Im Bann der Pharaonin II - Volker Groh - E-Book

Im Bann der Pharaonin II E-Book

Volker Groh

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Beschreibung

Senenmut muss mit ansehen, wie seine Geliebte Hatschepsut von Thutmoses III zum Selbstmord gezwungen wird. Er bittet die Götter, ihn in seine Zeit zurückzubringen. Dort findet er eine völlig veränderte Situation vor. Peter Wegner ist nun Inspektor der Altertümerverwaltung. Er möchte sein Wissen über die 18. Dynastie zu Geld machen, vertraut sich seinem aufgeschlossenen Vorgesetzten an und findet zum Beweis seiner Zeitreise das unentdeckte Grab von Thutmoses II. Damit tritt er eine Lawine der Gewalt los. Selbst seine Tochter Merit-Amun, wie er durch die Zeit gereist, fällt fast einem Mordanschlag zum Opfer. Schatzjäger, islamistische Fundamentalisten und sogar die Polizei wollen von ihm Wissen um Schätze oder sein Leben. Zu allem Überfluss lernt er auch noch bei einer Ausgrabung die taffe und schöne Dokumentaristin Tujanna kennen und lieben. Als seine Frau Haifa bestialisch zu Tode gefoltert wird, holt Peter zum Gegenschlag aus. Peter und seine Tochter Merit-Amun wünschen sich nichts sehnlicher, als in ihre Heimat Kemet zurückzukehren. Es gelingt. Doch anders als gedacht. Auch hier muss er sich eine neue Existenz aufbauen. Ein Leben ohne Hatschepsut und voller Gefahren. Oder ist sie gar doch noch am Leben? Thutmoses III lässt ihn zunächst auspeitschen und schickt ihn auf eine heikle Mission nach Nubien. Bei seiner Rückkehr ernennt er ihn wieder zum Obersten Wesir. Damit zieht er sich den Zorn der alten Wesire und der Priester des Amuntempels in Karnak zu, die ihn für den Steigbügelhalter der damals gegen die Maat regierenden Hatschepsut halten. Zwischen Thutmoses und ihm entwickelt sich inzwischen eine Hassliebe. Doch auch echte Liebe ist mit im Spiel. Er nimmt die ehemalige Sklavin Tuja zur Frau und kurz darauf eröffnet ihm der Pharao, dass seine totgeglaubte Frau Nofret im Harem von Fajum lebt. Auch hier erlebt er wieder eine faustdicke Überraschung! Teil 2 der spannenden Geschichte um Senenmut und Hatschepsut, Liebe, Mord und Intrigen.

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EPUB
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Seitenzahl: 533

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Volker Groh

Im Bann der Pharaonin II

Rückkehr

© 2020 Volker Groh

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-19742-8

Hardcover:

978-3-347-19743-5

e-Book:

978-3-347-19744-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1. Kapitel

Der Abgrund schien so bodenlos, wie die Schwärze nicht schwärzer sein konnte. Ich fiel und fiel, ohnmächtig dagegen zu kämpfen. Endlich erkannte ich einen hellen Punkt, der sich vergrößerte und zu einer schmerzenden Helligkeit wurde. Die Sklaven vom Steinbuch begannen in meinem Kopf ihre Arbeit. Der Schmerz hämmerte gegen meine Schädelwände im Rhythmus meines Pulses. Doch irgendwann gewöhnt sich jeder Körper an Schmerzen und ich öffnete vorsichtig meine Augen. Ich befand mich in einer schlichten Grabkammer. Schmucklose, weißgetünchte Wände umgaben mich. Sterne explodierten vor meinen Augen und meine gestresste Psyche gaukelte mir nebulöse Gestalten vor. Nofret schwebte auf mich zu, abgelöst von Hatschepsut und Merit-Amun. Plötzlich beugte sich ein erschreckend reales Gesicht über mich und küsste meinen Mund. Die Lippenberührung schmeckte salzig nach Tränen.

»Naila«, flüsterte ich. »Warum bist du plötzlich so alt?«

Naila begann zu weinen und ihre Tränen tropften auf meinen Oberkörper. Sie drehte sich verzweifelt zu einer Gestalt, die soeben meine Grabkammer betreten hatte.

»Doktor! Hat er den Verstand verloren?«

»Beruhigen Sie sich bitte. Wir müssen ihn weiter beobachten. Die Infusion brachte seinen Körper zunächst auf Vordermann und durch die Dehydration ist es möglich, dass er temporär wirr redet. Seine Psyche kann jedoch nur Allah retten. Ich gebe zu, dass mir sein Zustand ein Rätsel ist und ich momentan keine Erklärung liefern kann.«

Der Kerl legte mir eine Manschette um den Arm und pumpte sie auf.

Naila reichte mir einen Kelch, um meinen Durst zu stillen. Die beiden unterhielten sich in einer Sprache die ich zwar verstand, deren Klang jedoch nichts in Kemet zu suchen hatte. Langsam setzte ein Begreifen bei mir ein. Ich war zurück in einer Welt, an die ich jahrelang sehnsüchtig dachte, in der ich aber nun nicht mehr sein mochte. Ich musste zurück, Hatschepsut retten und mich um Merit kümmern. Meinetwegen würde ich beide heiraten, auch wenn Merit mein eigen Fleisch und Blut war. Und meine Gattin Nofret verdiente ein würdiges Begräbnis in einem Sarkophag, mindestens so schön wie der von Amanitore!

Und die Frau mit dem besorgten Gesicht an meiner Seite war nicht Naila, sondern trug den Namen Haifa!

»Haifa! Sag mir wer ich bin.«

Ich merkte an ihrer Reaktion, dass ich sie automatisch in Ägyptisch angesprochen hatte. Deshalb formulierte ich die Frage noch einmal in Arabisch. Einer Sprache, welche ich vor meiner Reise nur sehr ungenügend sprach, die mir aber nun flüssig über die Lippen ging.

Haifa sah sich wieder hilfesuchend nach dem Doktor um. Der nickte ihr aufmunternd zu.

»Du bist Dr. Peter Wegner, Inspektor der Antikenverwaltung, verantwortlicher Leiter für Luxor bis Assuan. Und nebenbei mein Mann seit 4 Jahren.«

Ich schloss meine Augen und überdachte ihre Worte. Irgendwie hatte ich es plötzlich in das oberste Gremium der zweiten Macht im Staate Ägypten geschafft. War ein hohes Tier und besaß einen Doktortitel. Augenblicklich fühlte ich Angst. Die gleiche Angst, die mich damals in Kemet fast um den Verstand brachte. Ich erwachte hier in einer völlig neuen Situation und konnte davon ausgehen, dass nichts mehr war wie ich es kannte. Warum musste immer alles so kompliziert werden?

»Du bist schön, Haifa. So, wie ich dich all die Jahre in Erinnerung hatte.«

Nun brach es aus ihr heraus! Haifa schmiss sich an meinen Hals und heulte los.

»Was geschah mit dir in diesem verfluchten Tempel, Peter? Bitte beruhige mich. Sag mir, dass du mich liebst!«

Ich schob sie von mir weg und fragte:

»Wie sehe ich aus? Bin ich anders als vor meinem Verschwinden? Vielleicht älter? Erzähle du mir, was geschah.«

Haifa wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, schnäuzte sich und nahm meine Hand.

»Es war vor sieben Tagen. Nachdem du die Ausgrabungen besichtigt hattest, wolltest du noch einmal nach dem seltsamen Tempel sehen. Du hast ja einen Narren an ihm gefressen. Vier Tage bliebst du verschwunden. Die Polizei ging schon von einem Mord oder einer Entführung durch Terroristen aus. Vor drei Tagen ging ich selbst noch einmal in den kleinen Tempel und fand dich bewusstlos vor dem Altar liegen. Nur mit einem Lendenschurz bekleidet, glatzköpfig und ein großes, goldenes Anch-Zeichen um den Hals. Ich fürchtete um dein Leben.«

»Bin ich nicht auch älter geworden? Viel älter als vor meinem Verschwinden?«

»Nein, du nicht! Aber ich, aus Sorge um dich.«

Wieder warf sie sich auf mich.

»Wir müssen reden, Haifa. Aber nicht hier. Lass uns zu deinem Hotel gehen.«

»Was für ein Hotel?«

»In dem ich eingecheckt habe und dir und deinem Mann Mehmet gehört.«

»Ich bin mit dir verheiratet und besitze kein Hotel! Was soll der Scheiss? Du machst mir ja Angst.«

„Das verlauste Hotel mit Namen „Sobek“. Die billigste Absteige in ganz Oberägypten!“, erinnerte ich sie lauter als nötig.

„Aber wir leben zusammen in einem schönen Haus, Peter.“

Haifa begann wieder zu weinen. Ich zog sie zu mir und küsste sie.

»Geliebte Haifa. Das ist umso schöner. Wir wollten in meinem anderen Leben sowieso heiraten. Bitte hilf mir, mich zurechtzufinden. Du wirst alles verstehen, aber es benötigt Zeit! Gewähre mir bitte diese Zeit!«

Sie nickte und der Arzt reichte ihr ein Tuch, um die Tränen zu trocknen. Die schwarzhaarige Schönheit schnäuzte sich wie ein Elefant.

Auf meine Frage nach der Entlassung antwortete der Arzt, dass ich noch etwas Ruhe vertragen könnte und ich solle noch eine Nacht im Krankenhaus zur Überwachung verbringen. Mir war es fast schon recht. So hatte ich Zeit, meine neue Situation zu überdenken. Aber ich musste mir über Merit Gewissheit verschaffen. Ich fragte ihn, ob nach mir noch ein Mädchen im Alter von 13 Jahren aufgenommen wurde. Nein, antwortete der, sonst wüsste er davon.

