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Sexpuppe, Ehepuppe, Arbeitspuppe, Amokpuppe, Alltagspuppe - alles in einem Haus! Nur Zimmer – ohne das Haus. Wo Wände standen – Klebestreifen. Und wo der Körper endet, fängt die Puppe an. Im Puppenhaus nach Ibsens Nora: Die Sexpuppe Erika feiert Weihnachten mit dem Ehepaar Hans und Anna. Maria, Hans' heimliche Geliebte, hat dessen Ex-Chef Peter eingeladen. Und wo Liebe nicht ist, wird etwas Lebendiges geschenkt: Angst, Burn-Out, Arbeitslosigkeit, Amokläufe und der Leguan Franz. Sonst – alles wie immer. Der kleine Alltagswahnsinn im großen Lebenschaos. Bauen Sie selbst Ihr Haus!
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Seitenzahl: 58
Veröffentlichungsjahr: 2020
Ursula Scheidle
Im Puppenhaus
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Personenverzeichnis
Eine Art Vorwort
Teil 1: Weihnachten
1.
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7.
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33.
34.
Teil 2: Silvester
Über die Autorin
Über das Stück
Impressum
Hans, der Ehemann
Peter, der Single
Anna, die Ehefrau
Maria, die Geliebte
Erika, die Sexpuppe
Franz, der Leguan
Hans, Anna, Maria, Peter, Erika und später Franz befinden sich im selben Raum, aber in geteilten Realitäten. Das geteilte Wohnzimmer zeigt zwei verschiedene Lebenswelten: Die Welt des Ehepaars Hans und Anna, die Welt von Maria und Peter.
Hans, Anna, Maria, Peter und Erika (Das Klebeband ist ihr Requisit.), Franz, sobald er in das Geschehen eingeführt wird, verlassen die Szene während der gesamten Spieldauer nie. Sie sitzen, stehen, liegen und positionieren sich während der gesamten Handlung je nach Bild (Puppen im Puppenhaus). Das Stück spielt mit Begrenzungen bzw. Grenzen der beiden Lebenswelten. Das zeigt sich konkret in den Raumverhältnissen des Geschehens. Das Wohnzimmer kann von einem sehr engen, begrenzten Raum bis zu einer sich völlig auflösenden Fläche werden; dementsprechend sind auch die Figuren zu positionieren. Genauso wie sich das Ich der einzelnen Protagonisten auflöst, löst sich auch ihr konkreter Raum auf. Im 2. Teil des Stücks ist er zur Fläche geworden. So ist auch die Namenswahl Hans- Peter, Anna- Maria kein Zufall. Sie sind als Doppelfiguren zu lesen, zu positionieren. Sie tragen fast dieselbe Kleidung, sind sich gegenseitig Schatten, Projektion, Wunsch, Angst, Vorstellung. Ihre Identität hebt sich im Laufe der Handlung mehr und mehr auf. Das spiegelt sich auch in ihren Dialogen. Mancher Dialog hört sich an wie von einer Figur gesprochen. Keine der Figuren sagt jemals „Nein“. Sie sind Jasager. Sie drehen sich im Kreis. Das Wort „ja“ kommt überdurchschnittlich vor. Dieses „Ja“ kann an bestimmten Stellen im Stück auch zeitgleich von allen gesprochen werden. Einerseits ein Sprachspiel, aber auch Echo, Schatten, absurde Brüche im Handlungsfluss.
Erika und Franz sind Schatten, Projektion, Wunsch, Angst, Vorstellung aller.
Die Requisiten im Stück sind in ihrer Funktion alle entweder zu groß, zu klein, zu lang, zu kurz, zu laut, zu bunt, zu viel, zu wenig.
„Das passt hier alles nicht. Das hat hier keine Logik“, sagt einmal Hans.
HANSEs ist wichtig. Eine Linie in seinem Leben. Es ist wichtig. Die Grenzen erkennen. Sie dann auch ziehen. Das ist wichtig. Das hier ist eine Wohnung. Ja. Hier ist das Wohnzimmer. Das geht genau bis hier her. (markiert einen Punkt mit dem Klebeband) Genau bis hier her. Ja. Da hinten ist der Eingang. (markiert den Eingang) Hier. Sehen Sie. Seit kurzem haben wir ein Balkenschloss. Das geht bis über beide Türflügel. Rastet in der Mauer ein.
ANNAJetzt fühlen wir uns sicher mit den Kindern.
HANSDas Haus ist zum Selbstbedienungsladen geworden.
ANNADie kommen über die Grenze.
HANSAus dem Osten.
ANNAGerade letzten Monat wieder.
HANSHaben eingebrochen. Mehrere Wohnungen.
ANNA(zeigt) Das sind die Kinder. Ja.
HANSDas sind die beiden Kinderzimmer. Mit jeweils eigenem PC.
ANNAUnd das ist unser Schlafzimmer.
