Im Auftrag der Freiheit - Angelika Mlinar - E-Book

Im Auftrag der Freiheit E-Book

Angelika Mlinar

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  • Herausgeber: Omnino Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Was ist die Zukunft des Liberalismus in Europa – abseits rechtspopulistischer Missinterpretationen dieser wertvollen historischen Idee? Das Beispiel der NEOS in Österreich weist einen Weg, wie liberale Ideen von Gesellschaft und Individuum für die heutigen Herausforderungen erfolgreich in konkrete Politik umgesetzt werden können. Erzählt wird der Weg von maßgeblichen Akteuren dieser Bewegung: In den Jahren 2008/2009 übernahmen Angelika Mlinar und Michael Bernhard die Führungsverantwortung im Liberalen Forum, auf dessen Überleben zu diesem Zeitpunkt niemand mehr gewettet hätte. Eine abenteuerliche politische Reise der beiden durch Österreich, Slowenien und Europa begann, mit Höhen und Tiefen, aber am Ende auch dem Erfolg, die NEOS als neue liberale Bewegung in den Parlamenten zu verankern. Gleichzeitig wirft das Buch einen persönlichen Blick auf diese Entwicklung, auf engagierte Macherinnen und Macher, die an die Aktualität eines für sie echten Liberalismus glauben. Angelika Mlinar, Michael Bernhard und Michael Schiebel ist eine glänzende Analyse des politischen Systems Österreichs und des europäischen Liberalismus gelungen – gleichzeitig eine Roadmap dafür, wie man eine politische Bewegung in Gang bringt und Politik verändert. Erzählte Zeitgeschichte pur!

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Seitenzahl: 287

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Im Auftrag der Freiheit

Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-95894-252-3 (Print) // 978-3-95894-253-0 (E-Book)

© Copyright: Omnino Verlag / 2023

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

Inhalt

VORWORT

PROLOG „ÜBER DIESES BUCH“: AUGUST 2021 IM SCHLOSSCAFÉ

1. LIBERALE AUF DEN ERSTEN BLICK (2008 – 2010)

2. EIN TEAM FINDET SICH (2010)

3. DIE KONSOLIDIERUNG (2011 – 2012)

4. LIBERALISMUS IN ÖSTERREICH

5. DAS BÜNDNIS (2012 – 2013)

6. NACH DER WAHL (2013 – 2014)

7. DIE EU-WAHL (2014)

8. BRÜSSEL UND STRASSBURG (2014 – 2019)

9. HOHE ERWARTUNGEN (2013 – 2014)

10. POLITIK UND MANAGEMENT (2014 – 2016)

11. ANGELIKAS PLÄDOYER FÜR EUROPA

12. DIE BEWÄHRUNGSPROBE (2017 – 2018)

13. LJUBLJANA – HEIMAT IST GRENZENLOS (2019 – 2022)

14. NEOS WIRD ERWACHSEN (2019 – 2022)

15. POLITIK: KEIN EINFACHES GESCHÄFT

16. POLITIKER*INNEN DES 21. JAHRHUNDERTS

NACHWORT

DANK

ÜBER DIE AUTOREN

ANMERKUNGEN

BILDNACHWEIS

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

(Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte)

Wisset, dass das Geheimnis des Glücks die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber der Mut ist.

Perikles

Dieses Buch widmen wir allen, die den Mut haben, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben.

Hinweis

Das Leben an sich, aber insbesondere die Politik ist gekennzeichnet durch unterschiedliche Auffassungen und Auseinandersetzungen. Ein Buch über die Entwicklung einer Partei über einen bestimmten Zeitraum zu schreiben, bedeutet, viele positive Erfahrungen Revue passieren zu lassen, aber zwangsläufig sich auch mit Konflikten zwischen Menschen zu beschäftigen.

Der Blickwinkel dieses Buchs ist jener der beiden Protagonist*innen Angelika Mlinar und Michael Bernhard und des federführenden Autors Michael Schiebel. Er ist naturgemäß subjektiv. „Und wo gehobelt wird, fallen Späne“, heißt es treffend. Sollten sich in diesem Buch dargestellte Personen dennoch fehlinterpretiert fühlen, so war das keinesfalls unsere Absicht.

Angelika Mlinar,

Michael Bernhard &

Michael Schiebel

VORWORT

Angelika und Michael habe ich erst im Jahr 2012 kennengelernt, obwohl Angelika ab 2009 als Vorsitzende des Liberalen Forums gewissermaßen die Urenkelin meiner ehemaligen Chefin Heide Schmidt war, und Michael ab 2011 einer meiner Nachfolger als Generalsekretär des Liberalen Forums.

Ich selbst war in den 1990er-Jahren stellvertretender Klubdirektor der liberalen Parlamentsfraktion und 1999 Bundesgeschäftsführer bzw. Generalsekretär des Liberalen Forums, als der Einzug ins österreichische Parlament nicht mehr gelang. Bis Anfang 2000 hatte ich die Strukturen zumindest auf Bundesebene auf reine Ehrenamtlichkeit heruntergefahren und trat gemeinsam mit der Bundessprecherin Heide Schmidt im Februar 2000 zurück.

Damit verkörpere ich eine zeitliche Klammer zwischen der parlamentarischen Tätigkeit des Liberalen Forums in den 1990er-Jahren und dem parlamentarischen Comeback 2013. Denn nach gut zehn Jahren politischer Abstinenz hatte ich an der Seite von Matthias Strolz, Veit Dengler, Ferri Thierry und einiger anderer 2012 die Partei NEOS vorbereitet und mitgegründet, saß also aus Sicht Angelikas und Michaels bei den Verhandlungen zur Bildung einer Wahlplattform zwischen NEOS und dem Liberalen Forum 2012/13 auf der falschen Seite des Tisches. Leichtes Misstrauen mir gegenüber war spürbar.