Ich ließ mir ein gekühltes Bier bringen und verschränkte nachdenklich die Arme hinter dem Kopf.

Die Klimaanlage summte leise vor sich hin und sorgte für ein ausgewogenes Klima. Meine Augen begannen zu schmerzen vom künstlichen Licht an der Decke. Nun war ich also wieder hier! Lange, lange Jahre richtete sich all mein Sehnen und Trachten auf diesen Augenblick. Meine Lider zu öffnen, in eine Leuchtstoffröhre zu blicken und trockene, temperierte Luft zu atmen. Ein kühles Bier trinken, möglichst aus Deutschland, Fußball verfolgen und auch einen Porno reinziehen. All das war wieder möglich. Und trotzdem gefiel mir die Aussicht nicht! Unbemerkt hatte sich Kemet in mein Herz geschlichen und aus mir wurde ein Mensch der Antike. Über zwanzig Jahre verbrachte ich in der Bronzezeit. Liebte und litt, lachte und weinte. Nofret erschien vor meinem geistigen Auge. Eine gütige Frau, die sich nie in den Vordergrund drängte, die zwar äußerlich ihrer Schwester Hatschepsut ähnelte, aber doch im Wesen eher ihrer Mutter Ahmose glich. Und dann war da noch Hatschepsut, die stolze Pharaonin. Ich sah sie lachend im Streitwagen durch die Wüste streifen und erhaben mit Krummstab, Wedel und Zeremonialbart auf dem Thron sitzen. Nofret starb und meine geliebte Hathi sah ich weinend mit dem Giftkelch in der Hand im Thronsaal stehen. Keinen Finger rührte ich für sie in ihrem schwersten Moment. Warum auch? Meine Mission war beendet. Ich ließ sie einfach so in ihrem Leid stehen! Und meine Tochter? Merit-Amun irrte sicher in Waset herum und ich konnte nur hoffen, dass Hapuseneb sich ihrer annahm. Sie war mir nicht gefolgt. Warum auch immer? Ich verriet alle, die mir nahestanden und kehrte zurück in eine Welt, die mir fremd wurde. Zu einer Frau, für die ich nichts mehr empfand. Noch lag ich in meinem Bett und schon spürte ich die Veränderungen. Ob meine Zeitreise die Ursache war, sei dahingestellt. Was hatte sich noch geändert? Angst überkam mich plötzlich. Haifa würde mich für verrückt halten, wenn ich ihr mein Verschwinden erklärte. Vier Tage vermisste man mich, ganze 96 Stunden. Während dieser kurzen Zeit lebte ich sage und schreibe 288 Monate ein anderes Leben in einer anderen Zeit!

2. Kapitel

Haifa führte mich zu einem schwarzen Benz. Staunend umschlich ich das Fahrzeug, strich sanft über den Lack und hinterließ dabei eine eine Spur im Staub.

»Gehört das Teil etwa uns? Sind wir denn so reich?«

»Es ist dein Wagen! Dazu noch einen Jeep für den Job und mein VW. Fahren wir nach Hause, dann reden wir in Ruhe über deinen Zustand.«

Wir fuhren also vom Luxor General Hospital auf der Corniche Richtung Süden und hielten vor einem weitläufigen, von Hecken eingezäunten Grundstück. Haifa meinte, wir wären zu Hause und betraten das Grundstück. Automatisch suchte ich nach den Statuen von Hathor und Amun-Re, links und rechts vom Weg.

»Unglaublich, Haifa! Einfach unglaublich! Genau hier verbrachte ich glückliche Jahre mit meiner Frau Nofret. Schau! Da oben stand der Königspalast. Zufälle gibt es!«

Haifa hielt mich für verrückt und schwieg. Ich konnte es ihr nicht einmal verdenken. Sie führte mich in die Villa. Die Zimmer waren althergebracht um ein Atrium mit einem Springbrunnen gebaut. Maurische Stuckornamente verzierten Wände und Pfeiler. Vom ursprünglichen Haus stand nach 3500 Jahren natürlich nichts mehr. Volle Bücheregale an den Wänden ließen den Wissenschaftler im Haus vermuten. Haifa ließ mich meine neue alte Wohnung verständnisvoll checken. Inzwischen brachte sie eine Kanne Tee. Ich verlangte nach einem Bier, gut gekühlt. Genüsslich zog ich dieses Lebenselixier in mich und rülpste laut. Haifa beobachtete mich schweigend.

»Kommen wir zur Sache, Peter. Du bist ein anderer als vor deinem Verschwinden. Fast ein Fremder. Wenn du aber nicht der wärst, den ich liebe, würde mein Herz es mir sagen. Also erkläre dich! Und was hat es mit diesem Mädchen auf sich?«

Sie brachte mich wieder auf den Boden der Realität. Meine Gedanken gingen zu Merit-Amun. Warum hatte sie den Übergang nicht geschafft? Das war wider die Maat.

»Glaubst du an die Macht der alten Götter, Haifa?«

Ein solcher Beginn des Gesprächs überraschte sie. Das sah ich ihr an. Aber irgendwie musste ich beginnen.

»Ja, warum nicht? Zuviel Seltsames geschieht in Ägypten.«

»Du wirst mich für verrückt halten, aber ich werde versuchen dir meine Geschichte zu erzählen und deren Wahrheitsgehalt zu beweisen. Ich erzähle es dir erst einmal grob, denn meine Erlebnisse sind so unglaublich, dass ich für die ganze Geschichte mehrere Tage benötigen werde. Höre mir einfach zu, bitte.“

Ich ließ ihre Zeit für eine Reaktion. Dein krankes Geschwätz interessiert mich nicht, oder etwas Ähnliches. Haifa saß aber einfach nur mir gegenüber, die Arme unter den Brüsten verschränkt, und zweifelte. Ich sah es deutlich an ihrem Gesichtsausdruck. Na schön, dachte ich, soll sie es bekommen!

„Ich hielt mich 24 Jahre im alten Ägypten unter dem Namen Senenmut auf. Genauer gesagt, in der 18. Dynastie unter Pharao Hatschepsut. Das Mädchen Merit-Amun war meine Tochter, geboren von Hatschepsut. Eigentlich hätte sie den Zeitsprung schaffen müssen. Doch wenn sie nicht in der Klinik war …«

Haifa zeigte mit keiner Regung ihre Gefühle. Sie erhob sich einfach und brachte mir noch ein Bier.

»Vieles spricht dafür. Deine seltsame Aufmachung und die plötzliche Glatze und das große, goldene Symbol um deinen Hals. Und du sprachst nach Altägyptisch klingend. Trotzdem redest du wirr, das musst du zugeben. Wir sollten einen Psychologen zu Rate ziehen. Es war nur ein Traum, Peter! Aber gut! Zeige mir dieses Mädchen und ich werde dir danach weiterhin zuhören. Wenn nicht, bringe ich dich zu einem uns bekannten Psychiater.«

Nun war es an mir, ein dummes Gesicht zu machen. Haifa begann anscheinend, mir Glauben zu schenken. Oder sie handelte nach der alten Weisheit, dass man Verrückte nicht reizen, sondern auf ihren Spleen eingehen sollte. Doch woher sollte ich Merit jetzt nehmen? Das fragte ich auch Haifa. Die griff schweigend und noch immer zweifelnd nach einem Ding, dass ich nach langem Überlegen als Handy identifizierte. Mir wurde alles Selbstverständliche in dieser Zeit fremd.

Schließlich legte sie verblüfft das Teil zur Seite.

»Im Luxor Medical Center wurde vor zwei Tagen ein Kind in diesem Alter eingeliefert«, sagte sie mit großen Augen. Warum nur kam ich nicht selbst drauf? Es gab ja nicht nur ein Krankenhaus in Luxor und genau in dieses wurde meine Kleine damals eingeliefert!

Im Wagen blickte mich Haifa ernst an, ehe sie startete.

»Eigentlich gehörst du austherapiert. Peter, wenn das Mädchen auch nur ein Wort Arabisch spricht … Wenn ich dir glauben soll, müsste sie nur Ägyptisch reden.«

»Ich danke dir, Haifa, für dein Vertrauen. Wie ich hörte, sind wir jetzt verheiratet. Und ich finde es gut so.«

Die Frau schlug sich an die Stirn, verdrehte ihre schwarzen Augen und fuhr kopfschüttelnd los.

Das Krankenhaus erschien mir so, wie ich es in Erinnerung hatte. Die Wartezeit hielt sich in einem für solche Gebäude angemessenen Rahmen. Haifa sprach kein Wort mit mir. Dafür prägte sie sich Namen von potentiellen Psychologen für mich ein. Endlich stürmte ein junger Arzt mit fliegendem Kittel auf uns zu.

»Ms. Wegner. Schön, sie kennenzulernen. Sie sind eine bezaubernde Frau.«

Er gab ihr einen Handkuss und widmete sich meiner Person.

»Mr. Wegner! Es ist mir eine Ehre, eine solch bedeutende Person endlich persönlich begrüßen zu dürfen.«

Mir reichte er nur die Hand.

»Bitte folgen Sie mir in mein Zimmer.«

Er nahm würdevoll hinter seinem Schreibtisch Platz, nahm eine Akte vom Stapel und öffnete sie.

»Sie kamen also, um sich das unbekannte Mädchen anzusehen. Um es vorweg zu sagen: Die Kleine ist mir ein Rätsel. Man brachte sie völlig dehydriert und apathisch hier an. Sie redete in einer unverständlichen Sprache. Sie nennt sich Merit. Merit-Amun, um genauer zu sein. Ein bekanntes Wort hörten wir aber immer wieder heraus: Senenmut!«

Der Doktor beschloss erst einmal zu schweigen und in der Krankenakte zu blättern. Haifa blickte mich durchdringend an. Es arbeitete in ihr, denn der schmierige Kerl bestätigte bis hierhin meine Angaben.

