In der Tiefe - Michael Grumley - E-Book

In der Tiefe E-Book

Michael Grumley

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Beschreibung

Die Meeresbiologin Alison Shaw hat mit ihrem Team einen unglaublichen wissenschaftlichen Durchbruch erzielt: Tiere mit menschlicher Intelligenz sind kein Märchen mehr. Sie will weiterforschen, doch dann taucht in Südamerika ein lange verschollen geglaubtes russisches U-Boot auf. Welches Geheimnis hat es vom Meeresgrund geborgen? Die Navy schickt ihre Sonderermittler John Clay und Steve Cesare, um Licht ins Dunkel zu bringen. Schon bald stoßen die beiden auf erste Ungereimtheiten, die sie nur mit Alisons Hilfe lösen können. Eine atemberaubende Jagd quer über den Globus beginnt.

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Seitenzahl: 628

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Das Buch

Eigentlich läuft alles rund für Meeresbiologin Alison Shaw: Sie und ihr Team haben mit einem speziellen Computerprogramm die Sprache der Delfine entschlüsselt und können nun dank neuer Fördergelder ihre Forschung auf andere Tierarten ausweiten. Und mit FBI-Sonderermittler John Clay gibt es auch endlich wieder einen Mann in ihrem Leben. Doch mit der Ruhe ist es schnell vorbei, als Clay zusammen mit seinem Kollegen Steve Caesare nach Brasilien geschickt wird. Dort wurde die Forel geborgen, ein russisches U-Boot der November-Klasse – das es offiziell gar nicht geben dürfte. Clay und Caesare finden heraus, dass die Forel eine chinesische Korvette beobachtet hat, die seit einiger Zeit in Guayana vor Anker liegt und die in eine mysteriöse Geheimaktion verwickelt zu sein scheint. Schnell ist den beiden FBI-Agenten klar, dass sie die Hilfe von Alison und ihren Delfinen benötigen, wenn sie das Geheimnis um die Forel lösen wollen. Doch die Antworten, die sie auf ihre Fragen bekommen, haben die Macht, das Schicksal aller Lebewesen auf dem Planeten für immer zu verändern …

Die Breakthrough-Reihe:

Erster Roman: Breakthrough

Zweiter Roman: In der Tiefe

Dritter Roman: Am Abgrund

Der Autor

Michael Grumley arbeitet in der Informationstechnologie, doch seine große Leidenschaft gehörte schon immer der Literatur. Seit Jahren träumte er davon, selbst einmal einen Roman zu schreiben, der eine einzigartige Geschichte erzählt. Mit seiner Breakthrough-Serie hat er sich diesen Traum erfüllt. Der Autor lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Kalifornien.

Mehr über Michael Grumley und seine Romane erfahren Sie auf:

MICHAEL GRUMLEY

IN

DER

TIEFE

SCIENCE-THRILLER

Aus dem Amerikanischen übersetzt

von Wally Anker

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Titel der amerikanischen OriginalausgabeLEAP

Deutsche Erstausgabe 03/2018

Redaktion: Elisabeth Bösl

Copyright © 2014 by Michael Grumley

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe by >Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Covergestaltung: Das Illustrat GbR, München, >unter Verwendung eines Motivs von Poprotskiy Alexey/Shutterstock

Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

ISBN 978-3-641-21339-8V002

www.diezukunft.de

Für Andrea. Meine Ehefrau und Partnerin

in allem, inklusive dem Schreiben.

Wenn meine Leser nur wüssten,

wie meine Geschichten aussehen,

ehe sie ein Auge darauf geworfen hat.

1

»Du solltest besser mal hier runterkommen. Wir haben Gesellschaft.«

Sie hatte die Augen weit aufgerissen und hielt den Telefonhörer noch immer fest in der Hand. Rasch legte sie ihn auf, sprang aufgeregt von ihrem Stuhl, eilte um den Schreibtisch und lief auf die Tür zu. Hastig riss sie an der Klinke und sprintete dann den mit Teppich ausgelegten Korridor entlang. Als sie zu der breiten Treppe kam, sprang sie die Stufen hinab, so schnell es ihr möglich war, ohne ins Stolpern zu geraten.

Der Grundriss des neuen Gebäudes war dem des alten sehr ähnlich, aber die Klimaanlage lief bei der in Puerto Rico herrschenden brutalen Luftfeuchtigkeit durchgehend auf Hochtouren. Als sie es bis zu der großen Doppeltür geschafft hatte, verspürte sie ein ihr wohlbekanntes Gefühl: Ihr ganzer Körper war schweißgebadet. Sie senkte den Kopf und lehnte ihr Gewicht gegen die Tür, um sie aufzudrücken.

Kaum war sie durch den Rahmen getreten, ertönte die ihr bekannte Computerstimme. Hallo, Alison.

Alison lächelte über das ganze Gesicht in Richtung des gigantischen Salzwasserbeckens. »Hallo, Sally«, gab sie zurück und schnappte noch immer nach Luft. »Da bist du ja wieder.«

Sally schlug vergnügt mit der Schwanzflosse. Wir wieder da.

Alison hob eine Augenbraue und suchte den Rest des blauen Beckens ab. »Und wo ist Dirk?«

Noch ehe Sally antworten konnte, stürzte Dirk mit einem lauten Platschen in das Becken und vollführte eine Fassrolle, als er an Sally vorbeischoss.

Alison musste laut auflachen. Er liebte spektakuläre Auftritte. Natürlich würden sie den Teil des Beckens früher oder später ändern müssen, der ihm diese Aktion ermöglicht hatte.

Dirk tauchte bis zum Boden ab und schwamm ein wenig umher, ehe er neben Sally zur Ruhe kam. Hallo, Alison. Hallo, Chris.

Alison grinste und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Hallo, Dirk.«

Wir glücklich, dich zu sehen.

»Und wir sind genauso glücklich, euch zu sehen.« Chris Ramirez stellte sich neben Alison vor das Becken, wie immer mit einem Kaffeebecher in der Hand. Wie er es schaffte, bei dieser Affenhitze den ganzen Tag über einen Kaffee nach dem anderen in sich hineinzuschütten, überstieg Alisons Vorstellungsvermögen.

Ihre neue Einrichtung war zwar kleiner als das Aquarium in Miami, aber es handelte sich ja auch ausschließlich um ein Forschungszentrum, sodass sie nicht ständig vom Laufpublikum unterbrochen wurden. Das Gebäude diente früher einmal als Dosenfabrik, wurde aber umfunktioniert und erweitert und beherbergte jetzt ein großes Becken mit Innen- und Außenbereich samt einer Anbindung ans Meer für Dirk und Sally. Jetzt konnten sie kommen und gehen, wie es ihnen beliebte. Gitterstäbe gehörten der Vergangenheit an.

Es war natürlich das Mindeste, was sie und ihr Team nach all den Strapazen, die den Delfinen in den Tiefen widerfahren waren, hatten tun können. Und genau wie Sally und Dirk es versprochen hatten, kehrten die beiden in regelmäßigen Abständen immer wieder zurück. Es half natürlich, dass Dirk bei jedem Besuch wie ein König gefüttert wurde.

Entlang der gegenüberliegenden Wand hinter Alison und Chris waren unzählige Server aufgereiht. Hunderte von Leuchtdioden blitzten in unregelmäßigen Abständen auf. Bei ISIS – das Kunstwort stand für Inter-Spezies-Interpretations-System – handelte es sich noch immer um das gleiche Programm, das die Kommunikation mit Sally und Dirk ermöglicht hatte. Jetzt aber war das System doppelt so leistungsfähig wie zuvor. Nachdem Alison und ihr Team nach Puerto Rico gezogen und somit näher an die Plätze gerückt waren, an denen die Delfine ihre Jungen gebaren und aufzogen, wurde es maßgeblich erweitert und aufgerüstet. Die ehemalige Rechenleistung erschien verglichen mit der jetzigen eher mickrig. Lee Kenwood, Leiter der IT-Abteilung, geriet allein bei dem Gedanken daran schon in Ekstase, und Alison und Chris witzelten, dass Lee den IT-lern von der NASA zeigen wollte, was Sache war.

Alison verstand die ganzen Zahlen und Spezifikationen des neuen Systems zwar nicht, wusste aber, dass es irgendetwas mit Teraflops zu tun hatte, von denen Lee stets schwärmte. Für sie war es lediglich größer und schneller. Und obwohl die Kapazitäten des Systems jetzt doppelt so groß wie vorher waren, behauptete Lee, dass es die achtfache Rechenleistung besaß. Die Daten, die in den Anfangstagen in vierundzwanzig Stunden verarbeitet werden konnten, wurden mittlerweile in nur zwei Stunden abgearbeitet.

Sally schwamm zum Unterwassermikrofon. Wie geht es dir, Alison?

»Es geht mir sehr gut«, antwortete sie und lächelte. »Und wie geht es dir?«

Wir gut. Ihr jetzt fertig?

»Nein, noch nicht, aber bald.«

Chris neben ihr strahlte vor sich hin und nippte an seinem Kaffee. »Tja, wir sollten demnächst einige Telefonanrufe tätigen.«

»Wo du recht hast, hast du recht.«

Jetzt essen.

Alison warf einen Blick auf den aufgeregten Dirk, der wie wild mit der Schwanzflosse auf und ab schlug. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte entschieden den Kopf.

Wenn man ihren ersten Erfolg als wissenschaftlichen Durchbruch bezeichnen konnte, dann war das, was sie jetzt erzielt hatten, ein wahrer Quantensprung.

