Im Bett des ungeschliffenen Diamanten - Clare London - E-Book

Im Bett des ungeschliffenen Diamanten E-Book

Clare London

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Beschreibung

Als Joel mit seinem Juwelierunternehmen Starsmith Stones den Auftrag erhält, die Ringe für die erste schwule Hochzeit im englischen Königshaus zu entwerfen, kann er sein Glück kaum fassen. Allerdings braucht er für diese gewaltige Aufgabe Unterstützung für sein Team und einer der besten Schmuckdesigner des Landes ist Matthew Barth – der Joel immer noch nicht vergeben hat, dass er mit Starsmith das Barth-Familienunternehmen aufgekauft hat. Nach ein bisschen Überzeugungsarbeit will sich aber auch Matt diese Chance nicht entgehen lassen und willigt ein, mit Joel zusammenzuarbeiten. Die beiden Männer merken schnell, dass sie sich trotz der unglücklichen Ereignisse in der Vergangenheit zueinander hingezogen fühlen, und bald fliegen zwischen ihnen nicht nur im Streit die Funken. Doch dann sickern geheime Details über die Hochzeitsringe nach außen und in Joel keimt ein hässlicher Verdacht auf, der seine und Matts Beziehung auf eine harte Probe stellt…

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Seitenzahl: 324

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Deutsche Erstausgabe (ePub) August 2021

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2019 by Clare London

Titel der Originalausgabe:

»Romancing the Rough Diamond«

Published by Arrangement with Clare London

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Bernd Frielingsdorf

ISBN-13: 978-3-95823-901-2

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Vanessa Tockner

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Als Joel mit seinem Juwelierunternehmen Starsmith Stones den Auftrag erhält, die Ringe für die erste schwule Hochzeit im englischen Königshaus zu entwerfen, kann er sein Glück kaum fassen. Allerdings braucht er für diese gewaltige Aufgabe Unterstützung für sein Team und einer der besten Schmuckdesigner des Landes ist Matthew Barth – der Joel immer noch nicht vergeben hat, dass er mit Starsmith das Barth-Familienunternehmen aufgekauft hat. Nach ein bisschen Überzeugungsarbeit will sich aber auch Matt diese Chance nicht entgehen lassen und willigt ein, mit Joel zusammenzuarbeiten. Die beiden Männer merken schnell, dass sie sich trotz der unglücklichen Ereignisse in der Vergangenheit zueinander hingezogen fühlen, und bald fliegen zwischen ihnen nicht nur im Streit die Funken. Doch dann sickern geheime Details über die Hochzeitsringe nach außen und in Joel keimt ein hässlicher Verdacht auf, der seine und Matts Beziehung auf eine harte Probe stellt…

Kapitel 1

Joel Sterlings Handy würde noch ein Loch in die Tasche seiner Anzughose brennen.

Zumindest schadete es dem wunderschön geschneiderten Stoff, dass seine Hand es alle 30 Sekunden umdrehte. Es musste klingeln und das bald. Er saß bereits den ganzen Abend lang auf glühenden Kohlen, seit er erfahren hatte, dass der königliche Haushalt vor Ende des Tages eine Entscheidung treffen würde.

Und ein langweiliges Preisverleihungsdinner war nicht gerade der beste Ort dafür, den wahrscheinlich einflussreichsten Vertrag seiner Karriere zu erwarten. Er hatte heute Abend so oft gelächelt, dass seine Wangen sich taub anfühlten, hatte Small Talk gelauscht und selbst eine Menge Small Talk gehalten und hundert Hände geschüttelt – oder so fühlte es sich zu dieser späten Stunde zumindest an. Er besuchte diese Schmuckhandel-Veranstaltungen nicht oft. Als CEO von Starsmith Stones hatte er ein Marketing- und Sales-team als öffentliches Gesicht der Firma und zog es vor, alles von seinem Büro aus zu verwalten. Aber heute waren mehrere Termine zusammengekommen und er hatte angeboten, das Dinner persönlich zu übernehmen. Starsmith hatte einen prestigeträchtigen und langjährigen Ruf zu wahren. Sie hatten nicht zufällig einen der besten Standorte im Londoner Stadtteil Mayfair. Daher gehörten die gelegentlichen – wenn auch langweiligen – Preisverleihungsdinner wahrscheinlich zu seiner Jobbeschreibung.

Aber sein Handy musste klingeln.

Das historische Londoner Hotel Claridge's war so glamourös wie erwartet und das Catering ausgezeichnet. Die JewellersGuild stellte immer die Besten für ihre Veranstaltungen an. Er war von professionell aufmerksamem und wunderschön gekleidetem Personal bedient worden und mit dem Marmor- und Spiegeldesign aus den 30ern war das Ambiente der Inbegriff von Luxus und Geschmack. Er hatte selbst seinen Anteil an Neugier und Aufmerksamkeit von seinen Kollegen abbekommen, ob nun vermischt mit Staunen, Bewunderung oder Feindseligkeit. Das kam mit dem Beruf, nahm er an, zusammen mit der ungewöhnlichen Tatsache, dass er jung war – noch in den späten 20ern – und nicht wie üblich aus einer reichen oder aristokratischen Familie stammte.

Sein Ruf eilte ihm offensichtlich voraus, aber diese Einstellung schüchterte ihn nicht ein. Er wusste, dass er genau der war, den Starsmith gesucht hatten, als sie ihn vor zwei Jahren von seinem vorherigen Arbeitgeber abgeworben und ihm direkt diese Führungsposition gegeben hatten. Er war ein harter Verhandlungspartner, konnte aber auch jeden Vorstand von sich überzeugen. Das Netzwerk internationaler Goldschmiede, das in London seinen Sitz hatte, arbeitete ebenfalls gern mit ihm. Ja, einige vom alten Eisen wollten ihn herausfordern, um zu sehen, wann er unter dem Druck ihrer überlegenen Erfahrung einknicken würde. Bisher waren sie allerdings enttäuscht worden. Und einige der jüngeren Händler hatten einfach eine Scheißangst vor ihm – auch das wusste er, obwohl es nicht allzu oft hinter seinem Rücken geflüstert worden war.