»Was gibt es noch zu sagen? Das Kind trug einen Hauch von Stoff am Leib. Sie hat durchaus schon weibliche Attribute vorzuweisen und kann sich so nicht auf die Straße trauen.«

Wieder schwieg er und ich konnte mir seine schmutzige Fantasie lebhaft vorstellen.

»Und sie trägt zwei goldene Armreifen, deren Materialwert schon ein Vermögen darstellt.«

»Diese Armreifen. Besitzt sie sie noch?«

Ich wusste nicht, warum ich diese Frage stellte, aber ich handelte mir damit eine Rüge ein.

»Bei aller Wertschätzung, Inspektor! Wir mögen in einem Land leben, in dem traditionell viel gestohlen wird. Bei mir gibt es das jedoch nicht! Ich verbiete mir jegliche derartige Unterstellung.«

Auch Haifa warf mir vorwurfsvolle Blicke zu. Selbstverständlich entschuldigte ich mich wortreich. Nun aber wollte ich endlich meine Tochter in die Arme schließen.

»Gut: Folgen sie mir bitte. Das Mädchen liegt im Zimmer …«

»666«, fiel ich ihm ins Wort.

»Woher weißt du das?«, fragte Haifa erstaunt.

»Es ist Teil meiner Geschichte«, antwortete ich.

Eine Treppe hoch, den Gang rechts hinter, dann standen wir vor der Tür. Mein Herz klopfte bis zum Hals, da ich Merit dahinter wusste. Sie musste es einfach sein! Der Doktor fragte noch kurz nach dem eigentlichen Grund unseres Besuchs, dann öffnete er die hölzerne Tür.

Das Mädchen hockte auf einer Bank an der gegenüberliegenden Seite und umschloss mit den Armen ihre angezogenen Beine. Sie wippte mit dem Oberkörper vor und zurück, wie es psychisch Kranke oft zu tun pflegen und summte ein Lied vor sich hin. Apathisch und abwesend reagierte sie nicht auf unser Erscheinen, sondern hielt die tiefliegenden Augen geschlossen. Wirr hingen ihre schwarzen, strähnigen Haare über die schmalen Schultern. Sie trug ein OP – Hemd. Ihr psychischer Zustand musste verheerend sein. Was hatte die Kleine durchmachen müssen? Mein Blick ging zu Haifa, die sich die Hand vor dem Mund hielt. Erschrocken von dem Bild des Jammers das sich bot, erwiderte sie meinen Blick.

»Merit«, flüsterte ich. »Merit, mein Mädchen!«

Merit hob langsam ihren Kopf, sah mich an und ein Beben und Zittern durchlief ihren Körper. Sie rannte auf mich zu, umarmte und küsste mich.

»Vater, Vater, endlich bist du gekommen. Es war alles so furchtbar. Seth selbst muss die Macht ergriffen haben. Doch nun wird alles gut.«

Sie weinte hemmungslos vor Freude. Ich machte ihr begreiflich, dass ich sie wohl mitnehmen würde. Vorher aber musste ich mit ihr reden. Ich konnte sie nicht einfach ins Auto setzen und nach Hause fahren. Deshalb bat ich den Arzt um einen Gesprächsraum und Haifa um ihre Anwesenheit.

Merit hatte stark an Gewicht verloren. Abgemagert und mit schweißnassen Haaren gab sie ein Bild des Jammers ab. Zunächst sprach ich mit Haifa.

»Ich möchte dir meine Tochter Merit-Amun vorstellen. Sie ist das leibliche Kind von Hatschepsut. Ihre Ziehmutter, meine Frau Nofret, brachten Krieger von Thutmoses III. vor ihren Augen um. Sie hat nur noch mich und die letzten Stunden in Kemet waren für sie apokalyptisch. Ich wünsche, dass du ihre neue Mutter und Freundin wirst.«

Haifa griff mir fest an den Oberarm und wollte etwas sagen, ihre Zweifel an meinem Verstand äußern. Lange blickte sie mir in die Augen, während ihr Mund lautlose Worte formte. Schließlich nahm sie neben Merit Platz, strich ihr übers Haar und betrachtete die Armreifen. »Hatschepsut« las sie auf dem einen, »Nofret« und »Senenmut« auf dem anderen. Eines war gewiss: Ich musste Haifa ebenso viel Zeit geben wie Merit. Sollte sie mir glauben, brach auch für sie eine Welt zusammen. Haifa redete nun auf Merit ein und stellte sich vor. Die machte nur ein dummes Gesicht. Dann nannte sie Merit ein kleines Miststück und Schlampe, um auch nur ein kleines Wort auf Arabisch oder vielleicht Englisch oder irgendeine nonverbale Reaktion aus ihr heraus zu kitzeln. Merit reagierte nicht. Sie fragte mich nur, was diese seltsame Dienerin von ihr wolle und sie sollte endlich still sein, sonst würde sie noch heute Anubis gegenübertreten. Ich lachte laut auf. Haifa raufte sich nun ihre vollen schwarzen Haare, die sie von Naila erbte.

»Was geschieht hier? Bin ich vielleicht verrückt? Oder ist deine Mär doch wahr? Das Kind spricht wirklich eine Sprache, die dem Altägyptisch ähnelt. Eine, die auch du zu sprechen vermagst.«

Ich nahm sie in meine Arme.

»Alles ist wahr! Den alten Göttern gefiel es, mich in eine andere Zeit zu versetzen. Ausführlich werde ich dir davon berichten. Doch vorher musst du Freundschaft mit Merit schließen. Rede mit ihr. Ich werde übersetzen. Natürlich nur, wenn du möchtest.«

Haifa streichelte nun Merit wieder und der tat es sichtlich gut.

»Ich grüße dich, kleine Merit. Magst du mit uns nach Hause fahren und mir von dir erzählen?«

Sie nickte nur mit nassen Augen.

»Ich muss zuvor noch mit dir reden, Kleines. Wir werden jetzt diesen Ort der Heilkundigen verlassen und in eine Sänfte steigen. Du bist nun in meiner Welt und alles wird dir wunderlich erscheinen. So wie mir damals. Du musst sehr tapfer sein, dich aber nicht ängstigen. Haifa ist meine neue Frau und deine neue Mutter. Bist du bereit, sie anzunehmen?«

Ich übersetzte schnell für Haifa. Sie sollte kein Misstrauen aufbauen.

»Vater! Ich bin nicht dumm und sah das Licht ohne Feuer und die Wagen ohne Ochsen. Ich bleibe gern bei euch, denn mich hält es nicht in einem Land, das Mutter und Tante Hatschepsut tötete. Ich hasse Thutmoses. Deine neue Frau gefällt mir und ich werde sie Mutter nennen, wenn du mir versprichst, mich zu deiner Nebenfrau zu machen. Und nun führe mich bitte in dein neues Heim und lass uns ein neues Leben beginnen.«

Haifa lächelte gerührt, als ich übersetzte.

Dem Arzt sagte ich, dass Merit-Amun meine außereheliche Tochter wäre, deren Mutter vor längerer Zeit gestorben sei. Er gab sich damit zufrieden, froh, das leidige Problem los zu sein. Haifa rannte zu einem Shop und kaufte schnell noch ein entsprechendes Outfit für ihre neue Tochter.

Merit zitterte vor Angst, als wir vor die Tür traten. Autos hupten, ein Panzerspähwagen mit martialisch aussehenden Soldaten obenauf dröhnte vorüber, ein Flugzeug setzte zur Landung an. Eine Frau in einer schwarzen Burka gab dem Mädchen, das Frauen in luftiger, durchsichtiger Kleidung gewöhnt war, fast den Rest. Sie musste ihr wie eine Ausgeburt von Seth vorkommen.

»Vater, hilf mir!«, flehte die Kleine an mich geklammert. Nun überraschte mich Haifa positiv. Sie nahm Merit an ihre Brust und sprach beschwichtigend auf sie ein. Auch wenn sie ihre Worte nicht verstand, spürte sie doch die echte Sorge dieser für sie fremden Frau und wurde sofort ruhiger. Merit nahm den ersten zaghaften Versuch mütterlicher Zuneigung durch Haifa gern an. Ich sah es als einen vielversprechenden Anfang.

Nach vielen Mühen und gutem Zureden saß das Mädchen endlich in der blechernen Sänfte namens »Mercedes«.

Plötzlich überkam Merit ein leichter Schwindel und ich reichte ihr eilends Wasser. Kurze Zeit nur, dann ging es ihr wieder gut.

Haifa startete den Wagen und begann mehr mit sich selbst zu reden. Auch für sie stellte diese Situation eine ungeheure Belastung dar. Sollte sie mir nun glauben oder eher nicht? Vieles sprach dagegen, manches dafür. Bei Merit obsiegte die Neugier über ihre Angst. Als Deir el Bahari in der Ferne zu sehen war, lächelte die Kleine das erste Mal. Nach der ersten Kreuzung beugte sich Merit zu mir und flüsterte in mein Ohr:

»Vater! Ich kann die Frau verstehen und ich glaube auch diese seltsame Sprache zu sprechen.«

Oh, ihr Götter! Habt Dank, dass ihr dem Mädchen das Leben in dieser neuen Welt erleichtert.

»Dann sprich mit ihr. Nur zu!«

Merit beugte sich nach vorn und sagte in bestem Arabisch:

»Ich freue mich, dass Senenmut wieder eine gute Frau gefunden hat. Bitte sei immer lieb zu mir.«

Die Reifen quietschten, die Fahrzeuge hinter uns hupten. Haifa krampfte ihre Finger um das Lenkrad.

