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Erleben Sie die faszinierende Geschichte von Versailles, die atemberaubenden Pyrenäen und die malerischen Lavendelfelder der Provence. Frankreich – ein Land voller Vielfalt und Schönheit. Lassen Sie sich von National Geographic zu den 225 schönsten Reisezielen des Landes entführen. "Unvergessliche Erlebnisse" und "Insidertipps" machen Ihre Reise besonders. Ob Feinschmecker oder Kunstliebhaber – tauchen Sie ein in die magischen Facetten Frankreichs!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 300
Veröffentlichungsjahr: 2025
VORWORT
Claudia Eilers, Chefredakteurin National Geographic Deutschland
UNGEZÄHMTE NATUR
Wild und grandios
VON MENSCHENHAND
Zeitlose Meisterwerke
MEER, KÜSTE, SEEN & FLÜSSE
Wo sich Land und Wasser berühren
IM KÖNIGREICH DER BERGE
Auf dem Gipfel
STADT UND LAND
Kultur und Natur im Doppelpack
REGISTER
BILD- UND TEXTNACHWEIS
IMPRESSUM
Viele der verwinkelten Altstadtgassen von Menton führen auf die imposante Barockkirche des Erzengels Michael zu. Den Briefträger (le facteur) scheint die farbenfrohe Arbeitskulisse kaum noch zu beeindrucken.
VON CLAUDIA EILERS, CHEFREDAKTEURIN DES NATIONAL-GEOGRAPHIC-MAGAZINS
Ein Spaziergang an der Uferpromenade von Sanary-sur-Mer, der bilderbuchschönen kleinen Stadt an der Mittelmeerküste, während des Zweiten Weltkriegs Exil deutscher Intellektueller und Schriftsteller. Kurz hinter dem Hafen ein Schild mit Piktogrammen und der Aufschrift »En ville on s’habille« – in der Stadt zieht man sich an.
Das Mittagessen in einem Bistro in der alten Weinhandelsstadt Beaune, wo einmal im Jahr eine der weltweit renommiertesten Versteigerungen von Burgunderwein stattfindet. An einem Nebentisch eine lärmende Gruppe junger Amerikaner, Jacken und Rucksäcke verteilt auf dem Boden und freien Stühlen. Als einer auch noch den Fuß auf einem Stuhl ablegt, tritt der Wirt an den Tisch. Ein paar Sätze, nicht laut – und schon werden Jacken am Garderobenständer aufgehängt, der Fuß landet wieder auf dem Boden.
Frankreich hält auf sich. Die schönen alten Städte durchschlurft man nicht in Badesachen. Beim Essen – ein heiliges Ritual! – benimmt man sich nicht wie zu Hause auf dem Sofa. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer dies beherzigt, erlebt auf Reisen nicht nur die Grande Nation, deren bewegte Geschichte so eng mit der unseren verflochten ist – sondern auch ein grandioses und abwechslungsreiches Urlaubsland zwischen Atlantik- und Mittelmeerküste, vom Mont-Blanc, dem höchsten Alpengipfel, bis ins Marschland der Camargue mit seinen Flamingos und einzigartigen Pferden.
Björn Stüben, Kunsthistoriker und Autor dieses Buchs, lebt und arbeitet seit etwa drei Jahrzehnten in Frankreich, unter anderem als Leiter von Studienreisen. In 225 Touren führt er kenntnisreich durch seine Wahlheimat, von den ikonischen Sehenswürdigkeiten bis zu versteckten Perlen. Bleibt nur: blättern, lesen – Koffer packen.
Bon voyage!
Bei Sonnenuntergang an der Pointe du Raz ist das Farbenspiel zwischen dem grauen Granit und einigen zögerlich sprießenden Pflanzen besonders schön.
An faszinierenden Naturkulissen mangelt es sicher nicht auf einer Reise durch Frankreich. Von fast menschenleeren Landschaften auf vom Wind gepeitschten Hochplateaus und eiskalten Gletscherseen bis hin zu von schroffen Felsen gesäumten Küsten oder Respekt einflößenden, tiefen Schluchten ist alles dabei.
»Wandern, sich abmühen, klettern, rutschen, klimmen, herausholen, was in einem Körper drin steckt – auch dies ist Reisen.«
Kurt Tucholsky
Vom Pic de l’Ours im Estérel-Massiv reicht der Blick bei gutem Wetter über die Bucht von Cannes bis zu den Seealpen.
Zu den meisten mittelalterlichen Behausungen des Dorfs führen Treppen hinauf. Im Erdgeschoss wurde einst das Vieh in steinernen Gewölben untergebracht.
Von der ehemaligen Burg der Templer sind im befestigten Dorf La Couvertoirade noch beeindruckende Reste erhalten, die sich sogar besichtigen lassen.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Nördlich von La Couvertoirade liegt Nant. Hier wird der Fluss Dourbie von der zweibogigen Steinbrücke Pont de la Prade überspannt. Schon im 10. Jahrhundert machten Mönche das Land auf dem Karstplateau Larzac urbar und allmählich wuchs eine Ansiedlung um das romanische Kloster mit dem massiven Kirchenbau herum.
REISEPLANUNG
In den Wintermonaten ist ein Besuch nicht zu empfehlen, da einige der wenigen Geschäfte und Restaurants geschlossen bleiben.
WEBSITE(S)
lacouvertoirade.com
Egal, ob man sich mit dem Auto nähert oder auf La Couvertoirade zuwandert, der erste Eindruck ist immer der Gleiche: Der Stein dominiert, grau und meistens sorgsam behauen, manchmal ausgewaschen, mit Flechten bewachsen oder in sich zusammengefallen zu Ruinen. Natürlich wurde in dem hinter hohen Mauern, massiven Tordurchfahrten und Wehrtürmen versteckten Ort vieles von den knapp 200 Bewohnern und der nationalen Denkmalpflege rekonstruiert.