Das war alles in Ordnung. Er hatte hart um diese Position gekämpft. Er hatte der Schmuckindustrie sein ganzes Berufsleben gewidmet, um an diesen Punkt zu gelangen. Unter seiner Führung würde Starsmith Stones zu einem der besten Unternehmen der Welt werden. Dafür würde er sorgen. Ihr Profit wuchs mit jedem Quartal und das Team, das er um sich hatte, war erstklassig. Er liebte das Leben des knallharten Geschäftsmannes – jedenfalls im Büro.

Aber heute? Heute musste dieses verdammte Handy klingeln. Der nächste Anruf konnte seine gesamte Karriere, vielleicht sogar sein Leben verändern. Und Joel Sterling, kühler Verhandlungsführer, besonnener Manager und strategischer Planer, gab normalerweise bestimmt keine solch melodramatischen Bemerkungen von sich…

Jemand stieß ihn grob am Ellbogen an. »Das sieht man ja nicht oft, dass Sie sich unters Fußvolk mischen, Sterling. Hatten Sie schon Gelegenheit, über unseren Europa-Vertrag nachzudenken?«

Diese unverblümte Frage kam von einem Verkäufer bei Marchant's, einem Londoner Silberhändler, mit dem Starsmith bereits zu tun gehabt hatte. Aber Starsmiths beste Stücke wurden traditionell in Gold eingefasst und im Moment hatte Joel keinen weiteren Bedarf an Silber.

»Dan.« Er nickte knapp. Er mochte den Mann nicht, obwohl er wusste, dass er im Dienst war, egal, in welcher Umgebung. Geschäfte konnten ebenso gut bei gesellschaftlichen Anlässen abgeschlossen werden wie bei Vorstandssitzungen. »Er liegt auf meinem Tisch. Sie müssen verstehen, dass Starsmith momentan nicht geplant hat, eine weitere Silberkollektion zu produzieren. Aber ich habe morgen Zeit eingeplant, um die Details durchzusehen.«

Der Händler, Dan Lewellyn, war jung und gut aussehend, hatte aber entweder aus Nervosität oder von zu vielen Getränken Schweiß auf der Stirn und brauste jetzt auf: »Nicht nötig. Sie können mir vertrauen, das ist –«

»Ich werde die Details durchsehen«, unterbrach Joel ihn bestimmt, ohne jedoch die Stimme zu erheben, »wenn ich Zeit finde. Dann werde ich Bescheid sagen, ob wir Interesse haben.«

»Liegt es am Preis?« Dan runzelte die Stirn. »Ich habe die Marge schon so tief gedrückt, wie ich kann. Sie interessieren sich nur für den Nettoprofit, ich weiß, also –«

»Ich interessiere mich für das beste Produkt zu einem wettbewerbsfähigen Preis.«

»Solange der niedriger ist als alle anderen auf dem Markt«, fauchte Dan zurück.

»Verzeihung?«, sagte Joel jetzt schärfer. Er war irritiert, denn was Dan andeutete, war nicht wahr. Starsmith zahlte faire Preise, aber nur für Produkte von höchster Qualität. Scheinbar hatte Marchant's weit niedrigere Standards und er hatte gehört, dass ihre Geschäftspraktiken nicht immer seriös waren. »Ich glaube, ich habe gerade gesagt, dass ich Ihnen Bescheid gebe.«

»Meine Güte.« Dan wirkte wütend und noch aufgebrachter. »Sie sind ein kalter Mistkerl, Sterling.«

»Ich bin ein gründlicher Mistkerl.« Joel klang ruhiger, als er sich fühlte. Kam dieses Summen an seiner Hüfte von einer eingetroffenen Nachricht? Es juckte ihn in den Fingern, nach dem Handy zu greifen. »Dafür bezahlt Starsmith mich. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss noch andere Leute treffen.«

Schnell flüchtete er aus dem Ballsaal, wobei er mehr als nur ein paar erstaunte Gesichter hinter sich zurückließ, und huschte in eine der kleineren Bars mit mehr Privatsphäre. Dort begrüßten ihn noch mehr stilvolles Dekor aus den 30ern, dunkles Holz und roter Samt und ein abrupt reduzierter Lärmpegel. Erleichtert sah er, dass die Bar fast leer war, abgesehen von einem Paar in mittleren Jahren in einer der kleinen, gemütlichen Sitznischen, einem jungen Mann, der mit einem Bier an der hufeisenförmigen Marmorbar saß, und einem Barkeeper, der sich bemühte, ein Gähnen hinter vorgehaltener Hand zu verbergen. Die Nacht neigte sich allmählich dem Ende zu, die Besucher der Veranstaltung würden bald in Clubs und Restaurants im Zentrum von London weiterziehen und wie es aussah, waren auch die Hotelgäste des Claridge's anderswo.

Joel blieb bei einer der leeren Sitznischen stehen, öffnete den Knopf seines Tom Ford-Sakkos und holte sein Handy aus der Tasche. Er hatte eine Nachricht, dass er im Büro anrufen sollte. Endlich! Hastig drückte er auf die Schnellwahltaste. »Teresa? Bist du noch auf der Arbeit?«

»Ich erledige in Ruhe und Frieden meinen Papierkram«, flüsterte seine Assistentin Teresa Manners halblaut. »Hier ist niemand außer mir und dem Putzmann und der ist am anderen Ende des Flurs. Kannst du reden?«

Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, glitt Joel in die Nische, wo er auf der straff gepolsterten Bank sitzen konnte und die Seitenwände seine Stimme dämpfen würden. »Ja. Was gibt's?«

»Ich bin zu alt für diesen 007-Kram.« Teresa kicherte. Er wusste, dass sie über seinen Eifer den makellos frisierten Kopf schütteln würde. »Aber keine Sorge, inzwischen verstehe ich die Notwendigkeit zur Geheimhaltung. Mach dich bereit.«

Bereit für gute oder schlechte Neuigkeiten? Das war genauso, wie in der Schule auf Prüfungsergebnisse zu warten. »Sag schon!«

Sie erbarmte sich. »Mein inoffizieller Kontakt im Palace hat mich angerufen, sobald sie für heute fertig waren. Der Auftrag ist so gut wie unserer. Der Palace wird Starsmith morgen kontaktieren und die offizielle Ankündigung kommt nächsten Monat in der Fachpresse.«

»In drei Wochen!« Joel atmete tief durch, um seinen rasenden Puls zu beruhigen. Der Geruch in der Bar war eine schwere Mischung aus Holzpolitur, teuren Düften und gutem Alkohol. Joel glaubte, er würde sich ewig an diesen Duft erinnern, der einen der besten Momente seines Lebens begleitete. Er merkte, dass er grinste wie ein Idiot.