Aber es geht in diesem Buch weniger um mich, als vor allem um Angelika und Michael, die zu einem Zeitpunkt (zwischen 2008 und 2013) Verantwortung für das Liberale Forum übernahmen, zu dem kein ehrlicher Buchmacher mehr eine Wette auf das Überleben dieser Partei angenommen hätte.

Viele junge Menschen kümmern sich zurecht um Karriere, Freunde, Familie und Hobbies. Aber diese beiden waren im besten Sinne verrückt. Angelika fragte 2008 ihren damaligen Lebensgefährten auf der Terrasse ihrer gemeinsamen Wohnung in Laibach/Ljubljana (Slowenien): „Soll ich den Vorsitz machen? Kann ich das? Kann ich diese Verantwortung für das Liberale Forum übernehmen?“ Und er antwortete: „Mach dir nicht ins Hemd. Du fährst ja nicht die SPD gegen die Wand.“

Stimmt. Die SPD ist ein größeres politisches Vehikel in einem größeren Land in Europa. Dennoch: Es ging um nichts weniger als die Wiederkehr liberaler Politik (und die gibt es länger als die SPD) im österreichischen Parlament. Keine kleine Aufgabe ohne Geld und Strukturen, aber jedenfalls ein ehrenwertes Ziel im Auftrag der Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Österreich.

Es ist mir eine Freude und Ehre, dass Angelika und Michael mir die Aufgabe anvertraut haben, ihre abenteuerliche Reise mit ihnen gemeinsam zu verschriftlichen.

Wir haben dieses Buch zu dritt geschrieben und uns bemüht, die Fakten, die wichtigen Momente, Hintergründe und Motive für Entscheidungen möglichst kurzweilig zu erzählen. Der Wahrheit verpflichtet, will dieses Buch nicht nur ein klassisches politisch-zeithistorisches Dokument zum Thema Liberalismus in Österreich sein, sondern auch unterhalten. Und es will motivieren – entlang der Leitlinie: „Denk nach, sei ehrlich dir selbst und allen anderen gegenüber, finde die Kraft und hab Freude, an dem, was du tust!” Dann ist auch Erfolg nicht ausgeschlossen – against all odds. In diesem Fall: Im Auftrag der Freiheit.

Michael Schiebel, im November 2022

PROLOG„ÜBER DIESES BUCH“

August 2021 im Schlosscafé

30. August 2021. Es ist ein wunderschöner spätsommerlicher Montagnachmittag in Wien. Die tiefstehende Sonne wirft schon lange Schatten und taucht die Donaumetropole in ein warmes Licht. Angelika Mlinar und Michael Bernhard sitzen im Schlosscafé im Belvedere und besprechen ihr Buchprojekt. Sie sprechen über dieses Buch.

Ja, ich weiß, was Sie jetzt denken: „Gibt es keine angesagteren Locations in Wien? Ist das nicht eher etwas für Touristen?“ Möglicherweise. Aber einerseits ist es wirklich schön hier, und andererseits liegt Michaels Wohnung gleich um die Ecke – ein wesentlicher Standortvorteil, zieht man zudem ins Kalkül, dass Michaels Frau Alice noch in der gleichen Nacht ein Töchterchen zur Welt bringen wird.

Auch wichtig: Sie sitzen nun mal hier und nicht anderswo – womit ein Anspruch dieses Buches abgesteckt ist: Bleiben wir bei der Wahrheit, soweit sie unserer Erkenntnisfähigkeit zugänglich ist.

Angelika: „Du weißt, dass wir es nur gemeinsam schaffen konnten, das Liberale Forum zurück ins österreichische Parlament zu bringen.“

Michael: „Ich weiß vor allem, dass du wieder über das Buch reden willst.“

Angelika: „Das auch, aber ohne dich hätte ich es wirklich nicht geschafft. Ich hätte es gar nicht erst versucht. Für mich war das von Anfang an ein Projekt, das mich nur mit dir an meiner Seite interessiert hat.“

Michael: „Das hört sich ja an wie bei einem glücklich alternden Paar.“

Angelika (lacht): „Ja, ein Paar ist so ziemlich das Einzige, was wir nie waren. Aber sonst haben wir schon viel gemeinsam erlebt. Wir sollten das wirklich aufschreiben. Jetzt können wir uns noch erinnern. In ein paar Jahren müssten wir selbst recherchieren, wie das alles gelaufen ist.“

Michael trinkt von seinem Soda: „Du meinst die Zeit von unseren Anfängen beim Liberalen Forum bis zu unserer Angelobung als Abgeordnete im Parlament?“

Angelika: „Ja, und darüber hinaus – bis jetzt.”

Michael: „Aber die Reise ist ja auch jetzt noch nicht zu Ende. Und sind wir nicht noch etwas zu jung für Biografien?“

Angelika schaut über den Schlossgarten: „Klar, die Reise geht weiter. Aber wir sollten diese Etappe festhalten.“

Michael: „Aber so ein Buch schreibt sich nicht von selbst. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, ob ich dir da neben dem Parlament, meiner Firma, meinen beiden älteren Kindern und dem Baby ernsthaft helfen kann. Und ich mag nichts versprechen, was ich dann möglicherweise nicht halten kann.“

Angelika: „Freizeit hatten wir beide noch nie sehr viel. Und dieses liberale Buchprojekt wäre endlich mal wieder etwas, das wir gemeinsam anpacken. Das fehlt mir seit 2014.“

Michael: „Mir geht´s genauso. Ich hätte auch große Lust. Aber wie schreibt man zu zweit ein Buch über gemeinsame Erlebnisse? Wir haben dieses gemacht, wir haben jenes gedacht usw.? Das stelle ich mir schwierig vor. Wir gibt es nicht. Wir sind du und ich. Und außerdem rede ich nicht gerne über mich.“

Angelika: „Ich schon.“

Michael: „Du redest gerne über dich?“

Angelika (lacht): „Nein, über dich.“

Michael lächelt und schweigt.