Als die Templer (templiers) in der Mitte des 12. Jahrhundert hier auftauchten, fanden sie alles vor, was sie brauchten, um mit La Couvertoirade eine weitere Niederlassung des Ordens zu gründen. Die Einöde auf dem Causse de Larzac, der Kalk-Hochebene, bot Land, das bestellt werden konnte. Es gab Wasser, auch wenn es schnell im verkarsteten Boden versickerte. Und vor allem gab es große Felsen, auf denen sie eine Burg errichten konnten. Das Château existiert noch heute und kann als ältester Bau des Orts besichtigt werden. Der Orden nannte sich »Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem«, womit sich der Begriff der Templer bzw. des Templerordens erklärt. Er stellte eine Gemeinschaft von »Mönchssoldaten« dar, die ihre Aufgabe darin sah, das heilige Grab zu schützen. Hierfür wurde sie fürstlich mit Geld und Ländereien entlohnt, was ihr schnell den Ruf einbrachte, unermesslich reich zu sein. Dieser angebliche Reichtum wurde den Templern letztlich zum Verhängnis. 1312 zerschlug der französische König mit Duldung durch den Papst den Orden. Ob auch in La Couvertoirade Schätze hinter dicken Mauern schlummerten, ist allerdings ungewiss.
Eine hohe Mauer schützte vor Eindringlingen.
Das Kircheninnere gibt sich bescheiden.
Konspirierten die Templer einst mit dem Teufel? Heute ist er harmlos.
Im 14. Jahrhundert wurden hier 135 »Feuerstellen« gezählt und man betrieb überwiegend Viehzucht, was heute noch an der lavogne, der sorgsam mit Steinen abgedichteten Erdvertiefung, genutzt zum Auffangen von Regenwasser und als Tiertränke, abzulesen ist. Die Erdgeschosse der kleinen Steinhäuser, die sich in den Schatten der Stadtmauer ducken, belegten Schaf- und Ziegenställe. Schafe lieferten die Wolle, die nachweislich hier versponnen wurde. Ebenso andere Kunsthandwerke wie die Lederverarbeitung brachten Einnahmen, doch die Landflucht machte auch vor La Couvertoirade nicht Halt.
Heute lebt man in La Couvertoirade vorwiegend vom Tourismus, dabei achtet man in den Geschäften, Bars und kleinen Restaurants darauf, dass die authentische Atmosphäre der alten Templerniederlassung erhalten bleibt. Und so verunstalten nur wenige Andenkenläden die mit Steinen gepflasterten Gassen.
»Mehr als Weisheit aller Weisen/Galt mir reisen reisen reisen.«
THEODOR FONTANE
INSIDERWISSEN
Dass die einsame Hochebene (causse) de Larzac jemals den Weg in internationale Presseschlagzeilen finden sollte, hätte niemand vermutet. Den Anlass lieferte die vom französischen Staat Anfang der 1970er-Jahre anvisierte Erweiterung des seit 1902 existierenden Militärcamps auf dem Causse de Larzac auf 14.000 Hektar. Es kam zu Protestkundgebungen vonseiten einer in Frankreich damals noch völlig unbekannten Graswurzelbewegung, die das ländliche Milieu und die dortige Lebensweise bewahren wollte. Präsident Mitterrand stoppte das Projekt mit seinem Amtsantritt 1981.
UNVERGESSLICHE ERLEBNISSE
Südlich von La Couvertoirade liegt direkt an der Autobahnausfahrt (A75) das Dorf Le Caylar. Die Einsamkeit des Plateaus von Larzac lässt sich auf einer Wanderung erleben, bei der Schafe die einzige Gesellschaft sind. Niedrig ducken sich hier nur Büsche vor der sengenden Sonne, hohe Bäume sucht macht vergeblich. Doch das Auftauchen der Templerfestung La Couvertoirade am Horizont nach etwa eineinhalb Stunden lässt Trockenheit und schneidenden Wind vergessen (rot-weiß oder gelb markierter Pfad, der von der D609 etwa 500 Meter nördlich von Le Caylar rechts abzweigt).
Die Auswilderung des Geiers ist in der Gorges du Tarn vor Jahrzehnten gelungen. Hier erholt sich ein Gänsegeier von seinen Rundflügen.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Die mittelgroße Stadt Millau liegt nicht allzu weit entfernt und ist als französische Hauptstadt der Lederhandschuhfertigung ein lohnendes Ziel. Wer hier wie einst Karl Lagerfeld exquisite Stücke erstehen möchte, sollte zu Causse Gantier gehen, wo man bei der Produktion sogar zuschauen kann (caussegantier.com).
REISEPLANUNG
Konzentration ist vonnöten, wenn man mit dem Auto durch die Schluchten fährt – es gibt viele Kurven und hier und da Felsüberhänge.
WEBSITE(S)
ot-gorgesdutarn.com
Der Fluss Tarn entspringt im Zentralmassiv und hat dann einen ziemlich weiten Weg vor sich, bevor die Garonne ihn nach 380 Kilometern nördlich von Toulouse aufnimmt. Auf seinem Weg liegen Städte wie Millau und Albi, die sich mit ihm durch die Jahrhunderte arrangiert haben, denn er kann sehr launisch werden, über die Ufer treten und Altstädte unter Wasser setzen. Den größten Respekt hat ihm vielleicht der Architekt Sir Norman Foster bezeugt, der bei Millau einen der weltweit elegantesten Viadukte in respektvoller Höhe über den Tarn gespannt hat. Mit knapp zweieinhalb Kilometern Länge ist sie die längste Schrägseilbrücke weltweit.
