr heute noch vor?«

KAPITEL 2

Felicity

Ich sinke zu Boden, als die Tür hinter Shadow ins Schloss fällt. Kurz darauf höre ich ihn nebenan mit Katie sprechen. Anschließend verhallen seine Schritte auf dem Korridor, während er sich immer weiter von mir entfernt. Selbst vorhin kam es mir vor, als würden uns Welten trennen. Ich fühle mich gefangen in einem dichten Nebel aus Selbstzweifeln, Frustration und Trauer, doch der Fehler, den ich eben begangen habe, lastet schwer auf mir.

Als Katie mich findet, heule ich. Schon wieder. Dabei hätte ich gedacht, nach dem katastrophalen Abend keine einzige Träne mehr in mir zu haben. Aber diesmal ist es anders. Zuvor habe ich wegen meiner zerbrochenen Träume geweint und wegen einer Liebe, die niemals echt war und nie echt sein sollte.

Nun weine ich, weil ich das einzige Wesen vergrault habe, das je zu mir gehalten und an mich geglaubt hat. Ohne Shadow … Ohne seine Unterstützung und Nähe bin ich nichts. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich habe überhaupt nicht gedacht, das ist das Problem … Nachdem Shadow sagte, es gehöre alles bei ihm zum Service, hatte ich ein Blackout. Dabei hat er nichts falsch gemacht. Er hat mich mit der gleichen Hingabe umsorgt wie schon mehrere Male zuvor. Ich bin es, die plötzlich alles zu kompliziert sieht.

Katie reicht mir ein Shirt und eine Jogginghose. Schniefend reibe ich mir über die geschwollenen, brennenden Augen und schaue anschließend zu meiner besten Freundin auf.

»Zieh dich an, wasch dir das Gesicht und geh nach unten«, sagt sie.

Ich presse die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und starre wieder zu Boden. »Ich habe mich aufgeführt wie die größte Idiotin … Ich hab mich ihm regelrecht aufgedrängt. Wie soll ich Shadow je wieder in die Augen sehen können?«

»Ja, du hast Mist gebaut. Großen Mist sogar! Sei lieber dankbar dafür, dass Shadow der perfekte Gentleman ist. Viele andere hätten die Situation schamlos ausgenutzt. Entschuldige dich bei ihm! Das ist das Mindeste, was du tun kannst.«

»Und wenn er mir nicht verzeiht?« Allein der Gedanke daran verursacht mir Übelkeit. »Wenn es jetzt zwischen uns wird wie zwischen Cal und Lumia?«

»Wenn du dich weiterhin hier verkriechst, wird es so werden«, entgegnet Katie scharf. »Er war richtig sauer. Du hast ihn zu einem Gegenstand, den du nach Belieben benutzen kannst, herabgewürdigt, und seinen Zorn kann ich durchaus verstehen. Er ist nicht der Typ, bei dem das ankommt.«

Ich schlucke krampfhaft bei ihren Worten, doch sie treffen voll ins Schwarze. Ich habe mir vorgestellt, dass er all das – seine bedingungslose Fürsorge – bereits für andere Trägerinnen getan hat. Dass ich nichts Besonderes für ihn bin und er es nur tut, weil es das Leben zwischen Familiar und Träger erleichtert. Weil es … halt so sein sollte, nicht weil er es will.

Diese Vorstellung tat mir so weh, dass ich sprach und handelte, ohne vorher darüber nachzudenken. Ich verschwendete keinen Gedanken an seine Gefühle oder daran, was er möchte. Ich habe nur an mich gedacht … Daran, dass es sowieso nichts Besonderes für ihn sei und ich mir dann auch gleich alles nehmen könnte. Und daran, dass Shadow der Schlüssel ist, um die Erinnerungen an den heutigen Abend aus dem Gedächtnis zu löschen. Er hätte mir helfen können zu vergessen, doch ich bin es völlig falsch angegangen.