Diese Neuigkeit war lebensverändernd! Sechs lange Monate hatte Starsmith um einen Auftrag der britischen Königsfamilie verhandelt, den ersten der Firmengeschichte. Ursprünglich hatte Joel durch eine beiläufige Bemerkung auf einem von Starsmiths Mittagessen, die dem Networking dienten, davon gehört, an denen auch prominente Freunde des Adels teilnahmen. Für die erste Schwulenhochzeit eines Mitglieds der britischen Königsfamilie und direkten Nachkommen des Throns wurde eine Londoner Firma gesucht, um den Schmuck für das Brautpaar zu stellen. Prinz »Artie« Arthur, momentan an achter Stelle in der Thronfolge – jung, gut aussehend und mit demselben Funkeln in den Augen wie seine älteren Brüder William und Harry –, heiratete seinen langjährigen Freund, den unabhängig wohlhabenden Opernsänger Paolo Astra. Sie waren ein hinreißendes Paar und natürlich im Fokus der Presse, sodass die Medien sich bei der Aussicht auf die Berichterstattung bereits die Lippen leckten.

Es war Joels überwältigendes Verlangen gewesen, dieses Geschäft für Starsmith abzuschließen. Die Hochzeit würde erst in sechs Monaten stattfinden. Aber er hatte 24 Stunden nach der Ankündigung der Hochzeit eine Präsentation vor Vertretern des Palace gehabt und wusste, dass sie gut verlaufen war. Er hatte sein ganzes Herzblut hineingesteckt! Starsmith war bereits informiert worden, dass sie es auf die sehr kurze, ausgewählte und vertrauliche Liste zugelassener Firmen geschafft hatten.

Und jetzt war Teresas Nachricht wunderbar willkommen. Starsmith hatte gewonnen.

»Joel? Bist du noch da?« Teresa klang müde. »Solange ich noch deine Aufmerksamkeit habe, ich wurde gebeten, dich wegen einer der Übernahmen in diesem Monat zu warnen. Es geht um Barth Gems, einen kleinen, unabhängigen Juwelier, der seit einiger Zeit finanzielle Probleme hat. Unser Business-Development-Team hat sie vor Monaten für eine mögliche Übernahme ins Auge gefasst und die Unterzeichnung ist für morgen geplant. Aber der Inhaber protestiert noch gegen einige Bedingungen. Er steht kurz vor der Pensionierung und es ist ein Familienunternehmen – scheinbar gibt es einen Sohn. Einen unbeholfenen jungen Mann, der keine aktive Rolle in der Firma hat, der dem Vertragsabschluss aber immer wieder Steine in den Weg legt.«

Joel versuchte, sich wie üblich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber seine Gedanken eilten bereits voraus. »Das Team schafft das schon.«

»Ich weiß. Sie wollten es dich nur wissen lassen.«

Joel wollte nichts über Hindernisse hören. Er wollte jubeln, tanzen und vor Begeisterung laut schreien. Es erstaunte ihn, dass die Luft um ihn herum sich nicht verändert hatte, aufgeladen mit seinen Emotionen. »Sag ihnen, sie sollen den Bedingungen zustimmen«, sagte er in einem Moment der Unbesonnenheit. »Ich kann mich nicht an die Details erinnern, obwohl ich sicher bin, dass das Geschäft nicht groß genug ist, um uns ernste finanzielle Sorgen zu bereiten. Aber wir wollen zu diesem Zeitpunkt keine schlechte Publicity für die Firma. Nicht jetzt, da wir –«

»Schh, vergiss nicht, es ist noch ein Geheimnis«, unterbrach Teresa vorsichtig, obwohl sie es kurz darauf mit einem sehr unprofessionellen, entzückten Aufschrei ruinierte. »Das wird wundervoll, nicht wahr?«

»Ja. Und danke, dass du so lange geblieben bist, um den Anruf anzunehmen. Ich würde ja sagen, nimm dir dafür morgen frei…«

»Aber dann fängt die Arbeit erst richtig an, oder?« Teresa kicherte. »Kein Problem. Du schuldest mir ohnehin schon eine Menge. Das ist einfach ein weiterer Punkt auf der Liste. Und ich bin um sieben im Büro, um alle aus dem Team anzurufen.«

»Sag Dylan, dass es mir leidtut.«

Sie schnaubte. »Der ist das inzwischen gewöhnt.«

Teresa hatte einen liebenden Mann, Dylan, und drei Kinder. Einen kurzen Moment lang stellte Joel sich vor, wie es wäre, jemanden zu haben, mit dem er diese Neuigkeit teilen konnte. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann er zum letzten Mal mit jemandem nach Hause gegangen war. Dann merkte er, dass Teresa noch immer redete.