2

»Die Wiege der Marineflieger«, so lautete der inoffizielle Name des Marinefliegerstützpunktes in der Nähe von Pensacola, Florida. Das war er jedenfalls früher einmal gewesen, zumindest bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Heutzutage aber war er eher dafür bekannt, dass jeder Pilot der Navy, Marine und Küstenwache sowie alle Navigatoren ihr Training dort absolvierten. Er diente auch als Basis für die Blue Angels, der berühmten Kunstfliegerschwadron der Navy.

Auf über dreißig Quadratkilometern beschäftigte die Naval Air Station Pensacola dreiundzwanzigtausend Soldaten und siebentausendvierhundert Zivilisten. Es war demnach nicht überraschend, dass es sich hier nicht nur um eines der größten Testzentren der Navy, sondern auch um einen Knotenpunkt der Hightech-Marineforschung handelte.

Gleichzeitig war der Stützpunkt für die Commanders John Clay und Steve Caesare, beide von der Abteilung für Naval Investigations, während der letzten zwei Wochen zur Heimat geworden.

Die beiden Männer marschierten entschlossen den langen, blank geputzten Korridor im dritten Stock des Naval-Education-and-Training-Command-Gebäudes hinunter. Am Ende erwartete sie eine große weiße Tür. John Clay klopfte an, woraufhin sie von innen geöffnet wurde. Beim Eintreten sahen sie den Kommandeur des NETC, Rear Admiral David Einhorn, der hinter seinem Schreibtisch thronte. Der Master Chief Petty Officer stand neben ihm. Sie unterbrachen ihre Unterredung und blickten erwartungsvoll auf, als Clay und Caesare sich vor ihnen aufstellten. Beinahe unmerklich verließ der Lieutenant, der ihnen die Tür geöffnet hatte, den Raum und schloss sie hinter sich.

Einhorn nickte. »Meine Herren. Wie ich höre, haben Sie etwas für mich.«

»Ja, Sir«, gab Clay zurück. Sie näherten sich dem Schreibtisch, und Clay machte einen zusätzlichen Schritt nach vorn und reichte dem Konteradmiral einen dünnen Umschlag. »Wir haben die Ermittlung abgeschlossen. Hier ist der unterschriebene Bericht.«

Einhorn nahm ihn entgegen, öffnete den Umschlag und ließ den Blick über die erste Seite schweifen. »Ein Stromausfall? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

Clay schüttelte den Kopf. »Nein, Sir.«

»Wie zum Teufel soll ein Stromausfall eine Drohne dazu bringen, außer Kontrolle zu geraten?«

Sie hatten mit einer solchen Reaktion gerechnet, insbesondere von Einhorn. Schließlich hatten sie den Bericht schon vor einer halben Stunde auf die Intranet-Server der Navy hochgeladen und Kopien sowohl an Einhorn als auch an ihren eigenen Chef, Admiral Langford, geschickt. Das Überbringen des gedruckten Berichts war eine reine Formalität. Einhorns Verhalten gab ihnen zu bedeuten, dass er sich den Inhalt der E-Mail bereits zu Gemüte geführt hatte.

Es war so oder so nicht seine Idee gewesen, Clay und Caesare hinzuzuziehen. Das Versagen der Drohne war purer Zufall gewesen. So lautete zumindest seine Meinung und somit auch die seines gesamten Personals. Trotzdem konnte er den Zwischenfall nicht ungeschehen machen. Der verantwortliche Pilot hatte für einen Zeitraum von zwölf Sekunden Kontakt mit der neuen Drohne verloren. Das schien auf den ersten Blick nicht weiter schlimm, insbesondere da der Kontakt erfolgreich wiederhergestellt werden konnte, aber eine Untersuchung war trotzdem vonnöten. Grund dafür war nicht, dass die Navy sich über die Sicherheit der Verbindung Sorgen machte, sondern vielmehr darüber, was innerhalb dieser zwölf Sekunden alles hätte passiert sein können.

Einige Jahre zuvor war eine MQ-1 Predator Drohne im Iran gekapert worden, indem die Satellitenverbindung zu dem verantwortlichen Piloten in Arizona unterbrochen worden war. Noch schlimmer war, dass der Iran die Drohne gar nicht erst hatte hacken, sondern die Verbindung nur lange genug hatte unterbrechen müssen, dass die Drohne auf Notbetrieb umschaltete und einfach landete. Das war ein Bug in der Software gewesen, ein einfacher Fehler.

Nichtsdestotrotz gefiel es dem Pentagon ganz und gar nicht, dass die Welt vorm Fernseher saß und zuschauen konnte, wie iranische Soldaten auf einer vier Millionen Dollar teuren Geheimwaffe der Vereinigten Staaten herumtanzten. Das war eine Panne, die sich nicht wiederholen durfte.

Clay räusperte sich und antwortete Einhorn: »Nun, Sir, der Fehler wurde durch eine Leistungsschwankung auf einer der Hauptplatinen der Drohne ausgelöst. Genauer gesagt, es handelte sich um jene, die auch für die Steuerung, den Empfänger und die Antennen zuständig ist. Wir glauben, dass das Fehlverhalten an einem Designfehler in der Hardware liegt. Wir konnten ihn wiederholt reproduzieren.«

Einhorn ließ das Schreiben vor sich auf den Schreibtisch fallen und lehnte sich zurück. Er war offensichtlich verstimmt. »Wurde sie nun gehackt oder nicht?«

»Nein, Sir.«

»Habe ich es doch gewusst!« Der Rear Admiral spuckte die Worte förmlich aus. »Ich sagte denen schon, dass wir Sie für nichts und wieder nichts hierherbestellt haben.«

Clay und Caesare tauschten einen raschen Blick aus. »Nun«, begann Caesare, »das soll wiederum nicht heißen, dass die Drohne nicht grundsätzlich hackbar ist … Sir.«

Einhorn runzelte die Stirn und starrte seinem Gegenüber in die Augen. Er hatte weder für den einen noch den anderen viel übrig. Er musste eine Basis führen, eine der wichtigsten Stützpunkte der gesamten Navy, und er konnte es nicht ausstehen, wenn irgendwelche Mitglieder von Untersuchungskommissionen ihre Nase überall hineinsteckten. Aber auch wenn Einhorn nicht glücklich darüber war, so neigte er keinesfalls dazu, unüberlegt zu handeln.

Niemand wusste wie, aber er hatte herausgefunden, dass die beiden Männer vor ihm Admiral Langford Rede und Antwort standen – dem neuen Vorsitzenden des Generalstabs des Präsidenten. Er hatte die Position von General Griffith übernommen, dem derzeitigen Nationalen Sicherheitsberater, nachdem der Posten unerwartet frei geworden war. Der Präsident hörte auf Langford, und Einhorn hütete sich davor, ihn zu verstimmen.

»Wie lauten also Ihre Empfehlungen?«, wollte Einhorn wissen. Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Clay achtete nicht auf seinen Ton. »Eine ausführliche Analyse, die eine Prüfung sowohl des Hardware-Designs als auch der Software der Drohne beinhaltet.«

»Und wie lange soll das dauern?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir. Es kommt ganz auf die verfügbaren Ressourcen an.« Clay wusste, dass Einhorn nicht glücklich sein würde, ganz gleich wie seine Antwort lautete. Also ging er gar nicht weiter darauf ein.

Einhorn grunzte und schnappte sich erneut den Bericht. »Nun gut, ich gehe davon aus, dass Langford uns davon unterrichten wird, wie wir weiter vorzugehen haben. Das war dann wohl alles, meine Herren. Vielen Dank für Ihre Arbeit.«

Clay und Caesare nickten kurz und drehten sich um. Sie gingen zur Tür zurück und verließen wortlos Einhorns Büro.

Nachdem Caesare die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, warf er Clay einen Blick zu. »Habe ich mich jemals darüber beschwert, wie undankbar unser Job ist?«

»Beinahe jede Woche«, konterte Clay und konnte sich kaum ein Lächeln verkneifen. Er wartete, bis Caesare zu ihm aufgeschlossen hatte, als sein Telefon klingelte. Er hielt inne, holte es aus der Tasche und schaute auf das Display. »Das ist Langford.«

Er nahm den Anruf an und hob das Handy ans Ohr. »Clay hier.« Nach einer langen Pause sagte er einfach: »Ja, Sir.«

Caesare hob fragend die Augenbrauen. »Das hat ja nicht lange gedauert.«

»Wir brauchen ein Konferenzzimmer.«

Wenn er ganz ehrlich war, wollte Langford nie den Posten als Vorsitzenden des Generalstabs. Letztendlich aber war er nur ein Angestellter und tat, was der Präsident befahl. Außerdem war er sich nicht sicher, wer sonst dazu berufen worden wäre, hätte er abgelehnt. Auch wenn er anfangs seine Zweifel gehabt hatte, vertrat er jetzt die Meinung, dass Carr sowohl die Kraft als auch das Gewissen besaß, einen guten Präsidenten abzugeben, und auf mehr konnte man als Admiral nicht hoffen.

