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Lennard Daris war ein einfacher Frachterpilot, der nur einen Container zum Erdmond befördern sollte. Doch was macht dieser Frachterpilot, wenn plötzlich sein Raumschiff explodiert, kaum als er von der Erde abhob? Was macht er, als er gerade noch notlanden konnte, um Rettung bat und stattdessen als Verräter verhaftet wird? Dieser Frachterpilot versucht mit allen Mitteln herauszufinden, in welch abgekartetes Spiel er hineinversetzt wurde, als ihm mit Hilfe seines besten Freundes die Flucht aus den Klauen der I.S.A. gelang. Doch seine Dedektivarbeit war lebensgefährlich. Suchte ihn nun nicht nur die I.S.A. sondern auch diejenigen, die das Verbrechen tatsächlich begannen und es ihm anhängten. Fast erdrückt von diesen beiden Mächten und unter Einsatz seines Lebens suchte Lennard mit Hilfe von Professor Balthasar Jeronimus Fynn, seiner Tochter Alisah und Ellie, einer selbstbewussten Energiematrix, nach den wahren Verbrechern und deckt dabei eine Verschwörung globalen Ausmaßes auf...
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Seitenzahl: 342
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Im Angesicht des Verrats Oliver Höhre Copyright: © 2014 Oliver Höhre published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de
Es war das Ende einer Zeit, die von Egoismus und Selbstverherrlichung geprägt war. Es war die Geburt einer neuen unschuldigen Welt voller Gemeinsamkeiten. Es war der Beginn einer Zeit des Friedens und der Zusammenarbeit.
Eigentlich...
Es war schon ungewöhnlich, als Thijs van der Meer Lennard Daris darum bat einen Frachtcontainer, gefüllt mit wertvollen organischen Komponenten, zur New Holland Kolonie auf den Mond zu liefern. Normalerweise übernehmen solche Arten von Frachten Sonderagenten des Versanddienstes. Sie haben besondere Erfahrungen in der Unauffälligkeit von Lieferungen und der Verteidigung der Fracht. Thijs merkte jedoch an, dass ihm diese Lieferung besonders wichtig sei und deshalb nicht einmal diesen Sonderagenten vertraue. Thijs und Lennard waren alte Freunde. Sie kannten sich seit der Pilotenausbildung bei der Agentur für internationale Raumfahrt. Somit ließ Thijs Bitte in Lennard keinen Argwohn in sich aufkommen. Besonders neugierig wurde er, als Thijs meinte, dass diese Fracht helfen würde, die Welt zu verbessern. Lennard war zu Anfang schon etwas über diese Aussage verwundert, weil in seinen Augen die Welt gut war, so wie sie war. Allerdings, seit den verheerenden Umweltkatastrophen des 21. Jahrhunderts und den daraus resultierenden Kriegen um Wasser, Nahrungsmittel und Rohstoffe, wo fast 80 Prozent der Menschheit umkam, der halbe Globus nur noch aus Wüste und Steppe bestand und somit ein Leben unterhalb des dreiundfünfzigsten Breitengrades praktisch nicht mehr möglich war, könnte der Erde eine Wiederauferstehung der Natur, etwa wie der Genesis, gut zu Gesicht stehen. Aber Lennard kannte die Erde nur so, wie sie jetzt 200 Jahre später war. Er wurde in ihr geboren, wuchs in ihr auf und erlebte die Welt, so, wie sie nun beschaffen war. Obwohl zwar wirklich Pläne zur globalen Renaturierung existierten, war es Lennard nicht bewusst gewesen, was Thijs mit seinen Worten tatsächlich gemeint hatte. Doch da Lennard gern mal etwas Neues und vielleicht sogar Aufregendes machen wollte, sagte er Thijs zu, den Container zu befördern. Man übernimmt schließlich nicht alle Tage einen inoffiziellen Auftrag. Für Lennard bedeutete dies keinerlei Schwierigkeiten, war er doch selbst Spacepilot und hatte seinen eigenen Raumfrachter. So stand er mit seiner geheimnisvollen Ladung kurz vor dem Abflug in Richtung Erdmond vom Spaceport Edmonton in Kanada, welches sich seit dem zweiundzwanzigsten Jahrhundert zu einem der sechsundzwanzig Megacities weltweit entwickelt hatte. Er begann mit seinen Startvorbereitungen und wartete darauf, dass der Tower ihm einen Abflugkorridor zuwies. Dies geschah auch recht schnell und Lennard ließ die Sky Arrow langsam aus dem Verladehangar schweben, nachdem die Fracht für van de Meer sicher verstaut und auf Schmuggelware gescannt worden war. Lennard brauchte hierfür nur ein paar Buttons auf dem Steuerungstouchscreen vor ihm zu berühren und der Computer folgte dem eingegeben Ziel, in dem er die Antriebsaggregate regelte. Als die Sky Arrow ins Freie kam, wurde sie von dem wärmespendenden Sonnenlicht weich umhüllt. Sofort glänzte das Schiff mit einem strahlenden Effekt aus hochglänzendem Feingold. An den Seiten der Sky Arrow zeichnete sich in Blau, Schwarz und Silber ein verzerrtes Bild einer Galaxie mit Wassertropfen darüber ab, die sich in diese ergossen. Lennard hatte schon immer einen Hang zum Extravaganten. Die weichen Konturen des Schiffes erinnerten an einem flachen Pfeil. Es herrschte große Betriebsamkeit auf dem Spaceport. Aus den unterschiedlichsten Richtungen kamen Atmosphärenschiffe und brachten Passagiere und Güter aus anderen Ländern und Städten. Sogar ein Deep Space Schiff setzte zur Landung an, welches neue Kolonisten zum Mars befördert hatte. Nun war Lennard mit seinem Start an der Reihe, und er setzte sein Frachtschiff in Bewegung. Er hob mit ihm ab und gewann auch schnell an Höhe. Der Abflugwinkel wurde immer steiler und die Geschwindigkeit stieg rasant an. Die Fliehkräfte zwangen Lennard in seinen Pilotensitz, der sich ständig Lennards Körper ergonomisch anpasste. So hatte er immer den besten Halt. Obwohl die Antriebsaggregate Ihre Höchstleistung erbrachten, war dennoch nur ein leichtes Vibrieren zu spüren und auch die Akustik bestand nur aus einem leisen angenehmen surren. Die Gravitatoren sorgten unbemerkt immer für