Im Bett des Undercover-Millionärs - Clare London - E-Book

Im Bett des Undercover-Millionärs E-Book

Clare London

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Beschreibung

Um den seltsamen Vorkommnissen in einem Lagerhaus des Weinhandels seiner Familie auf den Grund zu gehen, schleicht sich Alex als Praktikant im eigenen Unternehmen ein. Für den Sohn eines reichen Geschäftsmannes gar keine so leichte Aufgabe, denn harte Arbeit war Alex bisher eher fremd. Das merkt auch Manager Tate recht schnell, der dem Neuling ordentlich Feuer unterm Hintern machen muss. Allerdings sprühen bald schon Funken ganz anderer Art zwischen den beiden unterschiedlichen Männern und sie kommen sich auf der Suche nach dem Saboteur in den eigenen Reihen langsam näher. Doch was geschieht, wenn Alex' Täuschung irgendwann auffliegt? Wird Tate ihm verzeihen können oder war ihre Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

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Seitenzahl: 338

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Deutsche Erstausgabe (ePub) April 2021

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Clare London

Titel der Originalausgabe:

»Romancing the Undercover Millionaire«

Published by Arrangement with Clare London

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Bernd Frielingsdorf

ISBN-13: 978-3-95823-880-0

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Vanessa Tockner

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Um den seltsamen Vorkommnissen in einem Lagerhaus des Weinhandels seiner Familie auf den Grund zu gehen, schleicht sich Alex als Praktikant im eigenen Unternehmen ein. Für den Sohn eines reichen Geschäftsmannes gar keine so leichte Aufgabe, denn harte Arbeit war Alex bisher eher fremd. Das merkt auch Manager Tate recht schnell, der dem Neuling ordentlich Feuer unterm Hintern machen muss. Allerdings sprühen bald schon Funken ganz anderer Art zwischen den beiden unterschiedlichen Männern und sie kommen sich auf der Suche nach dem Saboteur in den eigenen Reihen langsam näher. Doch was geschieht, wenn Alex‘ Täuschung irgendwann auffliegt? Wird Tate ihm verzeihen können oder war ihre Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Kapitel 1

»Alexandre, guten Morgen.« Charles Bonfils, Patriarch von Bonfils Bibendum, dem sehr prestigeträchtigen Londoner Weinhändler, Cousin eines englischen Barons und Multimillionär – obwohl er nie so unhöflich wäre, mit jemand anderem als seinen persönlichen Beratern über seine finanzielle Lage zu sprechen –, neigte seinen vornehmen, grau melierten Haarschopf dem jungen Mann zu, der vor seinem Schreibtisch saß. »Gut, dass du pünktlich erschienen bist.«

Alex Bonfilszuckte innerlich zurück. Sein Vater gehörte zu den wenigen Leuten, die unweigerlich bewirkten, dass er sich wieder fühlte wie vier. Er widerstand dem Drang, sich die Handflächen an seiner Designerhose abzuwischen, aber nur gerade so, und nickte stattdessen zur Antwort. »Papa, wenn du rufst, komme ich. Natürlich.«

Charles zog eine Braue hoch, das war alles.

Es war genug.

»Vater.« Alex atmete tief ein und fuhr sich mit einer Hand durch die blonden Haare, womit er zwangsläufig die kunstvolle Handarbeit seines persönlichen Stylisten zerstörte. »Okay, ich weiß, dass ich dir nicht gerade der verlässlichste Sohn war–«

»Ich habe nur zwei«, murmelte Charles. »Und ich verlange nur, dass sie beide voll und ganz am Familienunternehmen Anteil nehmen. Oder überhaupt an einem legitimen Unternehmen, was das betrifft.« Er klang ruhig, aber seine Finger hielten den antiken Füllfederhalter gefährlich fest gepackt.

»Ja.« Alex nahm an, dass seine Vorladung etwas damit zu tun hatte, dass er die letzte Vorstandssitzung von Bonfils verpasst hatte. Oder vielleicht lag es an diesen peinlichen Paparazzi-Bildern, die irgendjemand letztes Wochenende von ihm geknipst hatte, als er mit den Männermodel-Zwillingen in diesem Nachtclub gewesen war. Oder daran, dass er letzten Sommer ohne Einladung auf der Gartenparty der Queen erschienen war, oder an der Tatsache, dass Alex sich nie die Mühe gemacht hatte, sein Studium in Betriebsmanagement abzuschließen, und stattdessen in Ibiza wandern gegangen war, oder… oder… oh, an einer der vielen anderen Gelegenheiten, zu denen er seinen illustren Papa enttäuscht hatte.

»Ich denke, die Zeit ist gekommen, den Tatsachen ins Auge zu sehen«, sagte Charles.

»Ja? Ich meine, wirklich? Welchen Tatsachen?«

Charles verzog das Gesicht, hatte offensichtlich Probleme, sich zu beherrschen. »Du hast bisher wenig Interesse am Unternehmen gezeigt, Henri dagegen…«

Alex verkniff sich ein Schnauben. Henri: sein verehrter, sehr nüchterner und vernünftiger älterer Bruder mit seiner hinreißenden, eleganten Frau und den zwei frühreifen Kindern, um die Bonfils-Familie zu erhalten. Henri war der von seinem Vater auserkorene Erbe der Firmendynastie. Henri war aufmerksamer, intelligenter, verlässlicher, respektabler, vorhersehbarer–

»Alexandre? Hörst du mir zu?«

Alex zuckte zusammen. »Klar. Fahr fort. Du hast gerade über Henri gesprochen. Was hat das mit mir zu tun?« Er hatte nicht so schnippisch klingen wollen, aber der ständige Vergleich mit dem bevorzugten Bruder hatte nun mal diese Wirkung.

»Er ist nicht ohne Grund der CEO von Bonfils, Alex. Er hat sich dem Unternehmen verpflichtet und ist ein leidenschaftlicher Unterstützer der Weinindustrie. Er hört zu und lernt. Und er arbeitet hart.«

Die Andeutung war da – Henri war und tat all das, was Alex nicht war oder tat.

»Ich kann hart arbeiten.« Alex wünschte, er klänge weniger trotzig. Er konnte hart arbeiten. Er war nur so selten inspiriert dazu. Oder besser gesagt, er wurde von Dingen abgelenkt, die aufregender, dramatischer, faszinierender waren als Gewinn-und-Verlust-Rechnungen, Umschlagfaktoren und das Betriebsbudget der nächsten fünf Jahre.

