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C.J. Crown

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Beschreibung

Der perfekte Boss ist freundlich, empathisch und fair. Charles Anderson ist nichts davon. Als er in einem Blogartikel auch noch als der schlechteste Boss von ganz New York bezeichnet wird, muss er sich einer Imageberatung unterziehen. Gegen seinen Willen. Jessica Carter ist angehende Imageberaterin und bekommt den Auftrag, Charles Anderson in den perfekten Boss zu verwandeln. Eine schier unlösbare Aufgabe. Vor allem, weil sie an dem Artikel über ihn alles andere als unschuldig ist ...

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IMPERFECT BOSS

C.J. CROWN

Copyright © 2022 by Hannah Siebern

Am Vogelbusch 18

48301 Nottuln

[email protected]

www.hannahsiebern.de

Lektorat und Korrektoren: Nadine d’Arachart und Sarah Wedler

Cover: Sabrina Dahlenburg

All rights reserved.

No part of this book may be reproduced in any form or by any electronic or mechanical means, including information storage and retrieval systems, without written permission from the author, except for the use of brief quotations in a book review.

Erstellt mit Vellum

ÜBER DEN AUTOR

C.J. Crown ist das offene Pseudonym der Liebes- und Fantasyromanautorin Hannah Siebern. Ihr Debüt war die Vampirreihe Nubila, in der es um Rassentrennung, Diskriminierung und den Wunsch nach Freiheit geht. Die Liebe kommt aber selbstverständlich auch nicht zu kurz.

Am bekanntesten ist allerdings die Barfußreihe, mit der sie zum ersten Mal die Chartlists auf Amazon stürmte.

Mit dem Pseudonym C.J. Crown möchte Hannah ihre Romane gerne voneinander abgrenzen, weil sie sich beim Schreiben so freier und unabhängiger fühlt. Wer gerne Fantasy oder „normale“ Liebesromane liest, ist natürlich herzlich Willkommen, auch in ihre anderen Bücher hineinzuschnuppern.

www.hannahsiebern.de

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INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Epilog

Nachwort

Bücher von C.J. Crown

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KAPITEL1

Jessica

 

So ein Mist. Ich war spät dran, schoss es mir durch den Kopf, als ich auf meinen High Heels die Wall Street entlang stöckelte, während mir der kalte Wind um die Nase blies. Immer wieder musste ich anderen Geschäftsleuten ausweichen, die mir entgegenkamen und es mindestens genauso eilig zu haben schienen wie ich. Ein typisches Phänomen im Financial District des Big Apple. Hier war grundsätzlich jeder im Stress und die Menschen eilten geschäftig umher wie ein Bienenschwarm.

Die letzte Subway hatte ich verpasst und fürchtete jetzt, dass ich es nicht mehr pünktlich zu meinem Termin mit Mister Anderson schaffen würde. Dabei hatte Lydia mir eingetrichtert, ich solle bloß pünktlich kommen, weil ihr Boss es nicht leiden konnte, wenn man unorganisiert war. Doch ich war fast bei meinem Ziel angekommen, als mein Handy klingelte.

„Ja?“ Ich hielt mir das Smartphone ans Ohr, während ich an der Federal Hall vorbei hastete, an der es wieder einmal vor Touristen wimmelte, die Fotos von der Sehenswürdigkeit schossen.

„Hallo, Sweetheart“, sagte Alan mit seiner samtweichen Stimme, die mir wie jedes Mal eine Gänsehaut bescherte. „Bist du schon da?“

„Fast“, erwiderte ich und blieb ungeduldig an einer Ampel stehen. „Es ist nicht mehr weit.“

„Wunderbar. Ich wollte dir nur viel Erfolg wünschen und dich nochmal an die wichtigsten Dinge erinnern. Erstens: Denk an deine Körpersprache. Aufrechte Haltung und direkter Augenkontakt sind bereits die halbe Miete. Zweitens: Bleib sachlich und lass dich nicht provozieren. Das Buch ist gut. Du weißt das und ich weiß das. Immerhin geht es darin um mich.“ Er lachte leise. „Und drittens: Achte auf ein tadelloses Äußeres und lächle so oft wie möglich. Damit kannst du jeden verzaubern. Vor allem, wenn du deine Lippen so rot geschminkt hast, wie ich es mag. Du schaffst das, Sweetheart. Ich glaube an dich.“

„Danke. Aber ich muss jetzt auflegen. Ich bin spät dran und muss mich beeilen.“

Alan schnalzte mit der Zunge. „Was habe ich dir über Unpünktlichkeit gesagt?“

„Ich weiß, Alan. Aber das hilft mir jetzt nicht weiter. Also … Danke für deinen Anruf. Ich werde mein Bestes geben. Versprochen.“

„That’s the spirit. Melde dich, sobald du fertig bist und am Wochenende feiern wir deinen Erfolg.“

„Ist gut. Bis später.“

Ich legte auf, als das weiße Ampelmännchen erschien und setzte mich zusammen mit zig anderen Anzugträgern in Bewegung. Ich bog in die Broad Street ab, wo ein paar Meter weiter bereits die Eingangstür zu dem Hochhaus zu sehen war, in dem sich einer der größten Verlage von ganz New York befand. Bereits von hier aus war der Schriftzug ‚Anderson Publishing‘ an der Fassade zu erkennen.

Schnell zog ich meinen Handspiegel hervor und checkte mein Make-up, um Alans Ratschlag zu befolgen. Vor Nervosität hatte ich mir offenbar auf der Lippe herum gebissen, denn die Farbe war halb verschwunden. Also holte ich im Laufen meinen Lippenstift aus der Handtasche und zog meinen Mund nach. Ich lief durch eine Einfahrt und fuhr im nächsten Moment vor Schreck zusammen, als ein riesiger Laster laut neben mir hupte, weil er offenbar in die Einfahrt neben dem Hochhaus wollte, die ich gerade durchquerte.

„Haben Sie Tomaten auf den Augen?“, brüllte ein großer Mann mit langen, zerzausten Haaren und Vollbart und lehnte sich zu mir aus dem Fenster.

Schnell wandelte sich mein Schreck in Ärger. „Besser Tomaten auf den Augen als keine Manieren“, schimpfte ich zurück. „Sie haben mich fast zu Tode erschreckt.“

„Dann schminken Sie sich beim nächsten Mal besser zu Hause statt auf der Straße. Ich hätte Sie fast überfahren. Und das nur, weil Sie unbedingt aussehen wollen wie die nächste Bordsteinschwalbe.“

Ich wurde puterrot und vergaß für den Moment völlig, dass ich es eilig hatte. Wütend stemmte ich die Hände in die Hüften.

„Wie bitte?“, fragte ich empört. „Besser eine Bordsteinschwalbe als …“

Verdammt. In diesem Fall passte die ‚Besser-als-Methode‘ nicht. Alan hatte mir zigmal eingebläut, dass ich aufpassen musste, wann ich diese Taktik benutzte, denn unter Umständen gab es nicht wirklich etwas, das besser war. Doch nun war es zu spät und ich musste den Satz zu Ende bringen.

„Als … als ein Waldschrat“, sagte ich, weil es das Erste war, was mir zu ihm einfiel.

Die Miene des Mannes verfinsterte sich und im nächsten Moment stellte er den Motor aus. Ich schluckte, als er tatsächlich die Fahrerkabine verließ und mit einer Zigarette im Mund auf mich zukam. Dieser Mann war riesig. Er war sicherlich zwei Meter groß, denn selbst mit meinen High Heels reichte ich ihm nicht einmal bis zur Nase. Er trug staubige Jeans, ein zerknittertes Hemd und hatte Schuhe an, die doppelt so groß wirkten wie meine eigenen.

„Wie haben Sie mich gerade genannt?“, fragte er mit düsterem Tonfall.

Ich schluckte. Dieser Mann wirkte wie ein Wilder auf mich, aber ich ging trotzdem nicht davon aus, dass er mich mitten am Tag tätlich angreifen würde. Vor allem nicht, wenn es so viele Zeugen gab wie hier. Die meisten Leute gingen ihm instinktiv aus dem Weg und machten einen großen Bogen um ihn. Ein paar blieben allerdings stehen, um das Schauspiel zu beobachten, und das machte mich mutiger.

„Ich sagte, Sie seien ein Waldschrat“, wiederholte ich und straffte den Rücken. „Und ein unhöflicher noch dazu. Immerhin hätten Sie mich fast über den Haufen gefahren und halten es nicht einmal für nötig, zu fragen, wie es mir geht.“

Der Mann schnipste seine Zigarette weg und kam noch einen Schritt näher. Ganz offenbar wollte er mich mit seiner Präsenz einschüchtern, aber da hatte er sich die Falsche ausgesucht. Ich arbeitete schon seit Jahren an meinem Selbstbewusstsein und von so einem ungehobelten Klotz würde ich mich ganz sicher nicht unterkriegen lassen.

