Im Dickicht der Erinnerungen - Ursel Schmid - E-Book

Im Dickicht der Erinnerungen E-Book

Ursel Schmid

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Beschreibung

Journalistin Dora ist erschüttert, als sie vom Tod ihrer Schulfreundin Loulou erfährt. Ist die Sängerin versehentlich vom Balkon gestürzt oder war es Selbstmord? Kurz zuvor hatte Dora den Auftrag erhalten, einen Beitrag über Loulou zu schreiben. Wer war Loulou, die Künstlerin? Seit Jahren lag der Kontakt zwischen den ehemaligen Freundinnen auf Eis. Zu unterschiedlich waren ihre Vorstellungen von Freundschaft. Auf der Suche nach der Wahrheit wird Dora mit ihren eigenen wunden Punkten konfrontiert. Alte Selbstzweifel und längst verdrängte familiäre Wunden drohen sie aus der Bahn zu werfen. Sie gerät in Gefahr, sich im Dickicht der Erinnerungen zu verlieren.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ursel Schmid

Im Dickicht der Erinnerungen

Impressum

1. Auflage, Juni 2025

Texte: © 2025 Ursel Schmid, alle Rechte vorbehalten

Umschlag: © Silke Herr, www.frauherrausr.de

Coverschrift: Timberline

Kapiteltrenner: Adobe

Lektorat: Lektorat Fernweh - Stephanie Vifian

Korrektorat und Buchsatz: Agentur Autorenträume

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

Die gesamte Handlung der Bücher sowie alle darin vorkommenden und handelnden Personen sind völlig frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Verantwortlich für den Inhalt: Ursel Schmid

Dorotheenstraße 137

53111 Bonn

ISBN 978 3690 284233

Bestellung und Vertrieb: Nova MD GmbH, Vachendorf

1

„Thinking About You“ (Norah Jones)

 

Meine Vision ihrer letzten Minuten spult sich im Inneren ab wie eine Endlosschleife. Loulou lehnt am Terrassengeländer, den Rücken zur Gasse. Die Brise weht ihr einzelne Strähnen ihrer blonden Haare ins Gesicht. Ihre Hände umklammern das Geländer, die Knöchel scheinen elfenbeinfarben unter der rötlichen Haut hervor. Leicht schwankend schaut sie mir in die Seele, die graublauen Augen tieftraurig, mit einem Hauch von Angst durchzogen. Ihre Pupillen lassen mich für den Bruchteil einer Sekunde nicht los. Ein Zucken durchzieht Loulou, sie wirft den Kopf nach hinten, lehnt sich zurück, immer weiter, ihre Füße verlassen den Boden, sie verliert den Halt. Im Geiste verfolge ich ihren Weg hinab. Das Nichts begegnet mir.

 

Mich fröstelte, als riebe mir jemand Eiswürfel über den Körper. Ich kannte nur vage Berichte, die sich nicht auf ein Szenario festlegten. War es Loulous Absicht oder ein Unfall gewesen? Die Vorstellung dieser Szene brannte sich im Kopf fest und ließ mich nicht mehr los.

Das Bild des gebrochenen Leibes meiner alten Schulfreundin auf dem Kopfsteinpflaster, wenn auch nur meiner Fantasie entsprungen, zersplitterte mein Gehirn in tausend Stücke. War es so oder komplett anders gewesen? Ich schloss kurz die Augen.

Der Rosé schmeckte heute schal. Ich drehte den Stiel des Glases in der Hand hin und her. Die Eckkneipe in meinem Viertel in der Bonner Altstadt beherbergte gegen sechs Uhr abends nur vereinzelte Frühheimkehrer von der Arbeit. Das Lokal verströmte zu dieser blauen Stunde trotz der gemütlichen Einrichtung mit den Filmplakaten an den Wänden ein verhalten trostloses Ambiente. An den runden Tischen aus dunkelbraunem Holz saßen wenige Gäste. Die Gläser und Likörflaschen in den Regalen hinter dem Tresen glänzten im Schein der Hängelampen.

Eine vorwitzige Haarsträhne hatte sich aus dem Zopf gelöst und störte meine Sicht. Ich strich sie hinters Ohr.

Auf dem Hocker links neben mir saß ein Mann um die fünfzig mit kräftigem Körper. Er war kaum älter als ich und offenbar gut in Form. Unwillkürlich zog ich meinen Bauch ein und richtete mich auf. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass er in sein Bierglas starrte.

Mein Kopf war schwer vom vielen Nachdenken. Leicht fröstelnd legte ich die Arme um die Schultern und zupfte an den Fasern der warmen Wolljacke.