Allein bei dem Gedanken unterdrückte er ein Schaudern.

Zu seiner Überraschung lehnte sein Vater seinen Protest nicht ab. Stattdessen wurde sein Blick fast weich. »Glaub mir, ich weiß, dass du das kannst. Und das tust du auch, für die Dinge, die du liebst. Du hast viele Vorzüge und die gute Absicht, davon Gebrauch zu machen. Aber ich kann mich nicht nur auf gute Absichten verlassen, um dieses Unternehmen weiterhin erfolgreich zu führen. Das muss deine Lebensaufgabe sein.«

Alex blinzelte heftig. Was wollte Charles damit sagen? »Mein Gott, Papa. Feuerst du mich?«

Charles stieß einen angespannten Seufzer aus. »Ich kann dich nicht feuern, wie du es so reizend genannt hast, da du eine einzigartige Position als mein Sohn hast. Allerdings sehe ich keinen Grund, dich länger mit einer operativen Rolle zu belasten.« Sein Ton wurde hart. »Alexandre, ich denke, du solltest ein neues Projekt finden, das dich persönlich befriedigt. Du wirst bei den monatlichen Vorstandssitzungen nicht länger gebraucht werden. Du wirst weiterhin ein persönliches Taschengeld erhalten – es war der letzte Wunsch deiner Mutter, dass für alle Familienmitglieder gesorgt wird, egal, welche Rolle sie in der Firma bekleiden –, aber ich denke, es ist das Beste für unser beider Erwartungen, wenn du dich eine Weile von Bonfils Bibendum distanzierst.« Er legte seinen Füllfederhalter übertrieben sorgfältig auf der Schreibunterlage ab.

Alex war sprachlos. Dieser Zustand war ihm fremd.

Charles schwieg einen langen Moment. Dann stand er auf und hob die Hand, als wollte er sie Alex anbieten oder ihm vielleicht – nur vielleicht – auf die Schulter klopfen. Stattdessen seufzte er tief und deutete zur Tür, um Alex zu entlassen. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe noch einen anderen Termin.«

***

Eine halbe Stunde später war Alex immer noch schockiert. Er saß mit einer Tasse Kaffee, der allmählich abgekühlt war, in einem der luxuriösen Sessel im Empfangsbereich des Büros. Eine Weile lang war er nicht sicher, wo er sonst hingehen sollte. Er hatte sich den Großteil des Tages für den Termin mit seinem Vater genommen, in der Annahme, dass er wie üblich grimmig und langwierig auf niedriger Flamme geröstet werden würde.

Aber Papa hatte weniger als 15 Minuten gebraucht, um seinen eigenen Sohn fallen zu lassen. Gut, das war vielleicht etwas melodramatisch und Papa hatte es anständig verpackt, aber das war mehr oder weniger, was tatsächlich passiert war. Wahrscheinlich hatte sein Vater angenommen, dass Alex erleichtert wäre, von den täglichen Pflichten zurückzutreten, um ihm und Henri die lästige Arbeit und die komplexen Entscheidungen zu überlassen. Schließlich war es das, was Alex normalerweise tat, oder nicht?

Aber es tat trotzdem weh und das war ziemlich verblüffend. Er hatte nie wirklich irgendwo anders als bei Bonfils gearbeitet. In den Schulferien hatte er mit einfachen Tätigkeiten im Büro oder einem der Lager ausgeholfen, obwohl er jetzt erkannte, dass er der Arbeit nie dieselbe Aufmerksamkeit geschenkt hatte wie Henri. Er brauchte die Arbeit nicht, das war der Kern von allem. Er hatte das Familienvermögen, eine exzellente Bildung, das jugendliche Selbstbewusstsein eines wohlerzogenen Briten in den späten 20ern und – kein Grund, bescheiden zu sein – war von Natur aus gut aussehend. Das alles hatte ihn bisher durchs Leben gebracht.

Seine liebliche französische Mutter war gestorben, als er gerade 13 gewesen war, sein trauernder Vater hatte zu gottlosen Stunden weitergearbeitet und Henri war in der Firma bereits auf bestem Weg zu seiner Position an Papas Seite gewesen. Folglich war Alex' Verhalten nur wenige Grenzen gesetzt worden. Was hatte er unter so geringer Aufsicht sonst tun sollen? Sie hatten verdammtes Glück, dass er nicht komplett auf die schiefe Bahn geraten war. So verbrachte er seine Zeit eben damit, alles zu genießen, das ihm in seiner Stellung und seinem Reichtum zur Verfügung stand. Er seufzte ziemlich theatralisch, obwohl keiner der Angestellten, die zwischen den Besprechungsräumen hin- und hereilten, dabei innehielt. Hier kannten alle ihren Platz und verstanden, wie sie der Familie Bonfilsverpflichtet waren.

Außer mir anscheinend.

»Mr. Alexandre? Möchten Sie noch einen Kaffee?« Die zwei wunderschön herausgeputzten Assistenten an der Rezeption waren sehr höflich, aber vielleicht etwas nervös. Die Leute waren nicht daran gewöhnt, Alex im Büro zu sehen. Und wenn er doch vorbeikam, geschah es immer in einem Wirbelwind aus Gelächter, Ungeduld und Komplimente für alle. Er saß nicht wie jetzt nachdenklich im Gästebereich seiner eigenen Familie herum.

»Nein, danke.« Der schnelle Blick zwischen dem jungen Mann und seiner Kollegin entging ihm nicht. Er war vielleicht in sich gekehrt, aber nicht blind. Bestimmt fragten sie sich, wen sie für ihn rufen sollten. Seinen Vater? Einen Arzt? Das Sicherheitspersonal? Alex verkniff sich einen weiteren Seufzer. Er schien sich daran zu erinnern, diese jungen Dinger in der Vergangenheit selbstbewusst komplimentiert zu haben. Kein Wunder, dass sie jetzt amüsiert waren.

