Im Rollstuhl zu den Orang-Utans - Christina Schott - E-Book

Im Rollstuhl zu den Orang-Utans E-Book

Christina Schott

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Beschreibung

Mit einem Vorwort von Claus Kleber und zahlreichen farbigen Fotos: Benni kommt aus Rheinland-Pfalz und reist für sein Leben gern. Und er liebt Orang-Utans. So sehr, dass er die rothaarigen Menschenaffen unbedingt einmal in ihrer Heimat auf der Insel Borneo besuchen will. Das wäre nicht so erstaunlich, würde er nicht an der unheilbaren Erbkrankheit Muskeldystrophie Duchenne leiden: Der 27-Jährige ist seit seiner Pubertät völlig gelähmt.Wie Benni dennoch 15.000 Kilometer weit im Rollstuhl nach Indonesien reist, davon erzählt dieses Buch. Seine Familie und Helfer machen das Unmögliche möglich und so besucht er Orang-Utan-Camps, trifft Umweltschützer, begegnet den einheimischen Dayak und begeistert ganze Schulklassen mit seinem intensiven Lebensmut. Selbst schlammige Plantagenwege und eine zusammengebrochene Brücke halten ihn nicht davon ab, in ein Urwald-Dorf zu reisen, um selbst zu erfahren, wie Menschen und Tiere dort leben. Am Ende wird Benni zum Orangutan Warrior ernannt und will sein Patenkind Henry treffen: einen Affenjungen, dem er bereits das Bilderbuch Henry rettet den Regenwald gewidmet hat.Claus Kleber im August 2019:Was die Orang-Utans erleben, muss uns eine Warnung sein. Wir haben keinen anderen Lebensraum als sie, wir teilen ein und denselben Planeten. Sie gehen uns mit ihrem Schicksal nur voran. Wenn wir die Ausbeutung der Natur so weitertreiben, wird uns niemand mehr zu Hilfe kommen. Benni Over ist uns auf dem Weg dieser Erkenntnis einen großen Schritt voraus. Im Rollstuhl, mit Atemhilfe und seinem großen Herzen. Er und seine wunderbare Familie sollen uns allen ein Ansporn sein. Dieses Buch nimmt den Leser mit auf eine Reise in eine faszinierende, jedoch bedrohte Welt und motiviert zu einem bewussteren Leben, wenn man es mit dem Herzen liest.

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Im Rollstuhl zu

den Orang-Utans

Mit einem Vorwort von Claus Kleber.

Eine Reise um die halbe Welt, um den Regenwald zu retten.

Christina Schott

Benni Over

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.de

[email protected]

© 2018 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Überarbeitete Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Melanie Wittmann

Fotos: © Familie Over privat

Indonesienkarte mit freundlicher Genehmigung © Falk Verlag, D-73760 Ostfildern

Foto Claus Kleber: privat

Informationen zu Bennis Projekt auf

www.heny-rettet-den-regenwald.de

ISBN: 978-3-86196-760-6 – Taschenbuch

ISBN: 978-3-86196-968-6 – E-Book

Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

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Inhalt

Vorwort

Bennis Reise – Teil 1:„Mach mal was klar, Papa!“

Von Niederbreitbach nach Kalimantan: Warum reist jemand 15.000 Kilometer mit dem Rollstuhl mitten in den indonesischen Regenwald? Über die Liebe zu Orang-Utans, Aktionismus und das Familienunternehmen Over, das Unmögliches möglich macht.

Hintergrund: Orang-Utans –Die Gärtner des Regenwaldes

Warum ein Aussterben der Orang-Utans auch das Ende der tropischen Regenwälder in Südostasien bedeuten würde oder: 97 Prozent derselben DNA schützen die Menschenaffen nicht davor, dass ihre engsten Verwandten zu ihren schlimmsten Feinden werden.

Bennis Reise – Teil 2:Ankunft auf Borneo

Auf eine Anreise mit Hindernissen folgt ein überschwänglicher Empfang: In Sintang warten auf Benni neben einer Gruppe Priester und einer Kooperative von Dayak-Frauen gleich 700 Oberschüler und mehrere neue tierische Patenkinder.