Langfords wettergegerbtes Gesicht erschien auf dem Bildschirm vor Clay und Caesare. »Ich bin Ihren Bericht über die Drohne durchgegangen. Haben Sie bereits mit Einhorn gesprochen?«

»Ja, Sir.« Clay nickte. »Wir haben soeben die ausgedruckte Version abgegeben.«

»Und wie hat er reagiert?«

Caesare lächelte. »Es war ihm augenscheinlich eine große Freude.«

»Was zu erwarten war.« Langford wusste nicht, ob er seufzen oder die Augen rollen sollte. »Na, so lange er Sie nicht hochkant aus dem Büro geworfen hat, können wir es als Erfolg verbuchen. Sie haben wahrscheinlich erahnen können, dass er nicht zur eingeschworenen Fangemeinde von Investigations gehört?«

»Dank unserer feinen Spürnasen, ja.«

»Sehr gut«, fuhr Langford fort und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich bin mir sicher, dass ich schon bald von ihm hören werde.« Er wandte sich wieder zur Kamera. »In der Zwischenzeit organisiere ich ein Flugzeug für Sie. Ihr nächster Einsatz ist eher dringender Natur.«

»Wohin geht es denn diesmal?«

»Brasilien. Wir haben dort ein ungewöhnliches Problem. Eine Art Überraschung.«

»Ich hasse Überraschungen«, scherzte Caesare.

Clay warf ihm einen Blick zu. »Das ist wahr, Sir. Seine zweite Ehe bestand größtenteils aus Überraschungen.«

Langford zuckte bei dem Witz unweigerlich mit dem Mund. »Entspannen Sie sich. Es handelt sich hier nicht um eine Verlobung. Vielmehr scheint es, als ob wir stolze Besitzer eines neuen U-Boots seien.«

Clay und Caesare starrten voller Erwartung auf den Bildschirm.

»Gestern Nacht fing die brasilianische Marine ein U-Boot vor der Küste Französisch-Guyanas ab. Es ist russisch. November-Klasse.«

Die Mienen seiner virtuellen Gegenüber veränderten sich von neugierig zu verwirrt. »November-Klasse? Ich dachte, die wären schon längst außer Dienst gestellt.«

»Wir auch.« Der Admiral beugte sich vor und legte die Ellenbogen auf den Tisch. »Es scheint aber ganz so, als ob dieses eine noch munter auf den Sieben Weltmeeren unterwegs ist. Vor drei Tagen erschien es zuerst auf dem Radar, woraufhin ein brasilianisches Tikuna entsandt wurde.«

»Und die haben es abgefangen?«, fragte Clay ungläubig. Es war kein leichtes Unterfangen für ein U-Boot, ein anderes unter Kontrolle zu bekommen.

Langford lächelte. Er las in Clays Gesicht wie in einem Buch. »Nun, sie haben um ein wenig Hilfe gebeten. Wir stellten zwei unserer Boote ab, die dem Tikuna folgten. Inoffiziell natürlich.«

»Und was hat ein November in brasilianischem Hoheitsgebiet verloren?«, wollte Caesare wissen. »So ein altes Ding hat auf Patrouille nichts mehr zu suchen.«

»Stimmt, da haben Sie recht. Leider haben wir den Grund noch nicht herausgefunden. Die Besatzung ist nicht besonders mitteilsam. Keiner der siebenundzwanzig.«

»Siebenundzwanzig?«

»Minimalbesatzung«, klärte Langford sie auf.

»Offensichtlich.«

»Was haben die Russen dazu zu sagen?«

»Wir haben sie noch nicht gefragt«, gab Langford mit einem Lächeln zurück.

»Sie wollen doch nicht etwa, dass wir uns mit der Mannschaft unterhalten, Sir?«

»Nein. Ich möchte, dass Sie sich vor Ort begeben und das U-Boot unter die Lupe nehmen. Die Fotos in unserem Besitz suggerieren, dass sich etwas Wichtiges an Bord befindet, und wir wollen unbedingt herausfinden, worum es sich handelt.«

3

Lee Kenwood war von dem neuen Labor sehr angetan. Endlich war er in der Lage, ihre Systeme vom Beobachtungsbereich zu trennen, was ihm die dringend erforderliche Ellenbogenfreiheit verlieh, um an der Hardware für ihr nächstes Projekt zu basteln. Es sollte allererste Sahne werden.

Er schätzte die zusätzliche Hilfe von Juan Diaz, einem puerto-ricanischen Informatik-Ingenieur, der erst vor wenigen Jahren sein Studium beendet hatte. Er war schnell und hatte eine messerscharfe Auffassungsgabe.

Als Alison eintrat, blickten Lee und Juan von dem großen Tisch auf, an dem sie standen. Das laute Grölen einer Kinderschar drang durch die geöffnete Tür an ihre Ohren.

»Hi, Ali«, begrüßten die beiden sie gleichzeitig. Lee gab etwas auf seiner Tastatur ein und überprüfte das Resultat auf dem Monitor. Juan hielt einen großen Ausrüstungsgegenstand vorsichtig in den Händen, von dem ein dünnes Computerkabel baumelte.

»Hallo«, gab Alison zurück, schloss die Tür hinter sich und durchquerte den Raum. »Und? Wie sieht es bei euch aus?«

»Gar nicht schlecht. Das meiste ist schon hochgeladen und getestet. Wenn das so weiterläuft, sollten wir Donnerstagmorgen fertig sein.«

Er blickte vom Monitor auf. »Ich nehme an, dass Dirk und Sally wieder zurück sind?«

»Und wer hat dir das verraten?«

»Das klingt wie in einem Zoo dort draußen.«

Der »Zoo« bestand aus ungefähr vierzig vor Begeisterung brüllenden Kindern. Als Alison und ihr Team nach Puerto Rico gezogen waren, wurden sie aus irgendeinem unerklärlichen Grund ein großer Hit für die Presse vor Ort. Es dauerte nicht lange, ehe sie eine Art VIP-Status innehatten. Vor einigen Monaten hatte ihr Team die sensationellen Ergebnisse des ISIS-Übersetzungssystems anhand einer Demonstration in Anwesenheit einiger Journalisten vorgeführt. Es hätte sie eigentlich nicht überraschen sollen, dass die Schlagzeilen um die ganze Welt gegangen waren, sodass Menschen aus aller Herren Länder sie besuchten, um das Unglaubliche mit eigenen Augen sehen zu können. Ihre Kommunikation mit den Delfinen wurde von diversen Magazinen einem Wunder gleichgestellt, das vielleicht einmal in einem Menschenleben auftrat. Für die nächsten zwei Monate wurden sie und ihr Team von Hunderten von Fernsehsendungen und Radiosendern zu Interviews eingeladen. Natürlich stellte es sich als überwältigend heraus, bildete aber eine willkommene Abwechslung nach all dem, was sie und ihr Team hatten mitmachen müssen. Letztendlich aber schien der Ansturm und die Aufmerksamkeit überhaupt nicht mehr nachlassen zu wollen, sodass ihr Umzug nicht nur Forschungszwecken geschuldet war, sondern auch ihrer Privatsphäre und nicht zuletzt auch ihrem seelischen Wohlergehen.

Es war natürlich völlig gleich, wohin sie flohen. Sie konnten sich einer gewissen Aufregung um ihre Forschung nicht entziehen, und Puerto Rico bildete da keine Ausnahme. Viel schlimmer noch, die ganze Insel wurde in den Ausnahmezustand versetzt, als sie erfuhr, dass eines ihrer Gebäude im Süden ganz in der Nähe von Ponce zu einem Forschungszentrum für die berühmten Delfine Dirk und Sally umfunktioniert werden sollte. Was das Team aber wirklich überraschen sollte, war die Reaktion der Kinder vor Ort.

In den Vereinigten Staaten – während der Anfangstage ihrer Forschungsbemühungen – hatten sie unzählige Besucher gehabt, die meisten davon Kinder auf Schulausflügen. Viele von ihnen waren tatsächlich begeistert, aber bei mindestens genauso vielen war das nicht der Fall gewesen. Stattdessen hielten sie sich abseits und starrten unentwegt auf ihre Smartphones. Alison war das sofort aufgefallen, und sie hatte die Kinder nicht verstehen können. Als sie dieses Verhalten bei einer Klasse nach der anderen beobachten konnte, begann es sie zu deprimieren.

Eine Schar Kinder jedoch, eine ganz besondere Klasse von der Hedrick Elementary aus Lewisville, Texas, sollte ihr für immer in Erinnerung bleiben. Sie musste jedes Mal an sie denken, wenn puerto-ricanische Kinder aufkreuzten. Die kleinen Texaner waren absolut begeistert gewesen, Dirk und Sally besuchen zu dürfen. Jedes Gesicht war die ganze Zeit über fest an das dicke Glas des Beckens gepresst. Sie konnten einfach nicht genug kriegen. So auch in Puerto Rico, was zur Folge hatte, dass sowohl Alison als auch ihr Team ihre anfängliche Begeisterung wiederfanden. Als Dank dafür wollten sie etwas ganz Besonderes für die Kinder tun.

Eines Tages kam Alison die Erleuchtung, und sie sprach mit Lee und Juan über ihre Idee. Es dauerte eine Weile, aber letztendlich hatten sie eine Reihe kleinerer dedizierter Übersetzungsserver für Besucher aufgestellt. Sie verfügten über einen wesentlich kleineren Wortschatz als das gigantische ISIS-System und konnten sich keine neuen Wörter merken, aber es erlaubte den Kindern etwas Erstaunliches zustande zu bringen: Sie standen vor dem Becken und unterhielten sich mit den Delfinen.

Alison konnte sich noch gut an den Augenblick erinnern, an dem sie das erste Mal den Kindern an der Tastatur zugeschaut und geglaubt hatte, dass einige von ihnen wirklich vor Aufregung explodieren würden. Es war ansteckend. Noch nie zuvor hatte sie Dirk und Sally so erregt gesehen. Sie blieben im Becken und redeten stundenlang mit den Kindern, bis auch das letzte von ihnen seinen Gruß losgeworden war.