Sein Blick wanderte zu den großen Fenstern hinter der Rezeption. Hier im achten Stock des exklusiven Gebäudes im Herzen des Finanzdistrikts hatten sie die beste Aussicht über London. Vögel kreisten um die Hochhäuser und die späte Oktobersonne wurde von den unzähligen Fenstern reflektiert. Schwarze Taxis rollten so weit unter Alex auf der Straße dahin, dass sie aussahen wie Kinderspielzeug. Büroangestellte auf dem Weg nach Hause hasteten in Doppeldeckerbusse und in die Tube-Haltestellen hinab, wuselten durcheinander und wichen einander mit der inneren Zielstrebigkeit und Orientierung von Ameisen aus. Souvenirläden boten Merchandise im Rot-Weiß-Blau der britischen Flagge an, Café-Filialen lockten Passanten mit köstlichen Speisekarten und dazwischen stellten ausgewählte Modegeschäfte die neuesten glamourösen Trends an androgynen Models zur Schau. Am Embankment ragte das London Eye über allem auf und drehte sich so einschläfernd langsam, dass Alex überlegte, ob er einfach noch eine Stunde dasitzen und es betrachten sollte, um sich zu entspannen. Es erinnerte ihn an einen Urlaub im Himalaja, an seine Suche nach Lebensweisheit und an diesen grauhaarigen, alten Guru…

Und doch war es die Erinnerung an einen anderen Ort, die ihn plötzlich mit Glück, Frieden und bittersüßen Momenten überfiel. Der Fairweather Vineyard in der englischen West Country, wo die Trauben für Bonfils angebaut wurden, gehörten zu Alex' Leben, seit er ein Kind gewesen war, seit… Mama noch am Leben gewesen war. Jetzt merkte er, wie er sich nach dem Ort sehnte: nach den ruhigen und doch aufregenden Feldern, nach dem üppigen Gras unter seinen meist bloßen Füßen, nach dem Rascheln der Reben an ihren Stützen. Henri und er hatten als Kinder dort gespielt und auch in späteren Jahren hatte Alex das Gut besucht, wenn er eine Pause von seinem hektischen Stadtleben gebraucht hatte. Sie hatten bis in die späten Teenagerjahre hinein bei der Ernte geholfen – nun ja, so viel, wie Jugendliche, deren Gehalt nicht davon abhing und die die sauren Trauben zu oft selbst aßen, um effizient zu sein, eben helfen konnten.

Die Manager hatten ihn grimmig toleriert, Papa hatte die Augen verdreht und Mama…? Als sie noch am Leben gewesen war, hatte sie immer gelächelt, auch nachdem sie sie ausgeschimpft hatte, obwohl es manchmal ein trauriges Lächeln gewesen war. Sie hatte das Weingut ebenfalls geliebt und geholfen, die Gästesuites im Haus zu planen. Auf der wärmsten Seite des Gebäudes hatte sie eine luxuriöse Veranda gebaut, wo sie selbst zu jeder Tages- und Nachtzeit sitzen und die Aussicht über die Hügel von Devon genießen konnte, über die Reben und die umgebenden Hecken hinweg und mit einem Glas des besten Weins ihrer Familie neben sich.

Es war eine seiner klarsten Erinnerungen an sie.

Eine gut gekleidete, attraktive Frau Anfang 30 setzte sich abrupt auf den Sessel neben ihm. »Alexandre? Gut, dich hier zu sehen. Wir müssen reden.«

Großer Gott. Eine der grauenhaftesten Phrasen, die je erfunden wurden, wie Alex ehrlich fand. Er konnte sich erinnern, wie mehr als nur ein paar Exfreunde ihr letztes Gespräch mit genau diesen Worten eröffnet hatten. »Tina, ma chère! Dir auch einen guten Tag. Überbringst du eine Nachricht von meinem Vater?«

»Nein. Was hast du denn erwartet?«

Eine kleinlaute Entschuldigung von Papa, weil er je an ihm gezweifelt hatte? Eine Bitte, dass Alex in den Vorstand zurückkehrte und seine einzigartige Mischung aus Charme und Witz in die spießige, alte Tagesordnung brachte? Das wird nie passieren. Alex wusste es so sicher, wie er wusste, dass der junge Mann von der Rezeption – der gerade hastig das Handset seines Telefons ablegte, nachdem er Verstärkung gerufen hatte – bestimmt errötete und innerhalb einer Stunde in eine kompromittierende Position gebracht werden konnte, wenn Alex geneigt wäre. Er konnte sich nicht erinnern, wann jemand ihm zum letzten Mal irgendetwas verweigert hatte. Nun ja, bis zu dem heutigen Meeting mit Papa.

»Du hast gehört, dass ich eiskalt entlassen wurde? Haben sie dir gesagt, du sollst dich verdammt noch mal aus der Sache raushalten?«

»Oh, ich bin sicher, so war es nicht, Alex. Himmel, bei dir ist alles so melodramatisch.« Tina bedankte sich anmutig bei der jungen Frau, die wie durch Magie frischen Kaffee vor sie zauberte. Tina Archer war die persönliche Assistentin seines Vaters und eine gute Familienfreundin. Sie war stets professionell und diskret, hatte aber auch keine Geduld für Unsinn.

»Ich wurde gefeuert. Ausgemustert. Vor die Tür gesetzt.« Alex gefiel sich immer besser in der Opferrolle. »Ich wollte nie etwas anderes sein als ein Bonfils.«

»Das wirst du immer bleiben. Aber hast du gedacht, es wäre eine Einbahnstraße? Dass du im Gegenzug nicht auch Zeit und Mühe hineinstecken müsstest?«

»Ich gehöre zur Familie. Das sollte genug sein.«

Tina schnaubte sehr undamenhaft. »Ja, wie gesagt. Du machst alles zu einem Spektakel.«

Alex öffnete den Mund, um wütend zu protestieren, aber dann dachte er genauer darüber nach. Wenn er ehrlich mit sich war – und das war er fast immer –, hatte sie recht. Aber der dramatische Effekt machte das Leben aufregender, oder? Jedenfalls sein Leben. Sein hedonistisches, ziemlich leeres, zielloses Leben. Verdammt. Unwillkürlich erinnerte er sich an den enttäuschten und frustrierten Seufzer, den sein Vater vorhin ausgestoßen hatte. Vielleicht war er doch gerechtfertigt gewesen.

Tina nippte an ihrem Kaffee und ihre Miene wurde mitfühlender. »Du hast so großes Glück, Alex. Du siehst gut aus, bist charmant, hast Zugriff auf eine fast bodenlose Geldquelle. Und was machst du damit?«

Er war ziemlich sicher, dass Spaß haben nicht die richtige Antwort war.

