Im Gluthauch der Hölle - G.F. Barner - E-Book

Im Gluthauch der Hölle E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. »Stehen Sie auf, Mister!« Der Mann sagt es. Der zweite Mann steht links neben ihm. Sie sehen ihn an, mit harten Gesichtern. Steens blickt hoch – und lächelt. Während sein Blick von einem zum anderen wandert, erfaßt er die Leute weiter hinten im Saloon. Es ist still geworden. »Aufstehen?« fragt Steens und lä­chelt noch immer. »Warum, mein Freund?« »Hier sitzt um diese Zeit immer jemand«, sagt der große rotblonde Bursche mit der Säbelnarbe hart. »Dies ist sein Tisch, Mister. Sie stehen jetzt auf und suchen sich einen anderen Platz!« Am Tresen fällt ein Glas um. Dann geht jemand – ein leichter Schritt, der jäh stockt. Steens sieht an dem rechten Mann mit der Säbelnarbe vorbei den Tisch neben dem Tresen. Und am Tisch sitzt eine Frau. Vielleicht lenkt die Frau ihn zu lange ab. Sie ist rothaarig und hat alles, was eine Frau besitzen muß. Die Frau sieht Steens mit Entsetzen an. Sie schluckt, er erkennt es deutlich. Dann wendet sie sich ganz langsam um und sagt leise etwas zu dem Mann, der hinter dem Tresen steht und sich nicht rührt. Der Mann macht plötzlich ein Gesicht, als habe er 20 abgeschälte Zitronen auf einmal in den Mund gestopft bekommen. »Na, was ist?« fragt der zweite Mann, dem es zu lange zu dauern scheint, ehe sich Steens erhebt und sich einen anderen Tisch sucht. »Mach schon, verschwinde hier, Freundchen, sonst wird es rauh!« Rauh? denkt Steens und zuckt leicht zusammen. Sie sehen so aus, als würden sie alles rauh machen. Sie tragen ihre Revolver tief und haben kaum Schwielen

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G.F. Barner – 105–

Im Gluthauch der Hölle

… und das Gold machte alle verrückt

G. F. Barner

»Stehen Sie auf, Mister!«

Der Mann sagt es. Der zweite Mann steht links neben ihm. Sie sehen ihn an, mit harten Gesichtern.

Steens blickt hoch – und lächelt. Während sein Blick von einem zum anderen wandert, erfaßt er die Leute weiter hinten im Saloon. Es ist still geworden.

»Aufstehen?« fragt Steens und lä­chelt noch immer. »Warum, mein Freund?«

»Hier sitzt um diese Zeit immer jemand«, sagt der große rotblonde Bursche mit der Säbelnarbe hart. »Dies ist sein Tisch, Mister. Sie stehen jetzt auf und suchen sich einen anderen Platz!«

Am Tresen fällt ein Glas um. Dann geht jemand – ein leichter Schritt, der jäh stockt. Steens sieht an dem rechten Mann mit der Säbelnarbe vorbei den Tisch neben dem Tresen. Und am Tisch sitzt eine Frau. Vielleicht lenkt die Frau ihn zu lange ab. Sie ist rothaarig und hat alles, was eine Frau besitzen muß.

Die Frau sieht Steens mit Entsetzen an. Sie schluckt, er erkennt es deutlich.

Dann wendet sie sich ganz langsam um und sagt leise etwas zu dem Mann, der hinter dem Tresen steht und sich nicht rührt. Der Mann macht plötzlich ein Gesicht, als habe er 20 abgeschälte Zitronen auf einmal in den Mund gestopft bekommen.

»Na, was ist?« fragt der zweite Mann, dem es zu lange zu dauern scheint, ehe sich Steens erhebt und sich einen anderen Tisch sucht. »Mach schon, verschwinde hier, Freundchen, sonst wird es rauh!«

Rauh? denkt Steens und zuckt leicht zusammen. Sie sehen so aus, als würden sie alles rauh machen. Sie tragen ihre Revolver tief und haben kaum Schwielen an den Händen.

