Ingwer - Jörg Zittlau - E-Book

Ingwer E-Book

Jörg Zittlau

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Beschreibung

Ingwer besitzt ein überdurchschnittlich breites Profil an ätherischen Ölen, wirkt schmerzhemmend und hilft vorbeugend bzw. therapeutisch bei Appetitlosigkeit, Arteriosklerose und ihren Folgeerkrankungen, Gastritis, Thrombose und vielen anderen Leiden. Und noch besser: Ingwer schmeckt und ist eine wichtige Zutat beim asiatischen Kochen. Das Buch führt ein in die Geschichte des Ingwers, beschreibt seinen Nutzen in der Küche und seine heilende Wirkung.

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Seitenzahl: 135

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Dr.Jörg Zittlau

Ingwer

NATÜRLICH GESUND MIT DER ASIATISCHEN HEILWURZEL

Hinweis: Die Informationen in diesem Buch sind sorgfältig und nach bestem Wissen recherchiert. Eine Garantie kann von Autor und Verlag dennoch nicht übernommen werden; eine Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen. In medizinischen Fragen ist der Rat Ihres Arztes oder Heilpraktikers maßgebend.

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio-nalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2009 Lüchow Verlag in

Kamphausen Media GmbH Bielefeld

www.kamphausen.media

Print on Demand Ausgabe 2020

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: ReclameBüro, München

Die Rezepte in Kapitel »Ingwer in der Küche« wurden bearbeitet von Susanne Noll, no:vum, Leinfelden-Echterdingen

Umschlagbild: © Pieters, Dirk / StockFood

Satz: de·te·pe, Aalen

ISBN 978-3-95883-472-9

ISBN eBook 978-3-95883-473-6

INHALT

Vorwort

Geschichte: Ein Küchen- und Heilkraut mit langer Tradition

Botanik: Der Überlebenskünstler mit dem gewissen Kick

Besser als das Chemielabor: Die Wirkstoffe des Ingwers

Eine Wurzel für viele Krankheiten

Die Zubereitungsformen

Ingwer mit anderen Heilpflanzen kombinieren

Heilen mit Ingwer von A bis Z

Die Anti-Aging-Wurzel: Ingwer für die Schönheit

Das Universalgenie: Ingwer in der Küche

Literatur und Bildquellen

VORWORT: EINE PFLANZE ZWISCHEN APOTHEKE, KÜCHE UND ESTABLISHMENT

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Heilpflanzen innerhalb der Medizin eher ein Schattendasein fristeten. Sie gehörten allenfalls in das Schränkchen mit den Hausmitteln, die gelegentlich bei einem kleinen Schnupfen oder einer Blähung »randurften«. Doch in ernsteren Angelegenheiten setzten Patienten und Ärzte lieber auf ausgeklügelten Methoden der modernen Medizin.

Doch das Blatt scheint sich zu wenden. Immer mehr Menschen vertrauen nun wieder den Kräften aus dem Pflanzenreich, auch bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt oder Depressionen. Und das gilt nicht nur für die Patienten. So ergab eine Umfrage unter Ärzten, dass bei 98 Prozent von ihnen Heilpflanzen oder deren Präparate zum täglichen Verordnungsrepertoire gehören.

Einige Heilkräuter profitierten in besonderem Maße von diesem Trend, etwa Johanniskraut gegen Ängste und Depressionen, Ginkgo gegen Hirnleistungsstörungen, Knoblauch gegen Arteriosklerose und Sonnenhut zur Stärkung des Immunsystems. Sie bilden sozusagen das »Establishment« der Phytotherapie, der Pflanzenheilkunde. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass sie besser sind als andere Heilpflanzen, sondern damit, dass sie von der Pharmaindustrie protegiert wurden. Daran ist zunächst einmal nichts Schlimmes, denn wenn sich Phytotherapie gegen die geballte Finanzkraft der konventionellen Medizin behaupten will, kann das nicht ohne die Unterstützung der Industrie funktionieren. Ganz zu schweigen davon, dass die pharmazeutische Forschung dazu beiträgt, die Wirkung der Heilpflanzen optimal zur Entfaltung zu bringen.

Schade ist jedoch, dass dabei andere Heilpflanzen leicht vergessen werden. Das gilt vor allem für jene, die nicht nur eine Tradition als Heilmittel haben, sondern auch in der Küche verwendet werden. Denn wenn sich der Patient seine Heilkräuteranwendung selbst herstellen kann, indem er sich einfach einen Tee zubereitet oder ein Gewürz übers Essen oder ins Dampfbad streut, kann die Industrie nichts daran verdienen. Und wenn die Industrie nichts verdienen kann, macht sie auch keine Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Mit der Folge, dass die betreffende Pflanze eher ein Schattendasein fristet.

