Im Versteck - Matthew Griffin - E-Book

Im Versteck E-Book

Matthew Griffin

4,7

Beschreibung

"Wenn wir gestorben sind, wird sich niemand an uns erinnern. Niemand wird unsere Fotos anschauen, und das, was wir nicht erzählt haben, wird nicht in ihren Köpfen fortleben. Es wird sein, als wäre das alles nie geschehen." Matthew Griffins Roman "Im Versteck" erzählt, von einer Beziehung, die keine Spuren hinterlassen hat. Wendell und Frank haben sich in den Vierzigerjahren gefunden und in ein kleines Häuschen am Stadtrand zurückgezogen, weil Gesetze und Moralvorstellungen sie ins Versteck gezwungen haben. Es gibt keinen einzigen Zeugen ihres Glücks, fast nie verlassen sie gemeinsam das Haus. Das Doppelleben ist ihnen so zur zweiten Natur geworden, dass sie es auch dann nicht aufgeben können, als es keinen Grund mehr dafür gibt. Die Schwulenbefreiung geht an ihnen vorbei. Griffin erzählt von zwei knorrigen Südstaatlern Mitte achtzig. Jeder bedeutet dem andern die ganze Welt, doch als Frank einen Schlaganfall bekommt und langsam dement wird, beginnt ein mal tragischer, mal komischer Kleinkrieg. Der eine kann keine Schwäche zuzugeben, der andere muss stark sein, damit der Alltag funktioniert. Sie sind auf Hilfe angewiesen und haben Angst vor jedem Fremden, der sie "erkennen" könnte. Und was bleibt am Ende, wenn Franks Demenz die Erinnerung an ihr Zusammenleben auslöscht, wenn kein Foto, kein Freund bezeugen kann, was einmal war? Mit zurückgenommener, doch ungemein eindringlicher Sprache erzählt Matthew Griffin von Höhen und Tiefen dieser lebenslangen Liebe gegen die Gesellschaft. Ein schönes, trauriges, unvergessliches Buch.

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Seitenzahl: 384

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Verlagstext

Seit über sechzig Jahren leben Frank und Wendell zusammen – nach außen hin als Brüder, das Versteckspiel ist ihnen längst in Fleisch und Blut übergegangen. Nach dem Ende seiner Militärzeit war Frank irgendwann in Wendells Laden aufgetaucht, und von da an kam er jeden Tag wieder. Wie flirtet man mit einem Mann? In den 1940er Jahren wusste man das nicht so genau. Doch die beiden finden zueinander und suchen sich schließlich ein Häuschen, weit abgelegen von jeder Nachbarschaft, ohne Kontakt zu Freunden und Familie. Rückblickend gesteht Frank seinem Freund: «Manchmal habe ich mir so sehr gewünscht, ein Teil dieser Welt zu sein.»

Mit zurückgenommener, ungemein eindringlicher Sprache erzählt Matthew Griffin von dieser lebenslangen Liebe. Emanzipation, Schwulendiscos und CSD-Paraden haben für Frank und Wendell nie eine Rolle gespielt, ihr Leben fand fern jeder menschlichen Gesellschaft statt – und deshalb sind beide dem Anderen das «Ein und Alles»: stur, verbockt, schrullig und zärtlich. Ein unvergessliches Buch.

Über den Autor

Matthew Griffin (Jg. 1984) wurde in North Carolina geboren; er lebt mit seinem Ehemann und vielen Haustieren in New Orleans. «Im Versteck» ist sein erster Roman.

Matthew Griffin

Im Versteck

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch vonJoachim Bartholomae

Männerschwarm Verlag

Hamburg 2016

Für meine Großeltern

Eins

Gott weiß, wie lange er da draußen schon gelegen hat: lang ausgestreckt mitten im Gemüsegarten. Als ich die Einkäufe in die Küche trage, sehe ich ihn durch das Fenster über der Spüle in der prallen Sonne liegen. Ich bin nicht mehr als eine Stunde fort gewesen. Ich stelle die Tüten hin und gehe schnell zur Hintertür. Zwei weitere Tüten liegen noch im Wagen.

«Frank», rufe ich, «alles in Ordnung mit dir?»