Ihr Blick wurde weich. »Ich habe dich sehr gerne, Alex. Wir sind schon befreundet, seit du ein Teenager warst und ich in der Firma angefangen habe, weißt du noch?«

Das tat er. Tina war mit den glänzenden Referenzen, die Alex mit einer viel älteren, ernsteren und extrem langweiligen Person assoziiert hätte, ins Londoner Büro gekommen. Zu seiner Überraschung hatte er eine geistreiche, hübsche und aufmerksame junge Frau getroffen, die über die Jahre hinweg ebenso viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit in einen reibungslosen Betrieb gesteckt hatte wie die Familie Bonfilsselbst.

»Damals waren Henri und du begeisterungsfähige, warmherzige und lebenslustige junge Männer. Ich weiß, wie er jetzt ist…«

Alex gab sich große Mühe, seinen Ausdruck neutral zu halten, wirklich.

»Und ja, ich weiß, du denkst, er ist die Langeweile in Person. Aber was ist mit dir? Du bist so gründlich in die andere Richtung gegangen, dass ich dich manchmal nicht wiedererkenne. Du hast dir dieses leichtfertige, sorglose Playboy-Image geschaffen, du jagst jedem neuen Trend nach, du datest alle jungen Männer, die dir gefallen, einen nach dem anderen, du verschwendest ständig Geld und zeigst vor allem wenig geschäftliches Interesse an der Firma. Ist es so verwunderlich, dass Mr. Charles es leid ist, dich dazu zu drängen? Für ihn muss es so wirken, als würdest du immer noch mehr erwarten, egal, was du bekommst. Als würdest du wirklich denken, dass dir alles rechtmäßig zusteht.«

Wow. Sie hatte ja kein Blatt vor den Mund genommen. Und doch hallten ihre Worte in seinem Kopf wider. Bin ich wirklich so? Er wusste genau, wie angenehm und vergnüglich er lebte, aber er wollte doch nicht glauben, dass das sein ganzes Leben so weitergehen würde. Ungewohnte Röte kroch seinen Nacken hinauf.

»Warte.« Tina ergriff seine Hand und schüttelte den Kopf. »Ich bin noch nicht fertig.«

»Großer Gott, wirklich? Na, tu dir bloß keinen Zwang an…«

»Nein, du Idiot.« Tina lachte bei seinem gekränkten Ton. »Ich weiß sehr gut, dass das nicht alles ist, was Alex Bonfils zu bieten hat. In dir steckt viel mehr, du bist intelligent und mitfühlend und an weit mehr als nur Unterhaltung interessiert. Du versteckst es nur zu gut! Wer weiß zum Beispiel, dass es eigentlich deine Idee war, ein Sommelier-Praktikum bei Bonfils einzuführen, für das sich jeder bewerben kann?«

»Na ja, nur die Führungsriege, aber das war ganz offensichtlich eine gute Initiative…«

»Und dass du Liam, dem neuen Assistenten in der Personalabteilung, dabei geholfen hast, das Schulungsprogramm zu entwerfen?«

»Ich meine, ja, aber das ist doch keine Arbeit, er hat so großes Potenzial und ist so begeistert…«

Tina fuhr entschlossener fort. »Und als das Firmenbudget nicht ausgereicht hat, hast du persönlich dafür gezahlt, dass alle in der Verpackungsabteilung in das neue Inventarsystem eingeschult werden.«

Alex schwieg einige Augenblicke lang. Aufgeflogen. »Wir mussten mehr von ihrem Feedback und Engagement miteinbeziehen. Ich habe das nicht gemacht, um gelobt zu werden. Es war einfach das Richtige.«

»Genau. Das ist gute Arbeit und perfekt für das Unternehmen. Dein Herz und deine Loyalität sind am richtigen Fleck, Alex. Du musst nur noch den Rest meistern.«

Als sie grinste, verzog er das Gesicht. »Du meinst, ich soll die laxen Arbeitszeiten, den Genuss jedes einzelnen Modetrends und die Freude, Geld auszugeben, aufgeben?«

»Oh ja. Vielleicht solltest du auch über Monogamie nachdenken, um etwas Reife zu zeigen…? Na ja, wenn ich mir dein Gesicht so ansehe, ist das vielleicht zu viel verlangt.«

Beide lachten und Alex umarmte sie. Das sollte die Gerüchteküche im Büro neu beleben: der launische Sohn, der sich in voller Sichtweite des Geschäftsdistrikts an die sehr korrekte Assistentin des Chefs klammerte!

»Ich mache mir Sorgen um dich«, murmelte Tina an seiner Schulter.

»Um mich?«

Errötend hob sie den Blick. »Du erweckst den Eindruck, dass du immer nur Spaß hast. Aber ich glaube… vielleicht stimmt das gar nicht. Vielleicht bist du ein wenig verloren.«

Alex wollte nicht ständig ihre Worte wiederholen, tat es aber trotzdem. »Verloren?«

»Vergiss es.« Sie schüttelte den Kopf.

»Ich bin erwachsen, Tina, egal, was andere denken. Und ich will meinen Beitrag leisten. Ich habe nur noch nicht… na ja, die richtige Gelegenheit gefunden.« Ein verirrter Tagtraum schlitterte in seinen Kopf, in dem sein Vater ihn bat, das Unternehmen gemeinsam mit ihm durch die schwierigen Zeiten zu führen, die vor ihnen lagen, und das in einem wärmeren Ton, als Alex seit vielen Jahren von ihm gehört hatte. Und Henri, wie er dankbar für die Hilfe und Kameradschaft bei Entscheidungen die Schulter seines Bruders drückte. Alex' Miene hellte sich auf. »Denkst du, ich sollte Papa anrufen und das mit ihm besprechen?«

»Ähm. Nein. Du musst ihm mehr Zeit geben.« Tina wirkte alarmiert. »Ehrlich gesagt war er sehr beunruhigt von dem Gerücht über eine Realityshow mit dir und diesem Zirkusartisten. Und das so schnell nach dem Debakel mit der Gartenparty. Der Palast war sehr ungehalten.«

»Hör mal, die Show sollte nie wirklich gedreht werden, okay? Und der Palast? Ich hatte eine offene Einladung vom Underbutler. Schriftlich.«Fast.

Tinas reumütiges Lächeln bestätigte, dass keine seiner Ausreden funktionierte. »Ich bin sicher, dass Mr. Charles dich nach ein paar Monaten wieder willkommen heißen wird und dann kannst du deinen Wert beweisen, in Ordnung?«

Nach ein paar Monaten? Alex' Träume von der sofortigen Beförderung zu Henris Co-CEO begannen zu verblassen.