Natürlich waren die beiden Delfine jetzt frei, konnten kommen und gehen, wie es ihnen beliebte. Wenn sie also da waren, riefen Alison und ihr Team die umliegenden Schulen an, um Klassen einzuladen. Und weder die Kinder noch Dirk und Sally machten den Eindruck, als ob es ihnen jemals langweilig werden könnte. Es war in der Tat ein »Zoo«, und Alison liebte es.

»Ach, und übrigens«, unterbrach Lee sie in ihren Gedanken und stellte sich hinter ihr auf. »Hat DeeAnn dich ausfindig gemacht? Sie hat nach dir gesucht. Es ging darum, glaube ich, ob du ihr mit ihren Recherchen diesen Nachmittag helfen kannst.«

»Nein. Ich schaue besser gleich bei ihr vorbei.«

Lee nickte und wandte sich wieder Juan zu, der ihm etwas auf einem der Monitore zeigte. Alison wandte sich gerade zum Gehen um, als ihr Handy klingelte. Sie warf einen Blick auf das Display und ging ran.

»Hallo«, sagte sie und lächelte schüchtern.

»Hi«, ertönte eine tiefe Stimme am anderen Ende.

»Wie geht es dir?«

Instinktiv wandte sie sich ab, was Lee und Juan natürlich sofort bemerkten. Sie konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen. Lee formte sogar ein Sprachrohr mit seinen Händen und rief: »Richte ihm schöne Grüße von uns aus.«

Alison winkte ihn lediglich ab und gab ihm zu bedeuten, den Mund zu halten, um sich dann weiter von ihnen zu entfernen. »Tut mir leid.«

John Clay kicherte. »Mir geht es gut. Und dir?«

»Ach, nicht schlecht. Ich habe gerade bei Lee und Juan vorbeigeschaut, um ihnen Tipps für ihre Computer zu geben.«

Clay lachte. »Ich wette, sie hatten sie bitter nötig.«

»Hey!«, wies sie ihn zurecht und tat beleidigt. »Ich habe einen Toaster. Ich weiß, wovon ich rede! Aber egal, wo treibst du dich denn herum?«

»Äh, ich sitze gerade in einem Flugzeug.«

Alison warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Schon? Ich dachte, dass du erst heute Abend fliegst?«

»Ja, das … Leider ist etwas dazwischengekommen, sodass ich es nicht schaffen werde.«

Alison schien geknickt. »Das ist aber schade. Ich habe mich so gefreut, dich zu sehen.«

»Ich weiß. Es tut mir leid. Ich habe mich ja auch gefreut. Hoffentlich dauert es nicht allzu lange.«

»Wo geht es denn hin?«

»Nach Brasilien«, antwortete Clay. »Eigentlich gar nicht so weit weg. Quasi auf der anderen Seite der Karibik, von dir aus gesehen.«

»Darfst du sagen, was du da vorhast?«

»Nein, darf ich natürlich nicht. Können wir es dabei belassen, dass ich nach romantischen Urlaubszielen Ausschau halte?«

»Du weißt, dass wir schon bald unseren ersten Jahrestag feiern?«

»Ja, das weiß ich.«

Natürlich wusste er das, dachte Alison. Der Mann vergaß nie etwas. Er hatte ein Gedächtnis wie ein Elefant, war in dieser Hinsicht wirklich bemerkenswert. Nicht nur wusste er, wie man zuhörte, sondern er konnte sich sogar an Gesagtes erinnern, auch wenn es mehr als zehn Sekunden her war.

Alison musste zugeben, dass er so ganz anders war, als sie ihn zuerst eingeschätzt hatte. Er arbeitete für die Navy, einer Teilstreitkraft, die sie hasste, aber wenn sie ganz ehrlich war, hasste sie das Militär an sich. Aber wie sich herausstellte, war John Clay kein gewöhnlicher Nullachtfünfzehn-Soldat. Und auch kein gewöhnlicher Mann, sondern eine echte Anomalie. Er war intelligent, rücksichtsvoll und überwältigend gut aussehend. Und diese Schultern!

»Es tut mir wirklich leid, Alison.« Clay wurde in seinem Sitz hin und her geworfen, als das Flugzeug unsanft Richtung Startbahn rollte. »Ich rufe dich morgen oder übermorgen wieder an. Okay?«

»Okay«, entgegnete sie, noch immer etwas traurig. »Pass auf dich auf.«

»Mach ich immer.«

»Mach’s gut.« Sie legte auf und starrte auf das Handy.

»Dann kommt er also nicht?«, wollte Lee wissen.

Alison seufzte und senkte die Hand, in der sie das Smartphone hielt, um es zurück in ihre Tasche zu stecken. »Nein.«

Das Flugzeug war eine C-20 Gulfstream III, die weniger als eine halbe Stunde nach ihrer Videokonferenz mit Langford auf dem Stützpunkt landete. Clay schaltete sein Handy aus, schloss die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die lederne Stütze. Der Klang der Enttäuschung, der in Alisons Stimme mitgeschwungen hatte, gefiel ihm ganz und gar nicht.

Nach einer Weile schlug er die Akte auf, die auf dem Tisch zwischen ihm und Caesare lag. Er öffnete den Bericht über das russische U-Boot, las ihn aber nicht noch einmal, sondern sah ihn einfach nur still und nachdenklich an.

»Was ich mir nicht erklären kann«, begann Caesare, »ist, wieso Brasilien an so einem uralten U-Boot überhaupt interessiert sein könnte.«

»Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen. Russland und Brasilien haben doch eigentlich sehr gute Beziehungen. Warum also diese Heimlichtuerei?«

»Weil das nie schadet, wenn man sich verstecken will.«

»Wovor wollen sie sich denn verstecken? Und warum ein fünfzig Jahre altes U-Boot nehmen, von dem der Rest der Welt gedacht hat, dass es schon lange aus dem Verkehr gezogen wurde?«

»Vielleicht gerade weil jeder das dachte«, spann Caesare die Idee mit einem Anflug Sarkasmus weiter. Er hob seine Flasche und trank einen Schluck Bier. »Aber wenn ich Russland wäre und nicht entdeckt werden wollte, dann käme so gut wie alles andere als ein U-Boot der November-Klasse infrage. Die sind laut.«

Clay neigte den Kopf zur Seite und musterte gedankenverloren die Decke. »Brasilien besitzt die zweitgrößte Marine des gesamten amerikanischen Kontinents. Man kann alle Einzelheiten über Flotte und Infrastruktur auf Wikipedia nachlesen. Was zum Teufel wollten die Russen also herausfinden?«

»Es ist auch außergewöhnlich, dass sie noch keinen Laut von sich gegeben haben.«

»Stimmt. Wenn es tatsächlich ein Geheimnis gibt, das man hüten muss, würden sie die gesamte Mannschaft so schnell wie möglich nach Hause fliegen wollen.«

»Es sei denn, es wird nur noch schlimmer, wenn man Stellung nimmt.« Caesare kippte die Flasche etwas und betrachtete sie nachdenklich. »Aber selbst dann, was würde sie daran hindern, einfach irgendetwas zu erfinden und der Presse eine Lügengeschichte aufzutischen? Regierungen sind doch sehr geübt in so etwas.«

»Ja, aber wir fragen uns weiterhin die gleiche Frage: Was wollen sie über Brasilien in Erfahrung bringen?«

Caesare stellte die Flasche wieder in den Halter und klappte seine Rückenlehne nach hinten. »Vielleicht gibt es ja eine einfachere Antwort.«

Clay zog eine Augenbraue hoch und wartete.

»Vielleicht ist der Navigator einfach ein Vollidiot.«

Clay lachte laut auf. Die beiden Motoren der Gulfstream hatten jetzt maximalen Schub erreicht, und sobald der Pilot die Bremsen gelöst hatte, schoss das Flugzeug die Startbahn entlang. Es wurde immer schneller, bis es sich in die Luft erhob.

Clay versuchte sich zu entspannen, indem er auf die stetig kleiner werdende Erde unter sich starrte, aber irgendetwas nagte an ihm. Es war eine winzig kleine Frage, die eigentlich in dem Bericht hätte beantwortet sein müssen. War sie aber nicht.

4

Alison verließ das Tech-Labor und ging wieder nach unten. Einerseits war sie enttäuscht, John nicht sehen zu können, aber andererseits fühlte sie sich auch erleichtert. Sie gingen jetzt schon fast ein Jahr miteinander aus, aber wegen ihrer Jobs und ihres Umzugs nach Puerto Rico hatten sie während der letzten Monate nicht viel Zeit miteinander verbracht. Ihre Beziehung entwickelte sich nur langsam, und Alison musste zugeben, dass sie sich etwas unsicher fühlte. Deswegen verspürte sie auch jedes Mal, wenn sie ihn sah, sowohl Aufregung als auch Nervosität. Endlich hatte sie den Mut aufgebracht, um das Thema »Exklusivität« anzusprechen, aber jetzt …

Aber jetzt spielte das keine Rolle mehr. Sie beschloss, dass sie der unvorhergesehene Aufschub ihres Wiedersehens erleichterte, und hatte keinerlei Probleme damit, das Thema rasch zu verdrängen.

Sie kam am Fuß der Treppe an und ging den neuen Korridor aus Stein entlang, wobei sie auch das riesige Salzwasserbecken passierte. Bei dem Anblick der Kinder, die sich darum scharten, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Chris war mit von der Partie und stellte sicher, dass jedes Kind einmal an die Tastatur durfte, um mit Dirk und Sally zu reden. Über ihnen zeigte ein großer Monitor die Fragen und Antworten für alle an. Der kleine Junge, der gerade dran war, schien um die acht Jahre alt zu sein, und Alison lächelte, als sie seine Frage las: Wie hoch könnt ihr springen?