Hintergrund: Überlebenskampf der Organisationen –Die Orang-Utan-Retter

Mit viel Geduld und einer gehörigen Portion Idealismus kümmern sich Tierschützer um kleine Orang-Utans, die sie traumatisiert, misshandelt und krank aus illegaler Privathaltung befreit haben. Doch wohin mit den Affen, die bereit sind für die Wiederauswilderung? Bei der Suche nach den letzten intakten Regenwäldern entwickeln die Aktivisten unterschiedliche Strategien.

Bennis Reise – Teil 3:Abenteuer im Dschungel

Matschige Abhänge und eine zusammengebrochene Brücke halten die Overs nicht davon ab, samt Rollstuhl zum Dayak-Dorf Tembak zu reisen und dort in einem traditionellen Langhaus zu übernachten. Belohnt werden sie mit bewegenden Momenten und neuen Bekanntschaften – darunter ein Schamane, ein Haufen Fledermäuse sowie die Bewohner der SOC-Waldschule.

Hintergrund: Traditionelle Kultur in Kalimantan – Das Leben der Dayak

Wie mehr als 200 Stammesgruppen einst durch ein Friedensabkommen ihre Zukunft sicherten. Was dies mit Kopfjagd, Kolonialherrschaft und dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Und warum das Dorf Tembak heute lieber Ökotourismus betreibt, als Palmöl anzupflanzen.

Bennis Reise – Teil 4:

Von Sintang nach Palangkaraya: Benni wird offiziell zum „Orangutan Warrior“ ernannt, tauft ein Affenbaby und wohnt der feierlichen Gründung einer außergewöhnlichen Schulpartnerschaft bei. Und warum es ein gutes Zeichen ist, dass sein Patenkind Henry nicht auf ihn wartet.

Hintergrund: Palmöl – Grüne Wüste

Abholzung, Waldbrände und Palmölproduktion haben große Teile Zentralkalimantans in ökologisches Ödland verwandelt. Menschen wie Tiere verlieren ihre Lebensgrundlage – nicht zuletzt wegen wirtschaftlicher Interessen aus dem Ausland. Doch einige Bauern wehren sich gegen den Ausverkauf ihrer Heimat: die Geschichte eines Dayak-Dorfes im Herzen von Borneo.

Bennis Reise – Teil 5:

Emotionen werden zu Aktionen: Medienberichte, Schulveranstaltungen und neue Lernprojekte treiben Bennis Initiative voran. Dann folgt ein Zusammenbruch. Dass selbst dieser Benni nicht stoppen kann, liegt an der Erkenntnis, dass er allein durch sein Da-Sein noch viel bewirken kann.

Herausgeber + Initiator: Benni Over

Die Autorin: Christina Schott

Unser Buchtipp: Henry rettet den Regenwald

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Vorwort

FÜR BENNI

Mein Weg und der von Benni, die Wege also des Fernsehmenschen und des jungen Kämpfers für Menschenaffen, kreuzten sich im digitalen Raum. Benni schrieb mir eine liebevolle Mail, nachdem er „Unantastbar“ gesehen hatte – eine ZDF-Dokumentation von Angela Andersen und mir zum 70. Jahrestag der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte am 10. Dezember 1948. In diesem großen Film zu einem noch größeren Thema kamen tatsächlich Orang-Utans vor. Affen, wo es um Menschen gehen sollte? Das hat viele überrascht. Benni nicht, ihn hat es nur gefreut. Er wusste längst, was wir dort zeigten. Er hat es zu seinem Lebensinhalt gemacht. Und zum Inhalt dieses großartigen Buches.

Die Universal Declaration of Human Rights war eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit – so groß, dass manche schon glaubten, es sei der letzte große Schritt der Zivilisation auf dem Weg zu einer glücklichen Weltgemeinschaft, die sich endlich in Harmonie um ihre großen, gemeinsamen Ziele kümmern würde – Frieden und das Ende von Hunger, Durst und Seuchen. Im Dezember 1948, als eine verstörte Menschheit aus der Hölle der Weltbrände in das Fegefeuer des Kalten Kriegs taumelte, wurden zum ersten Mal in der Geschichte Rechte formuliert, die jedem Menschen auf der Erde zustehen, ohne Rücksicht darauf, in welcher Kultur, in welchem Land und unter welchem Regime er lebt.