»Was spielt ihr für ein grausames Spiel mit mir? Aus heiterem Himmel spricht die Kleine Arabisch? Warum tut ihr das? Und sie nennt dich Senenmut! Wer bist du wirklich?«

Ich erklärte ihr die Sache mit dem plötzlichen Sprachverständnis bei mir wie auch bei Merit und bat Haifa, bei einem Glas Bier darüber sprechen zu dürfen. Die schlug ihre Stirn 3 Mal auf das Lenkrad, schüttelte ihren Kopf und fuhr weiter.

Merit freute sich diebisch, als wir anhielten. Vergessen war ihre Tortur während der Fahrt.

»Das ist ja unser Anwesen, Vater. Da oben steht der Palast.«

Triumphierend suchte ich den Blickkontakt mit Haifa, während Merit ihre Ängste vergaß, unser Haus einen Palast nannte und besitznehmend untersuchte. Unentwegt schnatterte sie und fragte schließlich nach unseren Sklaven. Kinder oder junge Erwachsene kamen mit Umwälzungen und grundlegenden Änderungen ihrer Umwelt von jeher besser klar. Auf dem Weg zur Frau brach immer wieder das Kind bei ihr durch. Umso schlimmer, dass sie in diesem Alter früher schon verheiratet wurden. Man bestimmte einfach, dass sie von nun an eine Frau zu sein hätten und nahm den Kindern einen großen Teil ihrer Entwicklung. Ich hieß sie schließlich, sich zu uns zu setzen. Ein Glas Bier würde mir guttun und Merit sicher auch. Haifa empörte sich:

»Du gibst dem Kind Bier? Ich verbiete dir, dem Mädchen Alkohol zu reichen!«

»Nun mach mal halblang!«, antwortete ich. »Ein Glas …«

»Nicht eines! Und nun genug damit. Beginnen wir mit eurer Geschichte von vorn. Merit-Amun! Wer ist dieser Mann an deiner Seite?«

Die Angesprochene wusste nicht recht, was sie antworten sollte. Dann obsiegte die junge Herrin in ihr. Merit richtete ihren Oberkörper auf, blickte Haifa streng an und antwortete:

»Dieser Herr neben mir ist der Oberste Wesir der beiden Länder Binse und Biene Senenmut, Oberster Baumeister, Vorsteher der Felder, Haushofmeister des Palastes, Vermögensverwalter der Gottesgemahlin Hatschepsut, Vorsteher der beiden Goldhäuser, Aufseher der Bauten in Djeser djeseru und noch viele Titel mehr. Vertrauter und Geliebter von Pharao Hatschepsut, Gemahl meiner Mutter Nofret und mein Vater! Und dir, Weib, würde es gut anstehen, wenn du ihm den Respekt entgegenbringen würdest, den er verdient!«

Haifa war baff! Sie wagte einen neuen Versuch, Merit zu überlisten. Aus einem Nebenraum brachte sie eine vergilbte Rolle.

»Merit! Du behauptest, Tochter eines Wesirs zu sein, und wenn du aus dieser Zeit stammst, gingst du sicher zu einem Lehrmeister und lerntest Lesen und Schreiben. Ließ mir bitte diesen Papyrus vor.«

»Denkst du, ich bin einfältig. Viele Schwemmen ging ich in die Tempelschule des Amun-Re. Zeig her!«

Vorsichtig rollte Merit den Papyrus auf.

Sie überflog die Hieroglyphen und meinte erstaunt:

»Der ist ja von Tante Hatschepsut an dich, Vater.«

Dann las sie flüssig und ohne Stocken die Zeilen vor, welche Hatschepsut mir zusammen mit dem Sarg der Amanitore schickte. Ich reichte den Papyrus damals Nofret, die ihn scheinbar des Aufhebens wert befand. Doch wo kam der nach so langer Zeit her?

»Wer war diese Prinzessin, Vater? War es die, die dir das Leben rettete?«

»Du sprachst nicht altägyptisch! Es klang ähnlich, doch nicht nach der Sprache der Pharaonen«, mischte sich Haifa dazwischen.

»Aber Haifa! Du musst dich von dem engstirnigen Denken der profilierten Ägyptologen verabschieden. Die machen ständig aus Vermutungen alleingültiges Wissen und stellen die abenteuerlichsten Behauptungen auf, ohne Beweise zu haben. Ich versichere dir, dass Merit Hieratisch sehr gut und richtig gelesen hat.«

Haifa wollte entrüstet aufbrausen, hielt sich aber zurück und sagte nur:

»Ich selbst werde gerühmt ob meines Wissens um Hieroglyphen. Doch räume ich Fehler ein.«

Ich fragte, wo man dieses Schriftstück fand.

»Das weißt du doch genau. Du bist hier der Experte und stellst dich dumm! Die Rolle lag im KV20, neben der Mumie der Hatschepsut. Wie nicht anders zu erwarten war das Grab geplündert.«

»Zunächst einmal muss ich dir sagen, dass ich nichts mehr weiß! Ich bin als neuer Mensch zurückgekehrt, kenne hier niemanden und beginne von vorn. Ich bitte dich um deine Hilfe und Beistand. Auch dein Leben wird sich ändern, glaube mir. Ich denke, du liebst mich. Und nun höre ich nur Zweifel und Vorwürfe. Keinen Kuss, keine Zärtlichkeit, keine Liebe! Ich brauche hier eine Person, auf die ich mich verlassen kann. Wenn du es sein willst, verspreche ich dir Ruhm. Du musst dich damit abfinden, dass ich mich 24 Jahre in Kemet bei Hatschepsut herumtrieb. Ich sah die Grausamkeiten einer antiken Zeit und ich erlebte die glücklichsten Stunden meines Lebens. Das prägt! Doch immer dachte ich an dich. Nun komme ich zurück und sehe mich einer Frau gegenüber, die an allem zweifelt und dabei Liebe heuchelt. Ich räume ein, dass ich bisher Verschwörungstheoretiker für harmlose Spinner hielt und Erich von Däniken zwar stimmige Antworten auf viele Rätsel der Geschichte gab, diese aber ins Reich der Fantasie schob. Nun musste ich am eigenen Leib erfahren, dass es mehr gibt als das bornierte Wissen der heutigen Zeit. Ich frage dich zum letzten Mal: Glaubst du mir und vor allem, unterstützt du mich? Wir zwei, nein, wir drei werden die Geschichte umkrempeln.«

Meine Frau erhob sich und nahm auf meinen Beinen wieder Platz. Nach einem dicken Schmatz lächelte sie auch Merit zu.

»Ich möchte euch doch gerne glauben«, sagte sie kleinlaut. »Und ich beginne zu glauben. Zuviel Unerklärliches spielte sich schon in Ägypten ab. Und auch um den verfluchten Tempel ranken sich viele Geschichten. Und sicher erzählst du mir von deiner Geliebten Hatschepsut. Alles möchte ich erfahren.«

»Ich hatte noch mehr Geliebte, weißt du?«

Das Eis schien gebrochen und ich nahm mir vor, ein Buch über meine Erlebnisse zu schreiben. Zunächst jedoch, wollte ich diese Nacht mit Haifa verbringen. Da stand aber Merit vor. Sie weigerte sich schlicht, in einer fremden Zeit allein zu schlafen. Haifa sah es ein und gab sich geschlagen. Ich wollte also mit meiner Tochter schlafen und dabei kam es zum Eklat. Merit weigerte sich vehement, den ihr gereichten Pyjama von Haifa zu tragen! Selbige meinte, auch sie würde nackt schlafen, doch wenn die Tochter neben dem eigenen Vater schliefe, läge die Sache anders. Das Kind zeige schon deutliche Attribute einer Frau und dem sollten wir Rechnung tragen. Ich wies Haifa darauf hin, dass dort, wo wir herkamen, andere Moralvorstellungen herrschten. Man schäme sich seines Körpers nicht und schließlich hätte ich schon viele Nächte mit meiner Tochter verbracht. Keinesfalls aber zogen die Menschen in Kemet solche Gewänder über. Ich fügte noch hinzu, dass wir im Ehebett schliefen und uns nicht ins Gehege kommen würden. Haifa nannte uns abartig und verschwand im Gästezimmer.

»Vater! Warum ist dein neues Weib so böse? Ist es wegen mir?«, fragte Merit mit kindlicher Stimme.

»Haifa ist nicht böse auf dich. Im Gegenteil. Sie wird dir eine gute Mutter sein. Auch für sie war es ein schlechter Tag. Sie verlor den Mann, den sie kannte und liebte und gewann eine Tochter. In dieser Zeit gibt es so etwas nicht, dass ein Vater mit seiner fast erwachsenen Tochter das Bett teilt. Auch wenn wir keine Liebe machen, ist es nicht akzeptabel in dieser Gesellschaft. Wir müssen uns hier einrichten, du musst dich an die Zwänge dieser Zeit gewöhnen. Das kannst du, denn du bist schon fast eine Frau.«

»Ich bin eine Frau!«

Das kleine Miststück ließ das schlabbrige Kleid nach unten gleiten und da wir noch keine Wäsche für sie kaufen konnten, stand sie nackt wie die Sünde vor mir. Ich setzte mich auf das Bett und bewunderte meine eigene Tochter. Sie wurde Hatschepsut immer ähnlicher. Langes schwarzes Haar, kleine hochstehende Brüste, die sich noch entwickeln würden und einen runden knackigen Hintern. Ihre Scham bedeckte ein weicher Flaum. Die Schambehaarung wuchs nach. In Kemet wären solche Haare undenklich. Wieder entwickelte ich Gefühle, die mir verboten waren. Und Merit legte es darauf an. Natürlich! Sie trug in sich die Gene großer Pharaonen, ihre Ausbildung zielte darauf ab, so schnell als möglich nach dem 13. Geburtstag einen Ehemann zu finden. Und die Mädchen in Kemet fanden es nur natürlich. Merit wusste, dass Hatschepsut von mir verlangte, sie zur Frau zu nehmen, sobald sie das Alter hatte. Nun war sie nach altägyptischen Verhältnissen heiratsfähig und sie wollte mich. Dazu kam, dass ich ihr einziger Bezugspunkt in dieser neuen Epoche war. Erschwerend kam hinzu, dass auch mich das Verlangen überwältigte, diesen schmalen, verführerischen Körper in meine Arme zu schließen.