„Sie haben recht“, sagte der Mann zu meiner Überraschung. „Das habe ich nicht gefragt. Und warum? Weil es mich einen Scheißdreck interessiert. Nun gehen Sie mir aus dem Weg, damit ich endlich durch diese Einfahrt komme. Nochmal bremse ich nämlich nicht für Sie.“

Mein Mund klappte auf, als der Mann sich daraufhin umdrehte und zurück in seinen Laster stieg.

„Ich würde lieber tun, was er sagt“, schlug eine junge Frau neben mir vor, die offenbar das Schauspiel interessiert verfolgt hatte.

„Was?“, fragte ich verwirrt.

„Sie sollten aus dem Weg gehen“, präzisierte sie und zog mich zur Seite. Genau rechtzeitig, bevor der Mann mit seinem Laster Gas gab und rasant in die Einfahrt rauschte, die offenbar zur Rückseite des Gebäudes führte, in das ich wollte.

„Ich … danke“, sagte ich. „Das war nett von Ihnen.“

„Keine Ursache. Ich bin übrigens Tiffany.“

Sie lächelte und entblößte dabei riesige Schneidezähne, die gar nicht zum Rest ihres Gesichts passen wollten.

„Ich heiße Jessica. Sehr erfreut. Kennen Sie diesen Kerl?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nie gesehen. Ist bestimmt ein Lieferant, der die Möbel für Mister Andersons Enkel bringt. Wir bekommen zwei neue Abteilungsleiter und die fangen heute an.“

Sie deutete auf das Verlagsgebäude und meine Miene erhellte sich.

„Sie arbeiten hier? Das ist ja toll“. Ich folgte ihr ins Innere des Gebäudes und zu den Aufzügen. Wir stiegen ein und ich freute mich zu sehen, dass Tiffany offenbar in dieselbe Etage wollte wie ich.

„Ich habe gleich einen Termin bei Mister Anderson und bin spät dran“, erklärte ich und schielte nervös auf meine Armbanduhr. „Haben Sie noch irgendwelche Tipps für mich?“

„Na ja.“ Tiffany deutete auf meinen Mund. „Vielleicht sollten Sie den Lippenstift nochmal korrigieren. Das würde auf jeden Fall einen besseren Eindruck machen, auch wenn Sie schon spät dran sind.“

Erschrocken griff ich mir ins Gesicht und schaute in den Spiegel, der innerhalb des Aufzugs angebracht war. Tatsächlich hatte ich mich vorhin so sehr erschreckt, dass der Lippenstift nun quer über meine Wange verlief.

„Oh mein Gott“, rief ich. „Und das sagen Sie mir erst jetzt?“

Schnell griff ich nach meiner Handtasche, um das Malheur zu korrigieren. Ich nahm ein Taschentuch heraus und wischte wie wild an meiner Wange herum. Leider machte ich es dadurch nur noch schlimmer und verschmierte den Strich zusätzlich.

„Oh, nein“, jammerte ich. „Das ist ja grauenvoll. Mister Anderson wartet bestimmt schon auf mich, aber so kann ich unmöglich zu ihm.“

„Immer mit der Ruhe“, sagte Tiffany. „Gehen Sie am besten gleich zu den Toiletten und korrigieren das Ganze schnell. Mister Anderson ist ein netter Mann. Er wird Ihnen bestimmt nicht den Kopf abreißen.“

Als sich die Aufzugtüren öffneten, nickte ich nervös und hielt mir eine Hand vor die Wange, damit niemand das Desaster sehen konnte. Gott. Alan hätte mich bestimmt belächelt, wenn er mich so sehen könnte. Ihm wäre so etwas nie passiert. Ich warf Tiffany einen flehenden Blick zu.

„Wo sind die Toiletten?“, fragte ich.

„Einfach den Gang runter, bis ganz hinten und dann rechts. Sie können es gar nicht verfehlen. Und viel Glück beim Boss später. Keine Sorge. Mister Anderson ist total in Ordnung.“

Sie warf mir ein Lächeln zu und ich nickte dankbar. Dann eilte ich den Gang entlang, von dem links und rechts freundlich eingerichtete Büros abgingen, und hoffte, dass mich niemand aufhalten würde. Ich war zwar ohnehin schon zu spät dran, aber so würde ich Mister Anderson sicher nicht unter die Augen treten.

Ich drängelte mich an ein paar Leuten vorbei, die sich auf dem Flur unterhielten und hatte die Toiletten fast erreicht, als gegenüber ein weiterer Aufzug aufging und ein Schrank den Flur betrat. Also, natürlich nicht der Schrank selber, sondern eine Person, die einen Schrank trug, aber da sie komplett dahinter verborgen war, sah es aus, als würde der Schrank von alleine laufen. Ich wunderte mich kurz darüber, dass es überhaupt jemand schaffte, dieses Ungetüm von einem Möbelstück alleine zu schleppen, als mir auffiel, dass er mir damit den kompletten Weg versperrte.

Anders herum war es wohl genauso, denn hinter dem Schrank beschwerte sich jemand.

„Aus dem Weg! Sehen Sie nicht, dass ich hier durch muss?“

Der Waldschrat. Natürlich. Wer auch sonst? Es wäre doch ein Leichtes für ihn gewesen, kurz zu warten, um mich zur Toilette zu lassen, aber nein. Keine Rücksicht auf niemanden. Warum auch, wenn man so groß war wie ein Bär und offensichtlich auch genauso stark?

Da der Klügere bekanntlich nachgab, machte ich einen Schritt zur Seite in das nächste Büro hinein, um ihm Platz zu machen. Doch statt an mir vorbei zu gehen, stellte der Mann den Schrank genau vor mir ab, sodass ich mich keinen Zentimeter mehr rühren konnte.

„Das war ja klar“, sagte er und betrachtete mich von oben herab. „Lippenstift-Barbie versperrt mit den Weg ins Büro. Wobei … Im Moment erinnern Sie mich eher an den Joker mit Ihrem Make-up.“

Ich errötete und hob schnell wieder die Hand, um meinen verschmierten Lippenstift zu bedecken. Doch dann beschloss ich, dass es jetzt ohnehin egal war und ließ die Hand wieder sinken.

„Ich sehe lieber aus wie der Joker als wie Wolverine“, behauptete ich, obwohl ich vermutete, dass der Vergleich hinkte. „Und woher hätte ich denn bitte schön wissen sollen, dass Sie ausgerechnet in dieses Büro müssen?“

„Vielleicht, weil es leer ist?“

Ich sah hinter mich, und tatsächlich. Das große Büro mit der riesigen Fensterfront war vollständig leer. Offenbar hatte man es renoviert, denn die Wände wirkten frisch gestrichen und das Parkett auf dem Boden kam mir ebenfalls neu vor.

„Oh“, sagte ich. „Das … konnte ich von meiner Position aus nicht sehen.“

„Ach ja. Ich vergaß. Sie haben ja Tomaten auf den Augen.“

Das reichte. So viel Unverschämtheit von einem dahergelaufenen Möbelpacker musste ich mir nicht gefallen lassen.

„Nun hören Sie mir mal zu“, verlangte ich. „Nur, weil Sie heute Morgen ganz offensichtlich mit dem falschen Fuß aufgestanden sind, müssen Sie mich noch lange nicht beleidigen. Warum machen Sie nicht einfach Ihre Arbeit und ich mache meine? Dann brauchen wir beide uns nie wieder zu sehen und können fröhlich unserer Wege gehen.“

„Würde ich ja gerne, wenn Sie mir nicht ständig im Weg herumstehen würden. Also … verschwinden Sie jetzt endlich aus diesem Büro?“

Er trat demonstrativ einen Schritt zur Seite und ich ging hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei.

„Gerne. Ich habe auch nicht vor, es nochmal zu betreten und auf eine weitere Begegnung mit Ihnen kann ich ebenfalls verzichten.“

„Gut. Dann sind wir uns ja einig.“

Ich ging in den Flur und staunte, als der Mann den Schrank wieder anhob und damit im Büro verschwand. Dabei spannten sich seine beachtlichen Armmuskeln an und sprengten fast sein Hemd.

Das war allerdings auch schon alles, was man über den Mann an Positivem sagen konnte, denn ansonsten ließ seine Optik genauso zu wünschen übrig wie seine Manieren und innerlich erstellte ich bereits eine Liste, was ich ihm alles raten würde, sollte er einmal Alans Kunde werden.

Aber Möbelpacker konnten sich die Dienste von Alan Cook für gewöhnlich nicht leisten und kamen auch gar nicht auf die Idee, sich einer Imageberatung zu unterziehen. Vermutlich fühlte der Kerl sich ganz wohl in seiner Haut und interessierte sich überhaupt nicht für meine Verbesserungsvorschläge.

In diesem Moment erinnerte ich mich daran, dass ich Zeitdruck hatte und eilte in die Frauentoilette. Dort korrigierte ich mein Lippenstiftdesaster und erneuerte hastig die Wimperntusche. Danach erst ging ich zurück über den Flur, wo Lydia bereits auf mich wartete.