Das war wunderbar, aber noch nicht der Einzug ins Paradies. Trotzdem kann man sagen, dass meine Generation – die auch die Generation von Connie und Klaus Over, Bennis Eltern, ist – in einer Epoche leben durfte, in der die Idee von allgemeinen Menschenrechten zwar immer wieder bedrängt und gefährdet, doch beständig auf dem Vormarsch war. Nach 1989/90, dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges, schien das Ziel zum Greifen nah.

Heute nicht mehr. Auf allen Erdteilen greifen wieder autoritäre Regime nach der Macht. Sie mobilisieren Urängste gegen „Fremde“ und Minderheiten, sie demontieren die Kontrollmechanismen von Parlamenten und freier Presse und definieren „Menschenrechte“ nach ihrer Façon. Seltsam, dass auch das Leugnen des menschengemachten Klimawandels und Verachtung für den Schutz der Natur zu ihrem gemeinsamen „Markenkern“ gehören.

Wir werden es wohl nicht schaffen, unseren Kindern einen friedlichen Planeten und eine solidarische Menschheit zu hinterlassen. Der Kampf darum ist noch nicht zu Ende. Gleichzeitig müssen wir das Konzept der Allgemeinen Menschenrechte in eine Dimension weiterdenken, von der die Mütter und Väter der Universal Declaration of Human Rights 1948 noch keine Ahnung hatten. In den 30 Artikeln kommt „Gaia“ nicht vor: das Bild von unserem Planeten, seiner lebenden und nicht lebenden Natur, ohne die alle unsere Rechte wertlos sind, ohne die unsere eigene Existenz nicht denkbar ist. Mutter Erde, also.

Hier, nun, kommen die Orang-Utans ins Spiel, die Menschen des Waldes, das bedeutet „Orang-Utan“ nämlich in der Sprache der südostasiatischen Insel Borneo. Borneos Regenwälder – Heimat der Orang-Utans – werden gerade zur Beute einer gefräßigen globalen Agrarindustrie. Immer weiter breiten sich die Ölpalmenplantagen aus, die Natur erstickt unter den Planierraupen der Profiteure. Benni beschreibt das aus eigener Anschauung in diesem Buch. Er schildert auch mit großer Sympathie die Anstrengungen seiner Freunde, der Helfer, die den bedrohten Menschenaffen eine Zuflucht bieten und alles tun, um sie in derzeit noch sicheren Regionen wieder in die Freiheit zu entlassen.

Was die Orang-Utans erleben, muss uns eine Warnung sein. Wir haben keinen anderen Lebensraum als sie, wir teilen ein und denselben Planeten. Sie gehen uns mit ihrem Schicksal nur voran. Wenn wir die Ausbeutung der Natur so weitertreiben, wird uns niemand mehr zu Hilfe kommen.

Benni Over ist uns auf dem Weg dieser Erkenntnis einen großen Schritt voraus. Im Rollstuhl, mit Atemhilfe und seinem großen Herzen. Er und seine wunderbare Familie sollen uns allen ein Ansporn sein. Dieses Buch nimmt den Leser mit auf eine Reise in eine faszinierende, jedoch bedrohte Welt und motiviert zu einem bewussteren Leben – wenn man es mit dem Herzen liest.

Claus Kleber

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Vorwort

Sie halten ein außergewöhnliches Buch über die Reise eines außergewöhnlichen Menschen in der Hand.

Seit 15 Jahren begleite ich Benni Over als seine Osteopathin. Die Arbeit mit ihm ist sehr intensiv – nicht, weil seine Krankheit mich intensiv beschäftigt, sondern weil Benni so intensiv und frei lebt. Obwohl ihn sein Körper in jedem Maße einschränkt, ist er doch grenzenlos frei. Zu Beginn jeder Behandlung frage ich ihn, wie es ihm geht, und er antwortet mir stets: „Gut.“ Dann teilt er mir kurz und bündig mit, auf was ich an diesem Tag meine therapeutische Aufmerksamkeit richten soll – zum Beispiel: „Guck bitte nach meinem Rücken.“ Und schon spielt die Krankheit keine Rolle mehr und Benni geht seiner Leidenschaft nach: dem Reisen und der Welt der Orang-Utans.