»Von diesem Tisch aus kann man den Saloon prächtig überblicken«, erwidert Steens freundlich. »Ich warte auf einen Freund. Er soll mich nicht suchen müssen. Hier kann er mich gleich sehen. Das ist alles, Männer.«

»Alles?« fragt der Rothaarige schnappend. »Zum letztenmal, Mister: Scher dich weg, du erlebst sonst die Hölle!«

Es ist ihr Ton, der Steens nicht gefällt. Es sind auch ihre Manieren. Sie sind beide ein gewaltiges Stück zu groß und kommen nun drohend einen halben Schritt näher. Zu nahe.

»Hier sind genügend Tische«, antwortet Steens – immer noch freundlich und sehr sanft. »Ich habe mich hier hingesetzt, Leute, und ich denke, ich werde hier bleiben.«

Einen Moment, während sich der Mann links bewegt, denkt Steens an Walt Haymes, an ein verletztes Nasenbein, einige gebrochene Rippen und daran, daß Walt einmal vor niemandem Angst hatte.

Dann sieht er kurz auf den Mann mit der Säbelnarbe, den er schon eine Woche kennt, wenn der Säbelnarbige ihn auch noch nie im Leben gesehen hat.

»Er will nicht«, stellt der Mann rechts fest. »Sam, dann zeig ihm, was du kannst!«

Sie reden nie lange. Das hat Steens gewußt. Vielleicht war es unklug, sich an diesen Tisch zu setzen, aber es ist wirklich nur Zufall gewesen.

Der Mann links macht einen hastigen Schritt und streckt die Hand aus. Es sieht aus, als wolle er sich auf Steens werfen. Und doch ist es nur ein Trick, den Steens auch kennt.

Sam zwinkert einmal kurz. Und da springt der rechts stehende Mister los.

Steens lächelt noch immer, als er das Bein wegstößt und der Stuhl unter dem Tisch herausschießt. Es ist nur ein Tritt, der zu schnell für den Mann rechts kommt und den Stuhl vor dessen Beine schleudert. In der nächsten Sekunde stolpert der Bursche auch schon. Seine Hand, die jäh den Revolver aus dem Halfter gerissen hat, kann die Waffe nicht mehr auf Steens losschlagen. Der Mann braucht plötzlich beide Hände, um sich abzufangen.

Jim Steens schiebt den Tisch urplötzlich auf Sam zu. Der Mann mit der Säbelnarbe, der sich mit beiden Händen an der Tischkante abfangen will, greift in derselben Sekunde ins Leere. Dann kippt er, fällt zu Boden.

Steens aber sitzt noch immer auf seinem Stuhl, als sei gar nichts passiert. Er lächelt auch jetzt noch. Und die Frau am Tisch, die ihn verstört ansieht, sagt gepreßt: »Sie haben einen Tiger am Schwanz aus einem Gestrüpp gezogen. Diese Narren, jetzt werden sie Lehrgeld zahlen.«

Mehr hört Steens nicht. Er sagt nur ein Wort: »Rauh?«

Dann packt er zu. Er hat Sams Haare zwischen den Fingern und dreht beide Hände einmal um.

Sam schreit wild auf, als er seitlich von der Tischplatte gerissen wird und unter sich aus aufgerissenen Augen seinen Partner Luke sieht. In der nächsten Sekunde prallt Sam mit voller Wucht auf Lukes Brust und begräbt Luke unter sich.

Nur Lukes rechte Hand mit dem Revolver lugt noch unter Sam hervor. Und Sam schreit.

Einmal nur blickt Jim Steens nach unten, sieht, wie der Revolver sich aus der Hand löst.

»Luke, Luke, er hat meine Haare ausgerissen, aaah!«

Steens holt mit der linken Faust aus. Einen Moment lang bedauert er, es nicht genauso mit ihnen machen zu können, wie sie es mit Walt Haymes getan haben. Dann trifft er Sam haargenau am Kinn und läßt ihn gleichzeitig los.