die gleiche Schwerkraft an Bord der Sky Arrow, die nun immer mehr für eine künstliche Anziehungskraft sorgten, die auf Lennard und allen anderen Gegenständen an Bord einwirkte, je mehr sich das Schiff der Erde entfernte. So hatte man immer das Gefühl noch auf der Erde zu sein. Das Schiff flog nun in den Übergang der Erdatmosphäre und des leeren Alls. Dies war immer Lennards schönster Punkt seiner Reise: Wenn das Frachtschiff die in Azurblau leuchtende Atmosphäre verließ, die wohl so ziemlich jedem Erdbewohner eine frische Lebenskraft spendete oder zumindest ein Lächeln in sein Gesicht zauberte, wenn er in den Himmel schaute, um dann schließlich von dem geheimnisvoll anmutenden dunklem Nichts, das man auch gern als Weltall bezeichnet, umhüllt zu werden. Aus seinen großen Cockpitfenstern sah Lennard mit einem verträumten Lächeln in den dünnen luftigen Gürtel, den die Erde umgab. Ihm gefiel es auf der Erde. Doch es war auch immer schön, sie zu verlassen um mit sich und seinen Gedanken alleine zu sein. Doch diesmal kam es anders. Er sollte heute keine Zeit haben, um seine Gedanken streifen zu lassen, denn kaum sah er auf die plötzlich aufblinkende Alarmanzeige für den Antrieb, die gleichzeitig mit einem dezenten aber nicht zu vernachlässigenden Signalton verbunden war, verspürte Lennard den immer geringer werdenden Schub. Beunruhigt und mit einem konzentrierten Blick lehnte er sich nach vorn über die Anzeigen und versuchte eine Antwort auf das Problem zu finden, indem er seine großen dunkelblauen Augen über alle Skalen und Meldungen umherwandern ließ, die ihm der Bordcomputer zur Verfügung stellte. „Computer“, fragte Lennard leise aber mit einem ernsten Ton, „gib mir bitte eine genaue Fehleranalyse, bevor ich mich entscheide, eine Notlandung einzuleiten.“ Der Computer antwortete mit einer männlich programmierten Stimme, die recht ruhig erklang, um keinen zusätzlichen Stress zu erzeugen: „Ich kann die Fehleranalyse noch nicht abschließen, da es noch unbekannte Faktoren gibt." Kaum hatte der Computer diesen Satz recht trocken beendet, erschütterte eine heftige Explosion die Sky Arrow. Eine gewaltige Stichflamme schoss aus dem Heck, große Teile des Hauptantriebes wurden abgerissen und verteilten sich wie ein düsterer Schleier um das angeschlagene Raumschiff. Durch die Detonation riss das Frachtschiff um 180 Grad um die eigene Achse, so dass der Bug des Schiffes wieder in Richtung Erde zeigte. Lennard war kreidebleich und durch den Schock waren seine Augen weit aufgerissen. Er ahnte bereits, was der Computer in seiner recht gleichgültigen Art bestätigte:„Die gesamte Antriebssektion wurde vom Schiff durch eine plötzliche auftretende Scherkraft abgetrennt." „Computer", begann Lennard etwas verärgert über die belanglose Art der Situationserklärung des Schiffscomputers, „könntest du bitte etwas gefühlsbetonter oder energischer reagieren, wenn eine solch ernsthafte Situation auftritt? Es könnte sonst passieren, das einmal jemand deine Warnung nicht ernst genug nimmt." „Ich werde versuchen, mich ihren Wünschen anzupassen“, entgegnete der Computer und meldete auf eine unerwartet theatralische Weise mit einer hektisch lauten Stimme: „NOTFALL. NOTFALL. Das Schiff ist durch eine massive Explosion außer Kontrolle. Retten sie sich!" Lennard überflog fast panisch die Kontrollanzeigen vor sich und suchte nach der akuten Situation, die ihm nur noch Sekunden zum Überleben ließ. Doch er fand keine Bestätigung für eine neue Notsituation. So fragte er hektisch: „Computer. Was ist los?" Nach einer kurzen Pause erwiderte der Computer: „Sie baten doch um mehr Realismus. Daher reagierte ich ungehaltener auf die derzeitig herrschende Situation." „Du digitaler Scherzkeks. Ich hätte mir fast in meine Lieblingsshorts gemacht“, reagierte Lennard aufgebracht auf die Aussage des Computers. Dieser antwortete wieder mit einer leichten Gleichgültigkeit: „Davon möchte ich höflichst abraten, Mr. Daris, da die automatischen Reinigungssysteme des Schiffes durch die vorangegangene Explosion einen Ausfall erlitten haben." „Schon gut, schon gut. Ich werde mich zurückhalten. Aber mit deinem Programmierer werde ich noch ein ernstes Wörtchen reden müssen“, wetterte Lennard kopfschüttelnd. Die Gravitationskräfte der Erde begannen nun erbarmungslos an der Sky Arrow zu zerren. Dem Schiff blieb nichts anderes übrig, diesen Kräften zu gehorchen und es trudelte immer schneller auf die Erdoberfläche zu. Auch Lennard erkannte das Unausweichliche. Er wandte sich abermals an seinen Begleiter: „Computer. Bitte löse den Frachtcontainer und schicke ihn in eine stabile Umlaufbahn während ich versuche, mit den noch verbliebenen Steuerungsdüsen eine halbwegs heile Bruchlandung hinzulegen. Es wäre schön, wenn zumindest etwas von uns heil im Orbit bleibt" Dass der Computer die Anweisung in die Tat umsetzte, merkte Lennard an dem hohl klingenden Knacken der sich lösenden Halteklammern und dem leichten Ruck, der durch das Frachtschiff fuhr, als der Computer den Frachtcontainer abkoppelte. Nun bereitete sich Lennard auf die Landung vor, die alles andere als unter einem guten Stern stand. Er rückte sich in seinem Sitz zurecht und konzentrierte sich auf die noch verbliebenen Anzeigen in den Displays vor ihm. Er war sichtlich nervös. Da auch das Kommunikationssystem zerstört war, konnte Lennard nicht einmal einen Notruf absetzen. Allerdings sollten die Überwachungssatteliten seine brenzlige Situation bereits der Flugaufsicht gemeldet haben. Lennard begann damit, die Flugbahn zu stabilisieren. Mit hoher Geschwindigkeit schoss die Sky Arrow in die Erdatmosphäre. Lennard hatte alle Hände voll damit zu tun, die Nase des Schiffes möglichst flach zu halten um so der Atmosphäre eine größere Angriffsfläche bieten zu können die die Geschwindigkeit stark verringern sollte. Der Schiffsrumpf erhitzte sich mit diesem Manöver durch die Reibung mit den Molekülen der Atmosphäre immer stärker und es begann sich um die Hülle eine Plasmawolke zu bilden. „Das sind ja tolle Aussichten“, murmelte Lennard angespannt und mit einem hochkonzentrierten Blick auf die Anzeigen vor sich hin. „Bevor wir uns ungebremst in den Boden bohren werden wir verbrennen.