„Verdammt, Jessy. Wo bleibst du denn?“, fragte sie aufgebracht. „Der Boss wartet schon auf dich. Du bist eine Viertelstunde zu spät. Gib mir deinen Mantel.“

Lydia und ich kannten uns von der Uni, wo wir uns ein Studentenzimmer geteilt hatten. Sie war seit einigen Jahren meine beste Freundin und hatte mir den Termin bei Mister Anderson besorgt. Mit ihrer roten Mähne war sie ein absoluter Männertraum und hatte im Gegensatz zu mir Alans Tipps überhaupt nicht nötig. Sie wusste immer genau, was sie anziehen und wie sie sich präsentieren musste.

„Es tut mir leid“, sagte ich und schlüpfte aus dem Mantel, um ihn ihr zu geben. „Ich habe zu wenig Zeit eingeplant. Das war dumm von mir. Ich hoffe, dein Boss verzeiht mir.“

„So gut, wie du heute aussiehst, wird er das ganz bestimmt“, versicherte Lydia und hängte den Mantel an die Garderobe. „Also los jetzt. Setz dein schönstes Lächeln auf und dann rein mit dir.“

Sie schob mich vor sich in ein großes Büro hinein und klopfte gleichzeitig an die offene Tür.

„Mister Anderson“, sagte sie. „Darf ich Ihnen Jessica Carter vorstellen?“

„Ah“, erwiderte ein älterer Mann mit grauen Haaren und dickem Bauch. „Aber natürlich. Kommen Sie doch rein. Schön, Sie kennenzulernen, Miss Carter.“

„Vielen Dank“, sagte ich und ging an Lydia vorbei. Sie zwinkerte mir aufmunternd zu und trat dann zurück, sodass ich mit Mister Anderson allein war. Er war ein Mann um die siebzig mit Halbglatze, einem altmodischen Schnurrbart und einem freundlichen Lächeln, das ihn mir auf Anhieb sympathisch machte.

Wir schüttelten einander die Hände und Mister Anderson bedeutete mir, mich zu setzen.

„Ich habe leider nicht mehr viel Zeit“, sagte der alte Mann. „Aber ich wollte zumindest kurz persönlich mit Ihnen sprechen. Immerhin habe ich es Lydia versprochen.“

Ich nickte verunsichert. Hieß das, dass kein Interesse an meinem Projekt bestand? Falls ja, dann hätte ich mir die ganze Hektik ja sparen können.

„Was … was genau soll das heißen?“, fragte ich.

„Nun. Das soll heißen, dass ich die Entscheidungen über die Verlagsprojekte an meine beiden Enkel abgegeben habe. In ein paar Monaten soll einer der beiden den Chefposten bei Anderson Publishing übernehmen, aber dafür müssen die beiden sich erstmal bewähren. Charles ist für unsere Lokalzeitung sowie für die Sachbücher und die Biografien zuständig und Henry kümmert sich um die Belletristik. Das Ganze ist etwas chaotisch verlaufen, weil meine liebe Frau seit ein paar Wochen pflegebedürftig ist.“

„Das tut mir sehr leid. Das wusste ich nicht.“

„Wie auch? Wir hängen es nicht unbedingt an die große Glocke. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich vertraue meinem Enkel voll und ganz. Charles hat ihr Manuskript bereits vorliegen und wird Ihnen nachher seine Einschätzung mitteilen. Ah. Das wird er sein.“

Es klopfte und im nächsten Moment streckte ein Mann seinen Kopf zur Tür herein, dem man die Ähnlichkeit zu seinem Großvater direkt ansah. Er hatte zwar volleres Haar und war schlanker, aber er besaß dasselbe einnehmende Lächeln und dieselben sympathischen Augen.

Er trug ebenfalls einen schicken Anzug und strahlte eine gewisse Leichtigkeit aus, die mir sehr gefiel.

„Hallo, Großvater“, sagte er. „Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass mein Büro soweit eingerichtet ist. Ich habe mein Büro bereits eingerichtet und bin zu allen Schandtaten bereit.“

Ah, ja. Das musste also Charles sein. Ein netter Zeitgenosse, wie es aussah. Erleichtert lächelte ich ihn an.

„Schön“, sagte Mister Anderson. „Darf ich dir Jessica Carter vorstellen?“

„Sehr erfreut“, sagte der Mann und reichte mir die Hand. „Hübsche Damen wie Sie sind hier immer gern gesehen.“

Er deutete einen Handkuss an und ich musste ein mädchenhaftes Kichern unterdrücken. Souverän bleiben. Das war wichtig, wenn man ernst genommen werden wollte.

„Vielen Dank“, sagte ich daher. „Es freut mich ebenfalls.“

„Miss Carter ist die Autorin der Biografie über Alan Cook. ‚The perfect Me‘.“

Die Augen des Mannes weiteten sich überrascht und erneut erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht.

„Das ist ja wunderbar. Ich habe eins seiner Seminare besucht und das hat buchstäblich mein Leben verändert.“

Sicher nicht so sehr wie bei mir, aber das behielt ich lieber für mich. Niemand musste wissen, wie unsicher und unscheinbar ich gewesen war, bevor Alan mich unter seine Fittiche genommen hatte.

„Das ist schön zu hören“, sagte ich stattdessen. „Ihr Großvater hat mir gerade mitgeteilt, dass Sie für mein Projekt zuständig sind.“

Der Mann sah seinen Großvater fragend an, aber dieser schüttelte den Kopf. „Oh, nein. Das ist ein Missverständnis. Vor Ihnen steht Henry Anderson. Nicht Charles. Er müsste allerdings jeden Moment hier sein. Ah. Da ist er ja.“

„Ich wurde aufgehalten“, brummte jemand von der Tür her. „Da war so eine ungeschickte Pute, die … Oha. Vom Regen in die Traufe.“

Mein Herz rutschte mir in die Hose, als ich die Stimme erkannte und ich fuhr zu dem Mann herum, der gerade das Büro betrat.

„Ich muss doch wohl sehr bitten“, sagte Mister Anderson. „Es handelt sich hier um eine potenzielle neue Autorin, also behandle sie mit etwas mehr Respekt, Junge.“

„Und wie siehst du eigentlich aus?“, fragte Henry abfällig. „Ein Friseurbesuch würde dir auch mal ganz gut tun.“

„Nur weil du bei deinem Friseur regelrecht eingezogen bist, müssen wir das ja nicht alle tun, oder?“, bemerkte Charles bissig.

„Und deine Klamotten? Hast wohl dein Bügeleisen verloren, was?“, feixte Henry.

Charles’ Miene verfinsterte sich. „Ich geb’ dir gleich eine mit dem Bügeleisen“, knurrte er. „Und wie ich mit meinen Autoren umgehe, ist doch wohl hoffentlich meine Sache.“

Er sah seinen Großvater herausfordernd an und dieser nickte widerwillig. „Das stimmt. Abmachung ist Abmachung. Du wirst schon die richtige Entscheidung treffen. Also, bis später. Miss Carter? Man sieht sich.“

„Danke“, erwiderte ich verdattert und hätte ihn am liebsten gebeten, mich nicht mit dem Waldschrat allein zu lassen.

Er ist doch nur der Möbelpacker, wollte ich sagen, verkniff es mir aber im letzten Moment, weil ich längst begriffen hatte, welchem Irrtum ich erlegen war. Dieser Mann war ganz offensichtlich kein Möbelpacker, sondern der neue Abteilungsleiter des Verlags. Verdammt. Warum nur konnte Henry nicht für die Biografien zuständig sein?

„Viel Glück“, wünschte dieser mir noch. „Das können Sie brauchen.“

Mit diesen Worten verließen Henry und sein Großvater das Büro und ließen mich mit Charles Anderson zurück, der mich von oben herab betrachtete, als wäre ich nur eine lästige Mücke, die er jeden Moment zu zerquetschen gedachte.

„Setzen“, befahl er und deutete auf den Stuhl.

Na, wunderbar. Das waren ja ganz tolle Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit.

KAPITEL2

Charles

 

Wenn ich etwas bei einem Menschen nicht leiden konnte, dann war es Perfektion. Perfekt frisiert wie mein Cousin, perfekte Manieren wie mein Großvater oder perfektes Make-up wie die Frau vor mir. Deswegen war es mir sogar ganz sympathisch gewesen, als sie mit verschmiertem Lippenstift vor mir gestanden und mir mutig die Stirn geboten hatte. Doch jetzt war davon nichts mehr zu sehen. Ihr Aussehen war tadellos. Sie trug einen Stiftrock und eine gerade gebügelte Bluse. Dazu hatte sie hohe Pumps an und ihr Haar war zu einem strengen Dutt zurückgebunden. Ihr Gesicht war makellos. Kein einziger Pickel und keine Unreinheit waren zu entdecken. Ihre Züge wirkten wie eine Maske, hinter der sie versuchte, all ihre Gefühle und ihre Persönlichkeit zu verstecken.

Es gelang ihr allerdings nicht ganz, den Schock zu verbergen, als ihr klar wurde, dass ihr Projekt in meinen Händen lag. Tja. Pech gehabt, Barbie. So kann’s gehen im Leben.