Michael: „Wir könnten es in Interviewform machen.“

Angelika: „Ja, da gibt es spannende Bücher, aber eigentlich will ich das nicht. XY interviewt Thomas Bernhard für alle, die Thomas Bernhard sowieso anhimmeln. Uns himmelt niemand an, und du heißt nicht Thomas, sondern Michael Bernhard.“

Michael lacht, dann schweigen beide.

Angelika: „Wir würden einen entscheidenden Abschnitt des Liberalismus in Österreich ausleuchten. Einen zeitgeschichtlichen Puzzlestein auf das Feld legen.“

Michael: „Das schon, aber ist das nicht zu wenig? Das kann man auf Wikipedia auch nachlesen.“

Angelika: „Aber wir könnten die Innenansicht beisteuern.“

Michael: „Solche autobiografischen Bücher klingen oft nach Angeberei, und wir haben es ja nicht allein geschafft. Wir hatten immerhin fast 70 Mitstreiter*innen, obwohl damals nicht viele an das Liberale Forum geglaubt haben. Selbst unsere Vorgängerinnen und Vorgänger im Liberalen Forum haben uns etwas belächelt, obwohl sie uns immer mit ihrem Rat zur Seite standen.“

Angelika: „Gib dir einen Ruck. Das ist doch auch unabhängig von der Politik eine ganz und gar positive Geschichte. Ich will von unserer außergewöhnlichen Reise erzählen. Dass zwei Menschen miteinander ein schwieriges Projekt in Angriff nehmen und nur miteinander schaffen konnten.“

Michael: „Also wird das ein Buch über unsere Freundschaft?“

Angelika: „Ja, auch. Und was man gemeinsam bewegen kann.“

Michael: „Aber wie geht das als Buch? Sollen wir uns gegenseitig abwechselnd versichern, wie großartig wir uns finden?“

Angelika: „Nein, da hast du Recht. Das wäre komisch. Wir holen uns einen Dritten, der es mit uns schreibt und uns auch Bescheid gibt, wenn die Pferde mit uns durchgehen.“

Beide hängen ihren Gedanken nach. Dann fallen Namen. Es geht nicht zuletzt um Vertrauen, denn beide würden sich in dem Buch weit öffnen.

Dann sagt Angelika: „Wir holen uns Mic.“1

Die beiden sehen sich in die Augen.

Angelika: „Er war von Anfang an dabei, kennt das LIF in- und auswendig, kennt die Leute und ist Teil der liberalen Community.“

Michael: „Und er ist ein Freund, dem wir vertrauen.“

Angelika: „Und er liebt das Schreiben.“

Michael: „Okay, dann rufe ich ihn jetzt an.“

Michael holt sein Mobiltelefon aus der Tasche und schaltet auf Lautsprecher. Er und Angelika erzählen abwechselnd von ihrer Idee und ihren Überlegungen.

Mic: „Okay, das klingt interessant. Ich schreibe mal in Stichworten zusammen, was ich verstanden habe und wie man so ein Buch und den Prozess aus meiner Sicht anlegen könnte. Drei Autoren, drei übervolle Terminkalender – das wird spannend.“ (Lacht.)

Die drei beenden das Telefonat, und Angelika strahlt: „Ich habe eine große Freude.“

Michael: „Ja, das sieht man dir auch an. Ich freue mich auch.“

Angelika: „Ich liebe unser Projekt schon jetzt. High Five!“

Drei Wochen später saßen wir in Angelikas Wohnung zu dritt zusammen und besprachen ein erstes Konzept für dieses Buch.

1. KapitelLIBERALE AUF DEN ERSTEN BLICK (2008 – 2010)

Mit Michael hatte Angelika sofort ein gutes Gefühl. Sie gewann den Eindruck von einem Partner, der genauso engagiert, clever, verrückt und beseelt von der Idee war, das Liberale Forum zurück ins Parlament zu bringen, wie sie selbst. Heute sagt sie: „Zum Glück hatten wir keine Ahnung, worauf wir uns da einließen.“

Angelika und das Liberale Forum 1997

Abgesehen davon, dass Angelika LIF-Wählerin war, begann ihre Geschichte mit dem Liberalen Forum im Jahr 1997, als sie während ihres Gerichtsjahres in Klagenfurt/ Celovec ihre nächsten beruflichen Schritte überlegte und sich beim liberalen EU-Abgeordneten Friedhelm Frischenschlager2 als Praktikantin bewarb. Der Anknüpfungspunkt war die Zusammenarbeit zwischen Enotna Lista/Einheitsliste (EL)3 und dem Liberalen Forum. Ihre Bewerbung war erfolgreich, und so absolvierte sie von Mai bis Ende 1997 ein Praktikum im Büro Frischenschlager. Diese Zeit in Brüssel gab ihr zum einen die Möglichkeit herauszufinden, ob sie international arbeiten wollte, zum anderen eröffnete sich auch ein Blick auf die technische Seite der Politik.

Angelika gewann einen Eindruck, wie Parteien funktionieren. Dabei stellte sie ebenso große wie interessante Unterschiede zwischen ÖVP, SPÖ, FPÖ, den Grünen und dem Liberalen Forum fest. Kultur und Prozesse folgten dem Alter der Organisationen sowie dem Vertretungsanspruch und dem Selbstbild der Parteien ebenso wie ihrer ideologischen Grundierung und ihrem Programm.