»Erkläre es ihm«, rät Katie, während ich mich anziehe. »Dann wird er es verstehen. Vielleicht wird er dir nicht sofort verzeihen können oder dich gleich wieder so behandeln wie zuvor, aber es ist deine verdammte Pflicht, dich zumindest dafür zu entschuldigen.«

Ich nicke und spritze mir etwas Wasser ins Gesicht. Kurz gleitet mein Blick über das prall gefüllte Tablett, das Shadow für mich zusammengestellt hat, obwohl ich ihn nicht sehen wollte. Trotzdem hat er alles zusammengesucht, was ich brauchen könnte, sobald ich ihn zu mir ließe. Verdammt, ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen, wie ich mich verhalten habe!

Schnell werfe ich Katie, verzweifelt, wie ich bin, einen letzten Blick zu, bevor ich nach unten gehe, um mich zu entschuldigen.

***

Mit jeder Stufe werden meine Schritte langsamer, als würde ich durch einen unsichtbaren Sumpf waten. Am liebsten würde ich auf dem Absatz herumwirbeln, wieder nach oben rennen und mich in meinem Zimmer verbarrikadieren. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Mir ist noch nie aufgefallen, wie schwer es sein kann, um Verzeihung bitten zu müssen. Selbst jetzt, kurz bevor ich Shadow wieder gegenüberstehe, weiß ich nicht, was ich zu ihm sagen oder wie ich ihm mein Verhalten erklären soll. Ich habe selbst keine Ahnung, was mich vorhin geritten hat … Shadow um mich zu haben und seine Fürsorge genießen zu können, das stand im krassen Kontrast zu dem, was mir auf der Party widerfahren ist. Im Kopf vermischten sich die Begebenheiten und ich redete und handelte plötzlich, ohne zu begreifen, dass es Shadow – mein Familiar – war, der da vor mir stand, und nicht irgendein dahergelaufener Kerl.

Meine Hände sind schweißnass, als ich endlich im Erdgeschoss ankomme. Aus dem Wohnzimmer dringt Licht und ich höre Cals Stimme. Schnell wische ich die Handflächen an der Hose ab, atme tief durch und betrete das Zimmer.

Zac und Cal beäugen mich mit einer Mischung aus Sorge und Misstrauen, doch ihretwegen bin ich nicht hier, deshalb tue ich so, als würde mir nicht auffallen, wie sie mich anstarren. Es fällt mir jedoch schwer, die Blicke vollkommen auszublenden.

»Wisst ihr, wo Shadow ist?«, frage ich, nachdem ich ihn nirgends entdecken kann.

»Alles okay mit dir, Schwesterchen?«, will Cal wissen, und mir entgeht nicht der seltsame Unterton, der in der Stimme mitschwingt und mich auf der Hut sein lässt.

»Ich … ja, ich hab mich wieder gefangen«, antworte ich.

Zac steht auf und zieht einen Stuhl vor, ehe er mich abwartend ansieht. Ich schlucke krampfhaft, rühre ansonsten aber keinen Muskel.

»Ich glaube, wir sollten uns mal unterhalten«, sagt mein ältester Bruder.

Das letzte Mal, als er sich so ausgedrückt hat, wollte er mir ernsthaft den Unterschied zwischen Jungen und Mädchen erklären. Und davor sagte er es, nachdem unsere Eltern starben und ihm die Bürde zufiel, Cal und mir davon zu berichten. Ich mache einen Schritt nach hinten, ohne den Blick von Zac zu nehmen. Es geht nie gut aus, wenn er sich mit mir »unterhalten« will, und im Moment habe ich ganz andere Sorgen als ihn.

Mit einem Seufzen hebt Zac die Hand und schmettert die Tür mit einem Windstoß zu. Der Knall ist so ohrenbetäubend, dass ich zusammenzucke. Ich bin gefangen wie eine Maus in der Falle.