HANSEin Bett. Zwei mal Zwei Meter.
ANNAZwei Matratzen.
HANSEin Einbaukasten.
ANNAPraktisch.
HANSFlexibles Einbausystem.
ANNAViel Stauraum.
HANSWichtig.
ANNADas ist mein Mann, Hans. Ich bin Anna. Seine Frau.
HANSWir sind eine Familie.
ANNAJa.
MARIA(markiert im Folgenden scheinbar wichtige Punkte, sowie den Grundriss ihrer Wohnung) Heute ist Weihnachten. Ja. Und ich habe Besuch. Ich lebe alleine. Hier – das hier ist mein Arbeitstisch. Momentan ist alles aufgeräumt. Meine Wohnung ist klein. Ja. Bei Einladungen muss ich immer erst alles wegräumen und aufpassen, wegräumen, aufpassen, dass dabei nicht irgendwelche wichtigen Notizen verloren gehen. Ja. Wichtige Notizen. Sonst sind hier überall Zettel, Bücher, Artikel. Alles Mögliche ist gestapelt. Ich muss aufpassen, ja, aufpassen muss ich, dass ich beim Wegräumen nicht den Überblick verliere über meine wichtigen Notizen, ja, muss ich aufpassen, total, ja, dass mir der Zusammenhang zwischen ihnen nicht verloren geht, ja, total muss ich aufpassen. Aber ich hab ja noch immer meine Kartons, vom letzten Umzug. In die räume ich dann meine wichtigen Notizen. (schiebt eine Schachtel vor, auf der „Wichtige Notizen“ und ein Datum steht) Also mein ganzes Büro. Ja. Also das hier ist auch mein Büro. Ich kann sagen, das eine halbe Leben wird dann kurz weggeräumt für einen Abend und das andere halbe Leben kann dann hier stattfinden, wenn ich jemanden zum Essen einlade, ja, zum Beispiel, was selten vorkommt. Ja. Habe ich das schon gesagt? Ja? Also hier sehen Sie eine Einraumwohnung, Einfrauwohnung, genauer. Ja. Die Wohnung ist sogar im Winter hell. Und sie ist ruhig. Hier sind die Fenster.
Im Hof ist ein uralter Nussbaum. Viel Himmel. Der hält mich irgendwie zusammen. 573 Euro Miete, Strom und Gas nicht dazu gerechnet. Ich habe kein Auto. So geht das gerade. Ja. (lächelt)
PETER(lächelt) Ich kann nicht sagen, es bedeutet mir nichts. Es ist etwas aus meiner Kindheit. Ein Kindheitspunkt. Wichtig. Wer kann schon sagen: Meine Kindheit bedeutet mir nichts? Ja. Wer kann das schon. Niemand kann das. Ja. Das ist wirklich etwas, was niemand kann, ja, die Kindheit ist ein Muss, so wie das Sterben zum Beispiel auch ein Muss ist, ja. Jeder muss durch die Kindheit. Wie er dann weiter muss, ist nicht gesagt, ja, aber durch die Kindheit muss man. Ich habe keine eigene Familie bis jetzt hergestellt, mit der ich jetzt Weihnachten feiern könnte. Ich bin Peter. Ich bin ein Freund von Maria und sie hat mich eingeladen, ja, und ich kenne auch Hans, die Kinder und seine Frau. Ja.
PETERHans …
HANSPeter …
PETERIch …
HANSDas mit der Puppe …
PETERIch will dir …
HANSDas geht nicht mehr.
PETERIch will dir helfen, Hans.
HANSIch will Erika nicht mehr.
PETERSteck dir das Hemd in die Hose, Hans.
HANSHol sie ab.
PETERDie Eri…
HANSNoch vor Weihnachten.
PETERDie Puppe …
HANSAufpassen muss man.
PETERDie war nur ein Angebot … Ein Spiel …
HANSJa.
PETERSpielen ist wichtig.
HANSJa –
Schweigen.
ERIKA(mit dem Klebeband in der Hand) Ich bin die Erika. Ich bin auch hier. Ja. Ein Geschenk von Peter. Das ist wichtig. Ich fühle mich gut. Ja. Den ganzen Tag tu ich fast nichts. Ja. So. Und ich kenne Dinge hier wie niemand. Hier. Das hier ist ein Wohnzimmer, in einer Wohnung, in einem Haus. Das Haus ist hoch und schmal. Viel Platz. Viel Stauraum, praktisch, ja, eigentlich, so am Stadtrand, gute Verkehrsanbindung hier, draußen fast nie ein Mensch. (Raumspray)
Heimduft, Winterwald.
PETERHans …
HANSPeter …
PETERIch …
HANSIch habe keine Zeit mehr!
PETERIch will helfen.
HANSAnna. Die Firma. Und …
PETERMir hat meine Erika geholfen. Damals.
HANS