Jedenfalls prägte diese Zeit Angelika sowohl beruflich als auch politisch. Dies vor dem Hintergrund, dass Angelika als Kärntner Slowenin aufgewachsen und politisch sozialisiert worden war. Ihre ersten politischen Erfahrungen hatte sie in der slowenischen katholischen Jugend und in der Enotna Lista/Einheitsliste im Kampf gegen die Diskriminierung der slowenischen Minderheit gemacht. Das Liberale Forum war als politischer Partner der EL für sie dann die logische Heimat für ihr weiteres politisches Engagement. Jedenfalls blieb sie auch nach ihrer Zeit als Praktikantin im Büro Frischenschlager mit dem Liberalen Forum in Kontakt und fühlte sich der Partei zugehörig.

Nach dem Ausscheiden Frischenschlagers aus dem Europäischen Parlament war Angelika als Projektassistentin und später als Projektleiterin in verschiedenen rechtlichen Bereichen für die Europäische Kommission tätig. Doch Angelika wäre nicht das Energiebündel, das sie ist, hätte sie sich nicht parallel dazu im Jahr 2005 mit einem eigenen Unternehmen, dem in Ljubljana ansässigen Kekshersteller Angelski keksi, selbstständig gemacht. Zudem arbeitete sie als Programm-Managerin für das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) in Wien.

Angelika und das Liberale Forum 2008

2006 hatte das Liberale Forum auf Einladung des SPÖ-Parteivorsitzenden Alfred Gusenbauer4 ein Wahlbündnis mit den Sozialdemokraten geschlossen. Der damalige LIF-Chef Alexander Zach kandidierte auf der Bundesliste der SPÖ an 15. Stelle und zog nach dem Sieg Gusenbauers über Bundeskanzler Wolfgang Schüssel5 als unabhängiger Abgeordneter, aber Mitglied des Parlamentsklubs der SPÖ in den österreichischen Nationalrat ein. Bereits im Herbst 2008 kam es jedoch nach Dauerzwist in der großen Koalition aus SPÖ und ÖVP zu vorzeitigen Neuwahlen.

Nachdem Zach seit 2006 immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert worden war, er hätte mit seiner Beratungsgruppe für EADS (Eurofighter) lobbyiert und politiknahe Institutionen in Ungarn finanziell unterstützt, zog dieser 2008 die Konsequenzen und trat als Nationalratsabgeordneter und Präsidiumssprecher des Liberalen Forums zurück. Daraufhin übernahm LIF-Gründerin Heide Schmidt6 noch einmal interimistisch das Ruder und kandidierte als Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl.

Das war der Moment, in dem die Politikerin in Angelika endgültig die Oberhand gewann. Der Kärntner Slowene Rudi Vouk7 kandidierte für die Enotna Lista in einem Wahlbündnis mit dem Liberalen Forum an Heide Schmidts Seite in Kärnten als Spitzenkandidat. Angelika kontaktierte die Enotna Lista und wurde eingeladen, im Wahlkampf mit anzupacken. Sie wurde Wahlkampfleiterin von Rudi Vouk und Koordinatorin zwischen EL und LIF.

Das Ergebnis der Wahl war mit 2 % der Stimmen enttäuschend, es bildete sich jedoch eine Kerngruppe, die entschlossen war, das Liberale Forum fortzuführen und bei der bevorstehenden EU-Wahl im Mai 2009 anzutreten. Das LIF wurde nun von Werner Becher8 geführt, der den Plan hatte, mit der Unterschrift der EU-Abgeordneten Karin Resetarits9 anzutreten. Diese hatte sich mit Hans-Peter Martin10 überworfen und wurde danach als Mitglied in der ELDR11 (der Europäischen Liberalen) aufgenommen.

Jedenfalls fragte Werner Becher Angelika, ob sie als Kandidatin für das Liberale Forum bei dieser EU-Wahl kandidieren würde. Mit ihrer Erfahrung aus Brüssel, Sloweniens Beitritt zur Union und dem Liberalen Forum war die Juristin zweifelsfrei eine spannende Kandidatin. Sie brachte viel von dem mit, wofür das Liberale Forum stand, und Angelika sagte zu. Wenig später war dann nicht mehr nur von einer Kandidatur, sondern von der Rolle als Spitzenkandidatin die Rede. Doch dazu sollte es nicht kommen.

Angelika und das Liberale Forum 2009

Denn Werner Bechers Plan wurde von den JuLis12 – im Jänner 2009 hervorgegangen aus dem LSF13, der Student*innen-Organisation des Liberalen Forums – unter der Führung von Allegra-Isabel Raising durchkreuzt. Karin Resetarits gab ihre Unterschrift am 20. April 2009 den JuLis, und das LIF trat in der Folge nicht zur EU-Wahl an. Die EU-Wahl endete für die JuLis mit einem Stimmenanteil von 0,7 % in einem Desaster, und das Verhältnis zwischen LIF und JuLis war zudem schwer angeschlagen.

Nachdem klar war, dass das Liberale Forum nicht zur EU-Wahl antreten würde, wollte Werner Becher die Parteiführung abgeben. Angelika wurde von etlichen Mitstreiter*innen überzeugt, für die Funktion der Bundessprecherin zu kandidieren und damit den Vorsitz zu übernehmen.14

Wenn Sie den Prolog gelesen haben, dann kennen Sie den folgenden Dialog zwischen Angelika und ihrem damaligen Lebensgefährten bereits. Angelika erzählt: „Als ich von Werner 2009 nach dem missglückten Versuch, bei der EU-Wahl anzutreten, gebeten wurde, das Liberale Forum zu übernehmen, habe ich das mit meinem damaligen Partner Stefan Vavti lange besprochen. Mein Reflex war, ich könne doch um Himmels Willen nicht das LIF übernehmen und Parteichefin werden. Er antwortete trocken: ‚Mach Dir nicht ins Hemd. Du fährst ja nicht die SPD gegen die Wand.‘ Nun, danach fiel mir die Entscheidung etwas leichter, denn er hatte mir mit dieser für ihn typischen saloppen Bemerkung etwas von der Angst vor der Verantwortung genommen.“

Am 21. Juni 2009 wurde ein neuer Vorstand mit Angelika als Bundessprecherin gewählt.