Aber in den nach ihm benannten Schluchten kann der Tarn zeigen, was in ihm steckt. Hier grub er sich auf einer Länge von fast 35 Kilometern tief durch den weichen Kalkstein der Cevennen. Heute locken die zwischen 400 und 500 Meter hoch aufragenden Steilwände Kletterer an. Gemächlicher geht es auf der Wasseroberfläche zu, auf der sich vor allem im Hochsommer Kanufahrer mit ihren Paddeln in die Quere kommen oder Touristen an Bord von Flussschiffern, den bateliers des Gorges du Tarn, in flachen Kähnen vor der grandiosen Naturkulisse entlanggleiten. Die malerische Ansiedlung ist nach Sainte-Enimie benannt, einer an Lepra erkrankten merowingischen Prinzessin und späteren Heiligen, die aus Dank, vom Wasser einer Felsquelle von ihren Qualen geheilt worden zu sein, ein Kloster gründete. Hieraus entstand später eines der schönsten Dörfer Frankreichs. Den besten Ausblick auf die Gorges du Tarn haben zweifellos die Gänsegeier, die oft hoch oben über der Schlucht ihre Runden drehen.
Bei Saint-Chély versteckt sich in einem Felsspalt die Kapelle Notre-Dame-de-Cénaret.
Fotogen windet sich der Tarn beim pittoresken Dorf Saint-Chély.
UNVERGESSLICHE ERLEBNISSE
Egal, ob man bei Le Rozier oder Sainte-Enimie ein gemietetes Kanu besteigt, um über den Tarn zu gleiten – das Erlebnis, die steilen Felsen an den Ufern aufragen zu sehen, ist garantiert. Zaghafte Zeitgenossen erhalten alle nötigen Erklärungen und werden nach schweißtreibendem Ausflug von den Anbietern wieder zum Ausgangspunkt zurückgebracht (z. B. canoe-mejean.com).
»Reisen ist das beste, ja das einzige Heilmittel gegen Kummer.«
ALFRED DE MUSSET
Im eindrucksvollsten Abschnitt der tiefen Gorges du Tarn zwischen Le Rozier und Sainte-Enimie haben sich winzige Dörfer an den Steilufern ihren Platz erkämpft. Sie sind häufig schwer zugänglich und scheinen beinahe am Felsen zu kleben.
Wer sich erfolgreich den Wellen stellen will, muss üben. Auch die professionelle Surferin aus Südafrika, Bianca Buitendag, bereitet sich auf die Weltmeisterschaften in Hossegor vor.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Im Landesinnern verspricht die alte Benediktinerabtei in Saint-Sever Erholung vom Surf-Trubel. Die bereits im 10. Jahrhundert gegründete große romanische Abtei wurde schon früh von den Jakobspilgern besucht und besticht durch farbig bemalte und sorgsam restaurierte Kapitelle, die Löwen darstellen.
REISEPLANUNG
Wer die Surfer beobachten möchte, kommt an den Stränden Plage de la Gravière oder du Nord auf seine Kosten. Hier können sich die Wellen auf bis zu sechs Meter Höhe auftürmen.
WEBSITE(S)
hossegor.fr
Es ist zu bezweifeln, ob man eine korrekte Antwort bekäme, wenn man einem Nicht-Franzosen die Frage stellt, wo der Küstenort Hossegor liegt. Gäbe man die Zusatzinformation, dass er sich im Baskenland befände, wäre damit zu rechnen, dass sofort von Spanien geschwärmt wird. Doch Hossegor liegt im französischen Baskenland, das bei Hendaye an das spanische grenzt. In Surfer-Kreisen würde die Umfrage ganz anders verlaufen. Alle wüssten Bescheid über die idealen, meterhohen Wellenkämme am renommierten Surf-Hotspot. Denn spätestens seit 2001 ist Hossegor jedem in der eingeschworenen Wellenreiter-Community ein Begriff. Seit diesem Jahr finden hier regelmäßig die professionellen Weltmeisterschaften im Surfen statt und die Plage de la Gravière und die Plage du Nord zählen seither zum europäischen Mekka der Wellenreiter.
Der Laie hingegen schlendert sicher zuerst über die lange Strandpromenade. Hossegor entstand erst Anfang des 20. Jahrhundert als Badeort, der sich damals zwischen dem bourgeoisen Arcachon im Norden und dem aristokratischen, international geprägten Biarritz weiter im Süden behaupten musste. Wie das gelang, lässt sich an der zentralen Place des Landais ablesen. Bis in die 1940er-Jahre entstanden die Häuserreihen im neobaskischen Stil. Flache Satteldächer, darunter weiß verputzte Wände und vor allem kräftig karminrot gestrichene Balken, Balkonbrüstungen und Fensterrahmen prägen das einheitliche Bild typisch baskischer Architektur. Anfangs kam eine recht wohlhabende Klientel nach Hossegor. Glücklicherweise sollten auch später keine Hotelburgen den Gesamteindruck stören und so ist der Ort überschaubar geblieben und gesegnet mit einem unendlich scheinenden Sandstrand.
INSIDERWISSEN
Es ist die Natur, die den Stränden in Hossegor zu ihrem Renommee verholfen hat, denn hier ist der Beach-Break (Strandbrecher) die Ursache für die enorme Wellenbildung. Dabei trifft der Atlantik auf Sandbänke unmittelbar vor der Uferlinie. Aber die Bedingungen sind oft unberechenbar, da sich die Sandbänke je nach Wind, Wellengang, Gezeiten und Strömungen verändern.
Außer im Hochsommer ist der Surfspaß im ansonsten empfindlich kalten Atlantik nur im langen Neopren-Anzug empfehlenswert.
Für diese Naturkulisse am Lac de Melo macht sich jeder Wanderer gern auf den Weg.
Richtig spektakulär wird der Blick dann vom Lac de Capitello hinunter zum Lac de Melo.
Einen besseren Standort für die Zitadelle von Corte gibt es nicht. Sie bewacht auf einem Felssporn das Umland.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Corte, die alte Hauptstadt und Sitz der Universität Korsikas, ist mit seinen 8.000 Einwohnern das pulsierende Zentrum in der Inselmitte. Überragt wird die Stadt von einer Zitadelle aus dem 18. Jahrhundert, die wie ein Adlernest auf der Felsspitze thront.