“ Doch seine Fähigkeiten zahlten sich aus: Durch seine schnellen Reaktionen, mit den Steuerungsdüsen, die das Schiff unter Kontrolle hielten, konnte Lennard die Geschwindigkeit merklich reduzieren. Auch die gefürchtete Plasmawolke verschwand und Lennard konnte schon etwa bestimmen, wo sich der hoffentlich kontrollierte Absturz ereignen würde. „Zumindest stürzen wir nicht in den Atlantik“, atmete Lennard erleichtert auf. Doch die Zeit zum Durchatmen wurde ihm verwehrt. Denn plötzlich viel das Computersystem aus. Lennard vernahm das Geräusch, das sich anhörte als würde man eine große technische Anlage herunter fahren, mit einem regelrecht ungläubigen Kribbeln in den Ohren. Alle Anzeigen, die ihm einen halbwegs kontrollierten Flug ermöglichten, erloschen vor seinen Augen. Schockiert über die neue Situation schaute Lennard aus dem Fenster. Er war noch zu hoch und viel zu schnell, als selbst eine Landung zu versuchen. Jetzt konnte ihm nur noch Ellie retten. Lennard griff nach dem PDA an seinem rechten Handgelenk, welches an einen Armreif erinnerte. Es glänzte wie polierter Stahl und hatte in der Mitte eine runde Erhebung auf denen sich mehrere versenkte Tasten in verschiedenen Farben befanden. Lennard betätigte einen blauen Knopf und kurz darauf erschien aus einer kleinen seitlichen Öffnung des PDA’s eine bläulich schimmernde Energiematrix und schwebte schnell zu einem Interface des Schiffscomputers, in dessen Nähe Lennard den PDA gehalten hatte. Es war Ellie. Lennard hatte Ellie von seiner leider viel zu früh verstorbenen Mutter, die als Kybernetik Wissenschaftlerin diese Matrix entwickelt hatte, als Geschenk erhalten. Sie sollte Lennard aus den größten Schwierigkeiten heraushalten, was ihr auch meistens gelang. Die Matrix verschwand in einem Interface und kurz darauf begann der Schiffscomputer seine Arbeit fortzusetzen. „Ellie! Schnell! Haben wir noch irgendwo Energiereserven in diesem fliegenden Wrack?", fragte Lennard erregt, als er sich wieder hochkonzentriert den Kontrollen zuwandte. Die Energiematrix, die eine weiblich klingende Stimme besaß, antwortete recht hastig: „Ich habe die Energie der Lebenserhaltungssysteme und des Hauptantriebs zu den Sekundärsystemen umgeleitet. Die Hauptsysteme sind sowieso zum größten Teil zerstört. Diese Zusatzenergie sollte für die letzte Phase des Fluges reichen." Mit einem kurzen »ich danke dir« bestätigte Lennard die Nachricht. Nun konnte er endlich wieder den Sinkflug kontrollieren. Unaufhaltsam rasten sie weiter auf die Erde zu. Trotz Lennards geschickten Flugmanöver kam die Oberfläche schnell näher. Kaum sah er den versandeten Steppenboden nun ganz deutlich vor sich, setzte die Sky Arrow auch schon mit einem ziemlich heftigen Schlag auf den Boden auf. Die komplette Unterseite verzog und verformte sich. Das dadurch entstandene Knacken und Kreischen hallte durch das gesamte Schiff. Es klang als schrie die Sky Arrow voller Schmerz auf. Lennard wurde durch die Wucht des Aufpralls tief in seinen Pilotensitz gedrückt. Noch einmal bäumte sich das Frachtschiff auf und hob wieder einige Meter vom Boden ab um dann endgültig den heißen Sand der Halbwüste zu berühren. Das Schiff schlidderte noch einige hundert Meter weit, wobei es mehrere Sanddünen explosionsartig durchstieß und die gesamte Umgebung in eine riesige Wolke aus Sand und Staub einhüllte. Noch ein letztes Aufstöhnen des Schiffes und es war endlich zum Stillstand gekommen. Die gesamte vordere Spitze der Sky Arrow steckte tief im Sand fest, den das Schiff bei der Bruchlandung vor sich her geschoben hatte. Überall zischte und tropfte es durch die geborstenen Leitungen. Die Luft im Inneren des Schiffes wurde dadurch immer toxischer. Lennard hing stark benommen in seinem Sitz. Ellie versuchte ihn wieder aufzuwecken: „Lennard wach auf! Du musst dich aus dem Frachtschiff retten. Die Luft wird mit giftigen Gasen durchsetzt." Doch Lennard reagierte nicht. Ellie aktivierte einen grauenhaft durchdringenden lauten Ton, der bestimmt selbst Tote dazu gebracht hätte, mit zugehaltenden Ohren schleunigst das Weite zu suchen. Auch Lennard begann nach einigen Sekunden auf das Signal zu reagieren. Langsam öffnete er seine Augen und sah sich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck um. „Ellie, schalte sofort den grauenhaften Ton ab", befahl Lennard mit einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck. Sofort beendete sie die Ohrenfolter mit den Worten: „Entschuldige den unsanften Weckruf, aber ich sah sonst keine Möglichkeit, dich aus der Bewusstlosigkeit heraus zu bekommen." „Ist ja gut. Nun bin ich ja wieder wach", entgegnete Lennard beschwichtigend und rieb sich dabei die Ohren, als versuchte er mit dieser Aktion sich der eindringlich erlebten Schallwellen wieder zu entledigen. Er erhob er sich, hielt seinen PDA wieder in die Nähe des Interface und sagte ungeduldig: „Komm Ellie. Mach dich aus dem Schiffscomputer." Wortlos folgte sie dieser Anweisung und strömte wieder in Lennards kleinen PC. Diesmal ließ er ihn aktiviert. So war eine Kommunikation mit Ellie auch weiterhin möglich. Mit noch wackeligen Beinen