Michael und das Liberale Forum 2009/2010

Am 10. September 2009 wurde Michael durch Unterzeichnung der LIF-Charta Mitglied des Liberalen Forums in Wien.15 Er kannte niemanden in der Partei, aber es war ein erhebendes Gefühl für ihn, dort anzudocken, wo man sich für die Freiheit einsetzte. Das taten nicht viele zu der Zeit. Sein erstes Gespräch und damit seinen ersten Kontakt in der Partei hatte er dann mit dem damaligen Wiener Landessprecher Hannes Heissl an einem nasskalten Novemberabend im Wiener Café Sperl.

Angelika sah er dann zum ersten Mal bei seiner ersten Parteiveranstaltung im Wiener Hotel Park Villa im Winter 2009/10. Michael kann sich noch erinnern: Angelika war etwas spät dran, ging durch den Raum und begrüßte die Parteifreundinnen und -freunde. Dann hielt sie zu Michaels Überraschung eine Rede, in der sie sehr offen darüber Bericht erstattete, was sich in der Partei gerade tat. Michael fand das erfrischend. Hier wurde nichts schöngeredet, sondern es wurden auch Herausforderungen beim Namen genannt. Und davon gab es genug. Am besten gefiel Michael aber der bodenständige und sympathische Auftritt. Er hatte das Gefühl, dass auch er trotz fehlender politischer Erfahrung etwas beitragen könnte. Außer Hannes Heissl kannte er zwar immer noch niemanden, aber er hatte das Gefühl, dass es hier viel zu tun gab, und beschloss, aktiv anzupacken.

Ab Anfang 2010 engagierte er sich daher in der Bezirksgruppe des 18./19. Wiener Bezirks. Dabei lernte er die liberalen Urgesteine Friedhelm Frischenschlager, Volker Kier16 und Thomas Barmüller17 – alle drei Parlamentsabgeordnete des Liberalen Forums in den 1990er-Jahren – kennen. Michael fing auf Bitte Barmüllers an, die Bezirkstreffen zu protokollieren und etwas mehr zu strukturieren. Das war deshalb von Bedeutung, da Thomas Barmüller ein halbes Jahr später Angelika empfahl, sie solle sich mit dem jungen Mann treffen, der in die Bezirksgruppe Ordnung und Struktur gebracht hatte. Der sei ein Macher und Organisator und könne ihr bei der bevorstehenden Wien-Wahl zur Seite stehen.

Angelika, Michael und das Liberale Forum 2010

Und damit sind wir beim Thema: Nach der Nationalratswahl 2008 war also die nächste Wahl, bei der das Liberale Forum – ohne Geld und mit einem neuen, unerfahrenen Team – antrat, die Wiener Landtags- und Bezirksvertretungswahl im Oktober 2010.18 Thomas Barmüller hatte dieses Antreten sehr vorangetrieben. Angelika erzählt später: „Dabei hat er der Partei und mir, ohne es zu wissen, die beste ‚Waffe‘ zur Hand gegeben: Er hat mir Michael Bernhard vorgestellt.“

Kurz zuvor hatte Thomas Barmüller Michael in Aussicht gestellt, dass er halbtags und bezahlt als Parteimanager hätte angestellt werden können. Angelika traf Michael im Juni 2010 im Café Korb. Er war ihr sofort sympathisch, und sie bot ihm nach einer halben Stunde tatsächlich die Funktion des Wahlkampfleiters an – allerdings zu anderen Konditionen: Vollzeit und unbezahlt. Michael sagte für drei Monate zu, denn er befand sich zwischen zwei Telekom-Jobs.

Angelika hatte einen realistischen Blick auf die Lage, ihre Strategie war „Fahren auf Sicht“. Sie war Vorsitzende einer Partei, die von der Aura der Vergangenheit lebte, de facto aber weder Personal noch Geld besaß. Und sie selbst als Spitzenkandidatin war völlig unbekannt. Große Versprechen konnte und wollte sie nicht machen. Michael erinnert sich heute noch genau und lächelt: „Ich war am Weg ins Café Korb und schon etwas aufgeregt, weil ich ja von einem Vorstellungsgespräch in dem mir relativ unbekannten politischen Kosmos ausging.“ Und er erzählt weiter: „Ich bin dann nach dem Meeting weggegangen und habe nicht wirklich gewusst, was da gerade passiert war bzw. was kommen würde. Ich habe aber gespürt, dass ein großes Abenteuer beginnt. Wenngleich die Erfolgswahrscheinlichkeit recht überschaubar war, hat es richtig gekribbelt.“

Der Zwischenmensch

Hier sollten wir kurz innehalten und uns das genauer ansehen. Was hat die Juristin und den aufstrebenden Callcenter-Manager zusammengeführt? Warum haben sich die beiden auf diese Trapez-Übung ohne Netz eingelassen?