Viele Jahre schon reist Benni zu Zoos in Europa und konnte dabei viel Nähe zu seinen geliebten Menschenaffen aufbauen. Sein Kinderbuch Henry rettet den Regenwald hat in Grundschulen, Kindergärten und sogar in Fachkreisen großes Aufsehen erregt. Mit immenser Mühe – aber ebenso enormem Spaß – hat Benni die Geschichte mit seinem Vater geschrieben und die Bilder selbst ausgemalt. Die Botschaft: Es geht uns alle an, wenn Orang-Utans sterben, weil ihre Regenwälder zerstört werden, damit internationale Konzerne Palmöl anbauen können.

Eines Tages erzählte Benni mir voller Begeisterung, dass er die Chance hätte, nach Indonesien zu reisen, zu eben jenem Affenjungen Henry, der in seinem Buch die Hauptrolle spielt. Ein Rehabilitationszentrum für Orang-Utans hatte Benni eingeladen, zu Besuch zu kommen und sich selbst davon zu überzeugen, wie man seinen geliebten Tieren helfen könne. Auch ein traditionelles Dorf der Ureinwohner von Borneo sollte er besuchen. Es ist erstaunlich, zu beobachten, wie Benni und seine Familie immer wieder scheinbar Unmögliches möglich machen. Ich lachte laut über seine Pläne und bemerkte grinsend: „Dorthin kannst du aber bestimmt nicht ohne deine Osteopathin reisen.“ Und schon war sein Entschluss gefasst: Ich sollte ihn bei seinem großen Abenteuer begleiten. Was von mir zunächst als Scherz gemeint war, wurde zur wunderbarsten Reiseerfahrung meines Lebens.

Die Zeit in Indonesien mit Benni und seiner Familie war faszinierend. Ich saß oft staunend im Gras und spürte, dass Benni allein durch seine innere Entschlossenheit und seine unermüdlichen Ideen die Umgebung mit seinem Feuer ansteckt. Selbst die Tiere spürten Bennis Kraft und suchten seine Nähe. Abends waren wir alle völlig erschöpft von den vielen Eindrücken des Tages. Obwohl Benni körperlich unendlich gefordert wurde, war er seelisch von uns allen am fittesten. Tagsüber prägte er sich jedes Detail ein und schmiedete dann trotz müdem Körper bis in die späten Abendstunden voller Energie künftige Pläne. Wieder in Deutschland setzte er diese dann mithilfe seiner liebevollen Familie um: Spendenaktionen, Schulpartnerschaften, Unterrichtspakete zum Thema Regenwald, ein palmölfreies Kochbuch für Kinder und vieles mehr. Seine Krankheit und sein Rollstuhl stellen für ihn dabei kein Hindernis dar. Er beweist sich und der Welt jeden Tag: „Geht nicht“ gibt’s nicht.

Nun können Sie Bennis unglaubliche Reise zu den Orang-Utans in diesem Buch nachverfolgen. Welchen außergewöhnlichen Menschen und Tieren er dabei begegnete und warum deren Leben bedroht ist. Und Sie werden lesen, wie er mit all seinem Mut, seinem großen Herzen und seiner fröhlichen Art die Menschen dazu bewegt, ihr eigenes Leben zufriedener zu leben und ihre Zeit zu nutzen, um etwas Wunderbares zu leisten. Benni ist der Beweis dafür, dass man sich seine Grenzen nur im Kopf steckt. Wer im Geiste frei ist und lebt, den hält auch eine Krankheit nicht auf.

Ich bin dankbar dafür, dass ich so viele spannende Reisen und Pläne von Benni und seiner Familie mit begleiten darf. Eine weitere Reise beginnt nun mit diesem Buch: Es wird viele Menschen erreichen, die künftig auch den Orang-Utans und dem Regenwald helfen wollen. Da bin ich mir ganz sicher.