„Ich … ähm …“, begann Miss Carter und streckte mir die Hand entgegen. „Ich fürchte, wir hatten vorhin einen schlechten Start.“

„Warum? Weil Sie mich als Waldschrat bezeichnet haben? Und mir einen Vortrag über Höflichkeit halten wollten?“

Sie wurde blass und zog ihre Hand zurück, als ihr klar wurde, dass ich nicht vorhatte, diese zu schütteln. Ich scheute den Kontakt zu Menschen und berührte Fremde nur ungern. Das war nicht immer so gewesen, aber in den letzten Jahren war es mir in Fleisch und Blut übergegangen.

Dumm nur, dass man in einer Metropole wie New York schwerlich allen Menschen aus dem Weg gehen konnte.

„Das … war nicht so gemeint“, behauptete Miss Carter und sank dadurch noch mehr in meiner Achtung. Ich war mir sicher, dass sie sehr wohl gemeint hatte, was sie sagte und jetzt nur versuchte, gut Wetter zu machen, weil sie etwas von mir wollte. Solche Menschen konnte ich nicht leiden. Gut. Zugegebenermaßen konnte ich ohnehin die wenigsten Menschen leiden.

„War es doch“, sagte ich daher schlicht und setzte mich auf den Bürostuhl meines Großvaters.

Mein eigenes Büro war noch nicht fertig eingerichtet, aber das hatte Zeit bis später. Zuerst musste ich diesen Termin hinter mich bringen, und das am besten so schnell wie möglich. Also zog ich einen Stapel Papiere hervor, auf dem ganz oben eine Broschüre von Alan Cook lag. Er grinste mir breit entgegen und zeigte dabei strahlend weiße Zähne, die ganz sicher das Ergebnis eines Bleachings waren. Sein Anzug war absolut faltenfrei und hatte sicherlich ein Vermögen gekostet. Auf seinem Kopf saß kein Haar an der falschen Stelle.

Dieser Mann war genauso ekelhaft perfekt wie seine Mitarbeiterin, die gerade vor mir saß, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand Interesse daran haben könnte, etwas über ihn zu lesen.

„Gut, Miss Carter“, sagte ich daher. „Kommen wir zum Wesentlichen. Mein Großvater hat mir Ihr Manuskript schon vor ein paar Tagen zukommen lassen und ich habe es mir intensiv angesehen. Kurz gesagt: Es ist Murks.“

Jessicas Mund klappte auf. „Wie bitte?“

„Sie haben schon richtig verstanden. Diese Biografie taugt nichts. Wer will schon etwas über einen Mann lesen, der keinerlei Ecken und Kanten hat? Alan Cook mag erfolgreich sein in dem, was er tut, aber er ist nicht interessant.“

„Das … sehen aber tausende von Menschen anders, die jede Woche in seine Seminare rennen.“

„Live macht er vielleicht was her, aber in einem Buch kommt das überhaupt nicht rüber. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie die Texte verfasst haben?“

Jessica nickte nur und ich fühlte mich bestätigt.

„Das merkt man. Die Formulierungen sind aalglatt und wie aus dem Lehrbuch, aber es fehlt dem Ganzen an Seele. Es kommt nichts beim Leser an und das sollte es. Warum hat Mister Cook das Buch nicht selbst geschrieben?“

Jessica schluckte. „Weil … er für so etwas keine Zeit hat. Stattdessen hat er mich damit beauftragt.“

„Tja. Hätte er sich mal jemand Besseren gesucht. Jemanden mit mehr Erfahrung und …“

„Nun ist es aber genug“, fauchte Jessica und sprang auf. „Ich bin doch nicht hergekommen, um mich beleidigen zu lassen.“

Ich lehnte mich zurück und hob eine Augenbraue. „Tja. Das ist Pech. Lobhudelei ist nämlich nicht so mein Ding.“

„Den Eindruck habe ich allerdings auch. Es kann ja sein, dass das Manuskript noch nicht perfekt ist, aber ich bin durchaus bereit, daran zu arbeiten. Alan Cook ist eine spannende Persönlichkeit und wenn Sie kein Interesse an dem Buch haben, dann suche ich mir halt einen anderen Verlag.“

Sie bluffte. Da war ich mir sicher. Wenn es so einfach wäre, einen Verlag für dieses Buch zu finden, dann hätte mein Großvater mir etwas über andere Angebote gesagt. Aber nein. Bisher hatte sich offenbar kein Verlag dafür interessiert. Der Vorteil war, dass ich das Buch dadurch zu günstigen Konditionen bekommen konnte. Die Frage war nur, ob ich das wollte, denn ich blieb bei meiner Meinung: Das Buch hatte kein Herz. Sie hatte diesen Kerl interviewt und einfach heruntergeschrieben, was er erzählt hatte. Aber es las sich mehr wie ein Sachbuch und weniger wie eine Biografie. Biografien sollten intim sein, und das war dieses Buch meiner Meinung nach nicht.

„Gut. Tun Sie das“, sagte ich daher. „Viel Erfolg, denn Sie haben Recht: Der Text ist nicht perfekt und ein Buch, das ‚The perfect Me‘ heißt, sollte genau das sein.“

„Ist das eine Absage?“, hakte sie nach. „Sie brauchen nämlich nicht zu glauben, dass ich wiederkomme, wenn ich einmal weg bin.“

„Oha. Da kommt wohl wieder die Zicke in Ihnen zum Vorschein, was?“

Jessicas Augen funkelten und sie beugte sich über den Schreibtisch, sodass es fast unmöglich war, nicht zu bemerken, was für ein hübsches Dekolleté sie besaß. Ohnehin war sie eine bildschöne Frau mit Kampfgeist und das gefiel mir dummerweise.

„Wenn Sie mit Zicke meinen, dass ich eine Frau bin, die weiß, was sie will und die bereit ist, dafür zu kämpfen, dann ja. Dann bin ich wohl eine Zicke“, stellte sie klar. „Und Sie verpassen hier eine sehr gute Gelegenheit. Also frage ich ein letztes Mal: Sind Sie sicher, dass Sie kein Interesse an meinem Manuskript haben?“

Ich hob die Augenbrauen. Wer hätte gedacht, dass diese junge Frau so viel Feuer im Hintern besaß? Einerseits beeindruckte mich das, aber andererseits änderte das rein gar nichts an meiner Meinung.

„Also gut“, sagte ich. „Ich bin bereit, das Buch ins Programm aufzunehmen. Allerdings nur, wenn Sie es intensiv überarbeiten und komplett auf einen Vorschuss verzichten.“

„Bitte was?“

„Sie haben mich richtig verstanden. Kein Vorschuss. Wenn Ihnen das nicht passt, können Sie das Buch ja selbst herausbringen. Da müssten Sie dann für Cover und Lektorat sogar noch in Vorleistung gehen und verzichten auf die Werbepower eines Verlags. Ihre Entscheidung.“

„Also … das ist ja … Nein. Ich … ich mache das nicht ohne Vorschuss. Wenn es Ihnen keinen Vorschuss wert ist, dann werden Sie auch nicht viel in die Werbung investieren.“

Da hatte sie recht. Das Buch musste in diesem Fall ein Selbstläufer werden, aber falls nicht, würden wir wenigstens nicht viel Geld verlieren.

„Dann überarbeiten Sie das Manuskript“, sagte ich daher nur. „Wenn Sie es schaffen, dass der Text mehr Herz hat, können wir über einen Vorschuss reden. Es dürfte allerdings ein paar Wochen dauern, bis Sie eine Rückmeldung dazu bekommen. Immerhin haben Sie ja gesehen, was im Moment hier los ist.“

Jessica schluckte und richtete sich kerzengerade auf. Eine Frau mit Haltung und Prinzipien.

„Wissen Sie was?“, sagte sie. „Das tue ich. Ich werde das Manuskript überarbeiten. Aber Sie brauchen nicht glauben, dass ich mich dann nochmal an Ihren Verlag wende. Wie gesagt. Es gibt auch noch andere Fische im Meer und ich bin mir sicher, dass ich einen Verlag für die Biografie von Alan Cook finde. Er wird mit jedem Monat bekannter und bald werden sich die Verlage um seine Geschichte reißen.“

„Wie Sie wollen. Mein Angebot steht. Sie wissen ja, wo die Tür ist. Wobei, nein. Wir hatten ja schon festgestellt, dass Ihr Orientierungssinn zu wünschen übrig lässt. Ich würde Sie hinbringen, aber leider habe ich anderes zu tun.“

„Von Ihnen würde ich mich nicht einmal zum Ausgang bringen lassen, wenn ich mich in einem Labyrinth verirrt hätte. Danke für gar nichts, Mister Anderson. Ich hoffe, dass wir einander nicht so bald wiedersehen.“

Mit diesen Worten stürmte sie aus dem Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Ganz klar ein bühnenreifer Abgang. Schade eigentlich, dass ihr Buch nichts taugte, denn es hätte mich durchaus gereizt, erneut mit ihr zu tun zu haben. So hingegen musste ich erstmal zusehen, dass ich Ordnung in den Laden bekam.