Ella wischte den Tresen und schaute skeptisch zu mir rüber. Nach der dritten Wischaktion kämpfte sich der Entschluss in ihrem Gesicht zu den Füßen durch. Ella setzte ihren Körper mit den dünnen Beinen in den Röhrenjeans in Bewegung. Sie schob sich neben mich an den Tresen, stellte ihr mitgebrachtes Bier vor sich ab und tätschelte meinen Arm. Ein leiser Hauch ihrer Lavendelseife stieg mir beruhigend in die Nase, ihre dunkle Stimme riss mich aus der Lethargie.

„Was ist los, Dora, Schätzelein? Gibt’s Probleme mit Max?“ Das rauchige Timbre war teilnahmsvoll.

„Nee, Sohnemann gehts prima, der studiert fleißig in Berlin.“

„Gut so. Heute bist du früh dran. Wo sind deine Freundinnen? Und warum so trübsinnig?“

Ich stierte stumpf vor mich hin und nahm einen weiteren Schluck des faden Getränks. Wie wurde ich nur diese blöde Niedergeschlagenheit los?

„Miriam ist auf einem Psychologenkongress. Und Pia hat eine Kundin zur Gesichtskosmetik. Die kommen heute nicht.“

Ella ging um den Tresen und kam mit einem Schälchen Chips zurück. Ungarisch Paprika, meine Lieblingsvariante. Ich lächelte und sah sie an. „Ach, Ella, wenn ich dich nicht hätte!“

„Ja, weiß schon, dann hättste wen anderes … Gib dir nen Ruck, so wirst du es los. Du weißt ja, der Wirtin darfst du alles erzählen.“

Wo sollte ich anfangen … dass meine älteste Schulfreundin Louise, die ich mit elf kennenlernte, entschieden hatte, aus dem Leben zu scheiden oder ungeplant herabgestürzt war? Zu lange hatte ich sie nicht gesehen …

Die in der Stadt und Umgebung bekannte und beliebte Chanson- und Jazz-Sängerin Loulou. So hätte mein Beitrag für das Bookazine zu Künstlerinnen der Region beginnen können. Für mich war Louise in all den Jahren zu Loulou geworden.

„Ach, Ella, wo soll ich anfangen?“

Die Chips knirschten im Mund.

„Am besten am Anfang, Liebelein. Ich habe Zeit.“

Ich schilderte ihr die ganze Misere mit belegter Stimme. Sie tätschelte mir die Hand und hörte stumm zu, nur ein paarmal unterbrochen von Brummen oder „hm.“ Betrübt sah sie mich an. „Das ist echt hart, tut mir leid.“

Wir schwiegen beide.

Der Mann neben mir straffte seine breiten Schultern.

Meine Augen zuckten, ich griff nach einem Chip. Das Abbeißen erzeugte ein widerliches Geräusch, wie der Knall eines aufprallenden Körpers. Schnell schluckte ich die Stückchen mit meinem Rosé herunter.

Mein Sitznachbar schaute zu mir. Seine kaffeebraunen Augen schienen mich zu durchleuchten. Meine Muskeln spannten sich an. Sein Gesicht hatte eine leicht kantige Form und wirkte auf den ersten Blick klein auf dem massigen Körper. Er sah aus wie eine wilde Mischung aus Robin Hood und einem tapsigen Braunbären. Schwarzgraue Haarsträhnen fielen ihm in die Stirn. Schwarze Stoppeln am Kinn gaben ihm einen verwegenen Touch. Ich senkte den Kopf und verzog die Lippen. Der Mann trug Jeans und ein weites, hellblaues Leinenshirt, das seinen leichten Bauchansatz nahezu verdeckte. Er hatte eine ambivalente Ausstrahlung, die mir gefiel. Ich richtete mich auf. Zarte Lachfältchen umspielten seine Augen – er kam mir vage bekannt vor.

„Verzeihen Sie, wenn ich mich einmische“, raunte er. „Es war unmöglich, Ihrer Erzählung nicht zu folgen.“

Ich schaute ihn irritiert an. „Na klar, so nah wie wir beieinandersitzen. Das ist das Los der Gespräche am Tresen. Behalten Sie es für sich.“

Ella sah mich von der anderen Seite des Schanktisches an und nickte mir aufmunternd zu.

Der Mann reichte mir die Hand. „Harald Schiller. Ich bin freiberuflicher Journalist. Sag gerne Harry.“

Ich erschrak. Reporter waren Hyänen … In Windeseile durchwühlte ich mein Gedächtnis, langsam entstand ein Bild. Ich hatte seine einprägsame Erscheinung auf einer Redaktionskonferenz wahrgenommen. Er war in schwarzer Lederjacke aufgetaucht, hatte die eine oder andere provokante Frage gestellt, später hatte ich ihn auf einem Motorrad davonbrausen sehen. Bediente er nicht verschiedene Medien? Welche, fiel mir nicht mehr ein. Eher Stadtmagazine und Radiosender, hatte ich vage in Erinnerung. Hoffentlich keine Boulevardblätter.