REISEPLANUNG
Der Aufstieg zu den Seen beginnt am Parkplatz Bergeries de Grotelle am Ende des Restonica-Tals. Die schmale Straße (D623) sollte man früh befahren, da sich der Parkplatz schnell füllt.
WEBSITE(S)
visit-corsica.com/de
Selten ist der Weg in die Bergwelt Korsikas so gut erschlossen wie im Tal des kleinen Restonica-Flusses. Das bringt mit sich, dass man dort quasi nie allein unterwegs ist, zumindest in den Sommermonaten, wenn die beiden Gletscherseen garantiert eisfrei sind. In Corte zweigt die schmale Straße ins 18 Kilometer lange Tal ab. Wenige Kilometer vor dem Ziel und 600 Höhenmeter später wird sie so eng, dass kaum zwei Autos aneinander vorbeipassen.
Am Ende der Straße, an den Parkplätzen der Bergeries de Grotelle angekommen, heißt es dann, in die Wanderschuhe schlüpfen. Auf 1.352 Metern Höhe beginnt der Aufstieg zum ersten Gletschersee Lac de Melo, aus dem sich die Restonica speist. Im Schatten des 2.622 Meter hohen Monte Rotondo geizt die Bergwelt nicht mit ihren Reizen. Vergissmeinnicht oder der gelb-weiße Augentrost, dessen Blüten an Orchideen erinnern, verstecken sich vielleicht ebenso am Wegesrand wie der auf Korsika endemische Scheibenzüngler, ein Frosch. Und in den Bäumen könnte der gleichfalls nur auf Korsika singende kleine Korsenkleiber sitzen, während einige Bartgeier, die größten Greifvögel Europas, in der Luft kreisend die Wanderer beobachten. Dann liegt der Lac de Melo plötzlich friedlich vor einem. Die Lust, in den bis zu 20 Meter tiefen See auf 1.700 Metern Höhe zu steigen, hält sich sicher in Grenzen, ist er doch die Hälfte des Jahres über zugefroren. Wer lieber seine stille Wasserfläche von oben bewundern will, muss jetzt noch die recht anspruchsvolle Passage hinauf zum Lac de Capitello kraxeln. Schroffe Felswände spiegeln sich im finsteren Wasser des mehr als 40 Meter tiefen Sees auf 1.900 Metern Höhe. An Baden denkt hier niemand mehr, zu faszinierend sind die Natur und der Blick hinunter zum Lac de Melo.
INSIDERWISSEN
Die Zitadelle von Corte war 2015 Schauplatz einer symbolträchtigen Aktion. Zwanzig Mitglieder der Ghjuventù Indipendentista besetzten das »Adlernest», um dort einen Hungerstreik zu beginnen. Die jungen Aktivisten forderten die völlige Unabhängigkeit Korsikas mit eigenem Staatsbürgerschaftsstatus, doch die Pariser Zentralregierung blieb auf diesem Ohr weiterhin taub.
Manchmal kann das Warten auf die große Welle lang werden, auch in der von der Brandung verwöhnten Baie des Trépassés.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Die Pointe du Raz ist zweifellos spektakulär, doch oft auch ziemlich überlaufen von Besuchern. Weiter nördlich liegt ein weiteres Felskap, die ruhige Pointe du Van, die ebenfalls mit einer beeindruckend zerklüfteten Steilküste punkten kann. Eine leider meistens geschlossene Kapelle, die im 17. Jahrhundert direkt an der Abbruchkante der Felsen errichtet wurde, und ein winziges Quellhaus, dessen Wasser Rheumabeschwerden lindern soll, sind vor der imposanten Granitkulisse sehenswert.
REISEPLANUNG
An der Spitze der Sizun-Halbinsel im äußersten Westen des Finistère ändert sich das Wetter naturgemäß rasant. Regenschwere Wolken bilden sich häufig in Sichtweite über der Meerenge und werden dann von den starken Westwinden rasend schnell aufs Festland geblasen. Oft kann am Vormittag auch noch dichter Nebel über dem Kap liegen, der sich aber meist gegen Mittag auflöst. Der Weg vom zentralen Parkplatz zu Fuß zur Pointe du Raz dauert etwa 20 Minuten.
WEBSITE(S)
pointeduraz.com/de
Schaut man aus der Ferne, etwa vom benachbarten Felskap Pointe du Van aus, zur noch weiter ins Meer hinausgreifenden Pointe du Raz, dann ist dort ein Turm zu erkennen. Um einen Leuchtturm an Land handelt es sich natürlich nicht, denn Leuchttürme stehen deutlich zu sehen auf einigen von der Gischt umtanzten Felsen draußen im Meer. Es ist ein Semaphor, ein Signalmast, der den Schiffsverkehr überwacht und rund um die Uhr von der französischen Marine besetzt ist. Das Seezeichen hat gerade hier eine besondere Berechtigung, denn die Meerenge (raz) zwischen der Pointe du Raz und der Île de Sein ist zwar immerhin acht Kilometer breit, aber das reicht Schiffen in der starken Gezeitenströmung oft nicht aus.