Irgendwo seufzt jemand langgezogen, als Sam bis an den nächsten Tisch fliegt, zwei Stühle umreißt und dann liegenhleibt. Sam ist von Luke herunter, der sich herumwirft, ausholt und sofort versucht, Steens Stiefel zu packen. Er will Steens umreißen. Aber der springt mit einem wilden Satz zurück. Luke greift ins Leere, rollt sich, stemmt sich hoch und springt auf die Beine. In seinem Gesicht glüht die Säbelnarbe, als sei sie keine drei Wochen vernarbt. Er senkt den Kopf, holt rechts aus, fegt dann aber kurz und knallhart die Linke heraus. Steens lächelt immer noch, als er sich wegdreht und sofort herumzuckt. Seine Linke fliegt steil nach oben und erwischt Luke, als der an ihm vorbeistolpert. Der fehlgehende Schlag reißt Luke mit und mitten in Steens wuchtigen Konter hinein.

Luke stöhnt, dann reißt er die Arme hoch, ist aber zu langsam.

»Das, mein Freund«, sagt Steens und nun lächelt er nicht mehr – als er sich an Lukes Sporen und Walt Hay­mes’ Gesicht erinnert, »das ist für dich!«

Luke bleibt jäh stehen. Seine Hände sinken langsam herab. Aus aufgerissenen Augen, den Mund weit offen, starrt er Steens groß an und sieht den dritten Hieb kommen. Seine Arme sind vor der Brust, als Steens dritter Hieb ihn voll am Kinn trifft und bis zu Sam schleudert. Es poltert, als Luke noch über den einen umgestürzten Stuhl fällt. Danach ist es still Es kommt Steens vor, als sei niemand mehr in diesem Saloon. Steens, dem Eingang des Saloons halb den Rücken zuwendend, erkennt die Blässe im Gesicht der Lady, bemerkt, wie die Lider des Keepers zucken.

Sie kennt mich, denkt er bitter. Ich glaube, es wäre besser, sie hätte mich nie gesehen. Wenn sie redet und Roames zu früh etwas von mir weiß, dann wird es bitter für mich.

Er sieht sie an, durchbohrend, scharf, so, als wolle er ihr mitteilen, was er nicht sagen kann.

Und dann sagt an der Tür der Mann knarrend: »Das war sauber, Mister. Aber jetzt stehst du besser still. Keine Bewegung, Mann!«

»Lefty«, sagt irgendwer ganz hinten. »Lefty ist da!«

Lefty? denkt Steens. – Richtig, Lefty Soocer, der Revolvermann. Ob er Angst vor Walt hatte oder Roames keine Schießerei wollte, die Lefty an den Galgen bringen konnte? Beinahe hätte ich Lefty Soocer vergessen.

Ehe er den Kopf wendet, um nach Soocer zu blicken, erkennt er noch, wie die Lady ihm zunickt.

Gut, denkt er erleichtert und wendet sich um, Lefty, wenn du da bist, dann kann dein Boß auch nicht weit sein. Ich denke, der Bursche…

»Boß, komm herein und sieh dir an, wen wir da haben!« sagt Lefty in diesem Moment knarrend. »Es sieht aus, als sei er etwas zu schnell für Sam und Luke gewesen.«

Draußen sind Schritte zu hören, dann ist der Schatten des Mannes an der Tür.

Roames kommt herein, den dunklen Bart vorgestreckt, die Augen unter dichten Brauen halb versteckt. Er geht sofort nach links, während einer der beiden Männer, die hinter ihm hereinkommen, den Revolver zieht und sich rechts hinstellt. Sie gehen alle so, daß Lefty freies Schußfeld für seinen Revolver hat.

»Hallo!« sagt Roames ächzend. »Ich sehe, da hat es Ärger gegeben. Piet, was war los?«

Der Keeper schluckt, als Roames ihn ansieht.