»… und ich kann es kaum erwarten, bis alle es wissen und ich es den Kindern erzählen kann. Sie sind verrückt nach allem, was mit der Königsfamilie zu tun hat.«

Joel bedankte sich wieder bei ihr und legte auf, blieb aber noch eine Weile in der Nische sitzen. Er konnte es ebenfalls kaum erwarten, vor allem von hier wegzukommen und darüber nachzudenken, was der königliche Auftrag bedeuten würde. Es ging nicht nur um die Ringe für das Paar, sondern um Geschenke für die gesamte Hochzeitsgesellschaft, auch für die VIP-Gäste. Bisher hatte er es nicht gewagt, irgendjemanden außer Teresa und seinen Head of Design einzuweihen. Er hatte den Auftrag nicht verschreien wollen. Und Starsmiths bisherige Arbeit hatte ihnen zwar Aufmerksamkeit eingebracht, aber er wusste, dass dieser Auftrag etwas noch Besseres erfordern würde – eine Mischung aus modernem Stil und traditioneller Eleganz. Sein firmeninternes Design-Team war ausgezeichnet, aber vielleicht sollte er jemand Unabhängigen engagieren, der frischen Wind mitbrachte. Es würde jemand sein müssen, der sowohl innovativ als auch talentiert genug war. Project Palace. Genau so würden sie es nennen. Gott! Wenn sie damit Erfolg hatten, könnte Starsmith zur ersten Wahl von Königsfamilien rund um die Welt werden…

»Sie sehen aus, als könnten Sie einen Drink gebrauchen. Darf ich Ihnen einen spendieren?«

Joel sah zu dem Mann von der Bar auf, der herübergeschlendert war. Jetzt hatte er ein Bier in jeder Hand und hielt Joel eins davon hin. Sein Lächeln war fragend, ein wenig nervös. Es war ein sehr attraktives Lächeln. Joel merkte, wie es ihn unwiderstehlich anzog, auch die Selbstironie, die er darunter sah, vermischt mit einem unleugbaren Hauch Verschmitztheit. Er war ungefähr so groß wie Joel und in seinem Alter, hatte haselnussbraune Haare, die an den Seiten kurz geschnitten und oben wellig waren, einen dunklen Bartschatten und scharfe blaue Augen. Schöne, lebendige Augen. Er trug einen dunklen Anzug, der elegant, aber wahrscheinlich schon ein paar Jährchen alt war, und der kräftige Körper unter dem weißen Hemd deutete auf Muskeln und körperliche Fitness hin. Vielleicht ein Mann, der im Freien arbeitete. Joel hatte ihn nicht im Ballsaal gesehen, obwohl der Anzug darauf hindeutete, dass er irgendwo geschäftlich zu tun hatte. Keine Krawatte, kein Ausweis an einem Lanyard, keine schmierige, habgierige Arroganz in seiner Haltung. Joel war überrascht, wie sehr ihn das erleichterte.

»Ich hab zufällig Ihr Lächeln mitbekommen«, sagte der Fremde unverblümt. »Nach dem Anruf. Wie bei einem privaten Witz oder so.«

»Verzeihung?«

»Scheiße.« Der Mann runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Verdammt, ich muss Sie um Verzeihung bitten. Normalerweise bin ich ein höflicherer Gesprächspartner. Ich habe nur gemeint… Es war gut, jemanden heute so fröhlich zu sehen. Ich frage nicht, was es für ein Anruf war – das ist Ihre Angelegenheit.«

»Ja. Das ist es.«

Jetzt wirkte der Mann irritiert. Seine Miene wandelte sich innerhalb von Sekunden. All seine Gedanken schienen sich in seinem Gesicht zu spiegeln. Offenbar war er nicht zu professioneller Distanz fähig. Er zeigte nicht das zurückhaltende Benehmen, an das Joel gewöhnt war, und Joel war enttäuscht, als er keine Spur des ursprünglichen sexy Grinsens mehr entdeckte.

»Ich dachte nur, Sie wollten vielleicht ein bisschen feiern, egal, worum es geht«, sagte der Kerl. »Aber Sie wollen nicht, dass ein ungeschickter Idiot wie ich dabei stört.« Er stellte das Bier vor Joel auf den Tisch und trat einen Schritt zurück. »Ich lasse Sie mal allein.«

»Warten Sie.« Die Worte entkamen Joel, ohne dass er weiter darüber nachgedacht hatte. Er wusste nicht, ob das eine Anmache war – war nicht sicher, ob es ihn störte. Er bekam mehr als genug Annäherungsversuche, wenn er tatsächlich in London ausging, und wusste, dass seine hohe Stellung und die Macht attraktiv waren. Außerdem sah er nicht schlecht aus, obwohl er sich nicht für besonders eitel hielt. Aber dieser Kerl hatte offenbar keine Ahnung, wer Joel war, hatte ihn gerade mit einem einfachen Ausdruck der Kameradschaft angesprochen. Dieser Kerl, der so erfrischend offen sprach, wie Joel es von den Unternehmern an diesem Abend nicht erlebt hatte, der daran gedacht hatte, Joel auf einen Drink einzuladen, obwohl Joel sich auf Starsmiths Kosten mehrere Male um den Verstand hätte trinken können, und der… heiß war.

Was erwartete Joel schon, wenn er nach Hause kam, abgesehen von Plänen für den nächsten Arbeitstag? Und ja, verdammt, auch wenn er niemandem erzählen konnte, warum, er wollte feiern.

»Setzen Sie sich zu mir«, sagte er und deutete lächelnd auf den gepolsterten Platz neben sich.

Kapitel 2

Matthew Barth glitt in die Nische und verfluchte sich für seine Unbeholfenheit. Er war groß und stämmig – anders als der elegante Mann ihm gegenüber. Und diese verdammten Sitznischen fühlten sich an, als würde man in den Mutterleib zurückfallen, mit der Tischkante am Bauch und der Hose eng um die Schenkel, denn ja, er wusste, er hätte vor vielen Jahren in einen neuen Anzug investieren sollen. Aber er war glücklicher in Jeans und Sweatshirt und hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht. Und wofür zum Teufel brauchte er überhaupt einen Anzug? Er hatte sich noch nie um diese Veranstaltungen geschert und würde ab morgen bestimmt an keiner mehr teilnehmen.