Er sagt kein Wort, bis ich mich über ihn beuge und mein Schatten sich auf ihn legt, seine Brust, das karierte Hemd und den Boden. Ohne zu blinzeln, schaut er hoch, direkt in die Sonne. Er hat drei oder vier Tomatenpflanzen unter sich zerdrückt, und ihre silbern-pelzigen Ranken ringeln sich um seine Arme und Knie, als versuchten sie ihn ins Erdreich hineinzuziehen. Bei dem Versuch, sich aufzurichten, hat er einen der Pflanzstöcke zerbrochen und zwei weitere aus dem Boden gerissen.

«Mir geht’s gut», sagt er. «Musste mich nur mal ein Weilchen hinlegen.»

«Mitten ins Tomatenbeet?»

«War wohl zu lange in der Sonne», sagt er. Er nuschelt undeutlich wie ein Betrunkener.

«Lächle mal», sage ich. Ein Mundwinkel wandert nach oben, doch der andere bewegt sich nicht; er verzerrt das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.

«Kannst du die Arme heben?»

Er hebt beide an, doch einer sackt sofort wieder hinunter, vom Lehmboden angezogen wie von einer energischen, unsichtbaren Hand. Ich greife nach der anderen und drücke sie. Seine Finger riechen nach grünen Tomaten.

«Du bleibst schön liegen», sage ich und gehe so schnell wie möglich zurück in die Küche; von dort rufe ich den Krankenwagen. Die Frau in der Telefonzentrale macht nicht den Eindruck, als würde sie sich beeilen, und ich bin ziemlich sicher, dass sie Doughnuts isst. Alles, was sie sagt, klingt fettig. Es dauert eine Ewigkeit, bis sie Franks Namen und Adresse notiert hat.

«Und bitte kommen Sie schnell», sage ich. «Es ist ein Notfall.»

«Das sagen sie alle, Sir.»

Das Telefon ist an der Wand befestigt. Ich lege nicht auf, lasse den Hörer am Kabel über dem Fußboden pendeln, falls sie den Anruf nachverfolgen wollen, um uns zu finden – es würde mich nicht besonders wundern, wenn sie unsere Adresse falsch notiert hätte –, und bringe Frank ein Glas Wasser nach draußen. Ich führe es an seine Lippen, aber dann fällt mir ein, dass er vielleicht nicht richtig schlucken kann, wenn nur noch eine Seite von ihm funktioniert. Er könnte ersticken, bevor sie kommen, um ihn abzuholen, denn er ist so schwer, dass ich ihn alleine kaum auf den Bauch drehen könnte. Schnell ziehe ich das Glas von seinen Lippen zurück, bevor er einen Schluck nehmen kann, aber ihm scheint das ohnehin egal zu sein, er sieht mich nur mit diesem leicht benebelten Gesichtsausdruck an. Seine alte blaue Baseball-Mütze ist weit nach hinten gerutscht und ihm fast ganz vom Kopf gefallen. Er setzt sie so locker auf, dass sie ihm jeder Windstoß vom Kopf pusten kann, und oft passiert das auch, weshalb er dauernd damit beschäftigt ist, seiner Mütze hinterherzulaufen. Aber er kann es nicht leiden, dass etwas seinen Schädel einengt.

«Nun ja», sagt er, wie um nach einer längeren Pause einen abgerissenen Gesprächsfaden wiederaufzunehmen.

«Hast du Schmerzen?»

Er zieht die Augenbraue, die er bewegen kann, in die Höhe. Dabei verschiebt sich auch seine Mütze. «Die eine Hälfte fühlt sich komisch an. Als ob sie gar nicht richtig da wäre.»

Ich nehme ihm die Mütze vom Kopf. Das innere Hutband ist schweißdurchtränkt und der Stoff an manchen Stellen blassgrün verfärbt. Mir kommt es wie zwei Stunden vor, dass ich neben ihm in der prallen Sonne stehe und ihm mit der Mütze Luft zufächere, die stickige Luft zu einer ziemlich armseligen Brise verquirle, die kaum stark genug ist, dass seine weißen Haare sich ein wenig bewegen. Die ganze Zeit lächelt er mit einem schiefen Grinsen zu mir herauf, von dem ich eine Gänsehaut kriege.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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