Ich hob die Stimme. „Harry … das mit Ella war ein Privatgespräch, davon gehört nichts an die Öffentlichkeit!“

Er nickte.

„Kann ich mich darauf verlassen?“ Aus Erfahrung wusste ich, dass einige Kollegen skrupellos jede Information abgriffen und ausschlachteten. Ich holte Luft und klemmte mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Ja, kannst du …“

„Sorry, ich bin Dora Nowak, ebenfalls Journalistin und Autorin. Kanntest du Loulou?“

Ein feines Lächeln umspielte seine vollen Lippen. „Wer nicht? DIE Chansonsängerin mit Charisma und Stimmgewalt. Sie hätte es noch weit bringen können. Aber ich habe sie nie näher kennengelernt. Vor ein paar Jahren habe ich sie nach einem Konzert für ein Lokalmagazin interviewt. Du warst offenbar früher enger mit ihr verbunden?“

Ich schwieg, Gedanken rasten im Kopf hin und her. Was erwartete der Mann von mir, hatte ich nicht deutlich gemacht, dass die Infos vertraulich waren? Plante er dennoch, mich für einen aktuellen Artikel auszuhorchen? Im Nacken kribbelte es.

„Warte mal. Das geht mir zu schnell. Wir kennen uns nicht. Du wirst keine Geheimnisse für einen Skandalartikel missbrauchen.“

Harry schüttelte den Kopf und trank sein Glas aus.

„Will ich doch gar nicht. Ich bin nur ein großer Fan von Loulou.“

„Okay …“

Er schaute mir in die Augen. Erneut befiel mich ein nagender Zweifel. Ich kannte den Mann kaum, welchen Plan verfolgte er? Ich betrachtete ihn ernst. Konnte ich ihm trauen? War es dieses verdammte alte Faible für den süßen Braunbärenblick, der mich schon einmal unglücklich gemacht hatte?

„Ich will einfach verstehen, was passiert ist. Wie Loulou aktuell tickte. Derzeit ist alles eine Blackbox.“

„Du weißt sicher, dass Loulou nicht unumstritten war. Sie polarisierte, weil sie gerne Kontra gab und Gerüchte hasste. Manche Menschen reagieren allergisch auf so streitbare Frauen.“

Sein Blick war konzentriert. „Es kursieren diverse Geschichten. Sie verdient ein Bild, das ihr gerecht wird. Es würde mich enorm ankotzen, wenn die Öffentlichkeit sie im Nachhinein demontiert, nur weil sie sich jetzt nicht mehr wehren kann.“

Ich nahm den trotzigen Unterton in der warmen Stimme wahr. Sein Kiefer mit dem Grübchen spannte sich an. Der Blick gab seinem Gesicht ein markantes Aussehen, das ihn resolut wirken ließ. In mir breiteten sich erneut Bedenken aus, gleichzeitig imponierte mir der Einsatz für seinen Star. Ich straffte die Schultern. „Ich fühle mich meiner ehemaligen Schulkameradin verpflichtet, und außerdem habe ich einen Auftrag für einen Beitrag in einem Bookazine. Das war schon geplant, kurz bevor sie starb. Normalerweise quatsche ich in der Öffentlichkeit nicht so frei heraus. Ich verstehe nicht, wie es zu ihrem Tod kam, wie das alles passiert ist … und bin auf der Suche nach der Wahrheit. Wenn es die überhaupt gibt …“ Ich drehte den Stiel des Weinglases hin und her und rückte ein wenig vom Tresen ab.

Harry tippte mir leicht auf den Unterarm. „Das habe ich verstanden, Dora. Ich möchte dich nicht bedrängen oder aushorchen. Ich fände es total klasse, wenn du für unseren Star ein echtes Bild hinterlässt! Bist du bei dem Auftrag unter Zeitdruck? Wie willst du vorgehen?“

Da kroch sie wieder hoch, die Anspannung.

„Bei mir hat sich eine zeitliche Lücke zwischen zwei Jobs ergeben, die nutze ich gerne, um dich zu unterstützen … wenn du magst.“

Ich schwieg. Dann winkte ich Ella zu und bezahlte den Wein. „Weißt du, was, Harry … Ich kann im Moment nicht geradeaus denken. Ich habe das dringende Bedürfnis, zu schlafen, und will erst mal überlegen, wie ich weiter vorgehe. Brauche Abstand von allem und Zeit zum Nachdenken.“

Ich rutschte vom Hocker, verabschiedete mich von Ella und Harry und ging zum Ausgang. Plötzlich berührte jemand von hinten meinen Arm.

„Warte, Dora, hier, meine Visitenkarte. Melde dich, wenn du magst. Das wird kein leichtes Unterfangen, vielleicht kann ich helfen.“

Zögerlich nahm ich die Karte an und steckte sie gedankenverloren in die Jackentasche. Sie würde zu Hause im Papiermüll landen.