»Ich weiß, du bist nicht der geduldigste Mensch«, fuhr Tina fort, die seinen Verdruss richtig gelesen hatte. »Aber achte einfach darauf, dass du in der Zwischenzeit mit deinem Vater in Kontakt bleibst.« Sie wirkte ernst. »Vielleicht sollte ich sehen, ob ich dich hin und wieder auf die Gästeliste seiner monatlichen Branchendinner bekomme.«

Alex' Traum zerplatzte mit einem lauten Furzgeräusch. »Auf keinen Fall«, sagte er knapp. Die Branchendinner? Die waren ein Crashkurs in Langeweile, ganz zu schweigen von der impliziten Beleidigung der Gästeliste. Wie peinlich für einen Bonfils! »Wenn ich meinen Wert beweisen soll, dann mit etwas Wichtigerem.«

Tina wirkte aufrichtig schockiert. »Aber das wird nicht über Nacht passieren, oder? Ich will dich nicht beleidigen, aber du weißt so viel weniger über das Unternehmen als dein Vater oder Henri.«

»Ich kann lernen. Ich kann es nachholen.«

»Natürlich kannst du das. Nur nicht mitten in dieser heiklen Zeit.«

»Jetzt wirst du aber herablassend.« Und Moment mal… Er zwang seinen Blick von den klimpernden Wimpern des Mannes an der Rezeption weg und funkelte Tina an. »Was meinst du, in dieser heiklen Zeit? Hat Bonfils etwa Probleme?«

Tina weitete die Augen und lief hochrot an. Aha. Also hätte sie das offensichtlich nicht verraten sollen. Gott, hielt Papa etwa alles vor ihm geheim?

»Es gab… besorgniserregende Vorfälle«, sagte sie langsam und senkte die Stimme. »Schäden in den Lagern, die über das übliche Maß hinausgehen, häufigere Kundenbeschwerden über Lieferungen. Es herrscht eine gewisse Spannung bei der Arbeit, weil in wenigen Monaten die UK Heritage Wine Awards verliehen werden und wir dafür sorgen müssen, dass alles glatt läuft. Dein Vater verlässt sich auf diese Veranstaltung, um unseren neuen Angel's Breath-Sekt einzuführen. Das wird ein großartiger Triumph.«

Englischer Sekt gewann weltweit immer mehr an Prestige und Beliebtheit und Bonfils Bibendum hatte immer eine außergewöhnliche Auswahl davon angeboten. Obwohl er nicht an allen Vorstandssitzungen teilgenommen hatte, wusste Alex, dass der Angel's Breath etwas Besonderes war. Anders als französische Hersteller hatte Bonfils beschlossen, die englischen Trauben nicht im Ganzen zu pressen, sondern zuerst zu stampfen. In einem heißen Klima würde das nicht funktionieren, aber im kühleren britischen Klima verbesserte es den Geschmack. Es war ein Geniestreich.

Alex lehnte sich vor, gierig auf weitere Details. »Geht es um das Lager in Bristol?« Das lag dem Weingut am nächsten. »Ihr vermutet Industriesabotage?«

Tina verdrehte die Augen. »Weißt du noch, was ich darüber gesagt habe, das Melodrama in Grenzen zu halten? Nein, ich bin sicher, dass es einfach dumme Fehler waren. Aber solange Charles und Henri sich darum kümmern, wollen sie nicht… Ach, zum Teufel. Du weißt, was ich meine.«

Ja, das wusste Alex und verbiss sich seine Bestürzung. Sie wollten keine schlechte Publicity vom lasterhaften Lebensstil des jüngeren Sohns. Sie wollten nicht, dass Alex mit einem seriösen Unternehmen mit seriösen Problemen assoziiert wurde, obwohl er ebenso ein Erbe war wie Henri. Verdammt! Er würde ihnen zeigen müssen, dass er doch vertrauenswürdig war. Er konnte etwas zur Strategie beitragen, seine Leidenschaft konnte von unschätzbarem Wert für die Zukunft des Unternehmens sein. Oder etwa nicht?

Ich beweise mich, ohne dass Papa mich erst darum bitten muss.

Die Inspiration war plötzlich da: eine seltsame, wunderbare, bizarre Idee, die ihm einfach so in den Sinn kam. »Tina. Was du darüber gesagt hast, dass ich das Unternehmen nicht kenne…«

»Hm?« Tina sah gerade auf die Uhr, sie musste wohl gleich zu seinem Sklaventreiber von Vater zurück.

»Wäre es nicht besser…«

»Alex«, sagte Tina warnend und kniff die Augen zusammen, als würde ihr vor seinen nächsten Worten grauen.

»… wenn ich sofort einen Neuanfang wage? Wenn ich einen Job antrete und das Unternehmen auf unterster Ebene kennenlerne?«

Tina stand der hübsche Mund offen. »Wovon redest du da? Du hast nie wirklich irgendwo gearbeitet! Und dein Vater würde sowieso nie zulassen, dass du ein normaler Angestellter wirst. Du bist schließlich ein Bonfils.«

Alex ignorierte munter den Seitenhieb, dass er nie wirklich gearbeitet hatte. Wie unfair! Schließlich hatte er eine Nacht lang eine Disco in Ibiza geführt, in einem Dorf im Himalaja Jurten errichtet, für einen alten Schulfreund einen Nachmittag lang ein Golf Sale-Schild mitten auf dem Trafalger Square hochgehalten… »Aber ich wäre kein Bonfils.«

»Verzeihung?«

»Ich könnte es inkognito machen. Du weißt schon, wie in dieser Fernsehserie. Wo der Boss sich verkleidet und die Firma besucht, um zu sehen, wie sie wirklich geführt wird.« Oh Gott, wie spaßig das wäre! »Ich kann mich unter einem anderen Namen bewerben. Vielleicht finde ich sogar heraus, wo diese Probleme ihren Ursprung haben. Euer eigener Spion!«

Tina begann zu lachen, bevor sie seinen Gesichtsausdruck sah und verstummte. »Alex, nein. Das ist eine schwachsinnige Idee. Warum kannst du nicht einfach etwas geduldig sein? Dein Vater wird sich schon beruhigen und eine neue Rolle für dich finden.«