»Die Möbel sind nicht gerade komfortabel gebaut, oder?«, sagte der attraktive Fremde und sein Lächeln war beruhigend. Er war zur Seite gerutscht, um Matt Platz zu machen, und jetzt saßen sie nebeneinander. »Mich haben die Metallknöpfe in den Hintern gestochen.«

Matt lachte und schob sich die Haare aus der Stirn. Sie blieben nie lange in Form und er vergaß ständig, Gel zu verwenden. Er hätte sich vor dem Abend auch rasieren sollen. Neben der perfekten, glatten Haut dieses Kerls sahen seine Stoppeln nicht gerade gut aus. Matt fragte sich, ob sein Bart genauso blond wäre wie seine perfekt gestylten Haare oder ob er eine Spur Rot darin finden würde. So schöne, scharfe, funkelnde Augen, die Matt so selbstsicher anblickten. Und diese hohen Wangenknochen, der markante Kiefer – der Mann war verdammt hinreißend.

Matt schwankte zwischen einer Welle lustvoller Anziehung und Verlegenheit. Wahrscheinlich hätte er sein Sakko nicht ausziehen sollen. Er hatte sein Hemd nicht sehr gut gebügelt. Gott sei Dank hatte er nichts verschüttet, als er es sich unbeholfen bequem gemacht hatte.

»Ich bin Matt«, sagte er und streckte die Hand aus. Der andere Mann schüttelte sie. Sein Händedruck war kühl, aber fest. Matt war nicht überrascht, als ein Funke der Erregung seine Wirbelsäule hinabzuckte.

»Joe«, sagte der Mann leise – jedenfalls hatte Matt das verstanden. Das Paar in der Nische hinter ihnen war in lautes Gelächter ausgebrochen, gerade als Joe sich vorgestellt hatte. Joe verzog das Gesicht, fing Matts Blick auf und lächelte reumütig.

»Belassen wir es dabei, ja? Nur Vornamen«, sagte Matt schnell. »Ich wette, wir haben beide genug von diesem Abend, nachdem wir uns immer wieder mit vollem Namen, Rang und Seriennummer vorgestellt haben.«

Joe zog die Augenbrauen hoch, aber dann nickte er. »Ja, du hast recht. Das ist ermüdend. Also, du bist wegen des Events der Juweliere hier?«

Matt fragte sich, was Joe dachte, warum er sonst hier sein könnte. Er war wohl kaum gut genug für den üblichen Kundenstamm im Claridge's gekleidet, aber natürlich hatte er den Großteil des Abends damit verbracht, sich in dieser kleinen, abgelegenen Bar zu verstecken, statt sich unter die Leute aus der Branche zu mischen. »Ja. Zum Glück ist es jetzt fast vorbei. Meine Pflicht ist getan und die letzte Bahn geht um elf.« Er gab dem Barkeeper, der unter der Theke verstohlen ein Cocktailbuch studierte – Matt hatte ihn bereits mehrmals damit erwischt –, ein Handzeichen und bestellte noch zwei Bier. Joe nickte zustimmend. Er hatte sein erstes bereits fast geleert. Vielleicht hatte er genug von dem allzu trockenen Champagner im Ballsaal gehabt.

Sie sprachen nicht, bis das Bier an ihren Tisch gebracht worden war. Plötzlich nahm Matt Joe sehr bewusst wahr, wie er sich weniger als einen Meter entfernt in seinem schönen Anzug anmutig an die unbequeme Bank lehnte, mit einem leichten Lächeln auf den vollen Lippen, einer glatten Stirn unter den teuer frisierten Haaren, gerader Nase – wahrscheinlich nie bei Amateur-Rugbyspielen gebrochen – und Händen mit schlanken Fingern ohne Erde unter den Nägeln, die Matt vermutlich nie unter seinen herausbekommen würde, egal, wie lange er schrubbte.

Aber Joe hatte Matt eingeladen, sich zu ihm zu setzen, und die Einladung auf einen Drink angenommen. Er hatte sogar einen Witz gemacht, damit Matt sich entspannte. So schlimm konnte er nicht sein, oder? Ein erstaunlich warmes Gefühl breitete sich in Matt aus. An Cocktails hatte er kein Interesse, aber… er würde auf jeden Fall noch ein Bier mit diesem lächerlich hinreißenden Mann trinken.

Es fühlte sich nicht real an, denn Matt hatte sich noch nie in seinem Leben so einen Kerl geangelt. Tatsächlich hatte er seinem Liebesleben nie genug Zeit oder Mühe für eine richtige Beziehung gewidmet. Es hatte immer andere Prioritäten gegeben. Die Familie, seine Designlehre, das Unternehmen – nein, daran würde er heute nicht mehr denken. Er lehnte sich in der Nische zurück, entschlossen, das überraschende und sehr angenehme Ende des Abends in Joes Gesellschaft zu genießen. Als er wieder nach seinem Bier griff, stieß er an Joes Hand und als er sich umwandte, um sich zu entschuldigen, erkannte er, dass Joe ihn ausführlich gemustert hatte. Der Mann hatte den Anstand, zu erröten, als er ertappt wurde. Es war herzerwärmend, einen Hauch Verletzlichkeit an einem so anmutigen, selbstsicheren Mann zu sehen.

Matt nickte in Richtung Ballsaal. »Wolltest du auch vor dem Theater dort drinnen fliehen?«

»Fliehen?«

»Als du diesen Anruf angenommen hast. Du hast dich hier reingestohlen, als wärst du auf der Flucht vor einem Rudel tollwütiger Bestien.«

Joe runzelte die Stirn. »Na ja. Es war ein vertraulicher Anruf.«

Autsch. Matt wusste, dass er errötete. »Ich und meine Neugier. Ich schätze, du willst, dass ich spätestens jetzt meinen Platz räume?«

Aber Joe lachte leise. »Nein. Das konntest du ja nicht wissen. Ich würde dir davon erzählen… wenn ich könnte.« Und sein Lächeln wurde noch breiter.

Gott, was für ein Lächeln! Es hellte Joes ganzes Gesicht auf und ließ ihn jünger, weniger ernst wirken. Die Wärme in Matt wuchs. Er fühlte sich benommen und glaubte nicht, dass es am Bier lag. Er wollte dieses Lächeln weiterhin ansehen, solange er konnte.