Ich wanderte in die Dämmerung hinaus, ließ das Gespräch Revue passieren und versuchte, es einzuordnen. War Harry vertrauenswürdig? Die fünf Minuten Wegstrecke bis nach Hause in der leicht kühlen Aprilluft reichten nicht, um den Dunst aus den Gedanken wegzupusten.

 

2 


„What If I’m Wrong (Julian Velard)


 

Die Stimme des Radiomoderators klang gut gelaunt. „Wir sehen uns auf der anderen Seite der Vierzehn-Uhr-Nachrichten. Bis gleich!“

Ich saß am Küchentisch und klappte den Laptop auf. Beim Verlag hatte ich mich am Tag nach dem Besuch in Ellas Kneipe rückversichert, dass sie in dem Sonder-Bookazine zu Künstlern der Gegend trotz Loulous Tod einen Text über ihr Leben planten. Sie bestätigten die Publikation, da sie prägend für die Musikszene der Region war und ein Platz für ihr Wirken fest vorgesehen war. Danach hatte ich mich mit kleineren Auftragsarbeiten abgelenkt.

Wie konnte ich mir am effektivsten einen Überblick über bisherige Berichte verschaffen?

Mein Gehirn war wie leergepustet. Ich stand auf und angelte mir einen Traubenzucker aus der Schale. Mir war ein wenig kühl. Ich nahm die Jacke von der Stuhllehne, hängte sie mir um die Schultern und durchsuchte die Taschen nach einem Taschentuch. Ein Stück Papier fiel mir in die Finger: Harrys Visitenkarte. Ein paar Tage lag sie bereits in der Jackentasche … Ich hatte schon die Hand am Mülleimer, da hielt ich inne. Vielleicht konnte mir der Mann doch nützlich sein. Langsam bereitete mir der Zeitdruck Stress.

Ich setzte mich wieder an den Laptop und googelte seinen Namen. Er schrieb Artikel für verschiedene Printmedien, zudem gab es Interviews bei Sendern in der Köln-Bonner Region und Rheinlandpfalz. Ob er mir für meine Recherche ein paar von denen beschaffen konnte, die im Netz nicht mehr auffindbar waren? Damit käme ich deutlich schneller an die begehrten Informationen.

Ich zögerte nach wie vor. Die Zweifel, ob er ein opportunistischer Konkurrent war, nagten weiterhin an mir. Welches Risiko ging ich ein, ihn um Hilfe zu bitten? Der Druck im Magen stieg an. Ich musste den Auftrag zügig anpacken. Harrys Netzwerk erschien vielversprechend. Ich entschied mich spontan, dem Ganzen einen Versuch zu geben.

Schnell holte ich meine Kladde, klebte die Visitenkarte ein, notierte sie in den Handykontakten und wählte seine Nummer. Es klingelte ungewöhnlich lange.

„Harald Schiller.“

„Harry, ich dachte schon, gleich springt die Sprachbox an. Hier ist Dora. Dora Nowak.“

Er lachte. „Wäre dir das angenehmer, soll ich auflegen?“

So falsch liegst du da gar nicht, mein Lieber …

„Hör mal … du hast mir doch deine Hilfe angeboten.“

„Stimmt. Was gibt’s? Kommst du ohne mich nicht weiter?“

Ich sah seinen provokativen Gesichtsausdruck bildlich vor mir. War klar, dass er diese Karte genüsslich ausspielen würde.

Ich räusperte mich. „Ich habe einiges über Lou im Internet recherchiert. Von dir gibt es ein paar Radio- und TV-Berichte. Manche sind in den Mediatheken nicht mehr verfügbar. Es wäre klasse, wenn ich da drankäme.“

„Ah, verstehe. Du willst meine Netzwerke anzapfen.“

Ich merkte, wie mein Gesicht heiß wurde. „Ertappt. Ehrlich gesagt, das war der Gedanke. Ist das okay für dich? In die Richtung habe ich selbst kaum Connections, das kostet mich mehr Zeit …“ Es entstand eine Pause, er schien nachzudenken. Mein Magen grummelte. Es widerstrebte mir, dem Impuls gefolgt zu sein. Hätte ich doch auf meine mahnende Stimme gehört. Jetzt machte ich mich von diesem arroganten Kerl abhängig. Ich war kurz davor, aufzulegen. „Harry, lass gut sein, ich komme zurecht. Wir hören oder sehen uns ein anderes Mal.“

„Nein, warte, Dora … ich musste nur nachdenken, wie ich am besten vorgehe. Ich helfe dir gerne. Muss eh zum leitenden Redakteur wegen einer anderen Geschichte, dann bespreche ich das gleich mit. Gib mir zwei Stunden.“