Wer seinen Wagen auf einem der großen Parkplätze abgestellt und sich auf den Weg durch die leicht gewellte Heide- und Ginsterlandschaft bis zur Spitze der Pointe du Raz gemacht hat, ist hiervon schnell überzeugt. Kurz hinter dem Semaphor wechselt jedoch die Szenerie. Der Granit formiert sich zu einer chaotischen Ansammlung von Plateaus, jähen Abgründen und Felshaufen. Schroffe Klippen, die an manchen Stellen bis zu 70 Meter hoch sind, ragen ins Meer. Wer darauf herumklettern möchte, muss sich über die Warntafeln hinwegsetzen, die der Küstenschutz aufgestellt hat. Der französische Staat hat die Pointe du Raz zu einer geschützten Naturzone erklärt und ihr das Label Grand Site de France verpasst, was Besucher noch neugieriger auf die westlichste Landspitze am Finistère, dem westlichsten Departement Frankreichs, werden lässt. Das war schon immer so. Gustave Flaubert fuhr bereits im 19. Jahrhundert durch die damals ursprüngliche Bretagne, ehedem das Armenhaus Frankreichs, und die Pointe du Raz faszinierte auch den berühmten Schriftsteller. Die ersten Eisenbahnverbindungen und die Möglichkeit, mit einem eigenen Auto anzureisen, zumindest für die, die es sich schon leisten konnten, zog Besucherströme an. Erste Hotels wurden hier Mitte des 20. Jahrhundert gebaut und Restaurants mit Panoramaterrassen wagten sich bis fast an die Felsspitze. Die Besucherzahlen stiegen immer weiter und die Heidelandschaft verschwand allmählich unter dem Ansturm. Und heute? Ende der 1990er-Jahren begann die Kehrtwende und der Staat rückte mit der Abrissbirne an. Lediglich ein kleines, flach in die Landschaft eingebettetes Besucherzentrum mit Parkplätzen wurde auf Distanz zum Felsspektakel gebaut. Mit ihm ist sicherlich kein großer architektonischer Wurf gelungen, aber die Vegetation am Kap regeneriert sich wieder. Nur die 1904 aus weißem Carrara-Marmor geschaffene, sechs Meter hohe Marienstatue, »Mutter Gottes der Schiffbrüchigen«, wurde stehengelassen. Sie wendet sich immer noch einem zu ihren Füßen knienden Jungen in Seenot rettend zu. Und selbstverständlich trotzt das Semaphor weiter dem ständig aus Westen fauchendem Wind.
Wenn das Wetter mitspielt, ist die einsame Île de Sein von der Pointe du Raz aus gut zu sehen.
Anwohner müssen hier oft dem Wetter trotzen.
Die raue Schönheit der Pointe de Beuzec hat man oft ganz für sich allein.
Der Küstenwanderweg wird bei Sonnenuntergang zum Erlebnis.
»Hier zu leben ist der Mensch nicht geschaffen: für seine Schwachheit ist die Natur zu stark.«
MAXIME DU CAMP
INSIDERWISSEN
In der Bucht nördlich der Pointe du Raz warten oft Surfer auf die perfekte Welle. Doch der Volksglauben sieht in diesem Strand etwas anderes. In der Baie des Trépassées, der »Bucht der Verstorbenen«, kommen in bestimmten Nächten die Seelen der ertrunkenen Seeleute an Land. Ein Fischer wird zu einem leeren Boot gerufen, das unter der unsichtbaren Last der Verstorbenen schwer im Wasser liegt. Er hat sie nun zur Île des Sein hinüberzufahren, wo die Toten in die Nacht entschwinden und endlich ihre letzte Ruhe finden.
UNVERGESSLICHE ERLEBNISSE
Die Île de Sein liegt weit draußen im Atlantik und ist von der Pointe du Raz aus schemenhaft zu erkennen. Lediglich der große Leuchtturm ragt auf der von nur knapp dreihundert Menschen bewohnten Insel empor. Die einstündige Überfahrt ab Audierne führt in die Einsamkeit, denn wenn der Tagestourismus am Abend wieder aufs Festland zurückgekehrt ist, wird es dort sehr still. Eine Nacht im einzigen Hotel zu verbringen und sich auf den über das Eiland fegenden Wind zu konzentrieren, gehört zu den großen Momenten einer Bretagne-Reise (hotel-armen.net/de).
Die nach Vorbildern aus der Renaissance gestalteten Zier-, Gemüse- und Obstgärten von Schloss Villandry sind das Mekka der Hobbygärtner.
Der Impressionist Claude Monet hat sich hier nicht nur seinen idealen Garten geschaffen, sondern auch seine Motive: Die japanische Brücke, die den Seerosenteich überspannt, Trauerweiden und Blumenbeete erscheinen noch heute, als seien sie seinen Gemälden entsprungen. Die ideale Besuchszeit ist der Frühling (claudemonetgiverny.fr).
Wer Rhododendron und Azaleen liebt, kann sich hier sattsehen. Ein im englischen Arts-and-Crafts-Stil um 1900 erbautes Herrenhaus thront über dem gepflegten zwölf Hektar großen Parkgelände. An den Magnolien spazierten schon Monet, Braque, Rodin, Ravel, Satie oder Picasso vorbei (boisdesmoutiers.com).
Auch wenn dieser außergewöhnliche Park jetzt dem Designer für Luxusschuhwerk Christian Louboutin gehört, verströmt er immer noch den Charme wilder englischer Landschaftsgärten. Die Muschelgrotte oder die brasilianischen Mammutblätter, die sich bis zu einem Flusslauf hinunterziehen, wirken erfrischend exotisch (lesjardinsdekerdalo.com).
So manche Pflanze würde man in der Bretagne nicht erwarten: Libanonzedern, Mandel- oder Granatapfelbäume sind ebenso zu bestaunen wie ein dichter Bambuswald. Rund um das Schloss aus dem 19. Jahrhundert, das heute als Hotel fungiert, säumen Rhododendren, Kamelien und Glyzinien verschlungene Wege (jardinbretagne.com).
Es fällt schwer zu beurteilen, was hier beeindruckender ist: die präzise arrangierten Blumenparterres, die nach italienischen Vorbildern konstruierte Wassertreppe oder die grandiosen Ausblicke auf die Savoyer Bergspitzen in der Ferne. Vor der Kulisse des noch heute in Teilen bewohnten historischen Schlosses möchte man lange unter den blühenden Magnolien sitzen bleiben (chateaudutouvet.com).
Seit 1906 wurden hier die ursprünglichen Renaissancegärten wiederbelebt, die das Schloss Villandry bei seiner Errichtung Ende des 16. Jahrhunderts einst umgaben. Heute ziehen kunstvoll komponierte Gemüse- und Kräuterbeete, die sogenannten Liebesgärten und das Labyrinth mit seinen Buchshecken und Rosenstöcken Gartenliebhaber magisch an (chateauvillandry.fr).