»Was hast du angestellt?«, fragt Cal. »Und mit wie viel Magie hast du deinen Familiar vollgepumpt? Er stand vollkommen neben sich, als er eben hier war.«

Die letzte Frage überrumpelt mich und ich brauche einen Moment, um die eigenen wirren Gedanken zu ordnen und mich auf Cal zu konzentrieren. Shadow soll zu viel Magie in sich gehabt haben? Weit hergeholt ist es nicht. Daran habe ich nicht gedacht … Shadow hat die letzten Tage über reichlich Magie von mir erhalten, damit ich möglichst wenig in mir hatte, um in die Stadt und anschließend auf die Party gehen zu können. Aber was macht er mit der überschüssigen Magie, die er nicht benötigt, um sich zu nähren oder am Leben zu erhalten? Seit wir die Abtrünnige geschnappt haben, brauchten wir nicht mehr zu kämpfen und er musste keine Zauber einsetzen …

Ich habe alles aus den Augen verloren … Vor allem Shadows Gefühle und Wohlergehen. Die Enge in der Brust schnürt mir beinahe die Luft zum Atmen ab.

»Ich …« Ich kralle die Hände in den Shirtsaum und räuspere mich. »Wo ist er?«

»Nicht hier«, antwortet Zac knapp. »Was wahrscheinlich auch besser ist. Er kam mir nicht so vor, als wollte er dich heute noch mal sehen.«

»Er wäre beinahe aus der Haut gefahren, als er herunterkam«, ergänzt Cal unnötigerweise und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Und er verfügt über ein beeindruckendes und sogar mehrsprachiges Repertoire an Schimpfwörtern!«

Ich schließe gequält die Augen. Herrgott, könnten sie es vielleicht etwas weniger dramatisch ausschmücken? Nun habe ich noch mehr Angst davor, Shadow gegenüberzutreten. Aber ich muss es tun! Wenn ich kneife, werde ich den Riss zwischen uns beiden, den ich verursacht habe, vielleicht niemals kitten können. Und das würde mich endgültig zerstören.

»Jetzt sagt mir endlich, wo er ist! Ich muss mich bei ihm entschuldigen. Ich hab … Dinge zu ihm gesagt, die ich nicht so gemeint habe.«

»Wie wäre es, wenn du uns erst mal erzählst, was bei dieser Party vorgefallen ist«, schlägt Zac vor. »Dann entscheiden wir, ob wir irgendwen in winzig kleine Stücke zerlegen müssen, um diese anschließend in alle Winde zu zerstreuen. Auch wenn er gerade richtig sauer auf dich ist, würde Shadow uns ganz bestimmt dabei helfen wollen.«

Ich bin verwirrt und werfe ihm einen kurzen Blick zu. Shadow und meine Brüder würden gemeinsame Sache machen? Wann ist das denn passiert?

»Und danach«, fährt Zac fort, »verrate ich dir vielleicht, wo sich Shadow gerade aufhält.«

Ich schaue zu Cal, hoffe, dass ich von ihm etwas Rückendeckung bekomme, doch er zieht nur eine Augenbraue nach oben. Na toll! Meine Brüder haben sich gegen mich verschworen, und mein Familiar hat sich auf ihre Seite geschlagen.

Ich stoße geräuschvoll den Atem aus. »Ihr müsst niemandem einen Besuch abstatten. Niemand muss in winzig kleine Stücke zerlegt werden. Die genauen Umstände würde ich jedoch gerne zuerst mit Shadow besprechen …«

»Bist du sicher, dass dir niemand zu nahe getreten ist?«, hakt Cal nach.

Ich nicke. »Todsicher.«

Zac mustert mich eine Weile schweigend, als würde er meine Worte anzweifeln, aber ich halte seinem Blick stand, denn ich sage die Wahrheit.