»Leg dich hin und bedecke dich!«, forderte ich ärgerlich über mich selbst. Dem Mädchen konnte ich keine Schuld geben.

»Ich werde mich in dieser Wärme nicht bedecken!«, antwortete sie trotzig und räkelte sich lasziv auf einem Teil des Doppelbettes. Ich zog mich bis auf den Slip aus und legte mich neben sie.

»Ja, du bist eine Frau, Merit«, flüsterte ich. »Und ich liebe dich. Nicht wie ein Vater seine Tochter, sondern wie ein Mann eine Frau liebt. Und doch darf es nicht sein. Nicht in dieser Zeit! Es ist verboten! Und heiraten darf man erst nach 18 Schwemmen des Iteru und nicht mit 13. Verstehst du mich?«

Merit streichelte mich mit ihren kleinen Händen.

»Sag mir, weiser Vater, Wesir der beiden Länder Senenmut, Herr über Leben und Tod. Warum ist es nicht erlaubt, dass zwei Menschen, die sich lieben, zusammen sein können? Du erzähltest mir viel von deiner Zeit. Über die Freiheit des Menschen ohne Sklaverei. Doch die einfachsten Dinge sind bei euch verboten. Ich ängstige mich vor dem neuen Tag, vor diesem mir fremd gewordenen Land, in welchem man nicht lieben darf und sich nachts bedecken muss. Ich sah die Frauen, die man nicht als Frauen erkannte, weil sie bekleidet waren wie die wilden Hethiter. Sie schämen sich ihrer Körper. Wo ist deine Freiheit, wenn zwei sich Liebenden vorgeschrieben wird, wann sie sich lieben und wen sie begehren dürfen? Gehen wir zurück nach Kemet. Wirf dich Thutmoses vor die Füße und bitte um Gnade. Dann nimm mich zur Frau. Ich brauche dich sosehr, denn ich weiß um die Unmöglichkeit einer Rückkehr. Du liebst mich, ich liebe dich. Ich fühle ein Verlangen in meinem Schoss nach dir, wenn ich in deiner Nähe bin. Und wie ich sehe, geht es dir ähnlich. Nimm mir bitte meine Ängste für diese Nacht und gib mir Zärtlichkeit. Auch für die weiteren Nächte bitte ich dich. Mache mich zur Frau! Du bist wieder jung und schön geworden. Deine Haifa muss es ja nicht erfahren. Tun wir es heimlich, Vater und Geliebter. Ich möchte deinen Samen in mir aufnehmen und dir einen Erben schenken.«

Längst strichen ihre Fingerspitzen über meinen Bauch hin zu der Erhebung zwischen meinen Beinen.

Ihre Liebeserklärung machte mich schwach, ihre Berührungen willenlos. Spitze, erregte Warzen drückten gegen meinen Oberkörper, ihre feuchte Scham hinterließ Kühle auf meinem Oberschenkel. Ich genoss das Gefühl ihrer Finger auf meinem Körper. Meine Härte schmerzte verlangend nach Erlösung. Ja, verdammt! Ich wollte in sie eindringen, sie vorsichtig nehmen und uns beide vom Druck befreien! Und doch musste ich es beenden!

»Merit! Lass das!«

Ich wandte ihr abrupt den Rücken zu und hörte schließlich das Schluchzen der Kindfrau, meiner eigenen Tochter. Lange dachte ich über unser Verhältnis nach. Es wurde immer komplizierter. Noch so ein Abend und ich konnte für nichts mehr garantieren. Bis zu diesem Zeitpunkt hielt ich alle für pervers, die ihre eigene Tochter vögelten. Jetzt reifte in mir ein anderes Verständnis für solche Leute. Wenngleich meine Liebe zu Merit andere Ursachen hatte. Und ich zweifelte keinen Augenblick, dass ich Merit in Kemet genommen hätte.

Früher rümpfte auch ich die Nase. Wie konnte ein Pharao seine eigene Schwester schwängern, der Sohn die Mutter und ein anderer Pharao die eigene Tochter? Was sagte es über eine Gesellschaft aus, in welcher Kinder mit 13 verheiratet wurden? Die wissen noch gar nicht, was sie tun! Merit wusste es sehr wohl! Sie umgarnte mich wie eine reife Frau, sprach weise und überzeugend und setzte ihren kindlichen Körper gezielt ein. Meine Tochter fühlte sich bewusst als Frau und nicht mehr als Kind und wollte niemand anderen als mich. Nun würde sie sich noch enger an mich klammern, in dieser unbekannten Welt ohne Freunde. Oh, Amun, hilf!

3. Kapitel

Mein Schlaf war unruhig und kurz. Neben mir lag Merit in ihrer ganzen Pracht. In der Schwüle der Nacht hatte sie die Decke zurück gestrampelt. Sie lag auf dem Rücken, die Hände neben dem Kopf wie ein Kleinkind. Einmal nur die samtweiche Haut ihrer Brüste berühren, dachte ich, da klopfte es. Herein trat Haifa.

»Ihr solltet euch was schämen! Deine Tochter liegt nackt neben dir und du hast eine Erektion!«

Merit erwachte mit einem grunzenden Laut und bedeckte sich züchtig. Kleinlaut und mit einem schlechten Gewissen erhob ich mich.

Am Frühstückstisch wunderte sich die Kleine über das seltsame Essen, schlug aber kräftig zu.

»Ich habe nachgedacht, Peter«, begann Haifa die morgendliche Konversation. »Und ich glaube euch die Zeitreise. Was bedeutet das aber nun für uns? Wenn du 24 Jahre in der 18. Dynastie weiltest, könntest du der führende Ägyptologe unseres Jahrhunderts, ach was sage ich, aller Zeiten werden! Welche Pläne hast du? Was soll aus dem Mädchen werden? Es gibt so viel zu bedenken, Peter.«

Ich überlegte, während ich genüsslich ein hartes Brötchen verzehrte. Irgendjemand in meinem Inneren riet mir, mich auf meinen Job zu konzentrieren und nach der Ausgrabung jenseits des Ramesseums zu sehen. Langsam traten die Erinnerungen an mein neues Leben in den Vordergrund und verdrängten den Dozenten aus Deutschland. Auf ein Leben als Inspektor der Altertümerverwaltung hatte ich keine Lust. Wiederholt versprach ich Hathi, ihr hier ein Denkmal zu errichten. Die große Hatschepsut gab es nicht mehr, aber die kleine Hatschepsut saß neben mir und gemahnte mich mit ihrer bloßen Gegenwart, mein Versprechen in die Tat umzusetzen. Und warum sollte ich mein Wissen nicht nutzen? Doch was nutzte mir mein Wissen, wenn man mir nicht glaubte? Ich brauchte vertrauenswürdige Leute.

»Haifa! Sieh mir meine Vergesslichkeit nach und beantworte bitte meine Fragen. Wie ist dein aktueller Status? Nein, unser Status hier innerhalb der Antikenverwaltung und ganz Ägyptens?«

Haifa legte ihr angebissenes Croissant zur Seite und betrachtete lächelnd Merit, die sich mit Leckereien vollstopfte.

»Deine Frage beweist, dass du wirklich abwesend warst. Du selbst bist die Lichtgestalt der Antikenverwaltung. Die Wissenschaftler achten und die Grabräuber fürchten dich. Alle sehen in dir den nächsten Chef, falls Farouk demnächst das Handtuch wirft oder von der Stange kippt. Was mich betrifft, so bin ich als deine rechte Hand und führende Expertin für alte Sprachen bekannt. Wir lernten uns damals im Deutschen Archäologischen Institut kennen und lieben. Du liebst mich doch noch, oder?«

»Du verdankst es meiner Liebe zu dir, dass es dich überhaupt gibt. Ein anderes Mal erzähle ich dir davon.«

»Das beantwortet aber nicht meine Frage. Liebst du mich?«

»Ist heute nicht schönes Wetter, Merit?«

»Liebst du mich!« Haifa war aufgesprungen und ging mir an den Hals. Ich nahm sie hoch und trug sie in das Schlafzimmer. Oh, ja! Und wie ich sie liebte.

Nachdem die Mädchen vom Shoppen zurückgekehrt waren, eröffnete ich ihnen meinen Plan. Zuvor bewunderte ich den neu eingekleideten Teenager Merit. Sie trug ein legeres zitronengelbes Shirt und natürlich hautenge Jeans. Ihre brustlangen schwarzen Haare flossen über ihre Schultern und betonten das schmale Gesicht.

Zunächst musste ich nach Kairo, meinen Job kündigen. In Zukunft sollte mir mein Wissen Geld einbringen. Merit bat ich, Haifa ihre Sprache zu lehren. Damit sollte meine Frau ihre Doktorarbeit schreiben und würde Champollion wie einen dummen Jungen aussehen lassen. Wie ich die Öffentlichkeit von meiner Zeitreise überzeugen sollte, stand noch in den Sternen.

Haifa schüttelte wieder nur mit dem Kopf und nannte mich einen verrückten Hund.

Über das Schicksal von Merit wollte ich mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken machen. Nur Papiere musste sie haben. Doch das stellte in einem Land der Korruption das geringste Problem dar.

Zwei Tage später überraschte mich Merit damit, dass sie ohne Zögern in den stählernen Vogel stieg und sich wie ein Kind freute, als das Land unter ihr hinweg zog.