Das war eine Herausforderung sondergleichen. Sie beobachtete Dirk, der auf die Übersetzung wartete. Als der Unterwasserlautsprecher sie endlich ausspuckte, begann er augenblicklich um das Becken zu schwimmen. Er wurde immer schneller, um schließlich aus dem Wasser hoch in die Luft zu schießen. Die Kinder konnten sich vor Begeisterung kaum noch halten.

Alison ging grinsend weiter an der Wand mit den brummenden Servern entlang, aus denen ihr neues verteiltes ISIS-Rechensystem bestand. Sämtliche Maschinen waren in Dutzenden großen klimatisierten Schränken aus Glas untergebracht.

Sie bog um die Ecke und machte sich zum anderen Flügel des Komplexes auf. Der zweite Flur war länger und dunkler, führte aber zu einem hellen, offenen Platz, der rechter Hand von einer Glaswand gesäumt war. Im Gegensatz zum Salzwasserbecken der Delfine waren diese Wände jedoch viel höher und umgaben den Großteil einer Biosphäre. Die restlichen Wände bestanden aus ebenso hohen Betonmauern. In der Mitte befand sich ein großer, von Menschenhand geschaffener Hügel, dessen eine Seite mit dichtem Blattwerk bewachsen war. Hier und da standen verschieden hohe Hartholzbäume. Der Boden war mit unzähligen dichten Sträuchern bedeckt, und ein kleiner künstlich angelegter Bach mäanderte den ungleichmäßigen Hang hinunter. Weit oben befand sich ein dickes Netz, das sich über die gesamte Biosphäre erstreckte. Alison stand vor einem perfekten – oder beinahe perfekten – halben Hektar afrikanischen Dschungels.

Entlang der Oberkante der umschlossenen Biosphäre waren alle dreißig Meter hochauflösende wetterfeste Kameras mit Bewegungssensoren angebracht, die zusammen jeden Quadratzentimeter des Habitats ablichteten. Sie lieferten rund um die Uhr einen Live-Feed, der durch ein dickes Kabel in das Herz des Gebäudes transportiert, in das ISIS-Rechensystem eingespeist und dort für die Ewigkeit abgespeichert wurde.

Alison lugte durch eine der riesigen Glaswände und erspähte schließlich im Inneren des Habitats die Person, nach der sie gesucht hatte. DeeAnn Draper, eine ältere Frau mit dunklen Haaren. Sie trug helle kakifarbene Kleidung und hockte neben einem jungen weiblichen Gorilla.

Alison blickte zur nächsten Kamera auf, die automatisch zu den beiden im Schatten eines Palisanderholzbaumes Spielenden heranzoomte und sich scharf stellte. Während die beiden miteinander alberten, wurde jede Bewegung, jeder Gesichtszug, jeder Ton und jede Geste aufgenommen und in einzelne Bilder aufgeteilt, um dann auf den schier unbegrenzten Festplattenplatz des ISIS-Rechensystems geschrieben zu werden.

Das Datensammeln hatte sich seit den Tagen, als sie mit Dirk und Sally begonnen hatten, kaum geändert. Allerdings mussten bestimmte Zeilen des ISIS-Codes umgeschrieben werden, da die Kommunikation zwischen Primaten sich wesentlich von der von Meeressäugetieren unterschied. An erster Stelle standen die Geräusche, auch wenn der Gorilla, entgegen der allgemeinen Auffassung, eher ein ruhiger, stiller Zeitgenosse war und nur eine geringe Anzahl eigenproduzierter Töne benutzte. Der Großteil der Kommunikation bestand aus Gesten und komplexer Gesichtsmimik, was völlig andere Anforderungen an ISIS stellte, um die Sprache erfassen zu können.

DeeAnn war eine echte Expertin. Obwohl Alison die Forschungseinrichtung leitete und die Kontrolle über ihre Delfine besaß, befand DeeAnn sich in jeder Hinsicht auf gleicher Augenhöhe, wenn es um Primaten und insbesondere um Gorillas ging. Alison konnte ihr Glück kaum fassen, DeeAnn mit im Team zu haben.

Die beiden saßen inmitten dieser Biosphäre Seite an Seite. DeeAnn trug eine dünne schwarze Weste über ihrem kakifarbenen Hemd. Der Name des Gorillas lautete Dulce, »süß« auf Spanisch. Natürlich passte er zu der kleinen dreijährigen Gorilla-Dame wie die Faust aufs Auge. Dulce saß mit ihren hellbraunen Augen und dunklen ausladenden Lippen, auf denen scheinbar ein ewiges Lächeln lag, spielerisch auf der Erde und zeigte auf DeeAnn, um dann zu glucksen und den Kopf zur Seite zu neigen.

Da die Biosphäre viel zu groß war, um traditionelle Lautsprecher einzusetzen, ertönte die Übersetzung stattdessen aus einem viel kleineren Set-up, das in der speziellen Weste integriert war, die DeeAnn trug. Die mechanische Stimme des ISIS-Rechensystems verkündete: Ich mag spielen.

DeeAnn lächelte und äffte Dulces Bewegung nach. »Ich mag auch spielen.« Es dauerte weniger als eine Sekunde, ehe ISIS DeeAnns Worte übersetzte und die Töne aus der Weste ausspuckte, sodass Dulce sie verstehen konnte.

Dulce schürzte die Lippen und grunzte sanft, während sie mit ihrem langen Arm über ihrem Kopf winkte. Ich will Fangen spielen.

Als DeeAnn die Übersetzung vernahm, musste sie müde lächeln. »Schon wieder?«

Dulce nickte energisch und verzog ihre Lippen zu einem breiten Grinsen. Sie las den Ausdruck in DeeAnns Augen, während diese versuchte, die Gorilla-Dame vom Fangen abzulenken.

»Lass uns zählen spielen.«

Dulce schüttelte ihren ganzen Körper und gab dann zurück: Du blöd.

DeeAnn lächelte. Sie war nicht blöd, aber erschöpft. In der Biosphäre herrschten beinahe vierzig Grad, und sie konnte nur so weit laufen, ehe Dulce glaubte, dass sie sich tot stellte. »Lass uns zählen spielen«, wiederholte sie. Sie hob die Hand, als der kleine Lautsprecher in ihrer Weste vibrierte und die Gorilla-Version des Satzes ausspuckte. Sie hielt vier Finger in die Luft und fragte: »Wie viele Finger?«

Dulces Lächeln wurde breiter, bis sie von Ohr zu Ohr über das ganze Gesicht grinste. Sie warf lediglich einen flüchtigen Blick auf DeeAnns Hand, ehe sie anhand eines Schnurrens und einer Reihe leiser Quietschtöne antwortete: Vier. Jetzt Fangen spielen.

DeeAnn seufzte und blickte sich um. Erleichtert erspähte sie Alison, die auf der anderen Seite der Glaswand stand und sie beobachtete. Sie deutete auf das Glas. »Wer ist das, Dulce?«

Dulce drehte sich um und folgte mit den Augen DeeAnns Arm. Als sie Alison erblickte, lebte sie sofort auf. Alison! Dulce sprang von ihrer Position auf und lief auf ihren Fäusten auf die Wand zu, ehe sie ihre dunkle Hand gegen das Glas legte und es spielerisch tätschelte. So begrüßte sie die Leute, die auf der anderen Seite standen.

Alison lächelte Dulce an und beugte sich vor, um ebenfalls die Glaswand zu berühren. Sie wartete, bis DeeAnn mit ihrer Weste zu ihnen aufgeschlossen hatte, ehe sie die Gorilla-Dame begrüßte: »Guten Morgen, Dulce.«

»Hallo, Ali«, keuchte DeeAnn.

»Guten Morgen, DeeAnn. Lee meinte, dass du nach mir gesucht hättest?«

Ehe sie Alison antworten konnte, gab der Lautsprecher in ihrer Weste einen langen lauten Ton von sich, was bedeutete, dass der letzte Satz nicht übersetzt werden konnte. Instinktiv drückte sie auf einen kleinen Knopf, der das System vorübergehend ausschaltete.

»Ja, ich möchte dir Kelly für diesen Nachmittag klauen, um mit uns an weiteren Gruppenübersetzungen zu arbeiten. Lee behauptete, das Problem, das uns gestern so gewurmt hat, behoben zu haben, und deshalb will ich es heute wieder versuchen.«

»Klar doch«, gab Alison zurück und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ich glaube, sie füttert Dirk und Sally in einer halben Stunde. Danach kann ich sie ja zu dir schicken.«

»Vielen Dank.« DeeAnn schenkte ihr ein verschlagenes Lächeln. »Willst du dich zu uns gesellen und ein paar Runden mit Dulce drehen?«

Alison musste laut auflachen. »Gerne, wenn ich Zeit hätte, aber ich muss sicherstellen, dass wir gut auf Donnerstag vorbereitet sind. Das wird ein riesiger Tag für uns«, fügte sie noch mit einem Augenzwinkern hinzu.