»Das – das war so«, sagt Piet Fields dann heiser. »Dieser Mann kam herein und setzte sich an den freien Tisch, Mr. Roames. Ich hatte ihn nicht gesehen, aber Luke und Sam, die hier am Tresen standen, gingen plötzlich los. Sie sagten, sie würden mir die Arbeit abnehmen, ihn an einen anderen Tisch zu schicken. Er blieb sitzen, Mr. Roames, obwohl sie ihm sagten, er solle verschwinden. Ich glaube, Miss Judy kennt ihn.«

Roames kneift die buschigen Brauen noch mehr zusammen und sieht zu der Lady hin. Nun ist es passiert, denkt Steens bestürzt. Er hat hier so viel Macht, daß sie reden muß. Sie wird ihm sagen, wer ich bin. Und weiß er es, dann wird er mich wegbringen und drüben erschießen lassen.

»Judy, wer ist der Mann?« fragt Roames da auch schon scharf. »Nun los, meine Liebe! Kennst du ihn?«

»Ich habe ihn einmal gesehen«, erwidert sie und sieht kurz zu Steens. »Ich glaube, es war in San Antonio, Mr. Roames.«

Tatsächlich, dort hat sie mich also gesehen, denkt Jim Steens erschrocken. Damals hielt sich Colbert in einer Tanzhalle auf. Es ging ziemlich schnell, aber sie muß mich gut im Gedächtnis behalten haben, so kurz der Moment auch war, ehe Colbert versuchte, aus dem Fenster zu entkommen.

»Also, Texaner«, schnarrt Roames zufrieden. »Ich sage ja immer, Lefty, richtige Männer kommen nur aus Texas, was? Nun, Judy, und was machte der Kerl dort?«

»Er hatte, glaube ich, mit zwei Mann irgendeine Schießerei«, gibt die Lady leise zurück. »Ich weiß nur, daß er sehr schnell war. Hatten Sie nicht Streit an irgendeinem Farotisch bekommen, Mister?«

Sie lügt, denkt Steens verstört, und hilft mir. Warum nur? In dieser Stadt würde sie niemals gegen Roames etwas tun können. Er regiert hier. Sie redet sich um Kopf und Kragen. Alle Teufel, hat sie so viel Mut oder Furcht?

»Sie betrogen nicht so gut, daß ich es nicht merken konnte«, sagt er glattzüngig und sieht sie eine Sekunde lang an. »Alle Achtung, Lady, Ihr Kopf scheint viele Dinge behalten zu können.«

»Mach ihr keine Komplimente!« knurrt Roames. »Du hergelaufener Texaner, halt den Mund und rede erst, wenn du gefragt worden bist! Ein Spieler, wie? Ich mag Spieler nicht besonders. Dreh mal deine Handflächen nach außen, Mann! Wie kannst du – ah, so wenig nach Arbeit sehen deine Hände aber nicht aus, Freund! Was bist du, he?«

»Ich reite nur, ich will in den Westen, Mister. Tut mir leid, wenn ich Ihre Leute auf den Boden gebracht habe. Sie fingen an.«

»Du redest schon wieder und bist nicht gefragt«, faucht Roames. »So, du willst nach Westen, nach Kalifornien?«

»Vielleicht. Wer weiß, wohin man kommt, ehe es Abend ist.«

»Das ist gut«, stellt Lefty fest. »Er kann antworten, Boß. Was wollen wir mit ihm machen?«

»Suchst du Arbeit?«

Steens überlegt nur einen Moment, dann schüttelt er den Kopf. Er hat seine Arbeit längst und versucht wie Roames, der ewig mißtrauisch ist, zu denken. Die Frage von Roames ist eine glatte Falle, denn Roames traut niemandem, schon gar nicht einem Fremden, der hier auftaucht.

Nach der Geschichte mit Walt Haymes muß Roames noch vorsichtiger geworden sein.

»Nein«, sagt Steens abweisend. »Ich warte auf einen Freund, Mister. Wir wollen zusammen nach Westen.«

»Auf einen Freund?« fragt Roames nachdenklich und sieht dann zu Lefty Soocer. »Lefty, nehmt ihn euch, schafft ihn zu seinem Pferd und zeigt ihm den Weg nach Westen.«

Das ist deutlich genug für Steens.