In Kairo erwartete uns schon ein Wagen mit Fahrer. Die Stadt selbst brachte alte Ängste in Merit hervor. Der Wahnsinn besaß in dieser Metropole Methode und nicht wenige Experten prophezeiten ihr den baldigen tödlichen Kollaps. Ständiges Hupen, sechs Autos nebeneinander auf einer dreispurigen Straße, dazwischen Eselkarren und Fußgänger. Sirenengeheule, Gestank und eine giftschwangere, heiß - schwüle Luft setzten selbst Einheimischen zu. Ein Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene mühte sich vergeblich um ein Durchkommen. »Cairo is crazy«, stellte unser Fahrer lapidar fest.

Merit klammerte sich zitternd an mich. Nach einer Weile hielt die Göre es wahrscheinlich für diplomatisch besser und drängte sich an Haifa. Die nahm sie lächelnd in ihre Arme und redete ihr gut zu. Ich sah diese aufkommende Zutraulichkeit gern, wollte ich doch dem Mädchen keine Hinterfötzigkeiten unterstellen.

Am Tahrir Platz ließ ich halten. Mein Ziel war das Ägyptische Museum, um mich zu vergewissern, ob tatsächlich Hatschepsut ausgestellt war. Und wenn ja, musste ich sie dort herausholen. Meine Geliebte sollte nicht täglich den Blicken tausender Menschen ausgesetzt bleiben. Ehrensache! Einen vagen Plan mit vielen Unbekannten hatte ich schon.

Zuvor jedoch nahm ich Merit an die Hand und führte sie durch die Metrounterführung zu einem McDonald´s. Solcherart Verköstigung liebte ich nie, doch war es im Moment die schnellste und einfachste Lösung unseres Durstproblems. Merit widmete sich schnell einer ihr unbekannten Speise namens Eis und verlangte sofort das Nächste. Jugendliche Kerle musterten sie unverhohlen und stießen sich an. Merit beachtete sie jedoch nicht. Haifa weckte dagegen das Interesse etwas älterer Männer. Ich trank meine Cola und rülpste vornehm in die hohle Hand, als mir einfiel, dass ich kein Bargeld bei mir trug. Meine Frau winkte ab. So etwas hätte sie sich gedacht und genügend eingesteckt. Dann kämpften wir uns durch die Massen zurück zum Museum. Am Ticketschalter stellte ich mich an.

»Möchtest du der Verkäuferin einen guten Tag wünschen, oder was?«, fuhr mich Haifa an.

»Sollten wir nicht Eintrittskarten kaufen?«, fragte ich sie verwundert.

Die lachte gellend auf.

»Du bist Dr. Wegner! Ein Wort von dir und das Museum wird für die Öffentlichkeit geschlossen! Bei Allah, du bist ein mächtiger Mann.«

»Ach, ich verstehe! Deshalb hast du mich geheiratet! Und ich Narr dachte, es wäre Liebe im Spiel.«

Haifa schlug mir auf den Hinterkopf.

»Dein neues Weib hat recht, Vater. Du bist Senenmut, Wesir der beiden Länder. Wer dürfte dir schon den Zutritt verwehren?«

»Da stimme ich dem Kind zu«, meinte darauf Haifa. »Du verkörperst das, was einem Wesir am nächsten kommt.«

Merit ballte ihre Fäuste.

»Ich bin kein Kind mehr, Unwürdige! Das solltest du dir merken!«

Mir war nicht recht wohl bei dem Gedanken an eine solche Macht. Die konnte einem nützen, aber auch schnell auf die Füße fallen.

»Womit habe ich das überhaupt verdient? Antworte mir, Haifa!«

»Ein anderes Mal. Gehen wir hinein. Wiederum solltest du deine Geliebte Hatschepsut in Erinnerung behalten, wie sie war und nicht als vertrockneten Leichnam.«

Mir lag die Antwort auf der Zunge, dass sich Hathi lebend an meiner Seite befand. Doch ich hielt den Zeitpunkt für noch nicht gekommen. Das Mädchen glaubte noch immer an die Mutterschaft Nofrets.

Merit lief voraus in Richtung Eingang des imposanten Gebäudes. Aufrecht und stolz wiegte sie sich in den Hüften. Sie besaß die Gene großer Pharaonen und besonders die einer großen Frau. Schön, stolz und anmutig. Ich erkannte den typischen Gang der Hatschepsut. Nicht anerzogen oder geübt wie bei den Models dieser Zeit. Nein, diesem Mädchen war es in die Wiege gelegt, wie einst ihrer Mutter.

Das fiel auch Haifa auf.

»Deine Tochter ist eine Schönheit, Peter. Aber das weißt du ja selbst am besten.«

»War das ein Vorwurf?«

»Nein, eine Feststellung«, antwortete sie süffisant.

Merit setzte sich auf einen Sims, um auf uns zu warten. Aufrecht, stolz, alles im rechten Winkel. So beobachtete sie das gottlose Treiben der Touristen auf dem Vorplatz.

»Sie sie dir an, Haifa. Nun stelle sie dir wenige Jahre älter vor, mit einer ausladenden Perücke und die Augen von Kohol gerahmt. Auf der Brust ein schweres Pektoral aus Gold, Türkisen und Lapislazuli. Ihr Blick eiskalt, voller Verachtung für die Welt. So und nicht anders lernte ich Hatschepsut kennen und Merit ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.

Nun ein anderes Bild!

Stell sie dir in den Bergen Nubiens vor. Sie trägt eine goldene Rüstung, welche über und über vom Blut der Feinde besudelt ist. Ihr schmaler Körper zittert vor Erschöpfung, denn sie kämpfte mitten unter ihren Kriegern und brachte durch ihr Erscheinen erst den Sieg. Die schlachterprobten Generäle Paser und Sethi, die viele Kämpfe für Thutmoses I. ausfochten, liegen im Staub vor ihr und huldigen der göttlichen Majestät. Sie tun dies aus Ehrfurcht und ehrlicher Bewunderung. Hatschepsut lässt nach einem Schluck Wein 3000 Gefangene hinrichten, verbietet aber die Schändung ihrer Frauen. Wenige Tage später weint sie um ein Kind, dessen Eltern die Kuschiten töteten.

Die gleiche junge Frau donnerte schrill lachend im Streitwagen durch die Wüste, ohne Zwänge, nur um ihre Jugend auszutoben. Sie liegt in meinen Armen und lässt mich an ihren Ängsten und Sorgen teilhaben. Sie schnurrt im Bett wie eine Katze und kuschelt sich schutzsuchend wie ein kleines Kind an mich.

Und nun betrachte wieder Merit-Amun! Sie wird ihrer Mutter immer ähnlicher, ist Feuer und Wasser, Gott und Teufel zugleich.«

»Ich verstehe, was du mir zu sagen versuchst,« meinte Haifa. »Das Wesen und die Schönheit einer großen und facettenreichen Frau faszinierten dich und in deiner Tochter manifestiert sie sich aufs Neue. Ich hätte diesen Pharao gern kennengelernt. Aber gesteh mir etwas Eifersucht zu. Ja, ich bin eifersüchtig auf dieses Kind! Mach, dass ich es nicht sein muss! Ich beschwöre dich, Peter.«

»Wir leben im 21. Jahrhundert. Selbst wenn ich Merit wollte, könnte ich nicht. Nein, Liebes! Es ist die Liebe zu Hatschepsut, für mich erst seit wenigen Tagen beendet, die mich für meine Tochter einnimmt. Dich liebe ich noch immer, keine Angst.«

Am Eingang salutierten die Männer der Touristenpolizei vor mir, während mich die Angestellten des Museums freudig begrüßten. Einer rief nach hinten:

»Kommt alle her! Dr. Wegner und seine Frau beehren uns wieder einmal.«

Ein freundliches Wort gab das andere, jeder wollte mit Handschlag begrüßt werden. Dann bat ich um meine Ruhe. Merit stolzierte in die Halle und fühlte sich sofort heimisch. All die Statuen, Sarkophage und andere Ausstellungstücke versetzten sie in die Heimat Kemet. Während ich die Stufen zur 2. Ebene emporstieg, dachte ich nach. Wenn Hatschepsut tatsächlich hier ausgestellt war, so brach Thutmoses sein Wort. Er tötete sie und legte sie im Tal der Könige zur Ruhe. Nun, ich würde es gleich sehen. Mich plagte nur die Frage, wo man eigentlich meine Frau Nofret verscharrt hatte. Nicht einen Gedanken verschwendete ich damals für ein angemessenes Grab. Einfach unverzeihlich!

Der bunkerartige Raum mit den sterblichen Überresten verblichener Pharaonen war viel besucht.

Merit schlug die Hand vor den Mund bei diesem Anblick. Tränen rollten über ihre Wangen, ob dieses Frevels. Als wir vor dem Kasten mit der Mumie Hatschepsuts standen, riss sie sich zusammen. Lange blickte ich die schwarz – braune Gestalt an.

»Nun, Peter. Ist das deine Geliebte?«

»Ich weiß nicht recht … sie könnte es sein. Eine Ähnlichkeit ist vorhanden. Was sagst du, Merit?«

»Wir können es leicht nachprüfen, Vater.«

»Ja, du hast recht.«

Der Wesir war nicht so leicht aus mir herauszubekommen.

»Diener! Umgehend entfernst du das Volk aus diesem Raum und reichst mir den Schlüssel zu diesem Kasten«, befahl ich einem Aufseher. Haifa fügte hinzu, dass auch die Alarmanlage und die Klimaautomatik deaktiviert werden müssen.

Kurze Zeit später hielt ich den Schlüssel in den Händen und öffnete den Glaskasten.