Ich nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse und spuckte das Gebräu angewidert zurück in die Tasse. Ich hasste kalten Kaffee. Gerade wollte ich mich entschuldigen, da hörte ich Harrys spöttische Stimme. ›Na, Dora, ihr schmeckt’s nicht?‹

Eine Hitzewelle überschwemmte mein Gesicht. Ich war froh, dass er das nicht sah. „So so, mit Filmassoziationen um dich werfen kannst du … lass uns lieber überlegen, wie wir weitermachen. Ich habe einiges zu tun, aber wir könnten uns am Nachmittag in Rosas Café in der Altstadt treffen. Weißt du, wo das ist? Ich revanchiere mich und lade dich auf Kaffee und Kuchen ein.“

Er lachte. „Du findest, mein Hüftgold reicht nicht?“

„Ich mag Menschen, die Spaß am Essen haben. Rosa hat superleckeren Kuchen.“

„Klingt verlockend, einverstanden. Ich kenne das Café. Dann treffen wir uns dort in zwei Stunden.“

Ich verabschiedete mich und legte auf. Das Gespräch war besser gelaufen, als ich erwartet hatte. Der Versuch, mich auf Loulous Homepage einzulesen, scheiterte. Immer wieder schweiften meine Gedanken ab, der Text wurde von Harry auf seinem Motorrad verdrängt. Der Kampf zwischen Harry und Loulou kostete mich ein paar Minuten, dann gewann meine Arbeitsmoral. Auf Loulous Homepage prangte ein Foto vom letzten Auftritt, vor ihrer Abreise nach Italien. Die graublauen Augen sprühten vor Energie, ihr sinnlicher Mund am Mikro war geöffnet und offenbarte eine Reihe makelloser Zähne sowie rot geschminkte Lippen. Sie sah mit fast fünfzig bildhübsch aus. Gewahrte ich einen melancholischen Zug um ihre Mundwinkel, trotz aller Lebenslust, die das Foto ausstrahlte? Oder interpretierte ich das in ihr Gesicht hinein, weil mir ihr Ende bewusst war …?

 

Ich lief rechtzeitig los und fand im Café einen Zweiertisch am Fenster.

Zur vereinbarten Zeit brauste ein Motorrad heran.

Neugierig schaute ich auf die Straße. Schon als junges Mädchen hatte ich die coolen Typen bewundert, die eine schier endlose Freiheit zu leben schienen. Gleichzeitig breitete sich in mir ein Höllenrespekt vor der Kraft und Dynamik der Maschinen aus.

Harry stieg ab, kam herein und setzte sich zu mir.

„Hallo, Dora. Welchen Kuchen kannst du mir empfehlen?“

„Der Rhabarberkuchen ist vorzüglich.“

Wir bestellten Milchkaffee, zwei Stück Rhabarberkuchen und aßen genüsslich schweigend.

Harry schob seinen leeren Teller beiseite und streckte mir einen USB-Stick hin. „Ich hab dir auf dem Stick die aus meiner Sicht wichtigsten Beiträge abgespeichert. Am besten gehst du alles in Ruhe durch.“

„Danke. Das ist super nett von dir.“

„Danach überlegen wir, wer aus ihrem Umfeld als Interviewpartner taugt. Dafür nutzen wir unsere verschiedenen Kontakte. Ich finde es effektiver, das gemeinsam im Brainstorming zu entwickeln, dann sprudeln die Ideen besser, was meinst du?“

Ich durchflog im Geist alle bisherigen Notizen und Optionen. Der Vorschlag war gar nicht schlecht, zwei Quellen zu haben. „Eigentlich ging ich davon aus, dass hier unsere Zusammenarbeit endet. Aber das macht durchaus Sinn. Ich wohne in der Nähe. Du kannst Fotos von meinen Notizen machen, die habe ich nicht dabei. Dann vereinbaren wir einen neuen Termin für die Besprechung unserer Recherchen, okay?“

„Ja, gerne.“

Ich zahlte.

Harry ließ seine Maschine dort und wir liefen die paar Straßen bis zu mir. „Ich wohne in der zweiten Etage.“

Schweigend stiegen wir die Treppen hinauf. Ich war gespannt, ob der Kater wieder im Haus war, er war gleichzeitig mit mir durch die Tür geflitzt.

Oben angekommen, schnaufte Harry ein wenig.

„Schon aus der Puste? Bist wohl nicht in Übung?“

Er verdrehte die Augen und blieb im Flur stehen.