»Schon verstanden. Viel Spaß«, rief DeeAnn, entfernte sich wieder von der Glaswand und drückte erneut auf den Knopf auf ihrer Weste. Dann warf sie Dulce einen Blick zu, die sie von unten anlächelte. »Okay, einmal können wir noch Fangen spielen.«

Alison schaute zu, wie DeeAnn Dulce hinterherrannte, aber sie hatte keine Chance. Sie musste noch immer vor Bewunderung staunen, wenn sie daran dachte, was Lee und Juan auf die Beine gestellt hatten – natürlich mit der Hilfe von IBM. Die mobile Einheit war nichts weniger als atemberaubend. Man musste sich lediglich innerhalb der Sendereichweite des Systems aufhalten. Aber so unglaublich diese Weste auch war, sie schien trivial im Gegensatz zu dem, was Lee und Juan in petto hatten: eine verbesserte Version, die auch wasserdicht sein sollte.

5

Dulce saß DeeAnn gegenüber auf dem Boden und musterte das große Spielbrett vor sich. Sie winkelte ihre kurzen braunen Beine an, um sich nach vorne zu beugen und mit ihren dicken Fingern das hölzerne Rad zu drehen. DeeAnn hatte das Spiel entworfen, um Dulce Farben und Formen beizubringen.

Das übergroße hölzerne Rad wurde langsamer und hielt über einem roten Dreieck an. Dulce klatschte mit den Händen. Sie liebte Dreiecke. Aufgeregt stand sie auf und ließ die Arme über die Tafel schwingen, ehe sie sich ihr Teil schnappte und es neben das rote Dreieck auf das Spielbrett legte. Dann hob sie den Kopf und grinste fröhlich über das ganze Gesicht.

»Sehr gut, Dulce«, rief DeeAnn begeistert und klatschte ebenfalls.

Dulce hatte sich noch nicht hingesetzt, musterte das Spielbrett erneut und zeigte dann auf DeeAnn.

Du dran, du dran. Die Wörter stießen aus dem kleinen Lautsprecher der Weste.

DeeAnn lachte und beugte sich vor. »Ich weiß, ich weiß.« Sie streckte den Arm aus und drehte an dem hölzernen Rad. Als es über einem schwarzen Kreis zur Ruhe kam, erstarrte Dulce plötzlich und schüttelte den Kopf.

Nicht gut.

DeeAnn öffnete den Mund und tat so, als ob sie beleidigt war. Dulces Reaktion aber war ein breites Lachen. DeeAnn konnte Dulce nicht lange etwas vormachen und musste schon bald ebenfalls lachen, als die Gorilla-Dame plötzlich über das Spielbrett auf ihren Schoß sprang.

Dulce kreischte auf und legte die Arme um ihren Hals. Ich liebe Mami.

DeeAnn drückte sie an sich und legte ihre Stirn an Dulces. »Ich liebe dich auch.«

Dulce war natürlich intelligent genug, um zu wissen, dass sie kein Mensch war, aber DeeAnn war die einzige Mutterfigur, die sie je gekannt hatte – oder an die sie sich zumindest erinnern konnte.

DeeAnn hatte sich bereits um Dulce gekümmert, ehe sie nach Puerto Rico reisten, um Alison und ihrem Team beizutreten. Dulce war gerade mal eineinhalb Jahre alt gewesen, als DeeAnn sie gefunden hatte. Jetzt, immerhin zwei Jahre später, waren die beiden unzertrennlich. Es machte ganz den Anschein, als ob Dulce das fürchterliche Trauma, das sie hatte erleben müssen, ehe DeeAnn gekommen war, zu verdrängen vermochte, um erneut Vertrauen aufzubauen, das übrigens auch Ausdruck in Form ihrer körperlichen Liebkosungen fand. Die meisten Gorillas waren weniger liebevoll, wenn nicht gar gefährlich, wenn man sie zu nahe an sich heranließ. Dulce aber war anders. Sie war sehr kräftig gebaut für ihre Größe, aber sie besaß auch etwas Weiches, sodass sie DeeAnn menschlicher als alle anderen Primaten vorkam, die sie je zu Gesicht bekommen hatte.

DeeAnn Draper musste es wissen. Die letzten Jahre hatte sie zusammen mit der berühmten Gorilla-Dame Koko im Süden Kaliforniens verbracht. Kokos Fähigkeit, Zeichensprache zu lernen, hatte in den Mittneunzigern für Schlagzeilen in der ganzen Welt gesorgt. Koko repräsentierte einen gigantischen Schritt nach vorne, wenn es um Kommunikation mit Primaten ging. Aber wenn Koko einen großen Schritt gemacht hatte, so stellte Dulces Fortschritt einen Meilenstein dar.

Das Beherrschen von Zeichensprache galt als einzigartige Leistung, aber ISIS hatte die Spielregeln komplett neu geschrieben. DeeAnn wollte Teil von Alisons Set-up werden, um die Kritiker von Kokos Erfolgen ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen. Aber selbst nachdem sie eine echte Kommunikation zwischen Alison und Sally hatte erleben dürfen, hätte sie sich nie träumen lassen, dass ISIS ihre Kommunikation mit Dulce wirklich revolutionieren würde.

Doch genau das hatte ISIS getan. Es dauerte einige Monate, aber sobald das Programm die ersten Hürden überwunden hatte, war der Fortschritt einfach nur atemberaubend.

DeeAnn ließ von Dulce ab und schaute zu, wie die Gorilla-Dame sich wieder auf ihren Platz bemühte und erneut auf das Spielbrett zeigte. Ich dran, ich dran.

»Ich weiß«, gab DeeAnn zurück. »Du bist dran.«

Kelly Carlson traf weniger als eine Stunde später mit einer großen Kiste voller Salat, Sellerie und Kohl ein. Dulces Mittagessen war gesichert. Sie gab ihren Code in das Terminal an der Wand ein und wartete, bis sich die große gläserne Tür zur Biosphäre öffnete. Sie schob sich in die Spalte und drückte sie mit dem Po weiter auf, bis sie und ihre Kiste in die Biosphäre eintreten konnten. Die Tür ließ sie hinter sich wieder ins Schloss fallen.

Von allen Angestellten, die Alison an Bord gebracht hatte, war Kelly die Tatkräftigste. Sie war attraktiv, dünn und hatte langes blondes Haar. Unter anderem war Carlson eine ehemalige Tauchlehrerin, eine Jachtskipperin, eine professionelle Köchin und eine Reiseführerin. Sie war in der Karibik groß geworden, aber im Gegensatz zu so vielen Leuten, die früher oder später Inselfieber kriegten, machte sie keinerlei Anstalten, jemals von dort wegzuziehen. Sie war eine Sonnenanbeterin mit einer überaus raschen Auffassungsgabe.

Als sie näher kam, winkte Kelly DeeAnn zu und wandte sich dann an Dulce, die bereits aufgeregt auf den Fußballen hin und her wippte. Vor lauter Aufregung riss sie die Kiste beinahe aus Kellys Händen.

»Immer mit der Ruhe, Süße.« Kelly lächelte und stellte die Kiste auf dem Boden ab. Sie beobachtete Dulce, während sie sich den Bauch vollstopfte, ehe sie sich wieder DeeAnn zuwandte. »Ali meinte, dass Sie mich für weitere Gruppenübersetzungen brauchen?«

»Danke, ja. Wir können in circa dreißig Minuten anfangen. Klingt das gut?«

»Sehr gut sogar«, bejahte Kelly nickend. »Ich bin dann gleich wieder da, muss noch ein paar Sachen auf dem Boot überprüfen.«

DeeAnn kniete auf dem weichen Erdboden und schaute zu, wie Dulce zu Mittag aß. Mit einem plötzlichen unerwarteten Stupser brachte sie Dulce aus dem Gleichgewicht, sodass sie auf den Po fiel, um sich dann frech ein Stück Sellerie aus der Kiste zu schnappen und einen Bissen davon zu nehmen. Dulce zog sich ihren Stängel aus dem Mund und starrte DeeAnn fragend an, die ruhig weiter von ihrem Sellerie aß und dabei eine Grimasse schnitt. Dulce konnte nicht anders, als zu schnauben und zu lachen.

Lee betrachtete die beiden auf seinem Bildschirm im Labor. Er und Juan hatten die neue Weste überprüft und warteten jetzt darauf, dass auch die letzten Daten rüberkopiert wurden.

Er betrachtete nicht den Live-Feed, sondern ging durch frühere, von ISIS aufgezeichnete Videosequenzen. Aber Lee hatte ein Problem, ein großes Problem.

Zusammen mit dem Video wurde auf der rechten Seite des Bildschirms ein Fenster mit detaillierten Logdaten angezeigt. Als er auf die diversen Logeinträge klickte, wurden die relevanten Videosequenzen und sich verändernden Pixel hervorgehoben, auf die ISIS während der Aufnahme hineinzoomte.

Lee legte die Hand vor den Mund und klopfte sich nachdenklich auf die Wange. Woran konnte es nur liegen? Einige der Logdateien und die Videos waren eindeutig nicht synchron, und er konnte es sich nicht erklären. Das Phänomen trat in so unregelmäßigen Abständen auf, dass er es nicht vorhersagen geschweige denn reproduzieren konnte, was die Fehlersuche erheblich erschwerte. Und falls er nicht einen Grund oder zumindest irgendeinen zuverlässigen Hinweis auszumachen imstande war, wusste er überhaupt nicht, wo er bei der Fehlerbehebung anfangen sollte.

Das war auch der Grund, warum ihn eine stetig wachsende Beklommenheit erfasste. Es sah immer mehr danach aus, als ob irgendetwas am Computercode des neuen ISIS-Rechensystems nicht stimmte. Genau wie bei seinem Vorgänger half IBM bei dem Code für das gesamte System, auch bei den auf künstlicher Intelligenz beruhenden Algorithmen. Als sie jedoch versuchten, ISIS Primaten statt Delfine übersetzen zu lassen, musste ein komplettes Teilsystem neu programmiert werden.