Silke Kenter

Neuwied, im Juni 2018

*

Bennis Reise – Teil 1:

„Mach mal was klar, Papa!“

Von Niederbreitbach nach Kalimantan: Warum reist jemand 15.000 Kilometer mit dem Rollstuhl mitten in den indonesischen Regenwald? Über die Liebe zu Orang-Utans, Aktionismus und das Familienunternehmen Over, das Unmögliches möglich macht.

Benni ist 27 Jahre alt und wohnt in Niederbreitbach in Rheinland-Pfalz. Er trägt gern Sneakers von Nike und hat eine Vorliebe für frische Gemüselasagne. Und er reist für sein Leben gern. In seinem Zimmer hängt eine Magnetwand mit Andenken aus aller Welt, daneben stecken in einer Weltkarte Dutzende Fähnchen, die markieren, in welchen Ländern er schon war: den Vereinigten Staaten von Ost nach West, Kanada, Israel, Jordanien, Ägypten und in fast jedem Land Europas.

Mit Blick auf den großen Haufen Kuscheltiere, der sich auf seinem Schrank türmt, murmelt der Internet-Fan verlegen: „Die müssten mal entsorgt werden.“ Doch unter den ausrangierten Stofftieren befinden sich zahlreiche Orang-Utans. Und Benni mag Orang-Utans. So sehr, dass er die rothaarigen Menschenaffen unbedingt einmal in ihrem natürlichen Lebensraum auf der Insel Borneo besuchen will.

Das wäre in unserer globalisierten Welt heute gar nicht so ungewöhnlich, wenn ... ja, wenn Benni nicht an Muskeldystrophie Duchenne leiden würde: einer unheilbaren Erbkrankheit, die bereits ab der Pubertät zur völligen Lähmung führt.

Benni Over war vier Jahre alt, als die Ärzte feststellten, dass er unter schleichendem Muskelschwund leidet. Als Kind baute er mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Florian noch Baumhäuser oder Staudämme im Fockenbachtal, einem Naturschutzgebiet nahe seinem Heimatdorf. Niederbreitbach selbst ist ein idyllischer 1.582-Einwohner-Ort in der rheinland-pfälzischen Ausflugsregion Wiedtal, 45 Kilometer von Koblenz entfernt. „Seine Krankheit habe ich immer ausgeblendet, als sei er nicht krank“, erzählt Florian von der gemeinsamen Kindheit.

Seit dem Alter von elf Jahren ist Benni auf den Rollstuhl angewiesen, den er allerdings lange selbst bedienen konnte. Dennoch ging der kleinwüchsige Junge immer auf normale Regelschulen in der Umgebung, dafür haben seine Eltern sich mit viel Energie eingesetzt. Heute kann Benni nur noch sein Gesicht und seine Fingerspitzen bewegen. Seit einem dramatischen Herzstillstand im Dezember 2016 fällt es ihm schwer zu atmen, daher braucht er die meiste Zeit ein Beatmungsgerät, das er zuvor nur beim Schlafen benutzte. Das alles jedoch hindert den jungen Mann nicht daran, eine überwältigende Lebensenergie zu versprühen und einen enormen Taten- und Wissensdrang zu entwickeln – ganz besonders, wenn es um seine rothaarigen Freunde in Fernost geht.

Bennis Faszination für Menschenaffen begann in einem Kino: 2012 sah er den Disney-Tierfilm Schimpansen, der die Geschichte des kleinen Schimpansenjungen Oskar erzählt, der seine Mutter verliert, aber dann von einem älteren Männchen desselben Clans adoptiert wird. Der Film erhielt sehr kontroverse Kritiken, weil er fiktiv ist, jedoch durch seinen dokumentarischen Charakter vorspiegelt, eine reale Geschichte zu erzählen – das Ganze im Disney-Stil mit emotionalen Effekten angereichert. Die Filmkritiken interessierten Benni allerdings nicht so sehr, vielmehr wollte er lieber mal einen Schimpansen „in echt“ sehen.