Ich holte mein Notizbuch und reichte es ihm, zügig machte er Fotos von den Notizen. Dann schaute er auf seine Armbanduhr. „Ich muss schnell los. Sollen wir uns noch mal in zwei Tagen treffen, reicht dir das?“

„Ja, das passt. Dann komm am besten zu mir, hier haben wir mehr Platz als im Café und können uns in Ruhe ausbreiten. Ich besorge uns ein paar Törtchen vom Bäcker um die Ecke.“

„Du bist ja genauso ein Fan von Leckereien wie ich, nur dir sieht man das nicht an. Klingt nach einem gemütlichen Treffen. Ich komme gerne. Gegen vier?“

„Prima.“

„Viel Erfolg bei der weiteren Recherche. Ich bin dann weg, ich weiß ja, wo es rausgeht. Bis bald.“

Zügig lief er die Stufen zur Haustür hinunter, dann fiel die Tür ins Schloss.

Ich machte es mir auf dem Sofa bequem. Hoffentlich war der Impuls richtig gewesen, Harry zu mir einzuladen. Ich wünschte mir, dass mein Vertrauensvorschuss gerechtfertigt war. Bisher hatte er sich kooperativ und zugewandt gezeigt.

Das Bedürfnis, mich über das aktuell Erlebte und die widerstrebenden Gefühle auszutauschen, meldete sich. Als Psychologin hatte Miriam schon beruflich bedingt großes Einfühlungsvermögen. Ich rief meine Freundin an und wir verabredeten uns für den nächsten Abend bei Ella in der Kneipe.

3

„With A Little Help From My Friends“ (Beatles)

 

Ich schloss die schwere Türe hinter mir und betrat die Kneipe. Ella winkte mir zu. Miriam wartete am Tisch in einer hinteren Ecke auf mich, ich lief auf sie zu. Sie blickte mich freundlich an, das Rotbraun ihrer Ringellocken leuchtete mir entgegen. Ich zog die Jacke aus und setzte mich.

Ella kam auf uns zu und begrüßte uns freudestrahlend. „Schön, euch wieder mal zusammen zu sehen. Was möchtet ihr?“

Wir bestellten Lasagne und Rotwein und quatschten über eher belanglose Dinge.

Sobald Ella uns den Wein gebracht hatte, erhob Miriam ihr Glas, und wir stießen an. „Prost. Erzähl mal, was ist los?“

Womit sollte ich anfangen?

„Weißt du, Loulous Tod hat mich echt umgehauen. Ich habe lange gegrübelt, warum. Jahrelang sah ich meine alte Schulfreundin nicht. Dann bekomme ich einen Auftrag im Zusammenhang mit ihr, und bevor wir wieder Kontakt aufnehmen können, stirbt sie. Selbstmord oder Unfall stehen im Raum. In den letzten Jahren waren wir gar nicht mehr verbunden. Warum trifft mich das so?“

Miriam überlegte. „Wenn wir jemanden so überraschend verlieren, wirkt das anders als ein natürlicher Tod. Selbstmord oder Unfall lösen immer eine Menge in uns aus, weil das Unheil so urplötzlich über uns hereinbricht. Ihr Tod war noch nicht dran. Wenn du in dich gehst, welche Gefühle tauchen dann auf?“

Ich presste die Handflächen aneinander. Tiefer in meine Gefühlswelt einzudringen, machte mir Angst.

Hätte ich bei bestehendem Kontakt ihren möglichen Selbstmord verhindern können? Wenn sie unglücklich war, wäre es mir gelungen, ihr Leid zu lindern?

Eine Träne lief mir die Wange herunter. Was, wenn ich die Schuldgefühle nicht bändigen konnte, die sich in letzter Zeit in mir ausbreiteten wie ein hinterlistiges Virus? Uralte Gefühle aus der Kindheit. Die Vorwürfe meines Vaters, ich sei schuld am Tod meiner Mutter, weil sie bei meiner Geburt gestorben war.

Miriam setzte sich neben mich und legte den Arm um meine Schultern.

An ihrer weichen Brust fühlte ich mich geborgen wie bei einer Mutter, die ich nie gehabt hatte. Ich senkte den Kopf und genoss den zarten Duft nach frischer Wäsche, der aus ihrem Pullover entwich, er beruhigte meine aufgewühlten Sinne.

Ich löste mich von ihr. „Als junge Mädchen waren Loulou und ich so wichtig füreinander, weil wir beide die Mängel zu Hause spürten. Das gab uns Halt, trotz unserer unterschiedlichen Persönlichkeiten.“

„Was für Unterschiede? Dich kenne ich, aber deine Freundin ist mir nur als öffentliche Figur bekannt.“

Ich überlegte.

Ella brachte die dampfende Lasagne, stellte sie auf den Tisch und wünschte uns einen guten Appetit.

Miriam setzte sich wieder mir gegenüber.

„Loulou war immer selbstsicherer als ich. Sie schien ihre Ängste oder Sorgen lieber in sich zu vergraben und demonstrierte nach außen hin Stärke.“

„Gib mal ein Beispiel.“

Bilder kamen hoch, wie Loulou ihre Klamotten auf dem Bett ausbreitete, sich aufbrezelte und in Posen warf. Sie überredete mich, ihre Kamera zu nehmen und „Starfotos“ von ihr zu schießen. Ein anderes Mal textete sie mich den ganzen Nachmittag zu über Jungs, die ihren Schilderungen nach voll auf sie abfuhren, sie könne sich kaum ihrer Avancen erwehren.