Lefty Soocers hageres, immer krankhaft blasses Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. Sein Revolver nickt nur einmal knapp nach links. Und während Roames sich an einem der Tische aufstützt, sagt er knarrend: »Slade, geh hinter ihn und nimm ihm die Kanone ab. Danach bring ihn her.«

Das also ist ihr Spaß, denkt Steens grimmig und erinnert sich bitter an Walt Haymes. Sie zeigen einem Mann den Weg, indem sie ihn zusammenschlagen. Nun, Freunde, dann fangt nur an. Roames, du hättest drüben bleiben und nicht herkommen sollen. Alles, was sie über dich wußten, stimmt genau. Well, mein Freund.

Er hört Sam stöhnen, sieht sich aber nicht um, denn Slade kommt im Bogen herum. Dann steht Slade richtig, streckt die Hand aus, drückt ihm den Revolver in die Seite und sagt zischend: »Beweg dich, Fremder, dann scheint die Sonne morgen früh durch dich.«

»Ich bin kein Narr«, erwidert Steens kühl. »Nimm die Waffe.«

»Das habe ich vor«, antwortet Slade und entreißt ihm mit einem Ruck den Revolver. »Vorwärts jetzt, raus mit dir! Boß, was ist mit Sam und Luke?«

»Die braucht ihr nicht«, erwidert Roames. »Für die sorge ich schon. Raus mit ihm. Und zeigt ihm den Weg ganz genau.«

»Geh schon, Freund«, sagt Slade hämisch. »Und sei mächtig froh, Mister, daß Luke und Sam nicht mitkommen, sonst…«

Draußen rattert ein Wagen heran. Der Wagen muß rechts am Vorbau des Saloons sein, als der dritte Mann von Roames mit einem Schwung die Tür aufstößt und hinausgeht.

Nur Lefty Soocer bleibt dicht neben der Tür stehen und sieht Steens über den Lauf seines Revolvers hinweg an. »Paß da draußen auf, Steve«, sagt Lefty knarrend. »Wir kommen jetzt, Bruder.«

»In Ordnung, Lefty, bring ihn. He, Mister, warte. Bleib auf deinem Wagen – bleib, sage ich!«

»Was – was soll das heißen? Ich – schon gut, schon gut, Mann! Vor einem Revolver…«

Vom Wagen her kommt die Stimme eines Mannes, der anscheinend absteigen will und es doch nicht macht.

»In Ordnung, Steve?«

»Ja«, sagt Steve draußen hastig. »Da ist nur ein alter Bursche. Bring unseren Freund raus, Lefty!«

Lefty tritt nun zur Seite, wedelt einmal mit dem Revolver und grinst schief, als Steens auf ihn zukommt. Slade, der seinen Revolver immer noch in Steens’ Rücken hat, nimmt nun die Hand langsam zurück.

»Geh friedlich hinaus«, sagt Soocer grimmig. »Versuche nichts! Du hast keine Chance, Mister.«

Eine Chance nicht, denkt Steens kalt, noch nicht, aber ich werde sie bekommen. Dann ist er mitten in der Tür, macht einen Schritt, sieht vor sich an einer der Tragstützen jenen Steve stehen und hört hinter sich Lefty aus der Tür kommen.

Dann aber sagt der Mann vom Wagenbock herab: »Marshal Steens…«

In der nächsten Sekunde aber schweigt der Mann abrupt. Warum er gesprochen hat – ob aus Schreck oder vor lauter Verwirrung, Steens vor einem Revolver zu sehen, nun wissen sie es.

Statt eines Deputys haben sie also einen Marshal geschickt.

Marshal Jim Steens ist in dieser Stadt.

Genau vor einem Revolver.

Oder nicht mehr?

Steens bemerkt den verstörten Blick dieses Mannes. Steves Revolver zeigt sonstwohin, nur nicht auf Steens.

