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Sie war der Star des deutschen Stummfilms. Aber was die wenigsten wissen: Asta Nielsen konnte auch schreiben. Und wie! Mit einem untrüglichen Sinn für die Einzigartigkeit und Tragikomik des menschlichen Daseins. Im Paradies versammelt die besten ihrer Geschichten. Kat Menschik hat den Band grandios illustriert und ausgestattet. Asta Nielsen, Ikone der Schauspielkunst und weiblicher Selbstbestimmung, war ebenso berühmt für ihren Lebens- und Liebeshunger wie gefürchtet für ihre Unerschrockenheit. Auf Konventionen gab sie nichts. Legendär die Feste, an denen sie teilnahm, die Zahl ihrer Beziehungen und Hochzeiten, fast schon berüchtigt ihre Lebensfreude. Sie spielte Tänzerinnen, Arbeiterinnen, Bürgerliche, Prostituierte und produzierte ihre Filme irgendwann selbst. Einer davon Hamlet, den spielte sie persönlich, als Frau – auch dies ein Skandal. Auf Hiddensee bezog sie ein inzwischen berühmtes Haus, das sie ›Karusel‹ nannte, und genoss die Sommer in vollen Zügen: Mit dabei Künstler und Bohemiens wie Joachim Ringelnatz, Heinrich George und Paul Wegener. Als sie sich mit den Nazis anlegte und Deutschland verlassen musste, begann sie zu schreiben: Bewegende Szenen aus ihrem Leben in München, Berlin, Kopenhagen, Massa und Hiddensee, wilde Feiern, tragikomische Schicksale und berührende Geschichten über Menschen, die sie liebte.
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Seitenzahl: 74
Veröffentlichungsjahr: 2023
Asta Nielsen
Geschichten über die Liebe zum Leben
Erzählungen
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Titelseite
Über Asta Nielsen
Über dieses Buch
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Hinweise zur Darstellung dieses E-Books
zur Kurzübersicht
ASTA NIELSEN (1881–1972), geboren in Kopenhagen, war erster großer weiblicher Filmstar in über 70 Filmen, Regisseurin, Produzentin, Autorin, Künstlerin und Herzenskönigin.
Sie war Ikone der Schauspielkunst und weiblicher Selbstbestimmung, war ebenso berühmt für ihren Lebens- und Liebeshunger wie gefürchtet für ihre Unerschrockenheit. Auf Konventionen gab sie nichts. Legendär die Feste, an denen sie teilnahm, die Zahl ihrer Beziehungen und Hochzeiten, fast schon berüchtigt ihre Lebensfreude.
Sie spielte Tänzerinnen, Arbeiterinnen, Bürgerliche, Prostituierte und produzierte ihre Filme irgendwann selbst. Einer davon war Hamlet, den spielte sie persönlich, als Frau – auch dies ein Skandal. Auf Hiddensee bezog sie ein inzwischen berühmtes Haus, das sie ›Karusel‹ nannte, und genoss die Sommer in vollen Zügen: Mit dabei Künstler und Bohemiens wie Joachim Ringelnatz, Heinrich George und Paul Wegener.
Als sie sich mit den Nazis anlegte und Deutschland verlassen musste, begann sie zu schreiben. Weitere Filmrollen lehnte sie ab. Sie veröffentlichte über 50 Geschichten in Tageszeitung und Magazinen in verschiedenen Ländern. 1946 veröffentlichte sie die Autobiografie Die schweigende Muse, 1968 den autobiografischen Film Asta Nielsen.
KAT MENSCHIK ist freie Illustratorin in Berlin. Die von ihr ausgestattete Reihe Lieblingsbücher gilt als eine der schönsten Buchreihen der Welt und wurde mehrfach prämiert. Zuletzt erschienen dort Kat Menschiks und des Diplom-Biologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben (2020), Durch den wilden Kaukasus (2021) und, gemeinsam mit Volker Kutscher, Mitte (2021), Dschingis Aitmatow Djamila (2022), Tomaten (2022) und Kat Menschiks und des Psychiaters Doctor Medicinae Jakob Hein illustrirtes Kompendium der psychoaktiven Pflanzen.
KARL HUCK ist Schau- und Puppenspieler. Er leitet zusammen mit seiner Frau Wiebke und bespielt die Seebühne und die Homunkulus-Figurensammlung auf Hiddensee, unweit von Asta Nielsens ›Karusel‹. Von ihm stammt die Eingebung zu diesem Buch.