Ich versuchte, Miriam die Situationen zu schildern. „Weißt du, sie sprühte vor Selbstbewusstsein, dafür habe ich sie bewundert. Ich fühlte mich neben ihr unscheinbar, wünschte mir, so zu glänzen wie sie. Ihre Energie faszinierte mich, ich wollte lernen, so wie sie zu sein. Das Leben nicht zu schwer zu nehmen. Nicht in Selbstzweifeln und Schuldgefühlen zu versinken.“

Miriam nickte mir auffordernd zu. „Gab es etwas, das dich störte?“

„Ja“, schoss es aus mir heraus, „sie war oft launisch und egoistisch. Wie oft habe ich auf sie gewartet, sie kam nie pünktlich. Es ging immer nur zu ihren Konditionen. Aber mir fällt auf, dass ich ihr jedes Mal verziehen habe.“

Miriam legte den Kopf schief. „Was meinst du, warum?“

Ich lächelte. „Ha, die Psychologin in dir arbeitet. Na gut … Ich glaube, ich wollte in ihrer Strahlkraft mitleuchten. Nichts verpassen. Zu ihrem Kreis dazugehören. Das Thema schuld sein ausblenden. Du weißt ja, dass mein Vater mir nie verziehen hat, dass mein Leben das meiner Mutter gekostet hat. Das hat er mich mein Leben lang spüren lassen. Aber zurück zu Lou. Ich habe immer gewartet, bis sie zur Verabredung kam, und sie war nie pünktlich. Habe ihre fadenscheinigen Begründungen akzeptiert. Sie immer wieder eingeladen, auch wenn sie mich hinhielt und „Besseres“ vorhatte. Es war nie langweilig mit ihr. Ich hatte offenbar etwas davon, mich vorführen zu lassen.“

Miriams Blick wurde ernst. „Schuldgefühle sind normal in dem Zusammenhang. Dein bisher festes Bild von ihr erhält plötzlich Brüche. Nichts ist mehr so, wie du es in Erinnerung hast. Irgendwann hattest du es geschafft, dich aus dieser ungesunden Balance zu lösen. Ihr habt eine gemeinsame Geschichte, auch wenn sie lange her ist. Du kannst das, was geschehen ist, nicht ungeschehen machen. Du weißt ja kaum etwas aus ihrem aktuellen Leben. Vielleicht hilft es dir, je mehr du herausbekommst. Das wird dich sicher noch eine Weile umtreiben. Die widersprüchlichen Gefühle auszuhalten, ist schwer. Vor allem, weil so unklar ist, was passiert ist.“ Miriam nahm meine Hände in ihre, drückte sie fest und ließ sie wieder los. „Im besten Fall hilft die Aufarbeitung dir, euer Verhältnis noch mal zu beleuchten.“

Ich nippte am Wein und dachte nach. „Dieses Gefühl der Ohnmacht macht mich echt fertig. Ich bin seither oft lethargisch und muss mich zwingen, aktiv zu bleiben. Hast du so etwas schon mal selbst erlebt?“

Miriam verschluckte sich fast an ihrem Wein. „Mann, Dora, jetzt hast du mich kalt erwischt. Ich wollte dir anbieten, dir zu helfen oder bei Bedarf Kontaktadressen zur Bewältigung zu geben … nun gibst du mir den Ball zurück.“

„Sorry, der Gedanke platzte spontan aus mir raus. Vor langer Zeit hast du einmal eine Andeutung gemacht, danach abrupt das Thema gewechselt.“

Ich nahm ein leichtes Zucken von Miriams Augenlidern wahr. Kurz flackerte ihr Blick, dann hatte sie sich wieder gesammelt.

„Schon gut. Du hast ja recht. Ich muss mich dem genauso stellen wie jeder andere. Während meines Abiturs wurde ein Schulkamerad Opfer eines Autorennens. Wir haben oft zusammen abgehangen, uns gegenseitig bei den Hausaufgaben geholfen. Ich mochte ihn sehr … war heimlich verliebt. Zwei Testosterontypen haben sich in einer Nacht herausgefordert. Tim war zur falschen Zeit dort. Er war um drei Uhr morgens von einer Party auf dem Nachhauseweg, stand am Straßenrand und wollte gerade rüber, als sie herangerast kamen. Er hatte keine Chance.“