Primaten besaßen eine ganze Reihe expressiver Gesten, und der Großteil ihrer Kommunikation spielte sich auf einer wesentlich subtileren Ebene ab. Das alte ISIS-Rechensystem musste sich nie um Dirks oder Sallys Gesichtsausdruck kümmern, denn Delfine verfügten einfach nicht über diese Vielzahl von Gesichtsmuskeln wie Primaten. Stattdessen musste ISIS ihre Pfeifgeräusche, Klicks und Bewegungen in Betracht ziehen. Selbst bei diesen eher überschaubaren Variablen brauchte das alte System Jahre, um die Daten aufzuzeichnen und zu verarbeiten. Letztendlich aber, allein vom technischen Standpunkt aus, war die Sprache der Delfine um einiges leichter zu übersetzen als die der Primaten.

Aber jetzt war jeglicher Fortschritt gefährdet, den das neue System mit Dulce erzielt hatte. Und Lee wusste es. Wenn die Genauigkeit der Daten infrage stand, selbst um nur zehn Prozent, bedeutete es, dass sehr viel mehr als zehn Prozent der Wörter aufgrund ihrer gegenseitigen Wechselbeziehungen falsch interpretiert werden würden. Die wissenschaftliche Herangehensweise kannte da kein Pardon, und in diesem Fall schien die Anzahl der korrumpierten Daten stetig zu wachsen.

Lee schaute zu, wie eine weitere Zeile in roter Schrift in der Logdatei erschien, und lehnte sich nervös mit dem Kopf schüttelnd in seinem Stuhl zurück.

6

Der Flug nach Belém in Pará, Brasilien, dauerte fünfeinhalb Stunden. Die Nachmittagssonne konnte sich noch knapp unter zwei Stunden am Himmel behaupten, ehe sie hinter den fernen grünen Hügeln im Westen unterging.

Die Siedlung war 1616 gegründet worden und die erste ihrer Art gewesen, die die Europäer am Amazonas etabliert hatten. Die farbenfrohen Gebäude Beléms leuchteten hell unter ihnen, als der Düsenjet sich zur Landevorbereitung in Schräglage begab. Von seinem Sitz aus ließ Clay den Blick über die dichtbewachsene tropische Landschaft schweifen, die so weit reichte, wie seine Augen sehen konnten. Die Vegetation war so üppig, dass sie beinahe zu glühen schien. Er glaubte sich daran zu erinnern, einmal gelesen zu haben, dass mehr als zwanzig Prozent des gesamten Sauerstoffs auf der Welt hier, in den Wäldern Südamerikas produziert wurde. Angesichts des atemberaubenden Ausblicks aus dem Seitenfenster hatte er keine Schwierigkeiten, dieser Statistik Glauben zu schenken.

Südamerika war der Landmasse nach der viertgrößte Kontinent und Heimat der exotischsten Fauna und unvorstellbarer Besonderheiten dieser Erde. Nicht nur befand sich hier der größte Regenwald, sondern auch der höchste Wasserfall der Welt. Es war ein riesiger, beinahe mystischer Kontinent, der bis zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts noch so gut wie unerforscht geblieben war. Der Legende nach warteten viele seiner versteckten Geheimnisse nur darauf, entdeckt zu werden. Das Geheimnis, das Clay und Caesare genauer studieren sollten, war allerdings von Menschenhand geschaffen und lag in jenem Augenblick im Val-de-Cães Marinestützpunkt einige Hundert Meter zu ihren Füßen.

Das U-Boot war seit seiner Ankunft im Hafen schwer bewacht, und die russische Mannschaft war sogleich getrennt vernommen worden. Laut Langford schien sie aber nicht besonders redselig.

Caesares Schnarchen wurde von einem lauten Schnauben unterbrochen, mit dem er sich selbst aus dem Schlaf riss. Er blinzelte und rieb sich die Augen mit beiden Händen, ehe er sich umblickte und merkte, dass sie den Landeanflug begonnen hatten. »Oh, das ging aber verdammt schnell.«

Clay konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken und wandte sich vom Fenster ab, um sämtliche Papiere auf seinem kleinen Tischchen zusammenzusammeln. Dann richtete er sie der Längsseite nach auf der Platte aus, bis er wieder einen geordneten Stapel hatte, und steckte sie zurück in die Mappe, die er in seiner Tasche verstaute.

Gähnend beugte Caesare sich vor und ließ dabei seinen mit Leder bezogenen Sitz in die aufrechte Position fahren. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Halb fünf schon. Wir sollten uns besser beeilen.«

»Weißt du, in diesem Bericht steht so gut wie nichts darüber, wie sie das U-Boot in ihre Gewalt brachten.«

»Ja, das ist mir auch aufgefallen.«

»Wir haben keine Ahnung, wer was womit gemacht hat oder ob irgendwelche Kommunikation stattfand.«

»Genau«, stimmte Caesare zu. »Ich gehe von Sonarbojen aus, aber es wäre trotzdem gut herauszufinden, ob sie aktiv oder passiv waren.«

»Und wem diese Bojen gehörten«, fügte Clay hinzu.

Caesare hob eine Augenbraue. »Glaubst du etwa nicht, dass es brasilianische waren?«

»Woher soll ich das wissen? Brasilien hat eine ganze Menge ältere marine Aufklärungssysteme. Die Bojen könnten durchaus ihnen gehören, aber ich muss schon sagen, dass unsere Boote ziemlich schnell vor Ort waren.«

»Was willst du damit sagen? Dass sie vielleicht schon vorher Lunte gerochen haben?«

»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Entweder sie waren direkt hier oder es dauerte nur ein paar Tage. So oder so stellt sich die Frage …«

Caesare beendete den Satz für ihn. »Wie lange wussten sie schon von dem russischen U-Boot?«

Kaum verließen die beiden das Flugzeug, wurden sie von Sommerhitze und hoher Luftfeuchtigkeit eingehüllt, sodass es ihnen nach Minuten schon vorkam, als seien sie schweißgebadet. Eiligen Schrittes liefen sie über den heißen Asphalt und zerrten dabei jeder einen Koffer hinter sich her. Die Taschen hatten sie sich über die Schultern geworfen.

Im Vergleich zu Flughäfen in den Vereinigten Staaten war dieser eher klein. Ein altes Gebäude mit einer Fassade aus Metall und Glas stand am gegenüberliegenden Ende des Flugfelds. Als Clay und Caesare sich ihm näherten, erschien plötzlich ein dunkelgrüner Humvee hinter dem Gebäude und fuhr mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu, um mit quietschenden Reifen vor ihnen zu halten.

Ein junger Ensign hüpfte aus der Fahrertür und rannte mit zerknirschter Miene auf sie zu.

»Commanders«, adressierte er sie mit starkem portugiesischem Akzent. »Es tut mir sehr leid, dass ich so spät jetzt bin.« Er hielt direkt vor ihnen an und schaute verlegen drein. Offenbar fragte er sich, ob er salutieren sollte. Caesare stand ihm am nächsten, lächelte ihn an und streckte dem Mann die Hand entgegen. Erleichtert entspannte dieser sich und schüttelte erst Caesares und dann Clays Hand. »Ich bin Ensign Costa. Ich wurde geschickt, Sie abzuholen. Kann ich Ihre Koffer tragen?«

»Sehr angenehm, Ensign Costa«, gab Caesare zurück, lächelte und schüttelte den Kopf. »Aber nein, danke. Das machen wir schon.«

Costa nickte und drehte sich abrupt zum Humvee um. Er lief zum Heck des Wagens, um die Klappe zu öffnen. Die beiden Männer warfen, ohne zu zögern, ihre Taschen und Koffer in das Fahrzeug. Clay nahm auf dem Beifahrersitz Platz, während Caesare sich hinter die beiden setzte. Zufrieden nahmen sie zur Kenntnis, dass Ensign Costa die Klimaanlage angeschaltet hatte.

Costa öffnete die Fahrertür und reichte den beiden je eine Flasche Wasser aus dem Kofferraum. Clay bedankte sich, während Caesare bewundernd pfiff. »Schau sich das einer an. Wir werden ja behandelt wie echte VIPs.«

Der Ensign nickte und machte es sich dann hinter dem Steuer bequem, ehe er die Tür zuzog und den Gang einlegte. »Ihr Flug war gut, ja?« Er drehte sich zu ihnen um und fuhr dabei an dem alten Terminal vorbei.

»Sehr gut, danke«, antwortete Clay und lugte aus dem Beifahrerfenster. Der Flughafen war älter, als er erwartet hatte. Und wenn schon nicht älter, dann auf jeden Fall heruntergekommener. Ein weiterer Düsenjet landete gerade auf einer der Bahnen. Es sah eher nach einem kommerziellen Flugzeug aus. Anscheinend wurde der Laden hier noch genutzt. Sie wurden beinahe aus ihren Sitzen geschleudert, als Costa über eine Unebenheit im Asphalt donnerte, um auf die Straße abzubiegen.

»Ich bringe Sie zuerst zum U-Boot, ja? Dann kommt Hotel.«

»Wie lange liegt es denn schon im Hafen?«, wollte Caesare wissen.