Mein Großvater hatte diese Abteilung viel zu nachlässig geführt und ich musste dringend etwas Disziplin in die Mitarbeiter kriegen.

Am besten war es daher, wenn ich Jessica Carter ganz schnell wieder vergaß. Sie und ihr Buch über Alan Cook.

Wer war dieser Kerl schon? Und wen juckte das überhaupt?

KAPITEL3

Jessica

Sechs Monate später

 

„Meine Damen und Herren“, rief der Ansager mit kräftiger Stimme. „Ich bitte Sie um einen großen Applaus für den heutigen Stargast auf dieser Bühne. Alaaaaaan Coook!“

Die Menge applaudierte wie verrückt und Jubelrufe erklangen, als Alan die Bühne betrat. Mein Herz machte einen Satz, als ich ihm aus dem Backstage-Bereich dabei zusah, wie er selbstbewusst nach dem Mikrofon griff und seinen Fans zuwinkte.

„Danke!“, rief er und nickte dem Ansager zu. „Vielen Dank. Ich freue mich riesig, hier zu sein und habe richtig Lust auf einen mega geilen Abend mit euch. Was denkt ihr? Seid ihr bereit?“

„Ja!“, riefen die Zuschauer.

„Das geht aber noch besser! Seid ihr bereit?!“

„Jaaaaaa!“

„That’s the spirit, Baby!“

Ich bekam eine Gänsehaut, als Alan breit grinste und ließ mich von seiner Energie mitreißen. Er sah so unglaublich gut aus in seinem schicken Anzug. Sein blondes Haar war perfekt gestylt und die blauen Augen strahlten. Gott. Wie ich diesen Mann vergötterte.

„Gut. Dann legen wir mal los“, rief Alan und ging auf der Bühne hin und her. „Heute möchte ich euch ein bisschen über Charisma erzählen. Wisst ihr, charismatisch ist man nicht von Geburt an. Oder glaubt ihr, dass ein frisch geschlüpfter Säugling charismatisch ist?“

Die Leute lachten und viele schüttelten den Kopf.

„Nein. Natürlich nicht. Und das liegt daran, dass man sich Charisma erarbeiten muss. Mit diesem Begriff ist nämlich die Ausstrahlung und die Anziehungskraft eines Menschen gemeint, und die hat man erst ab einem gewissen Alter. Charismatische Menschen schaffen es, andere anzuspornen oder zu motivieren und haben Einfluss auf unser Leben. Das Gute ist allerdings, dass man diese Fähigkeit erlernen kann.“

Ich liebte es, wenn Alan so richtig in Fahrt war und sein Charme sich im kompletten Saal ausbreitete. Nie war er so attraktiv wie auf der Bühne.

„Was ihr außerdem wissen solltet, ist, dass jeder Mensch andere Leute als charismatisch empfindet und dass wir meistens diejenigen charismatisch finden, die anders sind als wir selbst. Die Theorie sagt, dass wir in diesen Menschen jemanden sehen, der wir selbst gerne wären. Falls einer von euch mich also nicht charismatisch findet, dann ist er selbst schuld. Ich zu sein, ist nämlich toll.“

Erneutes Lachen erklang und ich schmunzelte. Ich persönlich fand Alan unheimlich charismatisch und wäre gerne wie er. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag vor drei Jahren, als ich ihn zum ersten Mal auf der Bühne gesehen hatte. Damals hatte er es geschafft, mich vollkommen zu faszinieren. Durch ihn hatte ich gelernt, dass ich kein Selbstvertrauen besaß, weil ich die nötigen Grundlagen nicht von zu Hause mitbekommen hatte. Meine Eltern hatten stets Leistung von mir erwartet, an die ihre Liebe geknüpft war und diese hatte ich nicht immer erbringen können.

„Für alle, die nicht ich sind, habe ich ein paar Tipps, die dafür sorgen, dass ihr ganz schnell eine bessere Ausstrahlung bekommt“, verkündete Alan. „Um das zu veranschaulichen, möchte ich euch ein wenig von Jessica erzählen.“

Er drückte auf einen Knopf und ich schluckte, als ein Bild von mir auf der großen Leinwand erschien. Es war vier Jahre alt und zeigte mich im Alter von einundzwanzig. Mein langes braunes Haar stand wirr vom Kopf ab, ich trug eine Brille und war ungeschminkt. Mein Kleid war aus dem Second-Hand-Laden und stand mir überhaupt nicht. Das Schlimmste war allerdings meine Körperhaltung und genau darauf wollte Alan hinaus.

„Das ist Jessica“, sagte Alan. „Sie hatte damals keine Ahnung, wie man sich richtig frisiert oder kleidet, aber das ist gar nicht das Wesentliche. Viel ausschlaggebender sind die Ausstrahlung und die Körpersprache. Jessica! Komm doch bitte mal auf die Bühne.“

Er winkte mich zu sich hoch und ich wischte mir die verschwitzten Hände an meinem Rock ab. Dann ging ich hoch erhobenen Hauptes auf die Bühne und versuchte auszublenden, wie viele Menschen heute hier waren.

„Einen Applaus für Jessica“, bat Alan und die Zuschauer klatschten, als ich zu ihm kam.

3.465 Leute befanden sich gerade im Saal. Inklusive der Techniker und Praktikanten. Das wusste ich so genau, weil ich mich bei den Veranstaltern darüber erkundigt hatte, und jetzt gerade lagen alle Blicke auf mir.

„Sehr schön. Vielen Dank“, sagte Alan. „Jessica kam vor drei Jahren das erste Mal zu mir und hat dann ein persönliches Coaching bei mir gebucht. Mal ehrlich, Leute. Hat sich das nicht gelohnt?“

Die Leute johlten und klatschten, was meinem Ego einen ordentlichen Push gab.

„Ganz genau. Das denke ich auch. Und was sagst du dazu, Jessica?“

Er hielt mir ein Mikrofon vors Gesicht und ich nahm es lächelnd entgegen. Ich unterdrückte das Zittern in meiner Stimme und sah ins Publikum. „Das Coaching bei Alan war definitiv die beste Entscheidung meines Lebens“, sagte ich mit fester Stimme. „Damals hätten keine zehn Pferde mich auf so eine Bühne gebracht, aber dank Alan fällt es mir nun überhaupt nicht mehr schwer, hier zu stehen. Okay. Das ist gelogen. Mir schlottern die Knie und ich habe Angst, ohnmächtig zu werden, aber immerhin bin ich hier und das ist doch schon mal eine Leistung, oder?“

Die Leute klatschten und ich sah verständnisvolle Blicke. Die meisten von ihnen fühlten sich vermutlich ähnlich unsicher wie ich und konnten nachvollziehen, was für eine Überwindung es mich kostete, hier zu stehen.

„Auf jeden Fall!“, bemerkte Alan. „Und du machst das hervorragend. Schaut sie euch an. Sicherer Stand, beide Füße in Beckenbreite und der Kopf gerade.“

Er stellte mich seitlich, sodass das Publikum mich besser sehen konnte. „Achtet dabei vor allem auf das Kinn.“ Er legte mir eine Hand an die entsprechende Stelle und meine Haut begann zu kribbeln. „Das Kinn darf nicht zu weit oben getragen werden, weil das schnell als arrogant interpretiert werden kann, und das wollen wir natürlich nicht, oder?“

Er zwinkerte mir zu und ich lächelte zurück. „Kommt ganz darauf an“, sagte ich und schob spielerisch seine Hand weg. „Frauen steht ein bisschen Arroganz manchmal ganz gut zu Gesicht. Vor allem, wenn sie es mit aufdringlichen Männern zu tun haben.“

Viele Frauen im Publikum nickten zustimmend, aber Alan winkte ab.

„Das mag sein, aber hier geht es ja darum, wie man seine Ausstrahlung verbessert und dafür ist Arroganz eher hinderlich. Also. Kinn nicht zu weit nach oben und die Arme nicht vor dem Körper verschränken. Das signalisiert nämlich Ablehnung. Und das Wichtigste? Lächeln!“

Er zeigte sein breitestes Zahnpastalächeln und schaffte es, das Ganze trotzdem natürlich wirken zu lassen.

„Also, Jessica. Zeig uns mal dein Lächeln.“

Ich hob eine Augenbraue. „Wenn ich jetzt lächle, dann kann ich ja nur verlieren. Neben deinem Grinsen sieht jedes andere Lächeln wie ein billiger Abklatsch aus.“

Die Menge lachte und ich lächelte mit, weil ich nun sicher sein konnte, dass es von Herzen kam.

„Also gut. Auch wieder wahr“, sagte Alan. „Mein Lächeln ist vermutlich unschlagbar und so soll es auch sein. Immerhin hat mein Zahnarzt sich daran eine goldene Nase verdient.“

Wieder lachten die Leute und Alan wirkte äußert zufrieden. Die Zuhörer nahmen ihm seine Sprüche offenbar nicht übel und das lag daran, dass er dazu imstande war, über sich selbst zu lachen.