Er hörte sie kaum, in Gedanken schmiedete er bereits Pläne. Ein neues Projekt brachte immer das Beste in ihm hervor, auch wenn es etwas riskant war. Er würde sich die Haare färben müssen, eine angemessene Garderobe besorgen – für Kleidung nutzte er immer sein persönliches Kundenkonto bei Harvey Nichols, hattensie dort Arbeitskleidung? – und benötigte einige Wochen lang Abstand von seiner Familie. Das konnte sogar der beste Vorteil sein: ein neues Leben, in dem niemand an seinem Nettowert interessiert war oder ihm wegen seiner angeblichen Unzuverlässigkeit in den Ohren lag. »Du hilfst mir doch, oder?«

»Ich?« Tina erstickte beinahe und einige Sekunden lang wirkte die Rezeptionistin aufrichtig besorgt um ihre Gesundheit. »Nein, auf keinen Fall! Was würde Mr. Charles dazu sagen?«

Alex wedelte nachlässig mit der Hand. »Er wird nichts davon erfahren.«

»Was?«

»Ich wäre komplett inkognito. Wenn er davon wüsste, würde das die ganze Sache ruinieren. Meine Deckung wäre dahin.« Langsam klang er sogar wie ein Geheimagent.

»Deine Deckung? Großer Gott. Du klingst wie James Bond.«

»Es wäre wie in einem Detektivroman–«

Und dann explodierte Tina. »Das Unternehmen ist kein Roman, Alexandre! Kein Spionagefilm und auch kein Spiel. Es existiert seit fast einem Jahrhundert und deine und meine Familie haben ihm immer treu gedient. Zwei meiner Geschwister arbeiten im Lager und vor dem Tod meiner Eltern war meine Mutter Einkäuferin für das Londoner Büro. Der gute Ruf ist deiner Familie unheimlich wichtig.«

Er blinzelte heftig. »Tina, ma chère, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verstimmen. Ich weiß, dass es der Ursprung unserer Millionen ist.«

»Es ist nicht nur das. Es ist der Grund, warum deine Familie so aufblüht, wie sie es tut. Wir haben eine breite Auswahl sehr herausragender Weine produziert und dabei lohnende Beziehungen zu vielen der besten Pfundpäischen Weingüter aufgebaut. Das Prestige, die hohe Qualität, der gute Bonfils-Ruf auf der ganzen Welt? Das war das Lebenswerk deines Großvaters und Vaters. Und Henris.«

»Ich weiß.«

»Und es sollte auch deins sein.« Sie seufzte. »Verzeih mir, ich gehe schon wieder zu weit.«

»Schon gut.« Jetzt war Alex derjenige, der beruhigend die Hand auf ihre legte. »Du hast jedes Recht, das zu sagen.«Genau wie Papa.

»Deine Ehrlichkeit spricht für dich.« Tina lächelte dankbar. »Jetzt muss ich wirklich an die Arbeit zurück. Ich habe noch Pflichten an meine Assistentin zu übertragen, bevor ich nächsten Samstag in Urlaub gehe. Ich freue mich wirklich auf drei Wochen Entspannung ohne Nachrichten aus dem Büro.« Sie plauderten kurz über die abgeschiedene griechische Insel, die sie mit ihrem Mann gebucht hatte, und dann standen sie auf, um sich zu verabschieden.

»Pass auf dich auf«, sagte sie und gab ihm einen Wangenkuss. »Tief im Inneren bist du kein schlechter Kerl, das weiß ich.«

»Kommt da noch ein Aber?«

»Weißt du, was dein eigentliches Problem ist?«

»Dass ich diesen Satz hasse?«, fragte Alex trocken.

Tina grinste. »Du warst immer zu reich, als gut für dich ist. Und ehrlich gesagt ist das nicht wirklich deine Schuld.« Sie sah kurz und scharf zu dem Mann an der Rezeption hinüber, der sich sofort damit beschäftigte, Papiere zu ordnen. »Und versuch, nicht unsere Mitarbeiter zu verderben, ja?«

Alex schnaubte höhnisch. »Du hast gerade gesagt, dass ich tief im Inneren kein schlechter Kerl bin, oder? Du kannst dich auf mich verlassen.«

Auf halbem Weg von den Sesseln zu den Besprechungsräumen hielt Tina inne. »Wenn du sagst, dass ich mich auf dich verlassen kann…«

»Ja, ma chère?«

Sie flüsterte fast, aber er hörte sie klar und deutlich. »Kann ich mich darauf verlassen, dass du diesen albernen Spionageplan sein lässt?«

»Natürlich.«

»Alex? Vergiss nicht, ich kenne dich.«

»Wenn ich es doch sage.« Er lachte fröhlich und winkte, bis sie außer Sichtweite war. Dann hob er die andere Hand: Er hatte seine gekreuzten Finger hinter dem Rücken versteckt. Vielleicht ein dummer, kindischer Aberglaube, aber da er nicht vorhatte, den albernen Spionageplan sein zu lassen, erschien es ihm vernünftig, irgendetwas auf seiner Seite zu haben. Als er zu den Aufzügen ging, um das Gebäude zu verlassen, hatte er bereits eine Kurzwahltaste auf seinem Handy gedrückt.

»Guten Morgen, hier ist die Personalabteilung von Bonfils Bibendum«, erklang eine junge, fröhliche Stimme. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Geh mit mir essen, Liam«, sagte Alex und war sicher, dass Liam die Stimme seines Mentors erkennen würde. »Dann erkläre ich dir ganz genau, wie!«

Kapitel 2

Normalerweise mochte Tate Somerton die Frühstückszeit: nicht nur das Essen selbst, sondern auch die Lebendigkeit der versammelten Familie, die diskutierten Tagespläne, die letzten Probleme und Neuigkeiten. Gran war normalerweise noch im Schlafanzug, aber die Kinder trugen bereits ihre Schuluniformen und Tates beste Freundin Louise kam auf dem Weg zur Arbeit vorbei. Mit so vielen Mäulern zu stopfen und Leuten zu organisieren wurde ein weiteres Paar Hände immer dankbar begrüßt. In der Küche war es warm und duftete nach gebratenem Speck und aufgebrühtem Tee, Löffel klirrten in Müslischüsseln, Messer schabten über verbrannte Toastscheiben und irgendjemand hatte unweigerlich einen Rucksack oder irgendein Schulbuch verloren. Es war laut, hektisch und lustig.

Aber heute war es eine verdammte Herausforderung.