stakte Lennard zur Cockpittür. Doch der Taster, den er betätigte, reagierte nicht mehr und die Türe blieb verschlossen. Er ergriff neben dem Türschalter die Wandverkleidung und riss sie ab. Sie gab den Weg für eine manuelle Vorrichtung frei, die Lennard herunter drückte und endlich die blockierte Tür entriegelte. Der Weg in das Innere der Sky Arrow war nun frei. Lennard schlug plötzlich eine Wolke aus giftigen Gasen entgegen, die kaum noch atembare Luft enthielt. Sofort musste er husten, als er diese ungesunde Mischung einatmete. Es war stickig und verraucht. Überall knackten und knarzten die angebrochenen Verstrebungen und Lennard wurde schnell klar, das sie das Schiff nicht mehr lange zusammenhalten würden. Lennards Kräfte schwanden. Er brauchte dringend frische Luft. Schwerfällig schleppte er sich durch das Schiff. Seine Augen brannten. Das Atmen viel ihm schwerer und schwerer. Endlich erreichte er die Ausstiegsluke. Sie elektronisch zu entriegeln hatte er erst gar nicht versucht. Die Energie war bereits im ganzen Schiff ausgefallen. Er benutzte wieder die Handverriegelung um die Tür zu öffnen. Sie fuhr in die Schiffswand hinein und gab dem Weg nach draußen frei. Sofort strömte die heiße trockene Wüstenluft in das Innere des Schiffes. Lennard traf es wie eine Wand und er wich einige Schritte zurück. Doch die toxischen Gase hinter ihm trieben ihn in das Freie. Er ging wieder auf die Schiffsluke zu „Zumindest gibt es wieder frische Luft“, freute sich Lennard als er sich auf die Hitze eingestellt hatte. Er verließ das ramponierte Schiff und betrat den sengenden Sand. Er atmete diese heiße Wüstenluft tief ein um wieder einen klaren Verstand zu bekommen und die giftigen Toxine, die sich in seinem athletisch durchtrainierten Körper herum tummelten wieder los zu werden. „Wollen wir doch mal sehen, wohin uns dieser Wahnsinnsflug verschlagen hat“, sagte Lennard zu sich selbst, als sein Verstand wieder wach war. Dabei hielt er den rechten Unterarm vor sich und aktivierte an dem daran befestigten kleinen Computer die Scanvorrichtung. Es erschien ein Postkartengroßes Holobild über der verchromten Oberfläche welches nach kurzer Zeit die gesamte Umgebung anzeigte. „Wir sind 136 Kilometer südlich von den Ruinen New Yorks gelandet“, reagierte Lennard enttäuscht auf diese neue Information. Er ließ seine Blicke über den Horizont schweifen und sagte frustriert: „Wir sind hier mitten im Nirgendwo runtergekommen.“ Da meldete sich Ellie zu Wort: „Sieh mal. Elf Kilometer nordwestlich ist eine Satellitenempfangsstation." Mit diesen Worten begann ein kleiner grüner Punkt auf dem Holobild zu blinken, welches die Position dieser Empfangsstation darstellte. „Elf Kilometer. Das ist mindestens ein drei Stunden Marsch durch die heiße Wüstensonne“, entgegnete Lennard nachdenklich, „und das ohne Wasser oder andere Nahrungsrationen. Ist ja alles bei dem Absturz umgekommen. Mein Schutzanzug dürfte wohl auch in tausend Teilen durchs All treiben. Und bis zur Nacht können wir hier nicht verweilen. Vorher kracht hier das Schiff über uns zusammen." Lennard fuhr mit seiner linken Hand durch sein dichtes, dunkles, mittellanges Haar und betrachtete sorgenvoll das Holobild. Doch er sah keinen anderen Ausweg. Wenn er überleben wollte, musste er den beschwerlichen Weg zur Satellitenempfangsstation auf sich nehmen. Lennard drehte sich zu seinem Schiff um. Erst jetzt wurde ihm das ganze Ausmaß über das Geschehene bewusst. Mit mitleidvoller Mine ging er mit langsamen und schweren Schritten zur völlig zerstörten Sky Arrow zurück. Vor ihr hielt er inne und strich mit seiner Hand langsam über den zertrümmerten Rumpf. „Ich hätte nicht gedacht, dass mir der Abschied so schwer fällt“, begann Lennard mit stickiger Stimme und einem traurigem Blick auf die Überreste seines Schiffes. „Wir haben gute Jahre verbracht. Durch dich habe ich viele fremde Orte gesehen und erlebt. Der Abschied kommt zu schnell und viel zu früh." Er atmete tief ein und mit einem leicht verzweifelten Seufzer wieder aus. Schließlich drehte er sich wieder um und sah in die weite, versandete Steppe, aus dessen Boden sporadisch ein paar vertrocknete Zweige ragten und hin und wieder sich einige Sanddünen aufschichteten. Mit langsamen und gleichmäßigen Schritten machte er sich ohne weitere Worte zu verlieren auf seinen gefahrvollen Weg. Die helle Mittagssonne ließ den Sand in gleißendem Licht erstrahlen. Lennards Augen formten sich zu schmalen Schlitzen um der Blendung entgegen zu wirken. Er atmete nur durch seine Nase, um nicht unnötig Feuchtigkeit zu verlieren. Er wusste, dass er mit jedem Tropfen Wasser in seinem Körper unbedingt haushalten musste. Die Zeit verging. Schritt für Schritt und Stunde für Stunde näherte er sich seinem Ziel. Doch seine Kräfte schwanden. Die Hitze zerrte an Lennards Körper. Sein Verstand versank in Eintönigkeit. Mittlerweile setzte er schon völlig apathisch einen Fuß vor den anderen. Doch Ellie machte ihn wieder munter: „Lennard. Du hast es schon fast geschafft. Du musst dich aber dennoch beeilen, da ein Sturm von Norden heranzieht." Lennard hob seinen Kopf und blickte in die Ferne. Und tatsächlich: Die Sicht war nicht mehr bis zum Horizont frei. „Wie weit ist es noch“, fragte Lennard mit entkräfteter Stimme. Ellie entgegnete: „Es sind noch 637 Meter bis zur Satellitenempfangsstation." „Das schaffe ich noch“, erwiderte er erleichtert. Doch der Sturm kam immer näher. Lennard spürte bereits den Sand in der Luft, der vom Wind heran getragen wurde. Er nahm all seine letzten Kraftreserven zusammen und ging immer schneller auf sein Ziel zu. Endlich konnte er die Station erkennen. Sie bestand