Alan führte noch ein paar Dinge mit mir zusammen vor und ich war froh, als ich die Bühne danach wieder verlassen konnte. Die Zuschauer verabschiedeten mich mit einem großen Applaus und als ich wieder hinter dem Vorhang stand, war ich vollkommen durchgeschwitzt.

„Gut gemacht“, sagte Carmen und lächelte mich an. Sie war ein paar Jahre älter als ich und diente Alan normalerweise als Assistentin auf der Bühne. Ich war eher für seine Internetpräsenz und für Recherchen sowie Botengänge zuständig. Manchmal betreute ich auch Alans Kunden und begleitete sie zu Terminen wie dem Umstyling oder zu Benimmkursen, aber immer nur in enger Absprache. Mein Ziel war es, irgendwann selbstständig Leute zu beraten und Hand in Hand mit Alan zu arbeiten.

Bei seinen Seminaren hatte ich noch nie assistiert, aber Carmen hatte eine missglückte Schönheitsoperation hinter sich, wodurch ihre Lippen aussahen wie Schlauchboote. Da das so gar nicht zu ‚The perfect Me‘ passte, hatte Alan sie kurzerhand gegen mich ausgetauscht.

„Danke“, sagte ich und lächelte sie an, als sie mir ein Handtuch reichte. „Ich bin fix und fertig. Wie machst du das nur immer?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es wird jedes Mal etwas einfacher“, sagte sie und lispelte dabei ein wenig, weil sie mit den dicken Lippen nicht so gut sprechen konnte. Irgendwie tat sie mir leid und ich war froh, dass bei mir bisher keine Chirurgie nötig gewesen war, sondern Schminke und Sport ausreichten, um mein Äußeres in Form zu halten.

„Alles reine Gewohnheit“, fuhr Carmen fort und kam mir näher, sodass mir der Geruch nach Coco Chanel in die Nase stieg, der sie immer umgab. „Glaub mir. Bei seinem ersten Auftritt war Alan auch noch nervös.“

Das konnte ich mir zwar nur schwer vorstellen, so souverän wie er sich immer gab, aber ich verstand schon, was sie mir sagen wollte. Es gab für alles ein erstes Mal.

Ich sah wieder auf die Bühne und lächelte, als Alan es mit seinen Witzen erneut schaffte, den Saal zum Lachen zu bringen. Ich konnte es kaum erwarten, dass er fertig wurde, denn ich wusste genau, was heute Abend geschehen würde.

* * *

„Du warst auf der Bühne der absolute Hammer“, raunte Alan in mein Ohr, während er mir die Bluse aufriss und eine Hand unter meinen Rock gleiten ließ.

Erregung schoss durch meinen Körper und ich stöhnte auf, als er meinen Hals küsste.

Wie nach jedem Auftritt in New York hatte er mich auch dieses Mal nach Hause begleitet, wo wir direkt angefangen hatten, übereinander herzufallen. Statt ins Schlafzimmer zu gehen, hatte Alan schon im Flur begonnen, mich auszuziehen und weiter als bis zur Küche kamen wir nicht. Das Verlangen war einfach zu groß.

Ich wusste genau, dass das, was wir taten, nicht richtig war. Alan war verheiratet und hatte zwei Kinder, aber als er mich vor zwei Jahren nach einer Show zum ersten Mal geküsst hatte, hatte sich das so gut und richtig angefühlt, dass ich einfach nicht anders gekonnt hatte, als es zu erwidern. Vor allem, da er Stein und Bein darauf schwor, dass seine Frau und er ohnehin kurz davor waren, sich zu trennen.

„Es hat mich total angemacht, dass du so frech warst und am liebsten würde ich dir dafür den Hintern versohlen“, raunte Alan. „Aufmüpfigkeit steht dir.“

Er biss mir in den Hals und seine Hände strichen über meinen Slip.

„Ach ja?“, sagte ich. „Dann ist es ja gut, dass du so ein toller Lehrer bist. Vor ein paar Jahren hätte ich mich das nie getraut. Vor allem nicht auf einer Bühne.“

Seine Zunge spielte mit meinem Ohrläppchen und ich öffnete seinen Gürtel, um besseren Zugang zu seiner Männlichkeit zu bekommen.

„Oh Gott, ja!“, stöhnte Alan, als ich seinen Schwanz befreit hatte und ihn mit der Hand massierte. „Ich will in dir sein, und zwar am liebsten sofort.“

Das wollte ich ebenfalls, daher zog ich ein Kondom aus meiner Handtasche und stülpte es ihm über. Dann packte Alan mich und drehte mich so herum, dass ich ihm den Hintern entgegenstreckte. Er zog mir den Slip herunter, sodass er mir in den Kniekehlen hing und stellte sich hinter mir in Position. Schnell hielt ich mich an dem Küchentresen vor mir fest und spürte im nächsten Moment, wie er in mich eindrang. Zum Glück war ich bereit für ihn, denn sonst hätte es vermutlich wehgetan. Doch für Alan war ich immer bereit.

„Himmel. Du fühlst dich unglaublich an“, stöhnte er. „Ich glaube nicht, dass ich lange durchhalte. Tut mir leid, Baby, aber ich muss einfach diesen Stress loswerden.“

„Schon gut“, stöhnte ich. „Es ist in Ordnung. Ich will nur spüren, wie du kommst.“

Alan griff meine Hüften und stieß ein paar Mal in mich hinein. Es fühlte sich gut an, aber leider war ich weit entfernt davon, einen Höhepunkt zu bekommen. Das war allerdings nichts Neues für mich. Wenn ich alleine war, schaffte es ich es durchaus, mich selbst zu befriedigen, aber bisher war es keinem meiner Sexualpartner gelungen, mich zum Orgasmus zu bringen. Da ich nicht wollte, dass einer der Männer sich schlecht fühlte, war ich zu einer Expertin darin geworden, so zu tun als ob.

Ich spürte, dass Alan fast so weit war und begann gekonnt zu stöhnen.

„Oh ja“, keuchte ich. „Hör nicht auf. Hör bloß nicht auf. Ja.“

„Gott. Du machst mich so geil, Jessica. Du bist die absolut Beste, Sweetheart.“

Ich stöhnte auf und fingierte meinen Orgasmus, während er sich in mir ergoss. Das Pulsieren seines Glieds gab mir dabei eine Genugtuung, die sich fast genauso gut anfühlte wie ein echter Höhepunkt.

Der große Alan Cook war wie Wachs in meinen Händen und das gefiel mir unglaublich gut. Ich hielt mich noch immer am Tresen fest und war enttäuscht, als Alan sich aus mir zurückzog und mir den Hintern tätschelte.

„Sorry, Babe“, sagte er. „Beim nächsten Mal nehme ich mir mehr Zeit. Versprochen. Aber du bist ja zum Glück auf deine Kosten gekommen.“

„Ich verlasse mich darauf“, sagte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Kommst du mit unter die Dusche?“

„Ja, sicher. Ich habe die ganze Nacht Zeit.“

Er grinste und tätschelte mir erneut den Hintern, aber dann klingelte sein Handy.

„Geh nicht dran“, bat ich ihn. „Du hast versprochen, dass wir diesen Abend für uns haben.“

Alan fluchte leise, als er sah, wer dran war und schüttelte dann den Kopf.

„Ich muss“, sagte er. „Es ist Rachel.“

Ich erstarrte. Seine Frau. Ich hasste es, wenn sie anrief, weil sie mich jedes Mal wieder daran erinnerte, wie falsch es war, was wir hier taten. Und dass ich die andere Frau war, die Rachel den Mann ausspannte. Eine Rolle, in die ich niemals hatte schlüpfen wollen.

„Hallo, Schatz“, sagte Alan und klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter, um seinen Gürtel zu schließen, der immer noch offenstand. „Ich wollte dich gerade anrufen.“

Ich staunte immer wieder, wie er es schaffte, so zu lügen, ohne rot zu werden.

„Was meinst du damit, wo ich bin? Im Hotelzimmer natürlich.“

Ich hörte nicht, was seine Frau sagte, aber erkannte, wie Alan nervös wurde.

„Was? Du bist in meinem Hotel? Warum bist du denn in New York?“

Ich biss mir auf die Unterlippe. Irgendwie hatte diese Situation etwas Komisches an sich. Zumindest für mich. Für Alan ganz sicher nicht und für seine Frau auch nicht.

„Ich … bin nicht im Wallace Hotel“, improvisierte Alan. „Das war überbucht. Ich bin in einem anderen Hotel untergekommen.“

Seine Frau sagte etwas und ich sah, wie Alan sein Gehirn anstrengte. Hilflos sah er zu mir und ich formte das Wort „Hilton“ lautlos mit den Lippen. Er hob einen Daumen nach oben.

„Ich bin im Hilton“, sagte er schnell und warf mir einen dankbaren Blick zu. Das Hilton war nicht weit von hier weg, wohingegen das Wallace Hotel sich mitten in Manhattan befand.