„O mein Gott, das muss ja furchtbar gewesen sein.“

„Wir waren alle schockiert, als wir das am nächsten Tag in der Schule erfuhren. Es hat uns eine ziemliche Weile begleitet. Ich habe es verarbeitet und Abstand gewonnen. Aber die Gedanken und die Frage nach dem Warum, die Wut auf die Fahrer, das Sich-verlassen-Fühlen, all das kenne ich persönlich … wenn sich auch für uns die Schuldfrage nicht stellte, die Täter waren ja klar. Vermutlich ist es jetzt noch schwer zu glauben, aber es wird mit der Zeit besser.“

Ihr Blick war ermunternd, sie reichte mir die Hand. „Dora, glaub mir, so belastend das gerade ist, du wirst es schaffen. Und danach fühlst du dich stärker.“

Ich seufzte, nahm einen großen Schluck Wein und schaute zur Theke. Ella betrachtete uns nachdenklich. Vermutlich ahnte sie, warum ich auch heute entgegen meiner sonstigen Art so trübsinnig wirkte.

„Es gibt noch etwas, wozu ich gerne deine Meinung hätte.“ Ich schilderte Miriam den Abend, als ich Harry kennengelernt hatte, und den weiteren Verlauf unseres Nachmittags im Café. „Morgen treffen wir uns bei mir zu Hause.“

Miriam folgte mit gefurchter Stirn meinen Erzählungen. „Was du schilderst, klingt schon ambivalent. Du bringst ihm trotz deiner Skepsis eine ordentliche Portion Vertrauen entgegen. Solltest du nicht erst mal vorsichtiger rangehen?“

Ihr Einwurf verursachte einen merkwürdigen Stich in der Brust. Einerseits formulierte sie meine eigenen Bedenken. Andererseits war da ein immenses Bedürfnis in mir, endlich dieses nervige Misstrauen abzulegen. Mal wieder das Gute in einem Mann zu sehen. War das so leichtfertig?

„Warum gewährst du ihm diesen Vertrauensvorschuss? Die meisten Menschen haben in der Regel eine genaue Agenda, wann und wieso sie etwas tun oder sich einsetzen. Geh doch mal in dich. Was könnte er davon haben, so hartnäckig an dir dranzubleiben?“

Ein kurzer Blitz von Ärger zuckte in mir auf. Genügte der Gedanke nicht, dass er mich attraktiv fand? Miriam wusste, dass ich Männern gegenüber oft skeptisch und verschlossen war. Gönnte sie mir nicht, einmal auf jemanden zu treffen, der im besten Fall anders war als meine bisherigen Partner? Hoffentlich täuschte ich mich nicht wieder grundlegend.

„Dora, ich mache mir halt Sorgen. Ich habe nicht vor, dir etwas zu vermiesen. Entschuldige, wenn ich wie ein Trampeltier wirke. Mir ist es wichtig, dass es dir gut geht. Du willst doch nicht noch einmal so einen Scherbenhaufen aufsammeln wie mit Max’ Vater.“

Mein Kinn sackte auf die Brust. Das hatte gesessen.

Miriam sah mich prüfend an. „Vergiss Tobias. Was reizt dich an diesem neuen Typen? Ich spüre doch, dass du gespalten bist. Kann es sein, dass du angesichts der Loulou-Geschichte so anfällig für einen Mann mit bärigem Charme bist?“

Ich musste lachen. „Verdammt, Miriam, das ist gemein von dir. Ich geb ja zu, dass ich manchmal verpeilt bin, naiv und dann komplett verschlossen. Kann schon sein. Harry hat zweifellos die Ausstrahlung, die du meinst. Ich bin gespannt, wie Milo reagiert, wenn er kommt.“

„Oh, der heilige Kater. Dora, ernsthaft, Milo ist ein Tier. Vertraust du nicht zu stark auf seinen Instinkt?“

Ich grübelte. „So lange habe ich ihn ja noch nicht. Er ist eher scheu und akzeptiert nur sehr wenige Menschen. Um sein Vertrauen zu gewinnen, müssen sich meine Freunde echt ins Zeug legen. Ich bin neugierig auf das Zusammentreffen. Natürlich ist er kein Orakel. Aber du bist schon ganz schön skeptisch.“

Miriam rückte von mir ab und schwieg. „Na ja, ich sehe täglich Scherbenhaufen vor mir und bemühe mich, die Menschen auf ihre Stärken aufmerksam zu machen und aufzubauen. Vor mir sitzen ständig die Leidtragenden von nicht ernst genommenen Warnzeichen. Ich rede hier aber als deine Freundin. Tu mir den Gefallen und achte auf Signale. Dann wäre ich schon beruhigt.“

Wir tranken aus, zahlten und verließen die Kneipe.

Ich umarmte meine Freundin. „Ab und an ist es mühselig, wenn du den Finger in die Wunde legst. Aber ich bin dankbar, dass du auf mich achtgibst. Ich weiß, dass du es gut mit mir meinst. Danke für dein Ohr und den Abend.

---ENDE DER LESEPROBE---