Hoch über den Ufern der Dordogne regiert in den auf einem langen Plateau angelegten Gärten von Marqueyssac der raffiniert in Wellenform geschnittene Buchsbaum. Er rahmt das kleine Schloss und setzt sich auf Terrassen mit mediterraner Bepflanzung fort. Immer wieder staunt der Besucher beim Flanieren über atemberaubende Ausblicke auf die gemächlich dahinfließende Dordogne (marqueyssac.com).
Buchs und Eiben stehen hier hoch im Kurs. In strenge Form geschnitten gehören sie als Pflanzen-Skulpturen zur Geometrie des zehn Hektar großen französischen Gartens. Sieben unerschöpfliche Quellen sorgen zudem für eine plätschernde Kulisse und üppiges Grün (eyrignac.com).
Die vierhundertjährigen Olivenbäume sind hier nicht die Stars, sondern die exotischen Sukkulenten aus Mittelamerika, die Baumfarne aus Neuseeland, die Riesenseerosen oder der Kapokbaum. Tatsächlich gedeiht im Windschatten der Ausläufer der Seealpen Subtropisches so üppig wie sonst nirgends in Frankreich (jardinbotaniquevalrahmehmenton.fr).
Kunst und Kakteen gedeihen prächtig im Jardin exotique d’Èze.
Wie ein Adlernest krönt dieser Garten das Dorf Èze. Zweifellos kommen hier Liebhaber skurriler Euphorbien, Agaven und unzähliger Kakteenarten auf ihre Kosten. Doch der phänomenale Ausblick auf das stahlblaue Mittelmeer und den gezackten Küstenstreifen der Côte d’Azur sorgt für noch mehr Begeisterung (jardinexotique-eze.fr).
Claude Monet ließ einen japanischen Garten anlegen, um ihn zu malen.
In 1.200 Metern Höhe steht ein Wald mit Schwarzkiefern.
Schnell bilden sich hier oben bedrohliche Wolkenformationen.
Die Madonnen-Statue am Col de Bavella wird nach wie vor verehrt.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Auf dem Granitplateau von Levie südlich von Zonza liegt das Castellu di Cucuruzzu, eine Art Festung aus der Bronzezeit. Riesige Steinbrocken wurden hier zu dicken Mauern aufgeschichtet, die sich in die natürlichen Felsformationen zu integrieren scheinen und Kammern bilden. Die Menschen der sogenannten Torre-Kultur schützten sich so vor Eindringlingen.
REISEPLANUNG
Das Felsmassiv lässt sich am besten von Porto Vecchio (über Zonza) mit dem Auto erreichen.
WEBSITE(S)
aiguillesdebavella.fr; portovecchio-tourisme.corsica.de
Der aus der Normandie stammende Schriftsteller Guy de Maupassant drückte seine Faszination für Korsika aus, indem er dem Protagonisten einer seiner Kurzgeschichten 1885 folgenden Satz in den Mund legte: »Stellen Sie sich eine noch im Chaos-Zustand befindliche Welt vor, ein wahres Ungewitter von Bergen, das enge Täler durchschneiden, in denen Waldströme brausen.« Ob er dabei wohl an die Aiguilles de Bavella gedacht haben mag? Diese Felsnadeln (aiguilles) machen ihrem Namen alle Ehre, denn sie recken sich wild zerklüftet bis auf Höhen über 1.600 Metern empor. Egal, aus welcher Himmelsrichtung man zum Pass (col) von Bavella hinauffährt, die Granitkolosse bilden immer eine eindrucksvolle Kulisse mit ihren an einigen Stellen bis zu 900 Metern senkrecht abfallenden Felswänden.
Auf dem Pass in 1.200 Metern trifft man sich. Manch einer stoppt nur kurz, um Fotos von windschiefen Kiefern zu schießen. Oder man begegnet wackeren Wanderern, die auf dem strapaziösen GR20 unterwegs sind, der hier den Pass kreuzt. Einige von ihnen dürften schon länger unterwegs sein und die Nächte in Berghütten (réfuges) verbracht haben. Der knapp 180 Kilometer lange GR20 durch die Bergwelt Korsikas wurde Anfang der 1970er-Jahre angelegt, als der Parc Naturel Régional de Corse, der korsische Naturpark, entstand. Auf den alten Pfaden, die früher Hirten und ihre Herden nutzten, sind heute Jahr für Jahr bis zu 20.000 Wanderer unterwegs, die sich leider oft überschätzen. Ein Bad in den unzähligen Gumpen, den von Gebirgsbächen ausgewaschenen Pools wie im Pulischellu-Canyon (D268), ist da harmloser und vor allem erholsamer.
INSIDERWISSEN
Die Schutzpatronin des Gebirgsmassivs von Bavella thront in strahlendem Weiß auf der Spitze eines Steinhügels neben der Straße. Seit 1953 wandern jedes Jahr am 5. August Hunderte Gläubige von Zonza aus zur Notre-Dame des Neiges. Nachdem die Pilger Kerzen und Votivgaben abgelegt haben, belohnt sie ein großes Picknick im Schatten der Pinien für ihre Anstrengungen.
Am Strand von Ploumanac’h lässt sich bei Ebbe das kleine Oratorium des Saint-Guirec (rechts am Bildrand) leichter erreichen.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Einer der sonderbarsten Menhire der Bretagne lässt sich an der Route du Menhir in Penvern (Abzweig von der D21) entdecken. Der etwa 80 Tonnen schwere Menhir de St-Uzec ragt am Straßenrand fünf Meter in die Höhe. Seine Spitze wurde im 17. Jahrhundert abgeflacht und mit einem Kruzifix aus Stein bekrönt. Hinzu kamen noch flache Reliefs mit Szenen der Passion Christi, die aus der Vorderseite herausgemeißelt wurden. Ein Jesuitenpriester hatte hiermit die »Christianisierung« des 4.500 Jahre alten Granitkolosses im Sinn. Heidnische Bräuche, die im Volksglauben eng mit dem enigmatischen Menhir verbunden waren, sollten so unterbunden werden.