Damals war Michael Angestellter in der Telekom-Branche. Sein Spezialgebiet war Beschwerdemanagement bzw. Deeskalation, wenn es durch Kunden Eingaben beim Regulator (RTR) gab. Er wurde von seinem Arbeitgeber auch regelmäßig als Auskunftsperson zu Gerichtsverhandlungen geschickt, um zu erklären, warum was wie funktionierte. Vor dem Liberalen Forum hatte er mit 26 Jahren seine erste Führungsaufgabe übernommen und ein Team von 15 Mitarbeiter*innen geleitet. Manche waren doppelt so alt wie er. „Und ich schwöre, ich habe an diesem Team beinahe jeden Führungsfehler begangen, vor dem im Lehrbuch gewarnt wird. Jedenfalls habe ich dort enorm viel für meine Arbeit beim LIF und auch später bei NEOS mitgenommen“, erinnert sich Michael. „Unter anderem wasserdichte Finanzplanungen. Aber auch die Verantwortung für andere Menschen habe ich dort erstmals im professionellen Kontext gespürt.“ Jedenfalls kam Michael aus einer ganz anderen Richtung als Angelika. Was ist da im Café Korb passiert?

Okay, die Chemie dürfte gestimmt haben. Aber reichte das, um sich auf ein Projekt einzulassen, bei dem es wenig bis gar nichts zu gewinnen gab? Keine Bezahlung, keine Netzwerke, in denen man sich mit Aussicht auf Aufstieg beweisen konnte, keine Karriere-Chancen – nichts von alledem. Dennoch beschlossen zwei Menschen, sich Seite an Seite Vollzeit für das Liberale Forum einzusetzen. Die Gründe dafür waren vermutlich, wie fast alles im Leben, komplex. Aber im Zentrum dürfte die Haltung der beiden zur Freiheit gestanden haben.

Die Haltung der Kärntner Slowenin, Angehörige einer Minderheit, und des jungen Niederösterreichers, der einen Großteil seiner Kindheit im reglementierten Umfeld eines Kinderheims verbracht hatte. Diese Umgebungen hatten ihre Sensibilität für Freiheit und Gerechtigkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit so sehr entwickelt, dass Fragen der persönlichen Karriereplanung in den Hintergrund traten. Stichwort Kinderheim: Michael war zwischen seinem sechsten und dreizehnten Lebensjahr in solchen Einrichtungen untergebracht. Seine alleinerziehende Mutter musste Vollzeit arbeiten, um Michael, seinen Bruder und sich über Wasser zu halten. „In den 1990er-Jahren hieß Kinderheim Verwahrung, organisiert von Bürokraten, denen das Schicksal der Kinder überwiegend egal war“, erzählt er.

Aber er empfindet dieses Umfeld in der Nachbetrachtung als viel schlimmer als damals. Dennoch erinnert er sich genau an die Gefühle, als er miterleben musste, wie Kinder zerbrachen, wie eines Tages ein Kind aus dem fahrenden Zug gesprungen und zu Tode gekommen war. Es war für den damals etwa zehnjährigen Michael traumatisierend, dass der Junge einfach nicht mehr gekommen ist.

Als Jugendlicher, nach seiner Zeit im Heim, hatte er mit dem „System“ abgeschlossen, war ein pubertierender Punk. Nun, das mit dem Punk hat sich gegeben, aber geblieben ist die Überzeugung, dass der Mensch stets im Mittelpunkt zu stehen hat – immer und überall. Und geblieben ist auch eine tiefe Aversion gegen jedwede Form von Freiheitsbeschränkung.

Im Kern ging es Angelika und Michael also um die Freiheit, und die Wiederverankerung des Liberalismus in österreichischen Parlamenten. Ein Comeback im Auftrag der Freiheit, zu dem sie „against all odds“ beitragen wollten. Die Beiden haben mir später unabhängig voneinander erzählt, dass sie damals enorme Befriedigung und Kraft aus dem Gefühl zogen, etwas „Sinnvolles“, etwas „Wichtiges“ zu tun.

Bleiben wir bei der „Freiheit“. Ich habe Angelika und Michael im Winter 2021/22 im Rahmen unseres Buchprojektes wöchentlich getroffen und dazu einmal ganz direkt gefragt: „Politisches Engagement ja, aber was war und ist euch am Liberalismus so wichtig?“ „Selbstbestimmung, Verantwortung, Solidarität, Kreativität, individuelle Lebenskonzepte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Frauenrechte“, sprudelt es aus Angelika heraus. In weniger als drei Sekunden und in dieser Reihenfolge. Ich habe das mitgeschrieben. Sie glaube an eine Politik zum Wohle der Menschen, die auf den Prinzipien der Aufklärung basiert, ergänzte sie. Und ein wesentliches Fundament sei die Rechtsstaatlichkeit – der Glaube an das Recht, und nicht der Glaube an die Macht.

Michael hielt es mit Kant, die Einschränkungen der Freiheit in seiner Kindheit und Jugend schlugen durch: „Menschen sollen in ihrem Leben alles machen können und dürfen, soweit sie andere nicht einschränken.“ Dieser Zugang sei die Leitplanke für sein Denken und Handeln. Enger gezogene, ideologische Schablonen mag Michael nicht: „Oberflächlich betrachtet machen Schablonen das Leben zwar einfacher, aber sie behindern das Nachdenken und die freie Entfaltung.“

Er selbst habe gegen seine eigenen Schablonen immer angekämpft, sei dabei auch viele der „Hinkelsteine“, die das Leben bereithält, losgeworden. Aber damit sei man nie fertig. Es gebe keinen Zustand der Ruhe oder des Gleichgewichts, kein Endergebnis. Man müsse die Augen offenhalten und die Hindernisse erkennen, die sich immer wieder neu vor und in einem selbst aufbauen, die sich einem in den Weg stellen. Dennoch: Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit seien Pflöcke, an denen er Orientierung finde.

Die beiden sind jetzt in Fahrt. Ich greife nicht mehr mit Fragen ein. Angelikas und Michaels „Zwischenmensch“19 hat das Kommando übernommen, und Angelika greift den Begriff Gerechtigkeit auf. „Bereits in sehr jungen Jahren habe ich verstanden, dass mir als Frau und Kärntner Slowenin nur ein funktionierender Rechtsstaat den Rahmen für ein selbstbestimmtes Leben garantiert.“ In der Politik gehe es daher für sie um die Organisation einer Gesellschaft, die größtmögliche Fairness ermöglicht, und das sei für sie die liberale Demokratie, die auf den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte basiere.