Also fuhr er mit Mutter Cornelia bei einem Besuch Berlins in den Zoo, um die Affen dort zu beobachten. Mama Cornelia erzählt davon so selbstverständlich, als handelte es sich um einen kleinen Tagesausflug, doch man bedenke: Jede noch so kleine Reise mit Benni erfordert eine logistische Meisterleistung. Es geht nicht nur um den Rollstuhltransport, sondern auch darum, wie viel von welchen Medikamenten und welche Ersatzgeräte für Atmung und andere Notfälle eingepackt werden müssen. Bei den Overs gehören solche Planungen wie selbstverständlich zur normalen Alltagsroutine, die sie ohne viel Aufhebens erledigen. Sicherlich hilft dabei auch ihr Gottvertrauen, denn die Familie ist tief verwurzelt in der katholischen Tradition ihrer rheinland-pfälzischen Heimat.

Von Menschen und Affen

Im Berliner Zoo kamen Mutter und Sohn nicht weiter als bis zum Orang-Utan-Haus.

„Da war so ein kleiner Orang-Utan, Bulan, der hat so viel Quatsch gemacht, dass wir uns einfach nicht mehr losreißen konnten. Wir saßen stundenlang dort vor der Glasscheibe und haben zugeschaut. Bis wir wieder gehen mussten.“ Benni war fasziniert von den Menschenaffen aus Südostasien. „Wie die kleinen Orang-Utans geklettert sind ... die sind Menschenkindern so ähnlich! Und wie sie gespielt haben ... ich wollte ihnen so gern näher kommen.“

Natürlich war klar, dass das nicht ging. Genauso klar war der Familie, dass Affen – auch Menschenaffen – eben keine Menschen sind, auch wenn sie ihnen manchmal noch so ähnlich zu sein scheinen. Trotzdem hatten die Orang-Utans Benni tief berührt, er fühlte sich ihnen verbunden und in gewisser Hinsicht durch seine Krankheit vielleicht ähnlich eingeengt wie die Primaten im Zoo. Der Besuch hatte etwas ausgelöst, was selbst seine Eltern nicht vorhersehen konnten und was nicht mehr einfach so rückgängig zu machen war.

Weil eine physische Annäherung nicht möglich war, fing Benni an, im Internet zu recherchieren: Woher kommen die Orang-Utans, wie leben sie, was essen sie? Was Benni herausfand, faszinierte ihn immer mehr. Mit 97 Prozent derselben DNA gehören sie zu den engsten Verwandten der Menschen. Sie sind überaus intelligent und empfindsam und gelten noch dazu als äußerst sanftmütig. Ihre Kinder ziehen sie liebevoll auf, manche Jungtiere trennen sich erst mit acht Jahren von ihren Müttern. Diese haben ihnen zuvor ihr umfangreiches Wissen über Leben und Überleben im Regenwald vermittelt.

Wenig später machte sich Familie Over auf in den Kölner Zoo – von Niederbreitbach aus gesehen der nächstgelegene Tiergarten, der Orang-Utans hält. Dort lebten damals die Affenmädchen Cinta und Ciri.

Benni erinnert sich noch detailliert an Vorlieben und Streiche der kleinen Affen: Etwa als Cinta übte, einen Purzelbaum zu machen, oder als sie ihre kleine Freundin Ciri entführte und anschließend von beiden Mamas verfolgt wurde. Es folgten Besuche in weiteren Tiergärten. Es dauerte nicht lange, bis Benni die Namen sämtlicher Orang-Utans in den Zoos dieser Welt auswendig kannte, genauso wie ihre jeweiligen Eigenheiten. Wenn er nachts nicht schlafen konnte, beobachtete er übers Internet stundenlang das Affenbaby Aisha (geboren im Oktober 2013) im Zoo von San Diego – das fand er spannender als jeden Krimi.

Schließlich schrieb die Familie den Tierarzt des Berliner Zoos an, der Benni daraufhin tatsächlich zu einer persönlichen Führung mit Fütterung einlud. „Er hat unendlich viele Fragen beantwortet“, erzählt Cornelia Over, „aber Benni wollte immer noch mehr wissen.“

Hüter der Wälder

Es dauerte nicht lange, bis er bei der Recherche über Zoobewohner an deren Grenzen stieß, so surfte Benni weiter durchs Netz, um mehr über Orang-Utans in freier Wildbahn herauszufinden.