»Shadow ist unterwegs und trainiert mit Terra und Lumia, um seine überschüssige Magie loszuwerden«, sagt er schließlich. Als ich mich schon umdrehe und das Zimmer verlassen will, fügt Zac hinzu: »Du solltest noch ein wenig warten. Keine Ahnung, was du angestellt hast, aber er war sehr aufgebracht.«

Ich schlucke angestrengt. »Ich hab Mist gebaut«, murmele ich. »Deshalb muss ich mich dringend bei ihm entschuldigen.«

Zac seufzt, kommt dann aber auf mich zu. »Ich bringe dich hin. Da die Abtrünnige in unserer Trainingshalle ist, können sie dort nicht gegeneinander kämpfen. Deshalb habe ich sie weiter weggebracht. Hol dir eine Jacke, es ist ziemlich frisch draußen.«

»Nein, ich … Können wir sofort los?«

Mein Bruder reibt sich über die Stirn. »Du wirst dir den Tod holen.«

»Bitte! Ich bin seit meiner Kindheit durch Cals Eisattacken abgehärtet.«

»He, lass mich da raus!«, kommt es von meinem anderen Bruder, doch ich ignoriere ihn.

Zac legt mir eine Hand auf den Rücken und schiebt mich zur Tür. »Jammer mir dann aber nicht die Ohren voll, wenn dir wichtige Körperteile abfallen.«

***

Wir fliegen eine ganze Weile. Zac hat nicht übertrieben; es ist wirklich eisig. Der Nachtwind pfeift mir um die Ohren und ich schmiege mich enger an meinen Bruder, um möglichst viel seiner Körperwärme in mich aufnehmen zu können.

»Wie konntest du alle so weit wegbringen?«, frage ich.

»Ich habe nur Terra geflogen und Shadow erklärt, wo sie gefahrlos aufeinander losgehen können. Er hat anschließend Lumia mit diesem Schatten-Transport-Dings mitgenommen. Beeindruckende Fähigkeit im Übrigen! Was hat er noch so drauf?«

Ich ignoriere seine Frage. »Machst du dir keine Sorgen um Terra?«

Zac schüttelt den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Shadow kam mir nicht so vor, als würde er den beiden Familiaren ernsthaften Schaden zufügen wollen. Ich glaube, ihm geht es eher darum, selbst etwas Dampf ablassen zu können, anstatt andere zu verletzen.« Kurz huscht sein Blick zu meinem Gesicht. »Er stand heute Abend ziemlich neben sich, als du auf der Party warst. Und als Katie dich so aufgelöst nach Hause gebracht hat, wurde es noch schlimmer. Du wolltest ihn nicht sehen, aber er saß die ganze Zeit vor deiner Tür und hat gewartet. Du musst … ihm etwas wirklich Fieses angetan haben, dass er so wütend geworden ist.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke, während ich versuche nicht schon wieder in Tränen auszubrechen.

»Dann solltest du besser eine ziemlich gute Entschuldigung im Ärmel haben, damit er sich wieder beruhigt.«

»Mehr als eine Entschuldigung und Erklärung für mein Handeln kann ich ihm nicht bieten«, murmele ich niedergeschlagen. »Das ist alles, was ich ihm geben kann, und ich hoffe, dass es genügt.«

»Ich sollte das als großer Bruder vielleicht nicht sagen, aber er tut dir gut. Und irgendwie habe ich mich mittlerweile an ihn gewöhnt. Früher wärst du nie zu uns an den Pool gekommen oder hättest Cal und mir die Stirn geboten, als wir mit dem pinken Outfit, das Katie wenig schmeichelhaft als Ganzkörperkondom bezeichnet hat, um die Ecke kamen. Wahrscheinlich hättest du es sogar getragen, nur um unsere Gefühle nicht zu verletzen. Doch diesmal standest du vor uns – stolz und furchtlos und so gar nicht wie die Feli, die ich sonst kenne – und hast uns klar und deutlich gesagt, was du fühlst. Das habe ich bei dir schon lange nicht mehr erlebt, eigentlich noch nie. Und … ich fand es großartig. Es wäre schrecklich, wenn du dich nur wegen eines dummen Streits wieder verändern würdest.«

»Ich habe dir schon mal gesagt«, entgegne ich, »dass ich mir Shadow von niemandem wegnehmen lasse. Erst recht nicht von mir selbst. Ich habe mich furchtbar aufgeführt, und dafür will ich mich zumindest entschuldigen. Ich kann nur hoffen, dass er es akzeptieren wird.«