»Na, jedenfalls ist es gut, einen Mann zu treffen, der über meinen Anzug nicht die Nase rümpft oder versucht, mir irgendwelchen Kram zu verkaufen, den ich nicht brauche«, sagte er.

»Du bist auch von Verkäufern belästigt worden?«

Darauf würde Matt nicht einsteigen, also lachte er einfach und Joe stimmte mit ein. Sie nippten an ihrem Bier und die Wassertropfen an den Gläsern reflektierten das Licht der Lampen, die tief über der Sitznische hingen. Die Musik im Hintergrund wechselte zu einem langsam Jazzsong, den Matt entfernt wiedererkannte. Das alles war überraschend gemütlich.

Joe rutschte auf seinem Platz herum und näher zu Matt, als er sich ihm richtig zuwandte. »Gehe ich richtig in der Annahme, dass du geschäftliche Veranstaltungen nicht magst?«

»Fuck, nein. Verdammt. Tut mir leid. Schon wieder.« Ja, wie elegant er mit Schaum auf der Oberlippe und seiner Unfähigkeit, einen zusammenhängenden Satz zu bilden, aussehen musste. »Ich bin nur hier, weil ich es in letzter Minute musste. Ehrlich gesagt bereue ich es, dass ich überhaupt gekommen bin. Es hat überhaupt nichts genutzt.«

Joe neigte verwirrt den Kopf. »Darf ich fragen, warum?«

»Das willst du nicht wissen«, sagte Matt schonungslos. »Kurz gesagt ist das nicht mein Ding, aber ich bin schon so lange nicht mehr im Geschäft, dass ich vergessen habe, warum genau. Der Grund, warum ich nicht zu diesen Veranstaltungen komme, ist, dass ich keine Zeit für solche Leute habe.« Die Worte waren kaum ausgesprochen, als er schon erkannte, wie unhöflich sie waren. »Mist. Ich mit meiner großen Klappe. Nichts für ungut.«

»Kein Problem«, sagte Joe leise.

Matt sprach hastig weiter, wollte sich plötzlich unbedingt erklären, obwohl er sich normalerweise nicht die Mühe machte. »Soziale Anlässe wie dieser, die haben doch nichts mit dem richtigen Geschäft zu tun, oder?«

»Dem richtigen Geschäft?«

»Mit der Quelle zu arbeiten. Mit Edelmetallen. Edelsteinen. Schmuck.«

Joe verengte die Augen. Vielleicht fragte er sich, ob Matt doch etwas mit der Guild zu tun hatte, nachdem er sich so abfällig äußerte. Im Vergleich dazu war sehr offensichtlich, dass Joe in diesem Geschäftsfeld tätig war – bei der ersten Erwähnung von Edelsteinen leuchteten seine Augen auf und er schien sich etwas aufzurichten. Er musste einer der Verkäufer sein, die hier ihre Waren anboten. Matt würde versuchen, es ihm nicht übel zu nehmen.

»Das ist dir am wichtigsten?«, fragte Joe.

»Verdammt richtig. Dir etwa nicht? Ursprünglich habe ich in dieser Branche angefangen, weil ich schöne Dinge liebe. Sie zu finden, zu schaffen, das Beste aus ihnen herauszuholen. Und das ist alles, was mich interessiert, nicht diese erbärmliche Jagd nach Fingerfood und Profit.« Er stieß ein kleines, verlegenes Lachen aus. Wahrscheinlich sollte er nicht so reden, nicht hier und heute. »Was rede ich denn da! Das ist der Alkohol.«

Joe nahm sich einen Moment, bevor er antwortete. Es sah aus, als hätte er Matts Mund sehr genau beobachtet, aber vielleicht bildete Matt sich das nur ein.

»Bitte.« Joe wirkte neugierig. »Erzähl mir mehr. Du sagst, du liebst es… aber du bist jetzt nicht mehr in der Branche?«

Matt lehnte sich seufzend zurück. »Ja. Mehr oder weniger. Ich bin Schmuckdesigner. Oder war einer. Im Moment designe ich nicht, jedenfalls nicht professionell. Aus diesem Hamsterrad bin ich vor einer Weile ausgestiegen.«

»Wegen der erbärmlichen Jagd, die du erwähnt hast?«

Meine Güte. Joe hatte jedes Recht, Matt herauszufordern. Aber als er Joes Blick erwiderte, sah er darin Mitgefühl und Interesse statt Hohn. »Zum Teil. Ich habe eine Kollektion herausgebracht, die… na ja, ich schätze, man kann sie erfolgreich nennen.« Sie war von Kritikern gut aufgenommen worden und darauf war Matt sehr stolz gewesen. Erst als es an der Zeit gewesen war, sie an Händler zu verkaufen… nun ja, da hatte er erkannt, wie schlecht er darin war. Er hasste es, der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, an das Geld, die Werbung und die Kommerzialisierung seiner Arbeit zu denken.

Joe sah ihn aufmerksam an. »Es ist schmerzhaft für dich, daran zu denken.«

Das war es. Und es hatte Probleme mit Matts Familie – mit seiner Arbeit – verursacht und war für Matts Beteiligung in dieser Branche mehr oder weniger der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Aber das war nicht Joes Schuld. Er würde es überhaupt nicht interessant finden. »Ich will heute nicht mehr darüber reden, okay? Ehrlich gesagt vermisse ich die Arbeit. Ich liebe es, zu sehen, wie Metalle zu sagenhaften Formen gebogen werden, wie kostbarer, feiner Schmuck geschaffen und mit Edelsteinen gekrönt wird. Es ist wie ein Rezept – ich kombiniere alles in einem Design. Aber es geht nicht nur um den Glanz, darum, diese Dinge kostspielig zu machen, weil ich es kann. Nicht nur darum, den Markt zu befriedigen. Weißt du, was ich meine?«

»Ja. Das weiß ich.«

»Ja?« Matt erwiderte Joes Blick etwas länger, als angebracht war. Der Kerl sah tatsächlich so aus, als würde er verstehen. Was für eine verdammte Erleichterung das war! Matt fühlte sich schon seit langer Zeit wie ein Außenseiter.