aus einer verchromten, metallenen Oberfläche, um möglichst viel Strahlung, die von der Sonne ausging, zu reflektieren damit sich die elektronischen Elemente in der pyramidisch geformten Station so wenig wie möglich aufheizten. Der sandige Wind wandelte sich in einen ausgewachsenen Sturm. Er wurde immer heftiger. Lennards Augen waren durch den herumwirbelnden Sand schon fast verklebt. Er hielt sich einen Fetzen Stoff, den er sich von seiner Kleidung abgerissen hatte, vor Mund und Nase, damit er überhaupt noch atmen konnte. Endlich erreichte er das etwa vier Meter hohe Bauwerk. Hastig suchte Lennard nach einem Eingang. Doch die Sicht war praktisch null. Dann endlich fand er mehr durch Tasten als durch sehen eine Wartungsluke. Er öffnete diese Luke, die keine besondere Sicherung hatte und schlüpfte hinein. Mit großer Anstrengung versuchte er den Eingang wieder zu schließen. Doch der starke Wind drückte die Türe immer wieder auf. Zu allem Überfluss wehte Lennard viel Sand entgegen, was seine Bemühungen die Türe abzusperren nicht gerade erleichterte. Es fühlte sich an, als würde er mit einem Sandstrahlgerät kämpfen. Doch schließlich schaffte er es, die Luke an sich heran zu ziehen. Sie schloss sich mit einem lauten Knall. Sofort verriegelte Lennard den Eingang. Erleichtert und verschnaufend lehnte er sich an eine Verstrebung und versuchte den Sand aus seinen Augen zu bekommen. Als er dies endlich geschafft hatte, erhob er sich wieder und sah sich um. Er schaute sich die elektronischen Bauteile genau an. Er untersuchte alles gründlich. Doch leider konnte er nichts entdecken, womit er eine Nachricht hätte absenden können. Irgendwie muss es Lennard doch gelingen, jemanden seine Situation zu erklären. Da meldete sich Ellie aus dem PDA: „Konntest du bereits jemanden von der Raumüberwachung erreichen?" „Ich kann keine Vorrichtung entdecken, von wo aus ich eine Nachricht absenden kann. Es gibt keine Kommunikationsmöglichkeit. Kein Interface. Hier steht nur ein großer, schwarzer Würfel mit ein paar blinkenden Anzeigen. Sonst nichts“, erklärte Lennard ratlos die Lage. „So ungern ich es auch mache“, fuhr Lennard fort, „aber ich muss dem Ding wohl Schaden zufügen. Damit jemand kommt und es reparieren muss." Ellie schien eine andere Idee zu erarbeiten: „Gibt es an der Station eine Empfangseinheit für die Daten, die vom Satelliten eingespeist werden?" Lennard schaute sich die technische Anlage noch einmal genau an. Er kletterte zwischen den Verstrebungen hin und her und entdeckte in der Spitze der Pyramide schließlich doch noch etwas: „Hier oben gibt es eine kleine Stabantenne. Das muss die Empfangseinheit sein." Ellie reagierte sofort auf Lennards Beschreibung: „Dort werde ich in die Anlage eindringen. Möglicherweise kann ich dann etwas erreichen.“ Lennard hielt den PDA an die Antenne und Ellie nahm Besitz von der Satellitenempfangsstation. Er brauchte nicht lange zu warten, denn schon nach kurzer Zeit verließ sie die Anlage wieder. „Na? Hast du Glück gehabt?", fragte er neugierig. „Ich konnte eine Nachricht an die Raumüberwachung übermitteln. Ich habe ihnen die Situation und unseren jetzigen Aufenthalt beschrieben. Eine echte Kommunikation konnte ich nicht aufbauen. Aber der Computer der Raumaufsicht sendete zumindest eine automatische Bestätigung meiner Mitteilung." „Ellie, ich bin stolz auf dich. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell du die Dinge erledigst“, lobte Lennard die Energiematrix, während er an den Verstrebungen wieder herunter kletterte. „Es ist schön, dass dir dies auffällt. Nun solltest du aber etwas schlafen. Es wird bestimmt noch ein paar Stunden dauern, bis Hilfe eintrifft." „Du hast recht“, entgegnete Lennard, „ich bin auch völlig fertig. Nur weiß ich nicht, ob ich vor lauter Durst und Hunger überhaupt schlafen kann. Wenn ich nicht bald etwas Wasser bekomme war das hier sowieso alles umsonst." Lennard machte es sich in einer Ecke gemütlich. Trotz seines Durstes, Hungers und heulenden Windes, der um die Empfangsstation herum wütete, konnte er dennoch einschlafen. Nach einigen Stunden Ruhe und Frieden schreckte Lennard aus seinem tiefen Schlaf als ein dumpfer Schlag gegen das Schott, der durch die pyramidenförmige Station jagte, erklang. Dann noch einer. Der Eingang schien wohl durch den Sturm verklemmt gewesen zu sein. Doch dann öffnete sich die Luke der Anlage. Vorsichtig schaute ein junger Mann in den engen Raum. Nach seiner Kleidung zu urteilen war es ein Wartungstechniker. Als er Lennard entdeckte wich er zurück und rief: „Hier ist er! Ich habe ihren Mann gefunden." Lennard wurde neugierig. Von der Frage getrieben, welches Aufgebot sich da draußen noch angesammelt haben mag, kroch er dem Techniker langsam nach. Kaum steckte er seinen Kopf aus der Tür sah er direkt vor ihm eine weitere Person stehen, die in einem strengen und auffordernden Ton befahl: „Kommen sie sofort aus der Station, Mr. Daris!" Verwirrt stand Lennard langsam auf. Vor ihm hatte sich ein Mann mit kräftiger Statur aufgebaut, der Lennard mit einem strengen Blick argwöhnisch beobachtete. Lennard sah sich langsam um. Der Sturm hatte sich schon aufgelöst. Die untergehende Sonne leuchtete Glutrot am Horizont. Sie tauchte auch die sandige Steppe in ein rötliches Licht ein. In dieser leicht gespenstisch anmutenden Umgebung standen sieben weitere Personen, die sich alle nur auf Lennard konzentrierten. Sie trugen mitternachtsblaue Uniformen und sie waren bewaffnet. In ihrer Nähe standen zwei Atmosphärenshuttles die die gleiche Farbe wie die Uniformen der Männer aufwiesen und lange Schatten durch die tiefstehende Sonne warfen. Lennard erkannte langsam den Ernst seine Lage. Um sicher zu gehen wandte er sich an den Mann, der direkt vor ihm stand: „Darf ich fragen, wer sie sind?" Mit einem scharfen Ton antwortete sein gegenüber: „Wir sind von der I.S.A. und haben den Auftrag, sie hier aufzunehmen. Darf ich sie nun bitten, in das Shuttle einzusteigen!" Der Mann deutete auf das der beiden am nächsten befindliche. „Was geht hier vor?