Dies, denkt Steens, ist meine Chance.

Lefty steht zu nahe hinter ihm.

Alles, was Steens jemals gelernt hat, braucht er in dieser Sekunde. Er muß schnell sein, schneller als Steve mit seinem Revolver, schneller noch als der gefährliche Lefty Soocer.

Steens springt blitzartig, aber nicht nach vorn. Vielleicht hat das Leben, das erst den Mann Steens geformt hat, es nur selten gut mit ihm gemeint. Es ist immer hart gewesen. Und es hatte immer mit Kampf zu tun.

In derselben Sekunde, als Steens die Verwirrung der Burschen erkennt, handelt er auch schon. Er stößt sich mit dem linken Fuß ab, fliegt zurück. Und rammt dabei den hochgestreckten rechten Arm nach hinten. Dieser Schlag ist es, der den Revolver von Lefty Soocer trifft und dann den Arm Leftys zur Seite schleudert.

Im nächsten Augenblick prallt er auf Lefty und hört den schrillen Schrei des Mannes. In Lefty Soocers Jackenärmel verkrallen sich Steens’ Finger. Und dann knickt Jim Steens ein und sieht, wie Leftys Revolverhand neben ihm ist. Er zieht einmal mit einem wilden Ruck am Jackenärmel. Und dann ist der Knall da.

Grollend, dicht neben seinem Kopf losgehend, kracht der Revolver von Soocer. Dann brüllt Steve los.

Er hat den Mund weit offen. Seine Hand aber, die versucht hat, den Revolver auf Steens anzuschlagen, senkt sich jäh zur Brust.

Der Narr, denkt Steens, dieser Narr Lefty. Und während er sich herumwirft, Lefty Soocer mitreißt und ihn zwischen sich und Slade bringen will, hört er Steve gurgelnd sagen: »Lefty – du hast mich getro… oaah!«

Er sieht nicht mehr daß Steve fällt, aber er weiß es: Lefty hat abgedrückt, Lefty muß versucht haben, seinen Arm aus dem Griff von Steens zu bekommen. Lefty hat Steve mitten in die Brust geschossen.

Steve, der nicht auf Steens schießen konnte, ohne Soocer zu treffen, stürzt gerade vom Vorbau, als Steens Soocer herumreißt.

Er trifft mit seinem blitzschnellen Hieb Leftys Handgelenk, sieht den Revolver fliegen und von unten her in Leftys verzerrtes Gesicht. Lefty hat keinen Revolver mehr. Dafür aber ballt Steens die Hand zur Faust. Und dann setzt er den Hieb an. Gleichzeitig stößt er mit dem Fuß zu.

Leftys heiserer, gellender Schrei schallt über die Straße. Dann saust Lefty Soocer nach hinten und reißt Slade mit zu Boden.

»Boß – Boß!«

Slades heiserer Schrei nach Roames geht im Gepolter unter. Hinter der Tür taucht nun Roames auf.

Großer Gott, denkt Steens, als Roames gegen die Tür tritt und sein Revolver im Laternenlicht blinkt. Der schießt und wird mich treffen.

Er springt mit einem Riesensatz an Soocer und Slade vorbei. Links vor ihm ist das Ende des Vorbaus. Dort beginnt die Gasse, die zum Frachtwagenhof führt. Es sind nur vier, fünf Schritt.

»Steens, da hast du…«

Er hört die nächsten Worte nicht mehr. In die Nacht hinein bleckt die Lanze aus Feuer und Rauch. Und knapp über ihn hinweg pfeift die Kugel.

Als er aufprallt und sofort die Beine anzieht, um sich abzustoßen, hört er Roames brüllen: »Sam, Luke, schnell, schnell! Er hat Lefty erwischt, schnell heraus!«

Sich umsehend, erkennt Steens, wie Slade auf die Beine kommt. Slade stemmt sich hoch, scheint einen Moment nach Steens zu suchen und zuckt dann herum.