»Wie würdest du bei einer Identifizierung vorgehen, Merit? Sage uns, ob vor uns deine Tante liegt.«

»Das ist einfach, Vater. Dem Gesicht nach würde ich den Gelehrten zustimmen. Um eine Verwechslung auszuschließen, müssen wir nach besonderen Merkmalen suchen.«

Ohne Zögern oder Ehrfurcht hob sie mit spitzen Fingern ein Stück Leinen von dem linken Oberschenkel der Mumie empor.

»Das ist nicht Tante Hatschepsut!«, stellte sie entschieden fest.

Haifa blickte die Kleine ungläubig an.

»Ach! Und woraus schließt du das, du Koryphäe der Ägyptologie? Hatte deine Tante dort etwa ein Tattoo? Howard Carter fand sie in ihrem eigenen Grab, zusammen mit wenigen Beigaben. Die Mumie verschwand für lange Jahre in den Gewölben unter dem Museum und wurde erst kürzlich wiederentdeckt. Man identifizierte sie eindeutig als Hatschepsut! Unsere Genanalysen bestätigten es. Sie wurde durch einen Schlag auf den Hinterkopf getötet, wie der zertrümmerte Schädel beweist.«

Merit straffte ihren Körper.

»Weib! Ich weiß nicht, was dieser Carter fand und wie eure Spinner von Gelehrten irgendwas analysierten. Das ist NICHT Hatschepsut!«

»Du dummes Kind! Was nimmst du dir heraus! Vielleicht kanntest du sie, als sie noch lebte. Aber jetzt sieht sie völlig anders aus.«

Haifa wollte sich nicht von einem Kind belehren lassen. Sie studierte Ägyptologie, wie mir mein neues Gedächtnis in Erinnerung rief, und war demzufolge kein Laie. Merit wiederum spürte, dass Haifa sie als unwissende Minderjährige behandelte und sie sah sich nach dem Verständnis ihrer Zeit durchaus als ernstzunehmende Erwachsene. Noch dazu wusste sie es wirklich besser. Ein Kräftemessen also, auf dem Rücken einer Leiche.

»Hört auf mit eurem Streit! Bedenkt, wo ihr euch befindet. Euch umgeben große Herrscher.«

Ich wartete, bis sie sich beruhigten. Währenddessen bemächtigte sich mir ein eigenartiges Gefühl. Freude, Trauer und Empörung wechselten einander ab.

»Das ist nicht Hatschepsut! Ich werde es dir beweisen, Haifa.«

Nun griff ich nach dem Stofffetzen und hob ihn hoch.

»Sie her, liebe Frau! Hier, an genau dieser Stelle müsste eine lange Narbe zu sehen sein. In der Schlacht vor Meketi hieb ihr ein Mitanni sein Schwert bis auf den Knochen in den Schenkel. Halb tot und geschwächt vom Blutverlust kam sie in Men-Nefer an. Hatschepsut konnte manchmal ein Dickkopf sein. Sie wies Ärzte ab und ließ sich von Tuja die Wunde versorgen. Zurück blieb eine dicke Narbe, die zumindest ansatzweise zu sehen sein müsste. Und genau das überprüfte Merit. So dumm ist sie nicht.«

»Nun gut«, sagte Haifa kleinlaut. »Entschuldige bitte, Merit. Aber wer zum Teufel ist Tuja? Muss man die kennen?«

Ich lachte auf.

»Tuja war eine Hyksos. Eine Lustsklavin im Alter von Merit. Mutter Ahmose schenkte sie mir und ich rettete sie vor ihren tyrannischen Herren.«

»Vater ehrte sie mit einem Kind«, fügte Merit hinzu.

»Du machtest einer 13jährigen ein Kind? Oh Allah!«

»Tuja war schon 15, glaube ich. Und es war nicht ihr Kind, sondern das von Mutter Ahmose und mir. Sie adoptierte Nofrubiti nur, als Ahmose bei der Geburt starb.«

Nun war wieder meine Tochter an der Reihe, sich zu entsetzen.

»Nofrubiti war das Kind von Ahmose? Ich kannte ja nur die Legenden um ihre Person. Aber war sie nicht eine alte Frau? Und warum wusste ich nichts davon?«

Der Stab ging nun an Haifa zurück.

»Diese Nofrubiti war dein Kind? Aber die Geschichtsschreibung nennt Thutmoses I. als Vater.«

»Ich war zwar Senenmut, Oberster Wesir, aber kein Gott! Und Ahmose durfte nur göttlichen Samen empfangen. Deshalb Thutmoses als Vater. Doch nun genug! Ich habe andere Sorgen. Hatschepsut liegt sicher noch in ihrem geheimen Grab. Vor uns, in dieser unwürdigen Umgebung, liegt meine Frau Nofret!«

Merit ahnte es sicher. Nun, da ich es aussprach, brach sie zusammen.

»Mutter! Bei Amun, wie konnten sie dir das antun?«

Haifa wollte etwas sagen, doch mit einer Handbewegung gebot ich ihr zu schweigen.

»Ich werde dir alles erklären. Nur nicht jetzt und nicht hier. Fest steht, dass ich meine Frau nicht als Jahrmarktsattraktion hier liegen lassen werde!«

Schweigend verließen wir den Raum wieder. Merit verlangte noch ein Eis, ich gönnte mir einen kühlen Cocktail. Jeder verarbeitete die letzte Stunde für sich.

Wir betraten das Vorzimmer von Prof. Dr. Farouk Rashid, seines Zeichens Vorsitzender der Obersten Antikenverwaltung und, wie ich glaubte und Haifa mir versicherte, ein alter Freund. Hinter einem modernen Schreibtisch mit Computer lächelte mir eine brünette Schöne entgegen.

»Ach, wie schön. Dr. Wegner und seine reizende Frau. Ich hoffe, ihnen geht es wieder gut?«

»Ja, ich fühle mich wohl, schöne Frau. Ich möchte um eine Audienz beim Chef bitten.«

»Aber Herr Doktor. Sie benötigen doch keinen Termin. Jederzeit ist der Professor für sie zu sprechen.«

Ich setzte das reizendste Lächeln auf, dass ich mir abringen konnte.

»Wenn das so ist, dann bitte ich eben Sie um eine private Audienz bei Ihnen.«

Die Hübsche durchschaute mich und spielte mit.

»Ja, warum nicht? Sehr gerne. Heute Abend würde es mir passen. So gegen 18 Uhr?«

Haifa sprang an. Jedoch nicht so, wie ich es mir dachte. Sie stützte sich mit ihren Fäusten auf den Tisch und herrschte die Sekretärin an:

»Für wen halten Sie sich eigentlich? Zeigen Sie gefälligst etwas Respekt! Sie flirten mit Senenmut, Oberster Wesir der beiden Länder, Geliebter von Pharao Hatschepsut und den Göttern. Jedenfalls hält er sich dafür.«

Die Kleine machte ein dummes Gesicht.

»Stimmt das, Herr Doktor?«

»Meine Frau spricht die Wahrheit. Dr. Wegner ist nur mein Pseudonym«, antwortete ich ernst.

Sie fühlte sich verarscht, griff zum Telefon und kündigte mich an.

Der Mann besaß eine autoritäre Ausstrahlung. In edlem Zwirn und mit Halbglatze gab er den Prototyp eines Menschen mit Macht ab. Er zählte sicher über 60 Jahre und blickte auf lange Erfahrung zurück. Ich durchforstete mein Hirn nach Erinnerungen. Farouk war ein Freund zu Freunden, aber energisch und resolut. Zu seinen Freunden zählte er auch Minister und Staatsmänner unterschiedlicher Nationen. Das wiederum nutzte er gnadenlos aus. Wer nicht mitspielte, den machte er kaputt. Nicht öffentlich, sondern langsam wie schleichendes Gift. Er verkörperte die Macht, die ich brauchte. Nun musste ich ihm nur noch meine Story glaubhaft unterjubeln.

»Merit! Was auch immer ich jetzt sage, du hältst den Mund«, flüsterte ich.

Nach den üblichen Floskeln und Schulterklopfen unter alten Freunden setzte er sich wieder auf seinen Thron hinter dem neobarocken Schreibtisch.

»Also Peter, ich machte mir ernsthafte Sorgen, als ich von deinem tagelangen Verschwinden hörte. Es gibt Gerüchte und Vermutungen. Sag du mir, was geschah!«

Ich verschränkte meine Arme und ging auf Konfrontation. Alles Herumgerede machte hier keinen Sinn.

»Während dieser Tage hielt ich mich 24 Jahre in der 18. Dynastie auf. Ich diente als Oberster Wesir unter Pharao Hatschepsut!«

Farouk zeigte keinerlei Emotionen. Er lachte nicht auf oder griff sich verzweifelt an den Kopf – nichts. Er blickte mich nur durchdringend an.

»24 Jahre sagtest du … als wichtiger Mann? Es gibt keinerlei Überlieferungen über einen Wesir mit Namen Peter. Auch nicht in abgewandelter Form.«

»Hatschepsut persönlich gab mir den Namen Senenmut. Der dürfte dir bekannt sein.«

Aber jetzt! Er musste einfach irgendwie reagieren. Ein »Scheibenwischer« wäre das Mindeste. Selbst Haifa fühlte sich unwohl und blickte irritiert zwischen uns hin und her.

Farouk griff bedächtig nach einem Kasten, entnahm ihm eine grünlich schimmernde, dicke Zigarre, biss genüsslich das Mundstück ab und entzündete sie. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken und blies eine blaue Wolke an die Decke. Er überlegte sicherlich, ob er mir noch eine Chance geben oder gleich den psychiatrischen Notdienst rufen sollte.

»Wer ist das Mädchen an deiner Seite?«, fragte er plötzlich.

»Ihr Name ist Merit-Amun. Sie ist meine leibliche Tochter und erblickte im Harem von Schedet das Licht der Welt. Und zwar 1470 vor Christi Geburt!«

»So alt sieht sie noch gar nicht aus«, meinte er und gönnte sich ein Lächeln. Plötzlich und überraschend drückte er seine Zigarre in den Ascher und beugte sich zu mir.