“, fragte sich Lennard, „die International Secret Agency? Wer mit denen Ärger hat, braucht keine anderen Sorgen mehr.“ Wortlos und mit einem sehr flauen Druckgefühl in der Magengegend folgte er der Anweisung. Kaum war Lennard in das Shuttle eingestiegen folgten ihm die Männer. Einer scannte ihn nach Waffen. Aber Lennard hatte ja keine bei sich. Wozu auch. Dann ging alles sehr schnell: Kaum hatte er und die anderen Platz genommen, schloss einer von ihnen die Bordtüre und das Shuttle hob ab. Sie schienen wohl keine Zeit verlieren zu wollen denn der Pilot beschleunigte das Schiff sehr stark. „Können sie mir sagen, worum es geht?" wollte Lennard wissen. Doch er bekam von niemanden eine Antwort. Noch nicht mal einen Blick würdigte man ihm. Er gab aber noch nicht auf: „Darf ich zumindest erfahren, wohin sie mich bringen?" Wieder erhielt er keine Antwort. Ihm war es nun richtig mulmig zu Mute. Nach einigen Minuten der Aufregung kam ihm wieder sein Durst in den Sinn. Er fühlte sich bereits komplett ausgetrocknet. Lennard traute sich kaum noch den Mund aufzumachen. So eingeschüchtert fühlte er sich in dieser Situation. Doch er musste es wagen: „Wenn sie schon nicht mit mir sprechen wollen, können sie mir dann bitte zumindest einen Schluck Wasser geben?" Der stämmige Mann, der wohl der Commander der Einheit war, drehte sich widerwillig zu Lennard um und schaute ihn mit einem scharfen, prüfenden Blick an. Dann griff er zu einem kleinem schwarzen Rucksack vor ihm, holte eine Trinkflasche hervor und gab sie ihm. „Und jetzt sind sie ruhig“, ging der Commander Lennard forsch an. Dieser nickte zustimmend. Er konnte nicht sehen, was er gleich zu sich nehmen würde denn der Behälter war aus einem undurchsichtigem mitternachtsblauem Kunststoff. „Ob die vielleicht einen anonymen Werbesponsor mit dieser Farbe haben?“, fragte er sich und grinste innerlich. Andererseits war es ihm auch egal. Hauptsache es würde endlich seinen fürchterlichen Durst löschen können. Er öffnete die Flasche und nahm einen kräftigen Schluck von ihr. Lennard war angenehm überrascht: Es handelte sich um ungesüßte Zitronenlimonade. Der Geschmack verteilte sich in seinem Mund und die erfrischende Kohlensäure sprudelte wie ein frischer Quell. Es war ein Hochgenuss. Freudig nahm sein Körper die Flüssigkeit in sich auf. Lennard stieß einen befriedigten Seufzer aus nachdem er das belebende Nass herunterschluckte. Den konnte er sich einfach nicht verkneifen. Nach etwa vierzig Minuten waren sie am Ziel. Zumindest zog Lennard diesen Schluss aus der Tatsache, dass das Shuttle stark verlangsamte. An einem Verkehrsstau konnte es jedenfalls nicht liegen. Der Luftverkehr war dafür zu gut geregelt. An Höhe mussten sie auch verlieren, denn Lennard fühlte sich leichter. Er konnte nicht sehen was vor sich ging, da der Gastraum des Shuttles keine Ausblicksmöglichkeit bot. Sie landeten sanft. Wo auch immer das Ziel dieser kleinen Reise war. Kaum öffnete sich die Shuttletüre, sprangen die Männer der I.S.A von ihren Plätzen. Lennard hatte es nicht so eilig. Zögerlich erhob er sich von seinem Platz. Sich vorsichtig umsehend trat er die Stufen, die in der Shuttletüre eingelassen waren, herunter. Sie waren in einem kleineren Hangar gelandet, dass nur spärlich beleuchtet war. Auch hier gab es keine Möglichkeit, auszukundschaften, wo er sich nun aufhalten könnte. Nirgendwo waren Fenster in diesem Raum, die die nähere Umgebung hätten preisgeben können. „Folgen sie mir“, befahl der Commander während er auf eine Türe zuging und sie öffnete. Dahinter befand sich ein langer und breiter Korridor, den sie betraten und ihm bis fast an sein Ende folgten. Der Commander öffnete die vorletzte Türe dieses Ganges mit den Worten an Lennard: „Gehen sie hinein. Setzen sie sich und warten sie hier!" Lennard ging in diesen Raum, der eine recht angenehme Atmosphäre ausstrahlte. Sofort schloss der Commander den Eingang und sie verriegelte sich elektronisch. Er war eingeschlossen. Lennard sah sich um und nahm schließlich an einem rechteckigen Tisch mit vier Sitzgelegenheiten Platz. Er war in diesem Zimmer der einzige. Nach einigen Minuten öffnete sich wieder die Tür und es trat ein Mann mit dunkelblonden Haaren und einem Vollbart ein. Seine tiefliegenden Augen konzentrierten sich sofort auf Lennard. Wortlos setzte er sich an den Tisch. Er saß Lennard nun gegenüber und ließ ihn mit seinem strengen Blick nicht mehr los. Lennard erwiderte seinen Blick. Er ließ sich seine Nervosität nicht anmerken. Einige Sekunden verharrten die beiden so. Doch schließlich musste Lennard das Duell des Schweigens gewonnen haben, denn endlich sagte sein gegenüber mit einer eintönigen Stimme, während er ein kleines Pad aus der Innentasche seines Sakkos hervor holte und es mit seinen Augen überflog: „Ich heiße Richard Corbin. Und sie sind Lennard Daris?" „Das ist richtig“, bestätigte Lennard ebenso eintönig. „Geboren in Leeds, England?" „Auch das stimmt." „Wie verschlägt es sie denn nach Edmonton?" „Das hatte mit meiner Mutter zu tun." „Ah ja. Sie war Kybernetik Wissenschaftlerin in Edmonton. Und ihr Vater?" „Er starb bei einem Geheimprojekt über das heute noch ausführlich geschwiegen wird. Hören sie! Ich möchte nun endlich wissen, warum ich hier bin." Corbin hob die Augen