Er reißt in derselben Sekunde den Revolver hoch, als Steens hochspringt und in die Gasse hechtet. Knapp hinter Steens ist – der Einschlag der Kugel. Er glaubt noch den Anprall von Staub und Sand an seinen Beinen zu spüren. Dann liegt er in der Gasse und hört Roames rufen: »Hinterher, schnell, ihm nach! Er darf uns nicht entwischen. Er hat keine Waffe! Schnell, Slade!«

Keine Waffe? denkt Steens und greift unter die Jacke.

Er wirbelt herum, zieht mit der rechten Daumenkuppe den Hammer zurück und zuckt dann blitzschnell auf die Ecke zu. Auf den Bohlen des Vorbaus rennt jemand – fünf Schritt höchstens entfernt, als Steens wie ein Schatten um die Ecke zurückkommt.

Den Bruchteil einer Sekunde lang sieht er Slade vor sich. In Slades Hand ruckt der Revolver hoch. Seine Augen weiten sich.

»Noch nicht«, sagt Steens grimmig, als er den Hammer losläßt und der Revolver aufbrüllt. »Slade, du bist der nächste.«

Er sieht noch genau, wie Slade von der Kugel aus dem kurzläufigen Harper-Revolver herumgeschleudert wird. Die Kugel hat Slades rechte Schulter getroffen. Und sie hat so viel Wucht, daß sie Slade gegen die Hauswand stürzen läßt. Irgendwo hinter Slade ist Lefty Soocer wie eine Katze vom Boden hoch, macht einen Satz und erwischt im Sprung seinen Revolver.

Hinter Soocer aber ist Roames, dessen Gesicht eine Sekunde lang vor Angst verzerrt zu sein scheint, als er in Steens’ Hand den Revolver erkennt.

»Lefty, Lefty!«

Lefty wirbelt mit der Behendigkeit einer Schlange herum. Aber er kommt zu spät. Ehe er schießen kann, ist Steens mit einem Satz nach hinten weg. Steens dreht sich, läuft davon und weiß eins genau: Lefty ist nicht der Narr, der sich blindlings in die Gasse stürzen wird.

Er rennt mit vier, fünf Sätzen an der Giebelfront entlang, sieht dann das aufstehende Tor und springt dahinter. Keine Sekunde zu früh.

Lefty Soocer macht genau das, was ein Mann seiner Sorte tun muß: Er feuert zweimal blind in die Gasse hinein, ehe er seinen Kopf zu zeigen wagt. Dann sieht er die Gasse leer, kann jedoch das offenstehende Tor nicht erkennen und sieht sich um.

Hinter ihm kommt Roames mit gezogenem Revolver auf die Hausecke zu. Er hat Luke neben sich, der leicht schwankt. »Los, Lefty. Worauf wartest du noch? Er ist da drin! Er entkommt, dann holt er sich andere und jagt uns! Schnell doch, schnell!«

Lefty läuft tiefgeduckt los und kommt drüben an das nächste Haus. Von dort aus sieht er es: Das schmale Tor zum Hof steht offen. Die Gasse ist leer. »Er ist da durch. Langsam, langsam, er wird…«

Es ist dieser Augenblick, als Jim Steens das Brett wegschleudert.

Steens schleudert das kurze Brett, das an der Stallwand auf dem Hof gelehnt hat, wirbelnd über das Dach des Stalles hinweg. Irgendwo hinten poltert es dumpf. Und Lefty, dessen Worte jäh verstummen, rennt los und schreit: »Da läuft er, dort hinten! Ich bleibe in der Gasse. Durch das Tor, schnell, ich schneide ihm den Weg ab! Komm, Sam, komm mit!«

Er stürzt vor Sam los und rennt sieben Schritte weiter, als Roames mit Luke durch das Tor in den Hof stürmt.

Genau in dieser Sekunde taucht Steens hinter der Stallecke auf.

Roames, drei Schritt weit in den Hof gerannt, hört Steens kalt sagen: »Das ist weit genug, Roames!«