„Nein. Du brauchst nicht herzukommen, Schatz. Ich hole dich ab. Dann können wir noch einen Drink einnehmen.“

Alan versuchte, sich das Hemd zuzuknöpfen, hatte damit allerdings so seine Schwierigkeiten. Am liebsten hätte ich mit ihm geschimpft, weil er sich so dumm anstellte, aber das konnte ich natürlich nicht, ohne ihn zu verraten. Immerhin war meine Diskretion eines der Dinge, die er am meisten an mir schätzte.

„Ja, genau. Bleib einfach, wo du bist, Liebling. Ich bin gleich bei dir.“

Er legte auf und sah mich hilfesuchend an.

„Danke, Sweetheart. Du bist die Beste. Kannst du mir ein Taxi rufen?“, fragte er. „Das Zimmer buche ich dann von unterwegs, aber ich muss mich zumindest kurz frischmachen.“

„Natürlich. Aber solltest du nicht besser duschen?“

„Keine Zeit. Deo muss genügen. Ich glaube ohnehin nicht, dass Rachel mir an die Wäsche will. Du weißt doch, dass zwischen uns seit Jahren nichts mehr läuft. Vermutlich hatte sie bloß einen Verdacht, den sie überprüfen wollte. Also muss ich mich beeilen.“

Ich nickte und rief mit meiner App ein Taxi für Alan. Es gefiel mir zwar nicht, zu wissen, dass er den heutigen Abend mit seiner Frau statt mit mir verbringen würde, aber ich kannte es nicht anders.

„Das Taxi ist jeden Moment da“, sagte ich und stand auf.

„Danke, mein Engel.“ Alan lächelte mich an und band sich die Krawatte so unordentlich, dass ich bei dem Anblick ganz hibbelig wurde.

„Lass mich das machen“, forderte ich und band sie ihm richtig. Dann knöpfte ich sein Jackett zu und klopfte ihm auf die Brust. „So. Jetzt bist du wieder vorzeigbar.“

„Danke. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich tun würde.“

Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Alan war für mich der Inbegriff von Erfolg und Attraktivität. Nur ihm war es zu verdanken, dass ich heute da stand, wo ich stand und vielleicht würde er irgendwann erkennen, dass es ihm nichts brachte, für immer mit seiner Frau zusammen zu bleiben, wenn er mit ihr dermaßen unglücklich war.

„Schon gut“, sagte ich und reckte mich ihm entgegen, um ihn zu küssen. „Und jetzt geh, bevor Rachel noch Wind von der ganzen Sache bekommt.“

Er schmunzelte, küsste mich zurück und nahm dann seine Tasche. „Ich melde mich“, versprach er und war im nächsten Moment aus der Tür.

Ich sah ihm einen Moment hinterher und ging dann ins Bad. Der Raum war nicht besonders modern, aber immerhin gab es eine Badewanne, auch wenn ich die nicht oft nutzte. Ich ließ das Wasser ein und gab etwas Badesalz hinzu. Dann türmte ich meine Haare zu einem Dutt auf und ließ mich genüsslich ins Wasser gleiten. Erst danach wählte ich auf meinem Handy die Nummer von Lydia und stellte den Lautsprecher an.

„Hi, Jessy! Wie schön, dass du anrufst“, rief sie ins Telefon. „Mit dir hatte ich heute gar nicht gerechnet. Ich dachte, Alan wäre in der Stadt.“

„Ist er auch. Aber seine Frau hat angerufen, also ist er auf und davon, um sie zu besänftigen.“

„Oh, Mann. Was für ein Schlappschwanz. Wenn er sie schon betrügt, dann sollte er zumindest dazu stehen und es ihr sagen. Diese ganze Heimlichtuerei ist doch mies.“

„Wem sagst du das? Irgendwie tut sie mir sogar leid.“

„Aber offenbar nicht leid genug, um die Beziehung zu beenden.“

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Nein. Das nicht. Immerhin hat sie ihn mit den Kindern heimtückisch an sich gebunden. Wenn sie nicht ohne Absprache die Pille abgesetzt hätte und schwanger geworden wäre, dann hätte er sie nie geheiratet. Das war echt eine miese Nummer, wie ich finde.“

„Stimmt. Aber Alan ist trotzdem selbst schuld. Er hätte ja auch ein Kondom verwenden können. Außerdem sollten Kinder nie der Grund sein, um zusammen zu bleiben. Das kann doch nur nach hinten losgehen.“

Da hatte sie natürlich recht, aber ich war zu egoistisch, um auf Alan zu verzichten, nur weil ich seiner Frau damit möglicherweise auf den Schlips trat. Stattdessen gab ich lieber ihr die Schuld an der Situation. Das machte vieles leichter und beruhigte ein wenig mein schlechtes Gewissen.

„Aber genug von Alan“, sagte Lydia. „Drück mir bitte die Daumen. Ich habe morgen einen Termin bei Charles Anderson.“

Als ich den Namen hörte, verkrampften sich meine Eingeweide. Leider hatte dieser Mann recht behalten, was mein Buch anging. Kein anderer Verlag hatte sich dafür erwärmen können, und das, obwohl Alans Bekanntheit von Woche zu Woche stieg. Vielleicht lag es wirklich an meinem Schreibstil. Was hatte Charles gesagt? Er hätte kein Herz. Verdammt. Dabei hatte ich mir die größte Mühe gegeben, Alan so darzustellen, wie ich ihn sah. Charismatisch, sexy und einfach … perfekt.

„Was für einen Termin?“, fragte ich, um mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken.

„Vermutlich will er mir wieder eine Standpauke halten. Er hat mir befohlen, morgen in sein Büro zu kommen und das ist ganz sicher kein gutes Zeichen. Dieser Mann ist der mieseste Vorgesetzte, den man sich vorstellen kann. Ich kann nur hoffen, dass Archibald sich für Henry entscheidet. Der ist total locker drauf und richtig nett zu seinen Angestellten. Charles hingegen … Wenn er der Big Boss werden sollte, wird der Verlag ganz schnell den Bach runtergehen.“

Ich lehnte mich im warmen Wasser zurück.

„Das denke ich auch“, sagte ich. „Das hat er dann davon, dass er mein Buch nicht haben wollte.“

Lydia lachte. „Stimmt. Obwohl ich, um ehrlich zu sein, seiner Meinung bin, was das Buch angeht. Du kannst so toll schreiben, Jessy. Aber Alan Cook? Der ist viel zu aalglatt und langweilig.“

„Ist er nicht. Er …“

„Ja, ja. Die Leier kenne ich schon. Er ist perfekt. Ich weiß. Aber es wäre trotzdem besser, wenn du über etwas anderes schreiben würdest. Du vergeudest bei ihm dein Talent.“

Ich biss mir auf die Unterlippe. Das sagte Lydia mir immer wieder und auch meine Eltern waren enttäuscht, dass ich nur als Handlangerin für einen Imageberater arbeitete und nicht als Autorin für eine Zeitung oder einen großen Verlag. Immerhin hatte ich dafür Literatur studiert. Aber Alan hatte damals eine Angestellte gesucht und ich hatte den Posten gerne genommen. Bisher hatte ich es nicht bereut.

„Wie auch immer“, sagte ich. „Hatten wir nicht gerade noch über deinen schrecklichen Boss geredet? Hast du wirklich keine Idee, was er von dir wollen könnte?“

Sie seufzte. „Na ja. Er hat ein paarmal mit mir geschimpft, weil ich zu spät zur Arbeit gekommen bin und solche Sachen. Bestimmt will er mir wieder auf die Finger klopfen. Hauptsache, er versucht nicht, mich anzugraben. Mit dem Gestrüpp in seinem Gesicht und auf seinem Kopf sieht er aus wie ein Axtmörder aus dem Wald. Vor allem, weil er auch noch so unglaublich stark ist. Er hat letzte Woche bei einem Wutanfall die Platte von seinem Schreibtisch beschädigt, weil er mit der Faust darauf geschlagen hat. Und das Ding ist massiv. Ich hätte mir vermutlich dabei die Hand gebrochen.“

„Ich sicherlich auch. Aber ich glaube nicht, dass er dich angraben will. Oder hat er so was schon mal versucht?“

„Zum Glück nicht. Aber man weiß ja nie.“

„Vielleicht hat er auch einfach nur einen neuen Auftrag für dich. Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen.“

„Danke. Das kann ich sicherlich brauchen. Treffen wir uns morgen Abend in Ians Bar? Dann erzähle ich dir, wie es gelaufen ist.“

„Auf jeden Fall. Die Story will ich mir keinesfalls entgehen lassen. Und Kopf hoch. Es wird schon nicht so schlimm sein.“

„Das hoffe ich. Das hoffe ich sogar sehr.“

 

KAPITEL4

Charles

 

„Was soll das heißen, ich bin gefeuert?“, fragte Lydia und ging aufgebracht vor meinem Schreibtisch auf und ab.