»Das wird er«, sagt Zac. »Vielleicht nicht sofort, aber ihm liegt viel zu viel an dir, als dass er dir ewig böse sein könnte.«

***

Wir landen auf einem nicht bewachsenen Plateau weitab der Stadt. Schon von fern sehe ich Lumias Feuerschein in der ansonsten stockfinsteren Nacht. Als wir näher kommen, erkenne ich, dass Lumia sogar in ihrer Phönixgestalt kämpft. Auch Terra kann ich einige Zeit später als Steinbären ausmachen. Nur Shadow steht als Mensch zwischen ihnen. Normalerweise wäre er in dieser Illusionsgestalt den beiden Familiaren unterlegen, doch jetzt – aufgeputscht durch Unmengen meiner Magie und noch dazu stinksauer – drängt er Lumia und Terra mit kurzen, präzisen Schattenblitzen zurück, die ich nur dank Lumias Leuchten überhaupt in der Dunkelheit ausmachen kann.

»Ihr versucht es ja nicht mal!«, höre ich ihn schon aus mehreren Metern Entfernung grollen.

Er klingt so wütend und aufgebracht, dass ich für einen Moment erstarre und kurz davor bin, Zac anzuflehen, mich wieder zurückzufliegen. Doch ich verdränge den Gedanken schnell aus dem Kopf. Ich bin nicht hier, um zu kneifen! Ich habe fast die ganzen letzten zehn Jahre meines Lebens mit Kneifen verbracht, indem ich mich dem Willen meiner Brüder beugte. Nun habe ich etwas, jemanden, gefunden, dank dem ich mein Leben endlich wieder genießen kann. Ja, es ist unangenehm, mich entschuldigen zu müssen und ihm die Erklärung für mein Verhalten zu liefern, aber das ist ein kleiner Preis verglichen damit, dass ich all das – und vor allem Shadow – verlieren könnte.

Terra ist die Erste, die uns am Himmel schweben sieht, und stellt ihre Angriffe daraufhin ein. Auch der Feuervogel wirft einen Blick gen Himmel und verwandelt sich anschließend zurück, lässt aber eine Flamme über ihrer Hand erscheinen, um uns wenigstens etwas Licht zu spenden.

Als Zac mit mir auf den Armen landet, dreht Shadow sich um und rollt sofort seufzend mit den Augen, bevor er die Arme vor der Brust verschränkt und sich halb von mir abwendet. Seine verkrampfte und abweisende Haltung zu sehen versetzt mir einen Stich, doch ich kratze allen Mut zusammen und mache einen Schritt auf ihn zu.

»Was willst du hier?«, grollt er.

Seine zu Fäusten geballten Hände zittern. Ich fürchte mich nicht davor, dass er mir etwas antun könnte – es würde nie geschehen! Aber dieses Verhalten verletzt mich mehr, als seine Schattenblitze es je tun könnten.

»Ich will mit dir reden«, antworte ich leise, weil meine Stimme beinahe versagt.

»Ach, jetzt willst du mit mir reden?«, spottet er. Mein Herz zieht sich bei dem Tonfall zusammen. »Vorhin wolltest du mir nur an die Wäsche.«

Mir entgehen nicht die überraschten Blicke der beiden Familiare – und mich zu meinem Bruder umzudrehen, wage ich erst gar nicht. Ich wünschte, ich wäre mit Shadow allein. Dann fiele es mir leichter, mit ihm zu sprechen, und ich müsste meine Gefühle nicht so stark unter Verschluss halten wie jetzt. Ich will nicht, dass Zac, Terra und Lumia sehen, wie kurz ich davor bin, schon wieder heulend zusammenzubrechen.