»Aber…«, begann Joe langsam, als wäre er nervös, wie Matt seine Worte auffassen würde, obwohl Matt sich nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand je wagte, Joe vom selbstbewussten Aussprechen seiner Meinung abzuhalten. »Das Kommerzielle spielt auch eine Rolle. Die Guild hat Vertreter überall auf der Welt. Eine gute Kollektion hat es verdient, da draußen präsentiert zu werden.«

Matt zuckte mit den Schultern. Seit seinem Ausstieg hatte er eine Menge Zeit gehabt, um über alles nachzudenken. Mehr als genug Zeit, um zu erkennen, dass immer Kompromisse gemacht werden mussten, auch wenn ihm diese verdammten Kompromisse nicht gefielen. »Zu einem vernünftigen Preis, ja. Das verstehe ich. Menschen verdienen damit ihren Lebensunterhalt, Schmieden müssen betrieben werden. Und Schönheit ist nicht dafür da, dass nur einige wenige Leute sie privat genießen können. Aber kommerzieller Gewinn sollte nie das einzige Ziel sein.« Er fing Joes andächtigen Blick auf. »Deshalb bist du hier? Wegen des Geschäfts?«

»Ich schätze, das könnte man so sagen.« Zum ersten Mal schien sich Joe unbehaglich zu fühlen. »Es tut mir leid, ich kann dir nichts Genaues erzählen, das ist vertraulich. Aber ich feiere heute etwas sehr Aufregendes.«

Matt nickte. Er verstand auch die Geheimniskrämerei. Widerwillig unterbrach er den Blickkontakt und sah wieder auf sein Bier hinab. »Wie auch immer. Es ist spät. Nicht einmal ich kann den ganzen Abend lang wütend bleiben. Die Leute hier würden sagen, dass sie nur ihren Job machen. Aber ich denke, dass sie ihren Weg aus den Augen verlieren. Das ist es, woran mich diese Veranstaltungen erinnern. In dieser Branche geht es inzwischen nur noch um den Profit, obwohl es eigentlich um…«

»Um Schönheit gehen sollte?«

»Ja.« Er schob seine Haare wieder zurück und Joes Blick schien der Bewegung zu folgen. »Hör mal, genug von mir. Was ist mit dir? Magst du deine Arbeit?«

Matt zwang sich zum Small Talk – nicht gerade etwas, in dem er glänzte –, aber scheinbar war das die richtige Bemerkung für Joe gewesen, der seine Begeisterung nicht verborgen hatte.

»Ich liebe sie. Ich lebe sie.« Auch er lachte verlegen. »Juwele sind mein Ding, vielleicht sogar mehr als Metalle.«

»Aber das ist in Ordnung. Juwele sind der coup de grâce, oder? Der Glanz, der den Grundstein in eine Kathedrale verwandelt. Den leeren Teller in ein Bankett. Das Banale in etwas Magisches.« Ja, Matt übertrieb etwas, aber er hatte Spaß an dieser völlig unerwarteten Begegnung. Er war mit einem heißen Mann zusammen, der Schmuck ebenso sehr liebte wie er und der das Gespräch zu genießen schien, seiner nachdenklichen Miene und den leuchtenden Augen nach zu urteilen. »Es geht um… na ja, um ihre Majestät. Als wären sie ihre eigenen Könige.«

»Könige?« Joe wurde plötzlich still und seine Pupillen weiteten sich. »Ja, du hast recht.«

Matt hatte keine Ahnung, warum Joes Ton angespannt geworden war – hatte er etwas Unangebrachtes gesagt? –, aber inzwischen hatte er sich in Fahrt geredet. »Ich liebe es, dass Schmuck immer noch Herzen und Gedanken fesselt, egal, in welchem Alter. Ich habe die Designgeschichte nachverfolgt und die Einstellung zu Schätzen im Laufe der Zeit studiert. Wir fühlen uns immer noch genauso zu schönen Designs und wundervollen Stilen hingezogen wie, sagen wir mal, in der Bronzezeit. Wir schätzen Schmuck, haben es schon immer getan, aber nicht immer, um ihn auch zu besitzen.«

»Das war nicht immer eine Option für Leute, die sich keinen leisten konnten.« Jetzt nickte Joe und lehnte sich vor. »Aber die Bewunderung war trotzdem da, meinst du das? Der Wunsch, von so edlen Dingen verblüfft und gefesselt zu werden.«

»Gott, ja, du hast recht. Genau das.« Matt hatte sich lange nicht mehr so verstanden gefühlt. Joes Augen leuchteten und sein Lächeln war blendend. Er war so hinreißend. Und jetzt hatte er die Hand auf Matts Arm gelegt.

»So, wie du es beschreibst… es ist eine Weile her, seit ich so gedacht habe. Seit ich den Kern der Dinge gesehen habe. Aber das liebe ich auch.«

Matt grinste verschmitzt. »Wie gesagt. Schmuck ist Magie. Oder kann es sein. Egal, in welchem Zeitalter und in welcher Gesellschaft. Die Metalle, die Juwele, die sind zeitlos. Und wenn die besten Designs diesen unsterblichen Strom des Verlangens anzapfen können, wenn sie wahrhaftig zeitlos sein können…«

»Dann ist das der wahre Schatz!«

Sie starrten einander breit lächelnd und begeistert an. Plötzlich war Matt atemlos. Er war lange nicht an Dates interessiert gewesen, aber jetzt… Joe hatte etwas an sich. Er war so anders als Matt – wortgewandt, wo Matt schroff war, gut gekleidet, wo Matts Outfit gerade so als formell durchging. Und er fügte sich so gut in die Branche ein, dass der Kontrast Matt ein unangenehmes Gefühl der Feindseligkeit hätte bescheren müssen. Aber wenn sie gemeinsam lachten, wenn sie über Juwele sprachen, wenn sie so ähnliche Meinungen zu der ihrem Gewerbe innewohnenden Schönheit hatten…

Joe zog sein Sakko aus und Matt beobachtete, wie die Muskeln seiner breiten, sehnigen Schultern sich anspannten. Matts Blick wanderte genau in dem Moment zu Joes Mund, als Joe sich mit der Zunge die Lippen befeuchtete.