„Das bedeutet, dass ich Ihnen soeben gekündigt habe“, antwortete ich. „Sie sind entlassen. Unser Arbeitsverhältnis ist beendet. Sie brauchen ab sofort nicht mehr herzukommen und erhalten auch keinen Lohn mehr. Muss ich es noch näher spezifizieren?“

Lydia klappte die Kinnlade herunter. „Aber … warum?“

„Da fragen Sie noch? Die Hälfte Ihrer Arbeitszeit sind Sie mit Ihrem Handy beschäftigt und die andere Hälfte der Zeit lästern Sie über mich mit Ihren Arbeitskolleginnen.“

„Und das wundert Sie?“

Ich hob eine Augenbraue und war überrascht, dass sie wirklich die Frechheit besaß, so etwas zu sagen. Lydia war eine hübsche junge Frau. Mit ihren roten Haaren und den grünen Augen könnte sie als Model arbeiten und auf den Mund gefallen war sie auch nicht. Aber sie kam ständig zu spät, tat selten, was man ihr sagte und ließ sich generell viel zu viel Zeit für alles.

„Ich muss doch sehr bitten“, sagte ich.

„Sie müssen sehr bitten?“, echauffierte Lydia sich. „Das sagt der Richtige. Immerhin sind Sie es, der mich rauswirft. Und das ohne triftigen Grund. Ich … ich werde mir einen Anwalt nehmen.“

„Tun Sie das ruhig. Aber ich habe Sie mehrfach abgemahnt und Sie haben trotzdem nichts an Ihrem Verhalten geändert. Sofern Sie also nicht schwanger sind, haben Sie vermutlich schlechte Chancen. Also. Sind Sie schwanger?“

Lydia öffnete den Mund und schnappte dann nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Nein! Sie … Sie … Sie … Armleuchter“, sagte sie, als könnte sie sich gerade noch beherrschen, mich nicht als Arschloch zu bezeichnen. „Das werden Sie noch bereuen. Ganz bestimmt sogar.“

Ich zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Sicher. Was wollen Sie denn machen? Mich verklagen?“

„Ja … ich meine Nein. Ich meine … das weiß ich noch nicht, aber irgendetwas wird mir schon noch einfallen.“

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und hob die Augenbrauen.

„Na, da bin ich ja mal gespannt“, sagte ich. „Und jetzt verschwinden Sie gefälligst. Es gibt immerhin Leute, die zum Arbeiten hier sind.“

Lydia lief erneut rot an. Dann drehte sie sich um und stürmte aus meinem Büro. Im nächsten Moment hörte ich, wie sie unter lautem Geschimpfe ihre Sachen zusammenpackte. Gut so. Mit so einer Mitarbeiterin konnte ich nichts anfangen.

Kurz darauf klopfte es wieder an meiner Tür und ich brummte ein „Herein!“

Im nächsten Moment trat meine Assistentin Matilda ein. Sie war eine dunkelhäutige Frau um die sechzig und vermutlich der einzige Mensch, abgesehen von meinem Großvater, für den ich so etwas wie Respekt empfand.

„Charles“, sagte sie vorwurfsvoll. „Was haben Sie nur mit der armen Lydia gemacht?“

„Ich habe getan, was längst überfällig war. Sie gefeuert.“

Matilda schnalzte mit der Zunge. „Das war vollkommen unnötig. Man hätte doch mit ihr reden können.“

„Das habe ich getan. Mehrfach. Bitte, Matilda. Lassen wir das. Gibt es sonst noch etwas?“

„Ja. Ihr Cousin ist hier und …“

„Hallo, Charly, altes Haus“, sagte Henry und drängte sich einfach an Matilda vorbei.

„Und da ist er auch schon“, murmelte sie und verließ mein Büro. Ich legte meine Fingerspitzen aneinander und lehnte mich zurück.

 Mein Cousin Henry grinste mich an. Er trug einen schicken Anzug und war wie immer perfekt rasiert, geschniegelt und gestriegelt.

„Was hast du denn mit der scharfen Tussi da draußen angestellt?“, fragte er. „Die heult wie ein Schlosshund. Sag bloß nicht, du hast mit ihr Schluss gemacht. Bei deinem Aussehen glaube ich kaum, dass sie dich rangelassen hat.“

Ich verdrehte innerlich die Augen. „Ich habe sie gefeuert. Willst du was Bestimmtes? Oder hattest du nur Lust, mich mal wieder zu beleidigen?“

„Da wäre tatsächlich noch was. Ich wollte dir ausrichten, dass Großvater ganz und gar nicht zufrieden mit deinem Führungsstil ist. Ich soll dir sagen, dass er dich im Auge hat und wenn ich mir das hier so anschaue, dann absolut zu Recht.“

Ich ballte die Fäuste und musste mir Mühe geben, um ruhig zu bleiben. Henry hatte es immer schon verstanden, mich zur Weißglut zu treiben mit seiner Arschkriecherei. Er leitete einen Zweig der Verlagsgesellschaft und geierte darauf, die Führung des Verlags zu übernehmen, sobald unser Großvater in Rente ging. Genau wie ich, nur versuchte ich, mehr mit Ergebnissen zu punkten und meinem Großvater nicht in den Hintern zu kriechen.

„Wenn Großvater unzufrieden mit mir ist, dann soll er mir das gefälligst selbst sagen“, brummte ich. „Am besten ruft er mich an oder kommt vorbei. Das sollte ja wohl nicht so schwierig sein.“

„Ansichtssache. Immerhin bist du nicht unbedingt der angenehmste Gesprächspartner. Dir muss man doch immer alles aus der Nase ziehen, weil du so schweigsam bist.“

„Davon solltest du dir mal eine Scheibe abschneiden. Es wundert mich, dass dir überhaupt noch jemand zuhört, so lange, wie es bei dir dauert, bis du auf den Punkt kommst.“

„Pah. Die Leute lieben es, mir zuzuhören. Immerhin habe ich im Gegensatz zu dir was zu sagen.“

Ich atmete tief ein und wieder aus. Dieses Spielchen spielten wir schon seit unserer Jugend. Henry war zwei Jahre älter als ich und es hatte ihn schon in der Schule gewurmt, dass ich größer und kräftiger war als er. Er beleidigte mich und ich wehrte seine Angriffe ab. Eigentlich sollte man meinen, dass wir für so etwas inzwischen zu alt waren, aber wie es aussah, wurde Henry es nicht müde, mir meine Fehler unter die Nase zu reiben.

„Sonst noch was?“, fragte ich. „Oder kann ich jetzt weiter arbeiten?“

„Arbeit. Arbeit. Das ist doch das Einzige, was dich interessiert, oder? Ist dir eigentlich aufgefallen, was diese Frau, die du da gefeuert hast, für ein heißer Feger ist? Die hättest du besser auf dem Schreibtisch flachlegen sollen, statt sie zu entlassen. Aber nein. Stimmt ja. Ich hatte ganz vergessen, dass du mit deiner hässlichen Visage bei so einer wie der gar nicht landen könntest.“

Okay. Das reichte. Ich stand auf und packte Henry am Kragen. Er war fast einen Kopf kleiner als ich und erheblich schmächtiger, sodass ich ihn problemlos überragte. „Wenn du nicht endlich deine Klappe hältst, dann setzt es was!“, zischte ich ihn an. „Und jetzt verschwinde, bevor ich mich vergesse!“

„Charles Amadeus Anderson!“, ertönte in diesem Moment die strenge Stimme meines Großvaters. „Lass Henry sofort wieder runter.“

Erst jetzt fiel mir auf, dass mein Cousin ein paar Zentimeter über dem Boden schwebte und noch dazu bereits rot anlief, weil er keine Luft mehr bekam.

Schnell stellte ich ihn ab und machte einen Schritt zurück.

„Sorry“, sagte ich und setzte mich wieder auf meinen Sessel.

Mein Großvater schnalzte mit der Zunge. Er war zwar um einiges kleiner als ich, aber durch seine Leibesfülle und den dicken Schnurrbart war er eine Erscheinung für sich und strahlte eine Autorität aus, die selbst ich zu spüren bekam.

„Henry. Lässt du uns bitte kurz allein?“

Missmutig nickte Henry und fasste sich an den Hals. „Klar“, sagte er im Rausgehen. „Nicht, dass dieser Pitbull mir noch einmal an die Gurgel geht.“

Mein Großvater wartete, bis mein Cousin die Tür hinter sich geschlossen hatte und setzte sich mir gegenüber. Vorwurfsvoll sah er mich an.

„Charles. Deine Gefühlsausbrüche sind genau der Grund, warum ich darüber nachdenke, die Leitung des Verlags an Henry zu übergeben, sobald ich in Rente gehe. Die und natürlich deine mangelnden Führungsqualitäten. Deine Außenwirkung ist eine absolute Katastrophe.“

Ich wich dem Blick meines Großvaters aus. Es wurmte mich, dass er mich so in der Hand hatte. Mein Ziel war es immer gewesen, mein eigener Chef zu sein und zum Großteil war ich das auch. Aber Archibald Anderson stand auf der Karriereleiter nun mal einen Schritt weiter oben und war durchaus dazu imstande, mich als Abteilungsleiter absetzen zu lassen. Eine Vorstellung, die mir ganz und gar nicht behagte.