»Äh … zwei Tage«, gab Costa zurück und wechselte die Fahrspur. Er blickte Caesare im Rückspiegel an. »Es ist sehr geheim. Sie sind die einzigen Amerikaner, die kommen dürfen.«

»Warum ist es eigentlich so geheim?«, bohrte Clay nach, auch wenn er die Antwort bereits erahnte. »Was, wenn die Leute es im Wasser liegen sehen?«

Costa grinste, als sie über den Scheitel einer großen Brücke fuhren, die sich über einen breiten Nebenfluss des Amazonas erstreckte. »Ja, Menschen können es einfach sehen und dann viele Fragen stellen. Aber nur, wenn es noch hier ist.«

Clay warf Caesare einen Blick über die Schulter zu, der neugierig die Augenbrauen hob. »Also, Costa«, begann er und wechselte das Thema. »Wie lange sind Sie eigentlich schon bei der Marine?«

»Ich bin seit neun Jahren bei der Navy. Schon mein Vater und Großvater waren Seemänner, beide auf Kriegsschiffen, und mein Urgroßvater war ein Held beim Putsch der Marine, den Revoltas da Armada. Wir sind …« Er hielt inne, um nach dem richtigen Wort zu suchen. »Wir sind eine Militärfamilie.«

Clay nickte freundlich. »Ihre Familie muss sehr stolz auf Sie sein.«

Costa nickte und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. »Ja, die sind stolz auf ihren Enrique.«

Das U-Boot befand sich keineswegs in der Nähe, sondern lag in einem kleineren Fluss eine knappe halbe Stunde Fahrt nördlich vom Flughafen vor einer sehr alten und anscheinend längst verlassenen Fabrik. Hier sah es noch um einiges schlimmer aus als dort, wo sie gelandet waren, und die heruntergekommenen Gebäude um die Fischfabrik schienen völlig durchgerostet und machten den Anschein, als ob sie jeden Augenblick in sich zusammenstürzen würden.

Costa fuhr über eine alte Holzbrücke, die von zwei bewaffneten Soldaten bewacht wurde und unter ihrem Gewicht bedenklich knarzte. Kaum befanden sie sich auf der anderen Seite des Flusses, steuerte Costa um den Kai herum und fuhr auf das letzte Gebäude in der Reihe zu. Endlich hielt er an und stellte das Automatikgetriebe auf P für Parken.

Als sie ausstiegen, klopfte Caesare Clay auf den Arm und zeigte auf die dichte Reihe Paranussbäume über ihren Köpfen. Dutzende der großen dunklen Pflanzen ragten weit über dreißig Meter in den Himmel, und ihre dicht verzweigten Kronen breiteten sich über beide Seiten des Kais aus. »Nettes Örtchen, um Satellitenbeobachtung zu entgehen.«

»Äußerst praktisch, ja.«

Sie folgten Costa einen holprigen Weg zwischen zwei Gebäuden entlang, der zu einer Lichtung führte. Dort stand eine Reihe militärischer Fahrzeuge. Mehrere brasilianische Soldaten hielten sich in Kampfanzügen gekleidet in und um das russische U-Boot auf, das leblos vor ihnen im Wasser lag.

Als Clay und Caesare endlich einen vernünftigen Blick davon erhaschen konnten, blieben sie wie versteinert stehen. Costa bemerkte ihre Verwunderung und drehte sich mit fragender Miene ihnen zu.

Clay und Caesare tauschten wortlos einen Blick aus. Nach einer ganzen Weile wandte Clay sich endlich an sein brasilianisches Gegenüber. »Wir müssen einen Telefonanruf tätigen.«

7

Admiral Langford saß an seinem Schreibtisch, als sein Sekretär ihn auf der speziellen Leitung anklingelte, was ihn prompt dazu veranlasste, seinen derzeitigen Telefonanruf zu beenden.

»Ja«, sagte er, nachdem er auf die zweite Leitung umgeschaltet hatte.

»Sir, ich habe einen Anruf von John Clay«, unterrichtete ihn sein Sekretär.

Langford warf einen Blick auf seine Armbanduhr und beugte sich dann über die breite Arbeitsplatte seines großen Schreibtischs. »Stellen Sie ihn durch.« Er wartete auf das wohlbekannte Klicken in der Leitung, ehe er seinen Gesprächspartner begrüßte: »Clay?«

»Hallo, Admiral.«

»Haben Caesare und Sie die Reise erfolgreich hinter sich gebracht?«

»Ja, Sir. Wir befinden uns nördlich von Belém, sind gerade angekommen.«

»Sehr gut. Können Sie das U-Boot der November-Klasse eindeutig identifizieren?«

»Nun, Sir«, begann Clay und starrte auf das im Wasser liegende U-Boot. »Es ist auf jeden Fall ein sowjetisches U-Boot, Sir, aber es ist nicht nuklear angetrieben … und die November-Klasse ist es auch nicht.«

»Wie bitte? Keine November-Klasse?«

»Nein, Sir. Wir reden hier von der Beluga-Klasse.«

Langford erstarrte am anderen Ende der Telefonleitung. »Haben Sie Beluga gesagt?«

»Sie haben schon richtig gehört, Sir. Ich rede von der Forel.«

»Die Forel? Clay, machen Sie keine Witze! Sind Sie ganz sicher?«

Clay wandte sich an Caesare, der die drei Männer beobachtete, die auf dem U-Boot standen. »Das bin ich. Und noch etwas, Sir. Sie ist blau gestrichen.«

»Verdammt.« Langford holte tief Luft und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Jetzt hören Sie mir bitte genau zu, Clay. Ich habe eben gerade mit dem Außenministerium telefoniert. Anscheinend hat sich die brasilianische Regierung anders entschieden. Auf einmal brauchen sie unsere Hilfe doch nicht mehr. Stattdessen stellen Sie uns überall Hürden in den Weg, was heißen soll, dass Sie beide meine einzigen Augen und Ohren sind. Mehr von uns kriege ich nicht hinein. Wichtiger noch, es wird nicht mehr lange dauern, bis die höheren Befehlshaber von Ihrer Ankunft Wind kriegen, Sie zum Flughafen eskortieren lassen und mit ein paar netten brasilianischen Souvenirs in den nächsten Flieger nach Hause setzen werden.«

Clay schaute zu Costa, der geduldig in einigen Metern Entfernung wartete. »Ich verstehe.«

»Wenn das tatsächlich die Forel ist«, fuhr Langford fort, »dann schauen Sie sich gefälligst schnell um, ehe wer auch immer dort das Sagen hat, einen Telefonanruf erhält und Sie hochkant rausschmeißt.«

»Verstanden, Sir.«

Langford beugte sich erneut vor und packte den Hörer noch fester. »Da gibt es etwas, von dem wir nichts wissen sollen. Gehen Sie also so schnell wie möglich an Bord, und holen Sie so viele Informationen wie möglich ein!«

»Ja, Sir.« Damit hing Clay auf und senkte das Satellitentelefon, um die sperrige Antenne wieder einzufahren und es in seiner Tasche zu verstauen. Als er sich wieder aufrichtete, ging er ungezwungen auf Caesare zu und flüsterte ihm ins Ohr.

»Wir müssen uns beeilen.«

Caesare nickte, ehe er sich betont lässig an Costa richtete. »Sehr gut. Ensign? Wir wären so weit. Zeigen Sie uns bitte den Weg.«

Costa lächelte liebenswürdig, wandte sich dem U-Boot zu und forderte sie auf, ihm zu folgen.

Die Beluga-Klasse, von den Sowjets Projekt 1710 genannt, konnte sich von den Atom-U-Booten der November-Klasse mit ihren kleineren, aber lauteren Aggregaten kaum deutlicher unterscheiden. Es handelte sich um einen Prototyp mit dieselelektrischem Antrieb. Das Projekt war ins Leben gerufen worden, um neue Antriebsarten und Rumpfformen vernünftig testen zu können. Der Rest der Welt war davon ausgegangen, dass das Vorhaben im Jahr 2002 stillgelegt worden war. Die S-553 Forel war das einzige U-Boot der Beluga-Klasse, das je gebaut worden war. Das letzte Mal war die Forel 1997 gesichtet worden. Bis jetzt.

Langford saß atemlos in seinem Stuhl und dachte nach. Die Forel war also noch in Betrieb? Aber wozu? Und was zum Teufel hatte sie in Brasilien verloren? Nur eines wusste er mit Sicherheit: Es gab nur einen Grund, ein U-Boot blau zu lackieren: Wenn man es in seichtem Wasser verstecken wollte.

Wie bei allen U-Booten bestand das Innere der Forel aus blank gewienertem grauem Metall, aber die Dschungelluft Brasiliens vermochte es dennoch, den Eingeweiden des russischen U-Boots einen gewissen nasskalten Nebengeruch zu verleihen.

Kaum waren sie an Bord, machten sich Clay und Caesare auf zum Achterschiff. Sie hielten erst an, um die gigantischen Dieselmotoren unter die Lupe zu nehmen, von denen sie auch einige Fotos machten. Die Generatoren waren modernisiert worden und besaßen ein kompakteres Design, aber nach genauerem Inspizieren gab es nichts Außergewöhnliches. Es sollte allerdings noch etwas im Maschinenraum auf sie warten, das sie tatsächlich überraschte.

An der Wand waren zwei große Metallregale aufgestellt, die mit Computern und Tonaufzeichnungsgeräten vollgestellt waren. Dicke schwarze Kabel schlängelten sich die metallene Wand empor und verzweigten sich in Dutzende kleinerer Kabel, die sich über den gesamten Maschinenraum verteilten und in einem gigantischen Elektromotor im Heck des U-Boots endeten.

»Verstehst du, was das hier soll?«, fragte Clay laut, trat vor und ließ seine Finger neugierig über die Kabel laufen. Caesare stand weiter hinter ihm und hielt alles fotografisch fest.