REISEPLANUNG
Parkplätze stehen in Ploumanac’h nur begrenzt zur Verfügung. Es empfiehlt sich, das Auto bereits auf dem Parking du Sémaphore an der D788 abzustellen. Von hier aus dauert der Spaziergang nach Ploumanac’h durch das eindrucksvolle Felsenchaos entlang des berühmten Küstenpfads etwa eine halbe Stunde.
WEBSITE(S)
perros-guirec.com
Über einige Jahre lief im französischen Fernsehen eine Sendung, in der sich Dörfer einem breiteren Publikum vorstellen konnten, um durch Abstimmung zur beliebtesten Gemeinde gewählt zu werden. Warum es Ploumanac’h überhaupt nötig hatte, sich zu präsentieren, bleibt ein Rätsel, denn der Ort ist schon lange bekannt für seine rosafarbene Granitküste. Aber er wurde 2015 tatsächlich zum Village préféré des Français, dem »Lieblingsdorf der Franzosen«, gewählt. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten. Heute zieht er jährlich fast eine Million Besucher in seinen Bann.
Riesige und ungewöhnlich geformte Granitkolosse liegen wirr durcheinandergewürfelt am Ufer, türmen sich aber auch bis ins Meer hinaus auf. Ein Abschnitt des bretonischen Küstenwanderwegs GR34 läuft mitten hindurch. Er nennt sich Sentier des Douaniers, »Zöllnerweg», weil hier einst Piraten und Schmuggler auf frischer Tat ertappt werden konnten, vor allem zur Zeit der Kontinentalsperre zwischen 1806 und 1813, als Napoleon den Engländern das Exportgeschäft mit dem Festland vermiesen wollte. Heute hingegen schlendert man durch das Felsenchaos und lässt die Fantasie spielen. Ähnelt dort nicht ein Granitbrocken dem Hut von Napoleon? Verliert nicht um die nächste Kurve eine umgedrehte »Flasche« aus Granit bald ihr Gleichgewicht? Und hat die Natur hier nicht eine überdimensionierte »Krabbenschere« und dort eine »Krone« und daneben eine »Malerpalette« geformt? Mehrere geologische Phänomene sind hierfür verantwortlich. Die mineralische Zusammensetzung des grobkörnigen Granits sorgt für seine rosa Färbung. Bis die bizarren Verformungen ihr heutiges Erscheinungsbild erhielten, dauerte es circa 300 Millionen Jahre. Die Erosion half nach. Es entstand, was Wollsackverwitterung genannt wird. Der magmatische Granit erstarrte sehr langsam unter der Erde und bildete Trennflächen aus, an denen dann, einmal an die Oberfläche gelangt, die Verwitterung loslegen konnte. Blöcke (eben jene »Wollsäcke«) bildeten sich heraus, ihre Ecken und Kanten schliffen Wind und Wetter zu abgerundeten Formen. An einigen Stellen ging es so weit, dass richtige Wackelsteine entstanden, die ihr Gewicht auszubalancieren scheinen.
Im Abendlicht oder nach einem Regenguss tritt die Färbung des Granits noch deutlicher hervor. Am Leuchtturm glaubt man sich mittendrin im skurrilen Felsenchaos der rosa Granitküste.
Nur wenige Häuser rücken an die naturgeschützte Granitküste mit ihren imposanten Felsgebilden heran, gilt hier heute doch Bauverbot.
Für erfahrene Mountainbiker lassen sich die steinigen Wege gut bewältigen.
Das Château de Costaérès thront, hinter Zedern verborgen, auf einer kleinen Insel.
In Sichtweite des Strands liegt auf einer winzigen Insel das Château de Costaérès. Sein Erbauer, der polnische Mathematiker Bruno Abakanowicz, hatte sich 1896 mit diesem Herrenhaus den Traum von einer mittelalterlichen Burg erfüllt. Emigrierte polnische Intellektuelle gaben sich hier die Klinke in die Hand. Unter ihnen war auch der Literatur-Nobelpreisträger von 1905, Henryk Sienkiewicz, der 1896 mit seinem historischen Roman Quo vadis? Weltruhm erlangte. Fotografieren aus der Entfernung ist erlaubt, dagegen dürfte auch der aktuelle Schlossherr, der Kabarettist und Schauspieler Dieter Hallervorden, nichts einzuwenden haben.
»Da ist es nun, dieses berühmte Feld von Carnac, über das mehr Dummheiten geschrieben wurden, als es Kiesel gibt.«
GUSTAVE FLAUBERT
INSIDERWISSEN
Nur bei Ebbe ist das kleine steinerne Oratorium aus dem 12. Jahrhundert am Strand von Ploumanac’h zugänglich. Unter einem aus rosa Granitstein geformten Bogen steht in einer Nische die Statue des Heiligen Guirec im Bischofsgewand. Ursprünglich war die Figur aus Holz geschnitzt, jedoch sie hat sehr unter einem alten Brauch gelitten. Unverheiratete junge Frauen stachen Kiefernnadeln in die Nase des Heiligen und wenn die Nadel nach dem Ende der Flut immer noch steckte, bedeutete dies, dass ihr Heiratswunsch noch vor Ende des Jahres in Erfüllung geht.
UNVERGESSLICHE ERLEBNISSE
Vor der rosa Granitküste liegt eine Reihe von sieben Felseninseln (Archipel des Sept-Îles), von denen sechs nicht betreten werden dürfen, da sie zu einem Naturschutzgebiet gehören. Jedoch fahren Ausflugsschiffe vom Strand von Trestraou ganz nah an die Inseln heran und Tausende von Basstölpeln, Papageientauchern, Kormoranen und Lummen können beobachtet werden. Abgerundet wird das Erlebnis, wenn sich auch die hier heimischen Kegelrobben auf den Felsen räkeln (armor-navigation.bzh).