von seinem Pad und schaute Lennard wieder eindringlich an um dann seine Blicke wieder auf das Pad zu richten. Unbeeindruckt von Lennards Einwand fuhr er fort: „Sie sind Frachterpilot?" „Ja!" stieß Lennard mit einem genervten Seufzer aus. Corbin legte das Pad vor sich auf den Tisch und stieß es so an, damit es zu Lennard herüber glitt. „Drücken sie ihren rechten Daumen auf das Touchscreen“, forderte Corbin Lennard mit einer ruhigen Stimmlage auf. Dieser folgte der Anweisung und schnippte das Pad anschließend wieder zu Corbin zurück. Dieser nahm es abermals in seine Hände und überprüfte Lennards Fingerabdruck. „Hmmm. Ja. Sie sind der, der sie sind“, flüsterte Corbin etwas verwirrend vor sich hin. „Nun gut“, fuhr er mit kräftigerer Stimme fort, „kommen wir zu ihrem kleinen Sturzflug. Welcher Art war ihre Ladung und für wen war sie bestimmt?" „Ich habe für Thijs van de Meer einen Container mit irgendwelchen organischen Materialien transportiert." „Und das Ziel der Fracht?" „Die New Holland Kolonie auf dem Mond." „Nun. Die Zustellung haben sie ja nicht abgeschlossen. Warum eigentlich nicht." „Wie sie wissen, hatte ich leichte Startschwierigkeiten." „Warum haben sie ihr Schiff abstürzen lassen?" „Mein Schiff abstürzen lassen?", erwiderte Lennard entrüstet, „glauben sie allen Ernstes, das ich mein teures Frachtschiff mit voller Absicht in den Sand bohre?" „Wenn es für sie einträglich ist... warum nicht. Wer sollte der wirkliche Empfänger der Ware sein?" „Es war van der Meer!" bestätigte Lennard seine Aussage. Mit einem enttäuschten Seufzer lehnte sich Corbin zurück. Er schaute Lennard wieder tief in die Augen und sagte: „Warum machen sie das. Weshalb unterstützen sie diese subversiven Elemente. Welche glorreichen Ziele verfolgen sie?" Mit einem ratlosen Blick antwortete Lennard: „Ich weiß nicht, was sie meinen. Ich habe einen ganz normalen Transport übernommen. Die Ladung hatte ganz normale Frachtdokumente. Dessen Empfänger war van der Meer. Als ich los flog, explodierte der Antrieb meines Schiffes...“ Weiter kam Lennard nicht mit seinen Erläuterungen, denn Corbin riss der sprichwörtliche Geduldsfaden. Er beugte sich vor, wurde laut und aggressiv: „Sie haben einen Auftrag für irgendwelche Kriminellen angenommen! Sie haben die Dokumente gefälscht oder sie fälschen lassen! Sie sind mit ihrem Schiff bis in den Orbit der Erde geflogen und haben die Ladung abgekoppelt die dann von ihren Freunden übernommen wurde. Und zum Schluss haben sie ihr Schiff abstürzen lassen, damit alle Spuren dieser netten, kleinen Transaktion verschwinden." Lennard war nun völlig geplättet von Corbins Situationsanalyse. „Nein. So war das alles nicht. Wie kommen sie nur auf diese absurden Unterstellungen. Was auch immer Illegales vorgefallen sein mag. Ich war nicht daran beteiligt“, antwortete Lennard mit einem verwirrten Blick. Corbin beeindruckten Lennards Beteuerungen nicht ein bisschen. Im Gegenteil. Er griff ihn erneut verbal an: „Wo sind die vier Ratsmitglieder? Wohin wurden sie gebracht?" Lennard verstand nun gar nichts mehr. Er schaute Corbin völlig verdutzt an und stammelte: „Ratsmitglieder wurden entführt...? Und ich soll sie...?". Corbin erhob sich und ging im Verhörraum hin und her. Dann sagte er vor sich hin: „Das hat einfach keinen Sinn." Mit diesen Worten drückte er zweimal auf sein Pad. Schließlich ging er zu einem Stuhl, der in einer Ecke des Zimmers stand, setzte sich und sagte kein Wort mehr. Nach nur kurzer Zeit betrat eine junge Frau den Raum. Corbin gab ihr mit seinen Augen ein Zeichen zu Lennard. Sie sah zu Corbin und nickte ihm zu. Sie setzte sich zu Lennard an den Tisch und fixierte ihn mit ihren grünen Augen. „Gibt es jetzt die Verhörstufe zwei?“, dachte sich Lennard. Doch auf einmal entschwammen seine klaren Gedanken. Er spürte, wie er innerlich langsam in das Nirgendwo abdriftete. Plötzlich zuckte er zusammen. Sein Selbsterhaltungstrieb weckte ihn aus diesem Delirium und er konnte zumindest etwas von dem wahrnehmen, was ihm geschah. Sein Kopf, nein, vielmehr sein Gehirn fühlte sich an als wäre darum eine Spirale gewickelt, die einen ständigen Druck ausübte. Es kam ihm vor, als ob eine äußere Kraft dabei war sein Bewusstsein beiseite zu schieben und diese nun Besitz von seinem Verstand ergreifen wollte. Jetzt dämmerte es Lennard. Diese Kräfte gingen von der Frau aus. Er musste sich zur Wehr setzen. Aber wie? Wie bekämpft man einen Feind, den man noch nie zuvor begegnet ist? Den man nicht kennt und einen noch dazu von innen angreift? Dennoch musste Lennard handeln. Wer weiß, was diese Frau mit seinem Verstand anstellt. Nach dieser Gehirnwäsche, oder was auch immer hier vor sich geht, könnte man Lennards Verstand vielleicht allenfalls noch zum Blumen gießen verwenden. Es jagte plötzlich eine Idee durch den Teil des Verstandes, den er noch etwas kontrollieren konnte. „Wenn ich mir schreckliche Bilder einfallen lasse, lockert das vielleicht den Griff“, dachte sich Lennard halb benebelt, „vielleicht wird dann die Konzentration dieser Psycholady geschwächt.