»Peter!«, schrie er mich an. »Was hast du geraucht? Ich habe nicht die Zeit, mir deine Märchen anzuhören! Sage mir sofort, dass du beliebtest zu scherzen, sonst suspendiere ich dich!«

Endlich zeigte er die Reaktion, die ich erwartete.

»Es ist mein voller Ernst, Farouk.«

Der lehnte sich zurück, griff in den Aschenbecher und bereute, die teure Zigarre nicht fertig geraucht zu haben.

»Wie sah sie aus, deine Hatschepsut? War sie schön?«

»Du glaubst mir? Aber du nanntest mich gerade noch einen Märchenerzähler.«

»Ich wollte dich nur herausfordern. Also, beschreibe mir Hatschepsut.«

»Farouk! Ich muss sie nicht beschreiben. Sie sitzt mit uns im Raum. Sieh dir Merit an, dann siehst du Hatschepsut. Sie ist die Tochter der großen Königin, ihr genaues Ebenbild. Urteile selbst.«

»Aber Vater. Nofret war meine Mutter! Wie kannst du das behaupten?«

»Sie ist die leibhaftige Tochter der Hatschepsut? Und du brachtest sie mit?«

Der allmächtige Leiter sprang auf.

»Warum brachtest du nicht gleich Hatschepsut persönlich mit, Peter?«

Der Kerl zitterte förmlich vor Aufregung und zerbrach den Kugelschreiber in seinen Händen.

Es wurde Zeit ihn zu beruhigen.

»Farouk. Ich hielt mich nicht in Kemet auf, um Urlaub zu machen. Ich hatte eine Mission und sah Mord und Totschlag. Es war gewiss kein Spaß, ebenso wenig konnte ich meine Zeitreise steuern.«

»Also starb auch die große Königin und dir war es unmöglich …«

Farouk sank zurück auf seine Sitzgelegenheit.

Die Gesprächsführung drohte mir aus den Händen zu gleiten. Es war nicht der richtige Ort, um weitreichende Erklärungen abzugeben. Das sagte ich auch und Farouk sah es ein. Er lud uns für den Abend in seine Villa. Merit aber genoss von diesem Zeitpunkt an den größten Respekt des Mannes, dem Ägypten quasi zu Füßen lag.

»Lass uns zum eigentlichen Grund meines Besuchs bei dir kommen.«

Verschwörerisch beugte ich mich über den Schreibtisch.

»Ich biete dir ein unberührtes Grab an. Und dazu noch den Bericht eines Zeitzeugen von einer Grablegung, inklusive einer Liste der teilnehmenden Personen am anschließenden Besäufnis. Das Grab eines bekannten Pharao und die Grabbeigaben lassen deinen Tut-anch-amun wie einen Bettler aussehen. Was sagst du dazu, Farouk?«

Ich konnte das behaupten, weil ich mir sicher war. Man hatte es noch nicht entdeckt!

Farouk hatte sich im Griff. Er erhob sich, ging zur Hausbar und nahm sich einen Drink. Ich kannte ihn als einen Mann mit sehr guten Manieren. Dass er uns keinen anbot, sagte mir, dass er innerlich mit sich kämpfte und sich zur Ruhe zwang.

»Das würde meine Laufbahn krönen und uns beide in die Annalen der Geschichte eintragen - was verlangst du als Gegenleistung?«, fragte er heiser.

Nun war es mit seiner Beherrschung vorbei. Die Aussicht unsterblich zu werden, ließ ihn seine Würde vergessen. Ein Gin nach dem anderen verschwand hinter seiner Krawatte. Ich kostete das Gefühl der Überlegenheit über diesen Mann voll aus.

»Ich will bescheiden sein, Chef. 10 Millionen Euro, 20 % der Vermarktungseinnahmen und die angebliche Mumie der Hatschepsut im Museum!«

Farouk lachte auf:

»Wahrlich bescheiden! So kenne ich dich. Kleingeld und eine vertrocknete Mumie für den Jahrtausendfund. Übertreibst du nicht etwas, Peter?«

»Keineswegs! Ich kenne den unschätzbaren Wert der Beigaben, denn ich war als Wesir für sie verantwortlich. Wenn du auch nur einen goldenen Stuhl aus dem Grab auf dem Schwarzmarkt verhökerst, hast du die Millionen wieder rein. Sollte das Grab jedoch leer sein, ist unser Abkommen hinfällig. Nur die Mumie möchte ich als Anzahlung.«

»Ich mache keine illegalen Geschäfte!«, regte er sich auf. Seine Entrüstung entlockte mir nur ein mitleidiges Lächeln.

Dann fuhr er fort.

»Warum die Mumie? Ich kann sie nicht aus der Ausstellung nehmen. Sie war die Entdeckung der letzten Jahre.«

»Das ist nicht Hatschepsut! Sage der Öffentlichkeit die Wahrheit und lass sie wieder in den Tiefen des Museums verschwinden. Man wird dir glauben und die Sache vergessen. Vor allem, wenn du gleichzeitig die Entdeckung eines Grabes verkündest. Ich lasse meine Frau Nofret, die mir das Leben rettete und mit der ich Jahre des Glücks verbrachte, nicht von den Massen nackt begaffen! Übrigens, Nofret war die Halbschwester von Hatschepsut.«

»Hatschepsut hatte eine Schwester? Peter, wir müssen reden. Ich verlange von dir einen ausführlichen Bericht heute Abend. Mit deinen Bedingungen erkläre ich mich einverstanden. Reicht dir mein Handschlag?«

Ich reichte ihm meine Hand und er drückte sie lange und zufrieden.

»Hatschepsut ruht noch immer in ihrem Grab. Ich selbst hatte die Idee dazu, denn ich kannte ja die verfluchte Grabräuberei.«

Farouk drehte sich erschrocken nach allen Seiten um.

»Hüte deine Zunge, Peter. Äußere so etwas nie wieder laut, denn du spielst mit deinem und dem Leben deiner Familie.«

Er komplimentierte uns hinaus und legte uns eine Unterkunft im nahen Hilton ans Herz. Die Antikenverwaltung würde alle Rechnungen bezahlen. Er freue sich auf den Abend und besonders auf die Tochter einer großen Pharaonin. Farouk gab der Kleinen zum Abschied noch einen Handkuss.

4. Kapitel

Zu dritt saßen wir im Whirlpool der Hotelsuite. Haifa gewöhnte sich langsam an die ungewohnte Intimität zwischen Merit und mir. Ebenso wie sie die Tatsache akzeptierte, dass ich zwei Vergangenheiten hatte und andere Frauen.

»Wo willst du mit der Mumie deiner Frau hin?«

»Ich würde sie gern neben Hatschepsut legen. Doch das wird nahezu unmöglich, wenn ich ihr Grab weiterhin verheimlichen will.«

»Wo befindet sich dieses sagenhafte Grab? So verrate es mir doch endlich.«

»Nicht hier, Haifa. Farouk hat Recht. Die Wände haben Ohren.«

Nachdenklich betrachtete ich den Körper meiner Tochter. Sie saß mir gegenüber und spielte mit den aufsteigenden Luftblasen. Sie war Feuer und Wasser. Mal Kind, mal Frau, je nach Situation. Alles an ihr erinnerte mich an Hathi. Merit war Frau, als ich ihr die Situation damals im Harem erklärte und sah ein, dass es besser war, sie Nofret in Obhut zu geben.

Der Flaum zwischen ihren Schenkeln mutierte zu einem schwarzen Busch. Seit unserer Ankunft unterzog sie sich keiner Intimrasur. Soll heißen, sie nahm das neue Leben schneller an, als ich dachte.

Fast schon beleidigend unhöflich benahm sich Farouk bei der Begrüßung am Abend in seiner Nobelvilla. Während er Haifa und mir flüchtig die Hand reichte, komplimentierte der alte Mann Merit zu einem Ledersofa. Erschwerend kam hinzu, dass Haifa meine Kleine in ein zu enges Top ohne BH gequetscht hatte. Meine Tochter musste einen Mann einfach verrückt machen. Nach kurzer Anlaufzeit erkannte Merit scheinbar die Vorteile einer bevorzugten Behandlung. Sie stieg ein und flirtete ungeniert mit. Verdammt! Merit war doch noch ein Kind! Ihr Verhalten machte mich rasend.

Selbst Haifa schien das Benehmen dieses mächtigen Mannes zu befremden, denn sie lächelte unsicher.

Irgendwann besann sich Farouk seiner Würde, bot uns einen Drink an und setzte mit viel Theatralik eine Zigarre in Brand.

»Liebe Familie Wegner! Ehe ich mir deine Geschichte anhöre, Peter, bin ich eine Erklärung schuldig. Warum glaubte ich dir sofort deine Story?

Da muss ich einige Jahre zurückgehen. Damals war ich noch Inspektor für die Region Kairo Unterägypten. Ich entschloss mich eines Tages, einem Gerücht nachzugehen. In der großen Pyramide, so erzählte man sich, geschähen seltsame Dinge in der Nacht. Also schnappte ich mir einen Schlafsack und begab mich spät abends in die Königskammer, lehnte mich an die Wand und harrte der Dinge, die da kommen würden. Allein, es geschah nichts. Irgendwann übermannte mich die Müdigkeit und ich legte mich in den Trog, da seine Wände Schutz versprachen. Nach einer Weile fühlte ich, wie mein Geist von meinem Körper getrennt wurde. Ich wurde davongetragen und eine Reise begann, die mich von Grund auf veränderte. Vergebt mir, wenn mein Bericht etwas wirr klingt, aber Worte können nicht beschreiben, was ich erlebte.