„Er ist mittlerweile selbst wie eine Internetplattform“, kommentiert sein Vater.

Benni lernte, dass die zotteligen Menschenaffen vor einer Million Jahren vermutlich den größten Teil von Südostasien bevölkerten, sogar im Süden Chinas wurden Knochen gefunden. Und was ihn fast am meisten beeindruckte: Orang-Utans gelten tatsächlich als Hüter der Wälder. Durch die Auswahl ihrer Nahrung und das anschließende Ausscheiden derselben tragen sie entscheidend dazu bei, dass sich die wichtigsten Bäume und Pflanzen gleichmäßig vermehren und das Ökosystem im Gleichgewicht bleibt. Zumindest war das so, bevor die Menschen anfingen, in die tropischen Regenwälder einzudringen.

Heute sind die Orang-Utans stark gefährdet, nur noch knapp 70.000 Tiere leben auf den Inseln Borneo und Sumatra, weil ihr Lebensraum in rasantem Tempo zerstört wird. Erst kamen die Holzbarone, dann die Palmöl-Unternehmen – die ehemaligen Regenwälder haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu großen Teilen in eine grüne Wüste aus stacheligen Ölpalmen verwandelt, um die herum jedes andere Leben mit Pestiziden vernichtet wird. Noch dazu werden durch das Abholzen der Wälder die darunter befindlichen Torfschichten freigelegt, was zu einem enormen Ausstoß von Kohlendioxid führt: Die oft mehr als zehn Meter dicken Torfflöze speichern riesige Mengen an Kohlenstoff. Ganz besonders groß wird die Belastung für das Weltklima, wenn diese Böden durch Brandrodung urbar gemacht werden – die billigste Methode, um möglichst schnell Plantagen anpflanzen zu können.

„Erst als ich diese Zusammenhänge begriffen hatte, hat mich das Thema auch erreicht – davor hielt ich es für eine fixe Idee von Benni“, gesteht Vater Klaus Over. „Vorher hatte ich nie über Palmöl nachgedacht. Doch als ich verstand, dass es ohne Orang-Utans keinen Regenwald und ohne Regenwald keine Menschen mehr geben wird, da hat es mich auch gefangen.“

Natur, Wald und Erde liegen den Overs am Herzen – sie leben komfortabel, aber sehr bodenständig. Die Familie wohnt in einem lichtdurchfluteten Heim mit hellem Holzboden und weiß verputzten Natursteinwänden. Cornelia Over sorgt mit ihrer warmherzigen Gastfreundschaft dafür, dass sich jeder hier sofort wohlfühlt. Sie sorgt auch dafür, dass im Eingang immer ein Kirchenlicht brennt – ein Symbol für das Leben, sagt sie. Im gepflegten Garten finden sich neben dem Swimmingpool ein Treibhaus und große Gemüsebeete, außerdem mehrere Obstbäume. Unter dem Vordach hängen Knoblauch, Zwiebeln und Kräuter aus eigener Ernte zum Trocknen, darunter türmen sich große Holzstapel für den Kamin. Auch wenn das Haus der Overs jedes Landlust-Magazin zieren würde, hat der große Garten vor allem einen Zweck: sich größtenteils selbst mit gesunder Nahrung zu versorgen. Cornelia Over kocht jeden Tag zweimal, und zwar das, was der Garten gerade so hergibt. Brot backt sie zum Teil auch selbst, außerdem köstliche Obstkuchen. Kompost wird natürlich selbst produziert, Regenwasser aufgefangen.

„Man muss der Erde doch zurückgeben, was man sich nimmt“, sagt Vater Klaus. Nach einer Leukämie-Erkrankung hängte er seinen aufreibenden Job als Manager eines internationalen Konzerns an den Nagel, um sich der organischen Landwirtschaft und vor allem seinem kranken Sohn zu widmen.

„Zum einen musste ich selbst kürzertreten und gesünder leben. Zum anderen wollte ich präsenter sein, wenn Benni gewisse Entwicklungen durchmachen muss“, sagt der heute 58-Jährige.

Unternehmen Over