Gleich zwei Stars unter den Fotomotiven sind auf dem Plateau von Valensole vertreten: die Sonnenblumen und der Lavendel.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Es gibt einige Gründe, um das Bergdorf Moustiers-Sainte-Marie zu besuchen, durch seine schmalen Gassen zu schlendern und dem Rauschen des Riou zu lauschen, dessen Wasser in Ortsnähe herabstürzen. Die meisten Menschen kommen, um eine zwischen den Felsmassiven hängende Eisenkette zu sehen, an der zu Ehren Mariens ein vergoldeter Stern baumelt.
REISEPLANUNG
Die Blüte des Echten Lavendels reicht von Juni bis Mitte Juli.
WEBSITE(S)
valensole.fr
Bis zum Horizont erstrecken sich die blauvioletten Blüten, stramm in Reihen stehend, darüber spannt sich der blaue Himmel, gesprenkelt mit einigen weißen Wolkentupfen, und am Horizont steht der majestätische Mont Ventoux – eine solche Sehnsuchtslandschaft wird gern in den Werbebroschüren für die Provence abgebildet. Und es ist verblüffend, aber die Prospekte lügen nicht. Oder bloß ein kleines bisschen, denn der Star der Provence, der Lavendel, zeigt sich nur für wenige Wochen in den Monaten Juni und Juli in seiner vollen Pracht. Wer genau zu dieser Zeit unterwegs ist, der sollte auf das Plateau von Valensole fahren, das sich östlich der Durance und westlich der großen Verdon-Schlucht leicht gewellt auf durchschnittlich 500 bis 700 Metern Höhe erstreckt. In seiner Mitte liegt Valensole, ein typisch provençalisches Dorf auf einer Anhöhe, überragt von seiner Kirche.
Der bis zu 60 Zentimeter hohe Lavendel liebt das Klima in Höhen über 600 Metern. Hier bildet er blauviolette Blüten an einer einzigen Ähre aus, die sich zu Tausenden aus schnurgeraden Erdhügeln der Sonne entgegenstrecken. Um sie reißen sich die Fotografen und lassen sich vom schönen Schein ebenso betören wie vom Duft, den der Lavendel verströmt. Ihn schätzten schon die Römer und parfümierten ihre Bäder mit den Lippenblütlern. Das Wort »Lavendel» leitet sich vom lateinischen lavare, »waschen«, ab. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden die Pflanzen geregelt angebaut und die Parfümindustrie setzt seither auf die aus ihm gewonnene Essenz. Die Lavendel-Anwendung ist vielfältig: Wer seiner Brioche etwas Gutes tun will, bestreicht sie mit Lavendel-Honig, der neben den Lavendel-Säckchen auf dem großen Wochenmarkt in Valensole am Samstag immer im Angebot ist.
UNVERGESSLICHE ERLEBNISSE
Südlich des Dorfs Quinson verengt sich der Verdon zu einer engen Schlucht. An der Stelle, an der die D13 den Fluss überquert, beginnt ein rot-weiß markierter Wanderweg (GR99). Er verläuft westlich in die malerische Schlucht hinein und folgt ihr zum Teil in den Felsen gehauen und von eisernen Brüstungen und Handläufen gesäumt. Das türkisfarbene Wasser wirft Reflexe auf die hoch aufragenden Wände und nach knapp einer Stunde erklimmt der Weg ein Plateau mit einer Kapelle.
Die Wahrscheinlichkeit, auf blühenden Lavendel zu treffen, ist bei Valensole am höchsten – vorausgesetzt, man ist noch vor der Lavendel-Ernte ab Mitte Juli zur Stelle.
Im Dorf Fontaine-de-Vaucluse, unweit der Sorgue-Quelle, dreht sich alles ums Wasser.
Im Garten des Petrarca-Museums stehen uralte Platanen.
Im Sommer tritt nur wenig Wasser aus dem Quelltopf der Sorgue aus.
REISETIPPS
SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NÄHE
Wie eine Insel im Fluss Sorgue liegt, so umschreibt es auch der Name, der hübsche Ort L’Isle-sur-la-Sorgue mit seiner kleinen Altstadt. Berühmt sind die Märkte an seinen Ufern. Donnerstags und sonntags lockt der Wochenmarkt. Am ersten Sonntag im August werden beim marché flottant, dem »schwimmenden Markt«, Gemüse und Obst von den flachen Booten, den negochins, aus angeboten. Aber noch bekannter ist der Trödelmarkt, der ebenfalls an Sonntagen stattfindet und die Ufer der Sorgue säumt. Zudem ist die Dichte an Antiquitätengeschäften in L’Isle-sur-la-Sorgue weit über die Grenzen des Orts hinaus bekannt.
REISEPLANUNG
Die Menge an Wasser, die aus der Quelle aufsteigt, ändert sich von Jahr zu Jahr. Die Monate Januar bis Mai bringen die eindrucksvollsten Wassermengen hervor. Fast eine Million Besucher kommen pro Jahr, doch können sie sich seit 2024 nur noch bis auf etwa 50 Meter dem Quelltopf nähern, da Steinschlag befürchtet wird.
WEBSITE(S)
islesurlasorguetourisme.com
Zweifellos ist sie bereits seit der Antike bekannt, die Quelle (fontaine) am Ende eines verschlossenen Tals, dem vallis clausa, wie es auf Lateinisch heißt. Im Französischen wurde daraus Vaucluse, das dem Ortsnamen heute angehängt ist zu Fontaine-de-Vaucluse. Seit Jahrmillionen treten hier um die 22 Kubikmeter Wasser pro Sekunde (!) aus und speisen den Fluss Sorgue. Diese enorme Wassermenge katapultiert die Fontaine-de-Vaucluse auf Platz 1 in Frankreich und auf den 5. Rang weltweit.