Zuerst einmal hatten alle verschlafen. Grans Arthritis war schlimm und sie konnte nicht wie üblich mit dem Frühstück für die Kinder helfen. Das machte sie ungewöhnlich gereizt, sodass sie sich weigerte, ihr Gebiss einzusetzen, und die härteren Toastränder für ihren Dackel Freddie auf den Boden fallen ließ, obwohl Tate sie ausdrücklich gebeten hatte, ihn nicht zu überfüttern. Die Kinder hoben seine Stimmung auch nicht gerade. Die zwölfjährigen Zwillinge Hugo und Hattie – die Hs, wie Tate sie zärtlich nannte – diskutierten hitzig über irgendjemanden aus einer sexy Realityshow, bei der Tate nicht sicher war, ob sie sie überhaupt gesehen hatten, und ihre siebenjährige Schwester Amy schniefte vor sich hin. Sie verriet nicht, warum, saß nur mit gelegentlichen Seufzern vor ihrer Cornflakes-Schüssel. Tate hoffte nur, dass es eine ihrer häufigen, erfundenen Sorgen war statt etwas Ernstes.

Er manövrierte am Frühstückstisch vorbei und schnappte sich dabei ein Stück gebutterten Toast. Nach einem Bissen glitt die Scheibe aus seinen fettigen Fingern und landete – natürlich mit der Butterseite nach unten – auf seinem Hemd. Scheiße. Er würde sich umziehen müssen und konnte sich nicht erinnern, ob er noch ein Arbeitshemd hatte, das sowohl sauber als auch gebügelt war. Er wirbelte auf dem Absatz herum, wobei er beinahe über Freddie stolperte, und als er eine Hand ausstreckte, um sich abzustützen, stieß er Grans oberes Gebiss von der Theke in die Wasserschale des Hunds. Doppelscheiße.

»Hugo hat sein Müsli nicht aufgegessen«, verkündete Hattie laut.

»Hattie hat meine roten Lieblingssocken angezogen«, fügte Hugo hinzu.

So waren die Zwillinge. Im einen Moment sprachen sie wie eine Person, im nächsten stritten sie sich oder verpetzten sich gegenseitig. Tate würde es ihnen überlassen müssen, ihre Streitigkeiten beizulegen, aber im Vorbeigehen zerzauste er Amys Haare.

»Alles in Ordnung?«

Sie hob den wachen Blick zu ihm. »Die Dinosaurier sind ausgestorben.«

Tate blinzelte. »Ähm. Ja. Aber das war vor langer Zeit, Liebes.«

»Bevor du geboren warst«, fügte Hattie fröhlich hinzu.

Tate vermutete, dass das ihre Trauer nur verstärken würde, und umarmte Amy schnell. »Nicht traurig sein. In den Ferien können wir ins Natural History Museum gehen und uns die Überreste von einem ansehen.«

»Wirklich?« Amys Miene hellte sich auf.

»Nein. Der ist weg«, verkündete Hugo.

»Hugo, meine Güte!« Tate spannte sich an, da die erschrockene Amy bestimmt protestieren würde.

»Mit vollem Mund spricht man nicht«, tadelte Gran Hugo und Tate, wobei sie die Ironie dabei, dass sie selbst ohne Zähne sprach, komplett ignorierte. Weiches Essen hatte ihr offensichtlich nicht gereicht – ihr gewaltiger Appetit war normalerweise das Gesprächsthema im Seniorencafé –, denn sie mümmelte sich gerade durch ein Cornflakes-Sandwich.

»Sie haben das Dinosaurierskelett durch das von einem Wal ersetzt«, erklärte Hugo Amy, obwohl er nach einem argwöhnischen Blick zu Gran zuerst seine Cornflakes heruntergeschluckt hatte.

Zu Tates Erleichterung war das ein Vorteil für Amy und sie begann, stattdessen Fakten über Wale herunterzurattern. Tate hatte keine Ahnung, ob die stimmten oder nicht, aber Amy war immer am glücklichsten, wenn sie ein neues Thema zu erkunden hatte. Ihre Schullehrer hatten ihm erklärt, dass Amy akademisch sehr talentiert war und sowohl in der Schule als auch zu Hause zusätzliche Unterstützung und Ermutigung brauchte. Tate platzte zwar fast vor Stolz auf seine Schwester, aber er wusste auch, dass es zahlreiche Themen gab, über die Amy bereits mehr wusste als er.

»Spät dran?« Gran schenkte Tate ein zahnloses Grinsen, während er ihr Gebiss aufhob und in der Spüle abwusch.

»Nein«, sagte er munter, obwohl er genau wusste, dass er es war. »Ist das Louise an der Tür?« Während Gran abgelenkt war, nahm er seine Jacke von der Stuhllehne und hastete durch den schmalen Gang zur Vordertür. Er öffnete sie und fand seine gähnende beste Freundin auf der Schwelle.

»Sieht aus, als hätten wir heute beide einen späten Start«, sagte er mit einem Lächeln. Louise arbeitete genau wie er im Hauptlager von Bonfils Bibendum in Bristol und da Tate kein eigenes Auto hatte, nahm sie ihn oft mit, wenn sie ähnliche Arbeitszeiten hatten.

Louise erwiderte das Lächeln und schob sich die ewig widerspenstigen Haare aus dem Gesicht. »Ich hab gestern mit den Mädels aus der Verpackungsabteilung gefeiert. Was ist deine Entschuldigung?«

Tate war nicht beleidigt. Louise und er zankten die meiste Zeit gutmütig vor sich hin. »Ich habe dir die Nachbesprechung der neuen Sicherheits- und Gesundheitsrichtlinien für das Lager angeboten, aber du hast abgelehnt. Dein Pech, oder?«

»Oh, entschuldige, hätte ich verpasste Chancen beweinen sollen, statt im neuen Club am Hafen die Nacht durchzutanzen?« Louise lachte herzhaft. Sie war drei Jahre älter als er – letzten Monat hatten sie mit einer riesigen Pizza, viel Bier und immer bizarreren Berichten von ihren jeweiligen erfolglosen Date-Erfahrungen ihren 30. Geburtstag gefeiert – und seit dem Tod seiner Eltern eine geschätzte Konstante in Tates Leben.

Als ältestes Kind gab Tate sein Bestes für die verwaiste Somerton-Familie, das tat er wirklich. Er liebte sie alle – sie waren sein ganzes Leben. Aber mit drei jüngeren Geschwistern, um die er sich kümmern musste, seiner Gran und dem Versuch, einen verantwortungsvollen Vollzeitjob zu halten, hatte er keine Zeit, um zu tanzen, und bestimmt keine für noch romantischere Aktivitäten. Die meiste Zeit war er erschöpft. »Können wir fahren?«, fragte er und Louise nickte und klimperte mit dem Autoschlüssel in der Hand.