»Ich … habe Mist gebaut. Großen Mist. Und dafür entschuldige ich mich. Ich hätte mich nie so verhalten dürfen! Mein Abend war … sehr bescheiden, um es nett auszudrücken, doch auch das ist keine Rechtfertigung für mein Verhalten. Ich kann dir nicht mehr anbieten, als meine aufrichtige und von Herzen kommende Entschuldigung und das Versprechen, dass ich mich nie wieder so danebenbenehmen werde.«

Langsam, unendlich langsam dreht Shadow sich zu mir um. Nur mithilfe von Lumias spärlichem Feuerglanz kann ich sein Gesicht erkennen – und keine genauen Emotionen ausmachen, deshalb weiß ich nicht, ob ich ihn mit meinen Worten erreicht habe. Das Herz klopft mir bis zum Hals, als ich auf eine Antwort von ihm warte.

»Ich will eine Erklärung«, sagt er schließlich. Seine Stimme klingt zwar noch immer hart, aber nicht mehr so abweisend wie zuvor.

Mein Blick huscht zu den beiden Familiaren und Zac, der an Terras Seite getreten ist, und ich beiße mir auf die Lippe.

»Zu Hause«, fügt Shadow hinzu, nachdem er meinem Blick gefolgt ist. »Erkläre es mir zu Hause.«

Ich halte die Luft an, während ich wieder meinen Familiar anschaue. Er lässt mich noch einen Moment zappeln, dann streckt er eine Hand nach mir aus. Bevor er es sich doch noch anders überlegen kann, eile ich auf Shadow zu und ergreife die dargebotene Hand, die trotz der kühlen Nachtluft herrlich warm ist.

»Du bist ja schon wieder eiskalt«, murmelt er und zieht mich näher zu sich.

Tränen schwimmen mir in den Augen, als ich mich an seine Brust schmiege und er beide Arme um mich schlingt. Mehrmals wispere ich, wie leid es mir tut, woraufhin er mir beruhigend über den Rücken streicht und die Wange auf meinen Scheitel legt.

»Bring Feli nach Hause«, höre ich Zac sagen, doch seine Stimme scheint von weit weg zu kommen.

»Ich fliege euch hinterher«, sagt Lumia, die vorhin von Shadow hergebracht wurde.

Er legt mir eine Hand unters Kinn und hebt meinen Kopf ein Stück an.

»Bereit?«, fragt er.

Ich verziehe das Gesicht und schniefe. »Nein.«

Auf die Schattensprünge kann ich dankend verzichten. Zwar bringen sie uns schnell von einem Ort zum anderen, jedoch glaube ich danach jedes Mal, dass sich mein Magen nach außen stülpt.

Ein kleines Lächeln umspielt Shadows Lippen, ehe er flüstert: »Augen zu.«

Ich spüre, dass auch meine Lippen sich zu einem erleichterten Lächeln verziehen, und ich verschränke die Finger mit seinen, bevor ich in die Schatten stürze.

KAPITEL 3

Felicity

Wir landen direkt in meinem Zimmer, genau hinter dem Vorhang, der den Schlafbereich abtrennt. Katie quietscht erschrocken und fällt beinahe aus dem Bett, auf dem sie gesessen und die Tür im Auge behalten hat. Als sie uns erkennt, presst sie eine Hand gegen die Brust und bedenkt uns mit einer Reihe von Verwünschungen.

»Okay, diesmal gilt die Warnung euch beiden«, sagt sie, nachdem sie sich wieder gefangen hat. »Ich bin echt erledigt und möchte wenigstens ein paar Stunden schlafen. Schafft ihr es, euch für den Rest der Nacht nicht wieder in die Haare zu kriegen?«

»Wir … geben uns Mühe«, antworte ich.

Katie seufzt. »Na ja, ihr wisst, ich bin nebenan, falls mich einer von euch braucht. Aber diesmal sollte mindestens einer im Sterben liegen, denn ich bin wirklich auf meinen Schönheitsschlaf angewiesen! Seid also leise, egal was ihr macht, klar?«

Sie wirft sich das Haar über die Schulter, droht uns mit erhobenem Zeigefinger und verlässt, die Hüften wiegend, das Zimmer.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber plötzlich wieder allein mit Shadow zu sein, fühlt sich seltsam an. Unschlüssig bleibe ich stehen, während mein Blick ziellos umherhuscht.