ALLAN O. HAGEDORFF (1917–2007) war Nachlassverwalter Asta Nielsens. Er übersetzte u.a. zahlreiche ihrer Erzählungen.
STEFFEN JACOBS ist Autor und Übersetzer, er lebt in Dänemark. Für Kat Menschiks Lieblingsbücher übersetzte er bereits den Band Edgar Allen Poe. Unheimliche Geschichten.
RENATE SEYDEL ist Germanistin, Lektorin, Buchhändlerin und Autorin und gab u.a. zahlreiche Veröffentlichungen zu Asta Nielsen heraus, u.a. Asta Nielsen. Eine Bildbiographie und Asta Nielsen 1881-1972. Ein Leben zwischen Kopenhagen, Berlin und Hiddensee, aus dem das Stück des Hiddensee-Tagebuchs in diesem Buch stammt.
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Blaue Himmels- und Wassertöne, sandiges Beige, Spritzer von Lippenstiftrot vor Wolkenweiß und Spiegelsilber – das sind die Farben der Ostsee und der Insel Hiddensee im Sommer. Sie sind mein Thema und die gestalterische Klammer für dieses Buch.
Der Großteil der Geschichten von Asta Nielsen, die wir für diesen Band ausgewählt haben, spielt gar nicht auf Hiddensee. Dennoch verbinden die Farben die Texte zu einem sommerlich blauen Band, welches sich frisch und fröhlich durch das Buch zieht, etwa von Kopenhagen und Berlin nach Mailand oder Paris. Selbst wenn wir von Frühling, Sommerhitze oder Weihnachten, Liebe oder Tod lesen, es liegt wie immer im Leben alles ganz nah beieinander.
Und so stelle ich mir vor, wie Sie dieses Buch herrlich an Stränden liegend lesen, oder aber auch ganz kuschelig, mit beiden Händen an der Teetasse, irgendwo an Ihren Lieblingswinterleseplätzen.
Dieser Band ist eines meiner Lieblingsbücher, denn Hiddensee ist auch mein Sehnsuchtsort, dort habe ich einige Bilder des Buches gemalt und gezeichnet, habe ich immer wieder Bernsteine gesucht und nicht gefunden, werde ich ruhig, weil mir alles vertraut ist, habe ich gute Freunde, habe ich im letzten Sommer geheiratet.
Ich verbinde die Insel mit den schönsten persönlichen Erinnerungen …
Viel Freude mit diesem Buch,
Kat Menschik
EIN TAG IM PARADIES
EINE ROSE IST EINE ROSE IST – NICHT IMMER – EINE ROSE
LA BOHÈME
WEIHNACHTEN IN MASSA
HIDDENSEE-TAGEBUCH
NACHWORT
Übersetzungsnachweis
Meine Bekanntschaft mit dem Geigenbauer Herrn König verdanke ich drei Umständen: dem Frühling von Berlin, meiner Leidenschaft für Pinsel und Palette und meinem guten Freund, dem Violinisten Alfred Kindt.
Ich glaube nicht, dass es – vor der Hitlerzeit – irgendeine Stadt in der Welt gegeben hat, in der das Frühjahr eine so überwältigende Pracht von blühenden Kastanienbäumen bot wie in Berlin. Straßen, Wege und Boulevards explodierten in einer Orgie von gelb-weiß-rot blühenden Baumkronen. Wenn man aus dem Fenster sah, blickte man auf ein wogendes Meer von weiß gepuderten Blüten, und die Ufer entlang der Spree strotzten kilometerlang von Bäumen mit sprengenden Blumenballons, die auch über die Böschungen hingen und deren unterste Blumen auf dem schwarzen Wasser leuchtend schwammen. Wie habe ich diese Stadt geliebt!
Nun sollte man annehmen, dass es ganz einfach wäre, bei dieser alles überwältigenden Pracht einen einzigen blühenden Zweig zu ergattern. Ich war nämlich erfüllt von der eitlen Hoffnung, einen solch blühenden Zweig auf der Leinwand festzuhalten. Aber weder von der Erde aus noch aus der Luft wollte es mir gelingen, einen dieser Kastanienzweige zu ergattern, ohne mich in Lebensgefahr zu begeben oder mit der Polizei Bekanntschaft zu machen.