»Zwillinge?« Tate drehte sich in der Tür um und rief in die Küche. Die Hs zankten sich gelassen und ignorierten ihn absichtlich. »Sallys Mum bringt euch und Amy heute zur Schule, okay? Macht euch fertig, bevor sie kommt.«

Die Hs schimpften munter weiter, aber Tate wusste, dass sie ihn gehört hatten. Amy sang einen beliebten Song, aber in einem seltsamen, hohen Klageton. Er hielt inne, unsicher, ob sie krank war oder einfach nicht singen konnte, aber dann streckte Gran den Kopf aus der Küche und grinste ihn an.

»Fahrt nur, Kinder«, antwortete sie. »Ich kümmere mich darum, dass sie rechtzeitig fertig sind. Natürlich nachdem Amy ihre Erforschung von Walgesängen beendet hat.«

Tate verdrehte die Augen. »Wenn Amy beim Frühstück im Internet surft, deinstalliere ich es von deinem Laptop, Gran.«

Gran schürzte die Lippen. Lachte sie Tate aus? Und er hielt sich für so streng. »Und wenn Hugo seinen Rucksack nicht findet…«

»Er ist unter meiner Strickkiste«, unterbrach Gran ihn. »Ich weiß.« Sie wedelte mit der Hand, wie um ihn zu verscheuchen. »Ich hab doch gesagt, geht. Und bis zum Abend werden meine Schmerzen wieder besser sein, also übernehme ich das Abendessen, okay? Ich weiß, dass du nach der Arbeit noch ein Meeting hast.«

Tate warf ihr einen Luftkuss zu und hastete schnell zur Tür hinaus, bevor die Kinder den neuen Kochplan hörten. Ihr Stöhnen würde ohnehin meilenweit zu hören sein. Grans Kochkünste waren so weit von Gourmet entfernt, dass sie genauso gut vom Mars stammen konnten.

Als Louise ihren Mini an der nächsten roten Ampel stoppte, murmelte sie zu Tate: »Ich dachte, du hättest heute ein Date? Mit diesem Kerl von der Tierhandlung?«

Tate verzog das Gesicht. »Ich hab ihm gesagt, dass ich es diese Woche doch nicht schaffe.«

»Tate, du Idiot. Das ist jetzt schon das zweite Mal. Er wird nicht noch mal fragen, weißt du.«

»Und? Dann soll es eben nicht sein.« Er wusste, dass er trotzig klang. Aber Louise versuchte immer dann, ihn zu verkuppeln, wenn er am wenigsten Zeit dafür hatte. »Ich kann zu einer anderen Zeit auf ein Date gehen, wenn wir nicht diesen Ärger bei der Arbeit haben.«

»Ach ja?« Sie zog die Brauen hoch. »Einfach so, meinst du?«

Was zum Teufel meinte sie damit? »Warum nicht?«

»Lass den finsteren Blick stecken. Ich sage dir das zu deinem eigenen Besten. Du könntest dir zum Beispiel mal die Haare schneiden. Dich besser kleiden.«

»Ich dusche täglich, oder etwa nicht? Ich bin über 21, richtig? Geh ruhig deine Checkliste durch. Ich habe einen Job, ein eigenes Haus, bin Single, verfügbar…«

Louise hustete.

»Na ja, fast. Eine Familie wie meine ist ein Gesamtpaket, das weißt du doch. Aber was könnte der Mann meiner Träume mehr wollen?«

Louise grinste, während sie auf die Straße achtete. »Ich denke, eine Menge Kerle wollen dich, Tate, mein Lieber. Das ist nicht das Problem. Es ist die Frage, ob du bereit bist, dich genug zu öffnen, um den armen Jungs eine Chance zu geben.«

Er zögerte einen Moment. Nein, das war Unsinn. Bestimmt? »Es geht nur darum, die Zeit zu finden. In meinem Leben ist viel los.«

»Aber eine Menge davon nimmst du freiwillig an, oder? Du füllst die Stunden, damit du nicht riskieren musst, dich jemandem zu öffnen.«

»Das ist nicht…«

»Tate, du sammelst Verpflichtungen, wie ich Doc Martens-Stiefel!« Sie lachte etwas traurig. »Bei der Arbeit gibt es das Sicherheits- und Gesundheitskomitee, die Supervision des Praktikantenprogramms und die Gewerkschaftsvertretung bei den jährlichen Lohnverhandlungen. Ganz zu schweigen davon, dass du die Reparaturen des Bücherei-Parkhauses organisierst, immer noch Mitglied im Elternverein der Schule bist, die Weihnachtsveranstaltung des Obdachlosenheims leitest und dich dafür einsetzt, dass der unabhängige Lebensmittelhändler in der Nachbarschaft nicht schließen muss.« Sie seufzte. »Und das allein in diesem Jahr. Wann wirst du dir Zeit für dich selbst erlauben, Tate Somerton?«

»Irgendjemand muss sich um diese Dinge kümmern, Lou. Sonst werden wir alle ausgenutzt.«

»Ja, Tate. Natürlich, Tate.«

Gut, er blickte schon wieder finster, aber an diesem ohnehin schon hektischen Morgen sollte sie ihn wirklich nicht provozieren. »Hör mal, es geht mir gut. Und ich treffe mich mit genug Männern.«

»Nein, tust du nicht.«

»Tu ich wohl.«

Louise sah weiterhin auf die Straße, streckte aber die Zunge heraus. »Tust du nicht.«

Er musste lachen. Schließlich wusste Louise es bereits. Sie hatten genug späte Abende mit bittersüßen Geschichten von ihm gefüllt, um sich zu amüsieren. »Hey, lass mich. Was ist mit Mark? Das hat immerhin…«

»Ein paar Wochen gedauert, Tate. Ihr wart im Kino. Ihr hattet einen Abend im Pub. Du hast ihn nicht zurückgerufen.«

Er rutschte verlegen auf seinem Sitz herum. »Unvereinbare Unterschiede.«

Louise hob die Brauen.

»Lou, er hat gedacht, die homosexuelle Ehe wäre es nicht wert, dafür zu kämpfen.«

»Und dieser große Kerl… Nigel, oder?«