Jetzt kann man nicht unbedingt behaupten, dass der Ingwer zu den vergessenen Heilpflanzen gehört. Es gibt ihn schon seit geraumer Zeit auch in Form von einigen Präparaten, und die Traditionelle Chinesische Medizin wäre ohne ihn unvorstellbar. Nichtsdestoweniger hätte er weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Denn in Deutschland denken die meisten Menschen bei seinem Namen zunächst einmal ans Gewürz, und auch hier in erster Linie daran, dass man es sparsam verwenden sollte, weil es so scharf ist. Dabei kann kaum ein anderes Heilkraut bei so vielen unterschiedlichen Erkrankungen helfen wie der Ingwer. Man kann ihn getrost als einen der »Universalkünstler« der Phytotherapie bezeichnen – denn welche Pflanze kann schon bei Ängsten und Kopfschmerzen genauso hilfreich sein wie bei Arthritis, Rückenschmerzen und Husten?

Darüber kann der Patient beim Ingwer einerseits auf bewährte Präparate zurückgreifen, andererseits aber auch zum eigenen Arzneimittelhersteller werden. Denn mit der entsprechenden Kenntnis und einigen Tricks, die in diesem Buch reichlich vermittelt werden, ist es kein Problem, sich die eigene Ingwer-Apotheke zusammenzustellen. Und preiswert ist es auch.

Gründe genug also, dem Ingwer ein Buch zu widmen und ihm dadurch Nachdruck in der alternativen Heilkunde zu verschaffen. Ob er dann schließlich zum Establishment der Heilpflanzen aufsteigen wird, sei dahingestellt. Aber eigentlich ist das ja auch gar nicht nötig, oder?

GESCHICHTE: EIN KÜCHEN- UND HEILKRAUT MIT LANGER TRADITION

Ingwer gehört zu den Heil- und Gewürzpflanzen mit einer unglaublich langen Tradition. So lang, dass man nicht mehr präzise zurückverfolgen kann, wo eigentlich die ursprüngliche Heimat der Pflanze war. Genetische Forschungen verlegen den Ursprung des Ingwers nach Indien oder China, doch sicher ist das nicht. Denn wilden Ingwer gibt es praktisch nicht mehr. Die gehaltvollen Knollen werden vielmehr heute fast überall kultiviert, wo tropische Bedingungen herrschen: von Indien und China über Pakistan, Thailand, Vietnam und Japan bis zu Australien, den Fidschi-Inseln, Hawaii, Brasilien, Mittelamerika und Westafrika.

BALSAM FÜR SEEFAHRER UND PHILOSOPHEN

80 Prozent des in Deutschland erhältlichen Ingwer stammen aus China, das auch andere Länder mit der Gewürz- und Heilpflanze beliefert. Das sind insgesamt etwa 232 000 Tonnen pro Jahr, damit nimmt es auf der Liste der Ingwer-Exporteure den Spitzenplatz ein. Ob allerdings die ursprüngliche biologische Heimat der Pflanze in China liegt, ist bislang ungeklärt, und vermutlich kann es auch nicht mehr geklärt werden. Möglich, dass Ingwer erst durch Kaufleute von Indien ins Reich der Mitte kam. Am besten ist, dass man die Wiege der Ingwer-Kultur beiden Ländern zuspricht.

So wird Ingwer in China schon seit mehr als 2500 Jahren intensiv als Heil- und Nahrungsmittel genutzt. Medizinisch verwendete man ihn vor allem zur Anregung der Verdauung und zur Behandlung von Seekrankheit. Beide Probleme waren in China seinerzeit besonders akut. Denn die hygienischen Verhältnisse in den Küchen waren miserabel, sodass es durch Essen immer wieder zu Infektionen, Unverträglichkeiten und Durchfall kam. Und für die Reiseübelkeit gilt, dass sie – aus hormonellen Gründen – einen Chinesen um ein Vielfaches häufiger trifft als etwa einen Europäer, man aber damals zwischen Hongkong und Tsingtao noch weitaus häufiger zur See fuhr als heute. Ein Volk von Seefahrern also, das extrem sensibel für die Seekrankheit war! Eine ziemlich ungünstige Kombination. Doch sie erklärt, warum man in China zum »Sheng-Chiang«, wie der Ingwer in der Landessprache heißt, im Laufe der Jahrhunderte eine ganz spezielle Vorliebe entwickelte.