“ Er hatte schreckliche Aufnahmen von den letzten Kriegen im einundzwanzigsten Jahrhundert im Geschichtsmuseum gesehen, die er sich nun Stück für Stück in das Gedächtnis zurück holte. Es waren deutliche Bilder, die alle Menschen lehren sollten, dass nichts den Krieg rechtfertigt. Keine Kriege wegen Religionen, wegen Land oder sonstigen zu dem im Gegensatz zu diesen grausamen Geschehnissen stehenden Kleinigkeiten. Lennard ließ die Bilder von Verstümmelten und Verbrannten von Gefolterten und Getöteten vor seinem inneren Auge wieder lebendig werden. Auch ihn quälte es, diese Bilder zu durchleben. Doch es blieb ihm keine Wahl. Schließlich half es auch. Diese furchtbaren Bilder schien diese geistige Vergewaltigerin tatsächlich zu verwirren. Lennard merkte, wie er wieder mehr und mehr die Herrschaft über seinen Verstand gewann. Er intensivierte seine Gedanken über diese furchtbaren Ereignisse immer mehr. Er ließ nicht locker. Er gönnte sich keine Sekunde Erholung. Dann endlich lehnte sich diese Frau plötzlich mit weit aufgerissenen Augen und einem kurzen Aufschrei hastig zurück und musste sich von dem unerwarteten Kampf mit Lennards Entschlossenheit erst einmal erholen. Sie atmete mehrere Male tief durch und sortierte sich innerlich wieder. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, stand sie auf, ging zur Tür und flüsterte sichtlich enttäuscht Corbin beim Verlassen des Raumes zu: „Wir brauchen einen erfahreneren Telepathen. Er hat einen ungewöhnlich starken Willen." Corbin schaute kurz zu Lennard. Schließlich stand er auf, atmete schwermütig durch und verließ den Raum. Kurz darauf kam der Commander herein und befahl in Lennards bereits gewohntem Ton: „Folgen sie mir!" Lennard, selbst noch durch die " Geistesverschmelzung " ziemlich entkräftet stand langsam auf und ging dem Commander hinterher. Dieser führte ihn in ein kleines Zimmer wo sich ein Bett und ein kleines Tischchen mit einem Stuhl befanden. Nachdem Lennard eintrat schloss sein Begleiter die Türe von außen, die sich wieder elektronisch verriegelte. Lennard setzte sich auf das Bett und er begann darüber nachzudenken, was diese Leute als nächstes mit ihm vorhaben könnten. Doch Ellie störte seinen Gedankengang: „Wir sollten schnell eine Fluchtmöglichkeit finden." „Sei still!", zischte Lennard in Richtung seines PDA´s, „ich möchte nicht, dass sie dich entdecken." „Keine Sorge“, beruhigte Ellie den aufgeschreckten Lennard, „ich habe diesen Raum nach Sensoren gescannt. Hier ist nichts dergleichen installiert." „Ich wüsste nicht, wie wir hier rauskommen sollten“, erklärte Lennard ratlos, während er sich im Raum umsah, „es gibt kein Fenster, keine Lüftungsgitter, und eine Zauberfee hat wohl auch keine Zeit für uns. Das einzige, was hier in die Freiheit führt, ist die Tür. Und die wurde von außen verriegelt." „Lennard. Bitte suche nach Energieanschlüssen oder nach einem Interface. Dann kann ich in die Gebäudeelektronik eindringen und dich befreien." Lennard erhob sich aufmerksam umschauend vom Bett. Er sah in alle Ecken und unter das Mobiliar. Er vergaß auch nicht, die Beleuchtung zu untersuchen. Doch nirgendwo gab es für Ellie eine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten anzuwenden. Enttäuscht ließ er sich auf das Bett fallen und flüsterte zu seinem PDA: „Keine Chance, Ellie. Hier kommen wir ohne fremde Hilfe nicht raus." Er legte sich hin und verschränke die Hände unter seinen Kopf und starrte an die Decke. Doch sein Verstand tat alles andere als jetzt aufzugeben. Im Gegenteil: Lennard dachte über die Ereignisse der letzten Stunden nach. Er suchte nach ungewöhnlichen Geschehnissen. Oder etwas, was er übersehen hatte. Er fragte sich, wie er in diese Situation kommen konnte. Und eine Frage beschäftigte ihn besonders: Seit wann gibt es Menschen mit telepathischen Fähigkeiten? Wie kann man eine solche Fähigkeit erlernen? Doch diese Fragen schob Lennard erst einmal beiseite. Sie würden ihn jetzt nicht weiterbringen. Sein Gehirn suchte vielmehr intensiv nach Lösungsansätzen um diese dann zu einem Fluchtplan zusammenschmieden zu können. Doch es dauerte nicht lange und seine Gedankengänge wurde vom dem kurzen elektronischen Summen gestört, welches die Verriegelung der Tür aussandte, die geöffnet wurde. Ein junger Mann mit dünnem blonden Haar trat, bewacht mit Argusaugen von einem I.S.A. Agenten der an der Tür stehen geblieben war, herein und trug ein Tablett vor sich her: „Guten Abend. Ich bringe ihnen ein leckeres Mahl“, trällerte er fröhlich gelaunt in den Raum. Ohne den Kellner direkt anzuschauen antwortete Lennard lustlos: „Ich habe keinen Appetit. Nehmen sie es wieder mit." „Na na, wer wird denn gleich so mürrisch sein. Probieren sie doch erst einmal, bevor sie es ablehnen." Der Kellner tippte zweimal eindringlich auf die Servierhaube, die über den Teller gestülpt war, nachdem er das Tablett abgestellt hatte. Gerade wollte Lennard seine Aussage über das Essen bekräftigen, da sah er den strengen Blick des Kellners, der auf die Servierhaube gerichtet war. Dann drehte er sich um, ging mit einem fröhlichen Pfeifen zur Türe und sprach den Agenten an: „Was ist mit ihnen. Haben sie keinen Hunger? Ich könnte ihnen auch etwas Hübsches bringen." Unbeeindruckt schloss der Agent die Tür, die sich auch gleich verriegelte. Lennard war wieder allein. Misstrauisch starrte er das Tablett an. Was könnte der Kellner mit seiner Andeutung gemeint haben, fragte er sich. Ist das Essen vergiftet? Oder war es einfach nur versalzen. Ist vielleicht auf dem Teller mehr als nur das Essen? Langsam erhob sich Lennard vom Bett, ging zu dem kleinen Tisch, auf dem das Essen stand und setzte sich davor. Vorsichtig hob er den Servierdeckel an und schaute darunter. Doch er konnte nichts Signifikantes entdecken. Er legte den Servierdeckel beiseite und es kam ein gutes Essen zum Vorschein. Auf dem Teller lag ein saftiges Stück Steak angerichtet mit überbackenem Gemüse. Lennard hätte das Fleisch ruhigen Gewissens essen können denn es bestand aus pflanzlichen Stoffen versetzt mit künstlich hergestellten tierischen Eiweißen und Proteinsynthesen. Es schnitt sich wie Fleisch, es roch wie Fleisch aber dennoch musste schon seit langem kein Geschöpf mehr sterben um einen Menschen zu ernähren.