Michael will etwas sagen, dreht aber ab, weil er spürt, dass Angelika ihren Gedanken noch weiterverfolgt. „Dem Gleichgewicht zwischen Kollektiv und Individualismus wird vom Liberalismus, aus meiner Sicht, am überzeugendsten gedient“, fügt Angelika nachdenklich hinzu. Dieser Rahmen ermögliche der einzelnen Person ein Maximum an individueller Lebensgestaltung in einer solidarischen Gesellschaft.

Michael lässt das sickern und holt dann das Gespräch wieder in Bodennähe: „Ich fand die Welt, in der ich aufgewachsen bin, nicht gut. Konservative, Sozialdemokraten und auch Freiheitliche waren es, die reale Probleme nicht gelöst, sondern es sich lieber bequem im Staat eingerichtet haben. Meine alleinerziehende Mutter war in Teufels Küche, hat sich Sorgen gemacht, geweint und nicht gewusst, wie sie mit ihren beiden Kindern durchkommen sollte – geschweige denn, was sie ihnen für Perspektiven für ihr Leben bieten konnte.“

Er hatte als Kind und Jugendlicher das Gefühl, dass die Allermeisten buckeln mussten und Untertanen waren. Er sah, wie seine Mutter um jeden Meter kämpfen musste, während andere zum Teil ohne eigene Leistung unglaublich privilegiert waren. Er verachtete „das System“ – war ganz und gar Auflehnung in Ablehnung. Dieses „System“ habe aus seiner Sicht auch heute noch gravierende Fehler. „Vieles ist besser geworden, aber vieles auch nicht. Alleinerziehende und deren Kinder sind auch heute noch eine der am stärksten armutsgefährdeten Gruppen der Gesellschaft.“

Angelika und Michael kommen aus unterschiedlichen Richtungen, haben aber beide eine offensichtliche intrinsische Motivation, Politik zu machen – und zwar liberale Politik.

„Politik ist für mich sinnstiftend“, sagt Angelika, und ich fühle eine Dankbarkeit und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, weil ich kostenlos eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten habe, die es mir ermöglicht, Ziele zu erreichen, die meiner Familie bis dahin unerreichbar schienen.“

Angelika wollte sich immer schon selbst in die Kraft bringen und tat dies auch. In ihrer Familie war sie die Erste mit Matura und abgeschlossenem Studium. Doch sie hatte nie die Absicht, diesen Umstand nur für sich selbst, ihren eigenen Vorteil und sozialen Aufstieg zu nutzen, sondern verspürte den Auftrag, einen Beitrag zu leisten – für ihre Volksgruppe, für ihr Land, für Europa – einen Beitrag, damit die Gesellschaft, in der sie lebte, fairer würde.

Apropos „sich selbst in die Kraft bringen“: Dieser Wille zur Selbstermächtigung war und ist eine wesentliche Eigenschaft Angelikas, und dazu gibt es eine Geschichte aus ihrer Kindheit. Als ungefähr Sechsjährige – ihr viel zu früh verstorbener Vater war damals noch am Leben – brachte sie sich selbst das Schwimmen bei. Und das lief so: In St.Philippen ob Sonnegg/Št.Lipš ob Ženeku gab es einen kleinen See in unmittelbarer Nähe des Dorfes, in dem sie aufwuchs. An diesem verbrachte sie im Sommer viel Zeit, vor allem auch mit ihrem Vater. Eine schöne Kindheitserinnerung sind die Seeüberquerungen, bei denen sie, bäuchlings auf seinem Rücken liegend, sich an seinem Hals festhielt und er mit ihr über den See schwamm. Das wollte sie selbst können und beschloss, schwimmen zu lernen. Gedacht – getan: Angelika trainierte ein paar Wochen am seichteren Ufer, wo sie stehen konnte. Sie machte die Bewegungen der Erwachsenen nach und versuchte, sich über Wasser zu halten, bis sie es konnte. Eine sehr befriedigende Erfahrung. Ihre Eltern waren jedenfalls zutiefst erstaunt, als sie ihnen eines Tages nicht nur eröffnete, dass sie jetzt schwimmen könne, sondern auch gleich den Beweis antrat.

Doch die tief empfundene Dankbarkeit für ihre Ausbildung und der Wille, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, waren nicht die einzigen Triebfedern für Angelikas politisches Engagement. Ein weiteres Motiv war auch der Zorn, wie sie selbst sagt: „Als Angehörige einer Minderheit in Österreich zu leben, war und ist kein Honigschlecken, sondern eine echte Herausforderung.“ Sie kann sich erinnern, wie es sich als kleines Mädchen anfühlte, wenn sie von anderen Kindern im Schulbus beschimpft wurde, teilweise sogar vom Fahrer. Angelika hat auch noch den Spruch „Ruck, zuck über die Karawanken“ im Ohr, den sie und ihre Freundinnen immer wieder zu hören bekamen, wenn sie miteinander oder mit ihren Eltern slowenisch sprachen.