Doch wozu gibt es Helfer? Mein Freund Alfred Kindt nahm es in naiver Waghalsigkeit auf sich, mich in meinen Bemühungen selbstlos zu unterstützen. So schwebte er eine halbe Nacht lang zwischen dem sicheren Tod und dem kalten Wasser der Spree, immer auf der Flucht vor den wachsamen Augen der Polizei, aber ohne jegliches Resultat. Auch sein Versuch, an einem Fensterkreuz hängend, sich mit einem Lasso eines Zweiges aus dem Nachbargarten zu bemächtigen, ging schief. Darum wollte er bei Nacht und Nebel in den Stadtparks räubern, aber auch dies endete ergebnislos, denn es kann leicht zu Gewalttätigkeiten führen, wenn man liebende Paare auf einer Gartenbank stört. Zu diesem Zeitpunkt trat Herr König in unser Leben. Kindt, dessen Dasein gerade erfüllt war von dem Gedanken an eine neue Geige, eigens für ihn geschaffen von Königs berühmten Händen – er trug den Titel »der deutsche Stradivari« –, suchte täglich Meister König in seiner Werkstatt auf, um der Entstehung des neuen Wunders beizuwohnen. Diese Besuche erstreckten sich in der Regel über Stunden, wobei es vorkam, dass ihm unbedacht auch ein Satz entschlüpfte, der die Musik nicht tangierte. So erzählte er von der Jagd nach den Kastanienzweigen. Neben all den hervorragenden Eigenschaften, die das Geigenbauen erfordert, war König mit einem begnadeten Mitgefühl für seine Nächsten ausgestattet, und so sagte er mit großem Entgegenkommen: »In acht Tagen steht mein Kastanienbaum in voller Pracht. Sowohl meine Frau wie auch ich würden uns glücklich schätzen, wenn Frau Nielsen und Sie uns in unserer Villa in Blankendorf besuchen würden.«
So kam es, dass Kindt und ich uns eine Woche darauf in Königs Werkstatt einfanden, nachmittags gegen drei, um, wie verabredet, zu seiner Villa zu fahren und dort den Zauber des Frühlings – und also auch den des Kastanienbaums – zu erleben.
Zum ersten Mal betrat ich tatsächlich Herrn Königs Domäne, aber theoretisch war ich bis zur Bewusstlosigkeit in die Materie eingeweiht. Kindt hatte mir ausführlich die Treffen mit König beschrieben, dessen tiefgehende technische Analysen, seine philosophischen Betrachtungen über »atomstreifende Spannungen« und darüber, dass es geradezu ein Kinderspiel sein müsste, sämtliche Länder der Erde zu »einer Welt« zusammenzuschweißen – gemessen an dem Unternehmen, eine Geige zu bauen. Und ich gestehe freimütig, dass auch der eingefleischteste Zweifler vor Königs Arbeitstisch im Glauben an die Entstehung der Welt wankend werden musste, wenn er diese Unzahl von millimeterdünnen Mahagonisplittern, die überall herumlagen, vor sich sah. Wie sollte daraus jemals eine moiréflimmernde, mahagonistrahlende Geige entstehen, deren Resonanzbögen Töne erzeugten, die voller Süße die Erde umschlingen würden?
Sogar der schmächtige, vogelartige König wurde hier, vor seiner Arbeit, größer, und unsere Ankunft führte keineswegs dazu, dass er innehielt. Ganz im Gegenteil! Wie durch ein geheimes Einverständnis verlor sich nun auch Kindt über Königs langsam arbeitenden nikotinfarbenen Händen mit den Mahagonisplittern in intensiven Gedankenreisen. Niemals wieder habe ich ein so totales Versinken der Umgebung erlebt, nicht einmal im Todesaugenblick einer Kameliendame. Dieser Zustand hielt sich mehr als eineinhalb Stunden, und so hatte ich reichlich Gelegenheit, Betrachtungen über Königs Metier anzustellen. Ich muss zugeben, dass dies wirklich den ganzen Mann verlangte. Er war im Besitz einer morgenländischen Geduld, einer überirdischen Liebe zu dem Beruf und einer totalen Gleichgültigkeit gegen alle materiellen Vorteile, die andere Sterbliche für geleistete Arbeit erwarten. Zugleich war er Künstler und Handwerker, technisch vollkommen und doch beseelt vom Glauben an Wunder. Später sollte ich erfahren, dass König mit einer großen Liebenswürdigkeit gesegnet war, mit Zufriedenheit und einem abgrundtiefen Verständnismangel für die einfachen Formen des Daseins.