»Du weißt, wie gut du aussiehst, oder?«, sagte Matt heiser.

»Du bist… Ich weiß nicht, was ich über dich sagen soll.« Joe wirkte seltsam verblüfft, während er suchend in Matts Gesicht blickte. »Du bist ungewöhnlich. Das gefällt mir. Du bist etwas Besonderes.«

Matts Lachen kam als tiefes Brummen heraus. Der Kuss schien einfach zu passieren. Matt hätte nicht sagen können, wer den ersten Schritt tat. Sie beugten sich sanft und wie selbstverständlich zueinander und ihre Lippen trafen sich. Es gab nicht die Spur der fürs erste Mal typischen Unbeholfenheit, bei der Nasen aneinanderstießen. Matt legte eine Hand in Joes Nacken und Joe packte Matts Hemd. Die Seitenwände der Nische waren hoch und der Barkeeper war zum anderen Ende der Bar davongeschlurft. Das lachende Paar war vor einiger Zeit gegangen. Niemand konnte sie sehen. So, wie Joe ihn packte und wie bestimmt seine Zunge in Matts Mund eindrang, glaubte Matt allerdings, dass es sie auch nicht gestört hätte, wenn es anders gewesen wäre.

In seinem überschaubaren Liebesleben hatte Matt nicht viele Männer geküsst und nicht geglaubt, dass ihm da viel entgangen wäre. Aber das hier war etwas anderes. Joe war anders. Sie trennten sich langsam und ihre Lippen berührten sich bis zur letzten Sekunde.

Joes Augen waren halb geschlossen und sein Mund glänzte. Matt sah, dass ein Schweißtropfen sich in der Kuhle an seinem Hals gebildet hatte. Verdammt, vermutlich sah er selbst ebenso erregt aus.

Er strich mit einem Finger über Joes Wangenknochen und seufzte. »Wow. Das war unerwartet.«

»Aber gut?«

Großartig. Joe wirkte sehr belustigt von der ganzen Sache, als hätte Matt ihm mit einem Eisenrohr eins übergezogen und nicht versucht, ihn zu verschlingen. »Ja«, sagte er grinsend. »Sehr gut.«

Joe lachte leise. Er wirkte, als wollte er Matt nicht loslassen, aber dann griff er mit der freien Hand in seine Haare. Sie mussten überhaupt nicht gerichtet werden, waren genauso perfekt gestylt wie zuvor. Aber Matt war seltsam gerührt von der nervösen Geste.

Und dann vibrierte Matts Handy in seiner Tasche. Er tastete danach und holte das alte Modell heraus, das er für kaum mehr als Anrufe verwendete. Auf dem Display stand: Gary. Gary, sein Cousin, der nur selten wusste, wo sein Handy war, geschweige denn spätabends anrief, um mit seinem Cousin zu plaudern.

Ein kalter Schauder lief Matt über den Rücken.

»Den Anruf muss ich annehmen.« Er kämpfte sich aus der Nische und ging zum anderen Ende der Bar. Er wusste nicht, warum er das so unbedingt privat halten wollte, aber etwas sagte ihm, dass es wichtig war. »Gary? Was gibt's?«

»Matt? Es ist dein Dad. Er ist im Krankenhaus.«

Matt hörte Geräusche im Hintergrund: fremde Stimmen, ein leises Piepen, ratternde Wagen auf Linoleumboden. Klang, als wäre Gary selbst im Krankenhaus. Matt wurde übel. »War es ein Unfall?«

»Oh nein. Ihm ist nur zu Hause schwindlig geworden und er ist gestürzt. Ich persönlich glaube, dass es eine Panikattacke war. Aber sie wollen einige Tests durchführen, für den Fall, dass es ein Schlaganfall war. Ich dachte, das solltest du wissen.«

»Ein – was?«

»Matt, bleib ruhig. Es geht ihm gut. Er ist bei Bewusstsein und genauso klar im Kopf wie immer. Er hat sogar gesagt, dass ich dich nicht anrufen soll, weil du auf dieser geschäftlichen Veranstaltung in London bist…«

»Ich mache mich sofort auf den Weg. Ich nehme ein Taxi.«

»Gott, aus dem Zentrum von London? Das kostet…«

»Scheiß drauf«, sagte Matt leise und grimmig und legte auf.

Sein Herz hämmerte, als würde ein irrer Drummer in seiner Brust sitzen, und sein Mund war trocken. Er sah zu Joe hinüber, der vor der Sitznische stand. Auf dem Tisch waren zwei halb geleerte Biergläser und ein kleines weißes Rechteck. Matt nahm an, dass es Joes Visitenkarte war. Er würde Matt wahrscheinlich bitten, ihn anzurufen. Sie könnten etwas trinken gehen, in einem weniger einschüchternden Lokal, weniger formell als ein Business Dinner im Claridge's. Spaß haben. Mehr von diesen überwältigenden Küssen tauschen.

Joe hatte eine fragende, besorgte Miene aufgesetzt. Er konnte wahrscheinlich erraten, dass es etwas Ernstes war. Matt wusste, dass sein Gesicht meistens ein offenes Buch war. Joe tat einen Schritt auf ihn zu, die Hand ausgestreckt, wie um seine Hilfe anzubieten.

»Ich muss gehen. Ich muss gehen.« Matt wusste nicht, ob Joe ihn aus der Entfernung hören konnte. Er konnte nicht klar denken. Konnte nicht an den großen, gut aussehenden, gepflegten jungen Mann denken, der ein paar Bier mit ihm getrunken hatte und die Beziehung vielleicht sogar vertiefen wollte.

Stattdessen drehte er sich abrupt um und eilte aus der Bar und auf die immer noch belebten Londoner Straßen hinaus.

Kapitel 3