Mit 16 Jahren hatte sie einen Sommerjob bei der Gebietskrankenkasse. An die ersten zwei Wochen erinnert sie sich gern zurück. Mit manchen Kolleg*innen aus dieser Gruppe hat sie heute noch Kontakt. Nach zwei Wochen kam sie jedoch in eine andere Gruppe. Nachdem sie erzählt hatte, dass sie ins slowenische Gymnasium ging, fing das Mobbing an. Die erste Frage war, ob sie überhaupt Deutsch spreche, was offensichtlich war. Und dann verging kein Tag ohne rassistische und/oder sexistische Untergriffe. „Hör einfach nicht hin, war ein gut gemeinter Rat“. Aber das lag nicht in Angelikas Naturell. „Ich glaube, es gibt drei Arten, mit solchen Situationen umzugehen. Man kann sich anpassen bzw. unterordnen, man kann weglaufen oder man kann sich wehren“, sagt Angelika. Aber auch vom Umgang der Republik mit der slowenischen Volksgruppe war Angelika enttäuscht – und wird heute noch wütend: „Wir waren und sind als Minderheit Assimilierung und richtiger Repression ausgesetzt und werden immer noch als Menschen zweiter Klasse behandelt.“ Und da sie nicht an einem Stockholm-Syndrom leide, wehre sie sich mit aller Kraft gegen diese Ungerechtigkeit.

Im Kern ging es Angelika und Michael um Politik, die sich gegen Gewalt stellt und Freiheit ermöglicht. Niemand habe das Recht, andere zu unterdrücken, eine Mehrheit gegen die Minderheit aufzuhetzen, seine Macht (beispielsweise in einem Kinderheim) auszunutzen, um Ungerechtigkeit und Druck aufzubauen. Daher wollten sie für eine Politik eintreten, die genau dagegen auftritt, und ihre Plattform war das Liberale Forum. Das LIF war für Michael das Versprechen, dass es auch anders geht. Und da entstand in ihm die Lust, dazu beizutragen, dass dieses Versprechen wahr wird.

Seit wir uns kennen, war dies jedenfalls eine der spannendsten Zusammenkünfte mit Angelika und Michael, und ich habe bemerkt, wie wenig man die Menschen kennt, auch wenn man über fast ein Jahrzehnt zusammenarbeitete und befreundet war. Da waren plötzlich Dinge zu spüren, die mich haben erahnen lassen, warum diese beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten sich im Café Korb als „Liberale auf den ersten Blick“ erkannten.

2. KapitelEIN TEAM FINDET SICH (2010)

Es heißt: Ein gutes Team ist immer mehr als die Summe der Stärken seiner Mitglieder. Und es heißt auch: Aus Niederlagen gehen wir gestärkt hervor. So gesehen waren Angelika und Michael Ende 2010 enorm gestärkt und in der Folge ein ziemlich gutes Team.

Angelika erinnert sich an ein Schlüsselerlebnis mit Michael im Sommer 2010. Michael war zu der Zeit mit seiner ersten Frau verheiratet, hatte eine kleine Tochter, und sie erwarteten ihr zweites Kind. Sein Plan war es, drei Monate Politik und Wahlkampf zu machen, währenddessen den bereits ausgehandelten Vertrag mit seinem neuen Arbeitgeber zu unterschreiben und dann in die Telekom-Branche zurückzukehren.

Am Vorabend seiner Vertragsunterzeichnung mit dem neuen Arbeitgeber kam zufällig Heide Schmidt ins Büro in der Faulmanngasse, das sie dem Liberalen Forum für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt hatte. Es kam zu einem längeren Gespräch zwischen ihr und Michael. Für den nächsten Morgen hatte er formelle Kleidung wegen seiner Vertragsunterzeichnung angekündigt. Angelika fiel auf, dass er aber überraschend leger gekleidet ins Büro kam. Der ganze Vormittag wurde in Meetings verbracht, ein ruhiges Gespräch zwischen den beiden war nicht möglich. Als Angelika und Michael dann endlich in der Küche des Büros allein waren, eröffnete er ihr, dass er am Vorabend eine Entscheidung getroffen hatte. Er wollte nicht nur den Wien-Wahlkampf bis zum Schluss weiterführen, sondern auch danach beim Aufbau des Liberalen Forums mithelfen. Den Vertrag mit dem Telekom-Unternehmen hatte er nicht unterschrieben.

Angelika sagt heute: „Diesen Moment werde ich nie vergessen, denn ohne diese Entscheidung wäre nichts, was danach geschah, möglich gewesen.“ Michael erzählt, dass das Gespräch mit Heide Schmidt gar nicht der entscheidende Punkt war. Angelika habe das zwar immer geglaubt, doch der wahre Grund sei ein anderer gewesen. „Aber Heide hatte schon einen erheblichen Anteil“, räumt er ein. „Für mich war sie ab diesem Moment auf emotionaler Ebene meine politische Mutter, so wie später Hans Peter Haselsteiner20 mein politischer Vater und Angelika meine manchmal temperamentvolle, aber immer großartige große politische Schwester war.“ Er lacht.

Er war an dem Tag vom 18. Bezirk über die Salieri-Gasse zur Straßenbahn gegangen und dachte nach dem Gespräch mit Heide Schmidt über seine Rolle im Liberalen Forum nach. Ja, es gab kein Geld für die Tätigkeit und weder Ruhm noch Ehre, noch nicht einmal breite Anerkennung. Aber da war ein starkes Gefühl: „Ich hatte noch nie etwas getan, das für mich so viel Sinn ergeben könnte, wenn es gelang. Okay, vielleicht wirtschaftlicher Selbstmord mit Anlauf, aber auf der anderen Seite möglicherweise wahres Glück.“ Seine damalige Frau riet ihm jedenfalls, er solle seinem Herzen folgen. Daraufhin schloss er sich mit seiner Mutter kurz, ob sie ihn im Fall der Fälle unterstützen könne – vor allem die zweijährige Tochter und den ungeborenen Sohn, falls alles schiefginge. Dafür borgte sie sich selbst bei der Bank Geld aus, so stark war der Zusammenhalt. „Jedenfalls war ich verliebt in die Situation und voller Tatendrang, etwas Wichtiges zu tun, wofür du keine zweite Chance bekommst“, erzählt er.

Wien-Wahl 2010