»Ich bin immer noch wütend auf dich«, sagt Shadow, als er meine Hand loslässt, zum Bett geht und sich im Schneidersitz mitten darauf niederlässt. »Aber ich akzeptiere deine Entschuldigung. Und ich bin sehr auf die Erklärung gespannt.«

Nervös spiele ich mit dem Ende meines Zopfes, als ich hinüber zum Drehstuhl gehe und mich daraufsetze. Ich überlege einen Moment, wo ich am besten mit meiner Erklärung starten soll, und entscheide mich dafür, von Anfang an zu erzählen.

»Ich habe dir von Justin erzählt, nicht wahr?«, frage ich.

Shadow, der über meine Platzwahl ein paar Meter von ihm entfernt die Stirn gerunzelt hat, nickt. »Ja. Der oberflächliche Typ, in den du schon während deiner Schulzeit verknallt warst und wegen dem du das Kleid getragen hast.«

Ich unterdrücke ein Seufzen. Shadow klingt, als hätte er das, was ich heute Abend auf die harte Tour erfahren musste, schon längst gewusst … Dennoch berichte ich weiter, so wie ich es ihm schulde. »Es war Justins Party und ohne Katies Hilfe hätte ich wohl nie eine Einladung bekommen. Aber … mir war schon vorher klar, dass ich lieber nicht hätte hingehen sollen. Während der Schulzeit bin ich Justin nie nahe gekommen, konnte nie sein Glimmen sehen, weshalb ich mir vorstellte, dass das seine das passende Gegenstück zu meinem sein könnte. Anfangs war es nur ein Gedanke, doch irgendwann wurde er zu einer fixen Idee, die mich nicht mehr losließ. Da ich es nie gesehen habe, wäre es doch gut möglich, oder? Es wäre denkbar, dass er das gleiche Glimmen hat wie ich. Immerhin ist das doch der Stoff, aus dem Geschichten gemacht werden – das Außenseitermädchen und der beliebteste Junge der Schule.«

»Aber er ist es nicht, oder?«, fragt Shadow, als ich eine Weile nicht weiterrede. »Er ist nicht das Gegenstück zu deinem Glimmen.«

Ich schlucke angestrengt und schüttele den Kopf. »Schon als wir sein Haus betraten und er uns begrüßte, hörte ich das Fiepen. Längst nicht so übermächtig und laut wie gewöhnlich, deshalb redete ich mir ein, dass es von einem anderen Paar in der Nähe ausgehen musste. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass er … es nicht war. Gemeinsam mit Katie hielt ich mich etwas abseits, sodass nicht das geballte Glimmen und Fiepen auf mich einprasselten. In den Garten zum Pool gingen wir erst gar nicht, obwohl ich Katie ansah, dass sie sich gerne unter die Leute gemischt hätte. Doch sie ließ mich nicht allein, egal wie oft ich ihr sagte, dass es mir nichts ausmachen würde.«

»Wie lange willst du eigentlich noch da drüben sitzen?« Als ich zu ihm schaue, deutet er mit einer Kopfbewegung neben sich, doch ich zögere. »Hey. Ich bin’s nur. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«

Ich spüre, dass sich meine Lippen zu einem schwachen Lächeln verziehen. Er sagte diese Worte schon einmal zu mir – am Morgen, nachdem er meinen Rücken geheilt hatte und ich nicht wusste, wie ich auf ihn reagieren sollte, nachdem er …

Bevor ich länger darüber nachdenken kann, krabbele ich aufs Bett. Shadow rutscht bis zum Kopfende nach oben und ich setze mich zwischen seine Beine, sodass ich den Rücken gegen seine Brust lehnen kann. Mir entweicht ein wohliges Seufzen, als er die Arme um mich legt. Zwar spüre ich noch eine gewisse Reserviertheit in seiner Haltung und den Berührungen, doch es fühlt sich natürlicher an, ihm nahe zu sein, als mehrere Meter von ihm entfernt zu sitzen.