Der Denker Kung-Futse (551–479 v.Chr.) sagte einmal: »Es gibt niemanden, der nicht isst und trinkt, aber nur wenige, die den Geschmack zu schätzen wissen.« Ein wahres Wort, das gerade in der heutigen Zeit des Fastfood wieder sehr aktuell geworden ist. Für den chinesischen Philosophen stand aber auch fest, dass ein Gewürz niemals im Essen fehlen durfte: nämlich Ingwer. Keine Mahlzeit, in die Kung-Futse nicht etwas Ingwer hineinreiben ließ. Und für längere Reisen empfahl er die Mitnahme von kandierten Ingwerstücken. Einerseits, weil sie vor Seekrankheit schützen, und andererseits, weil sie den Körper kräftigen sollten, damit er die Reisestrapazen besser überstehen konnte.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gilt die Ingwerwurzel als »warm«. Das bedeutet, dass sie vor allem bei Krankheiten hilft, die mit Kälte zu tun haben, wie etwa Husten, Erkältungen und Rheuma. »Wenn die frische Wurzel zusammen mit den weißen, rankenähnlichen Würzelchen von frischen Schalotten und etwas Rohrzucker oder Honig gekocht wird, ergibt das ein wirksames Mittel gegen Erkältungen, die von Frostschauern begleitet sind«, schreibt der thailändische TCM-Experte Daniel Reid.

DIE ENTSCHLACKUNGSWURZEL DES AYURVEDA

Während China der größte Ingwer-Exporteur der Welt ist, werden in Indien insgesamt die größten Ingwer-Mengen produziert, nämlich fast 360 000 Tonnen pro Jahr. Das meiste davon geht jedoch in den einheimischen Markt. Denn in Indien hat Ingwer, genauso wie in China, nicht nur als Gewürz, sondern auch als Heilmittel eine lange Tradition.

So entwickelte sich im Land der Veden parallel zur Traditionellen Chinesischen Medizin die Ayurveda-Lehre. Einer ihrer geläufigen Sätze heißt bis heute: »There is no tincture without ginger – es gibt keine Tinktur ohne Ingwer.« Der Grund: Die meisten ayurvedischen Mittel enthalten Ingwer, da man schon in den Gründerzeiten der vermutlich über 4000 Jahre alten Gesundheitslehre glaubte, dass er die Wirkung anderer Heilpflanzen verstärken könne. Eine Hypothese, die mittlerweile wissenschaftlich gut abgesichert ist. 1981 veröffentlichte das renommierte Journal of Ethnopharmacology eine Studie, in der die positiven Effekte des Ingwers auf die Verwertung von Arzneistoffen bestätigt wurden. Demnach unterstützt er einerseits die Aufnahme der Arzneistoffe aus dem Darm; andererseits verhindert er aber auch, dass sie nach dem Verdauungsakt zu schnell zur Wirkungslosigkeit verstoffwechselt werden. Die traditionsreiche Heilwurzel sorgt also gleichzeitig dafür, dass Arzneimittel von unserem Körper aufgenommen und nicht direkt wieder von unserem übereifrigen Stoffwechsel zerlegt werden. Besser geht’s nicht.

Nichtsdestoweniger verbessert Ingwer nach dem Ayurveda nicht nur die Resorption von Arzneimitteln, er stärkt auch insgesamt die Verdauungskraft »Agni«. Dadurch verhindert er das Ansammeln schädlicher Substanzen in unserem Körper und erleichtert das Verbrennen und Ausscheiden von Giften. Man kann Ingwer daher getrost im ayurvedischen Sinne als »Entschlackungswurzel« bezeichnen.

Daneben hat Ingwer einen großen Einfluss auf die sogenannten Doshas. Das sind in der Ayurveda-Lehre feinste Steuerungseinheiten, die den Menschen nicht nur hervorbringen, sondern auch seine Funktionen kontrollieren. Es wäre allerdings falsch, sich die Doshas als äußere Kräfte vorzustellen, die den Menschen anstoßen wie ein Boot im Wasser, das sich daraufhin in Bewegung setzt. Die ayurvedischen Ureinheiten halten uns nicht nur in Bewegung, sondern sie bilden gleichsam unsere geistige und körperliche Substanz. Sie prägen unser gesamtes Dasein, neben unseren körperlichen und psychischen Aktionen also auch unsere Konstitution, unseren Charakter, unsere Leidensfähigkeit und vieles andere mehr.

Vata beinhaltet das gesamte Spektrum unserer Dynamik. Menschen mit stark ausgeprägtem Vata-Anteil sind lebhaft, begeisterungsfähig, gesprächig, spontan, flexibel und dennoch leicht zu ängstigen. Pitta bezeichnet hingegen das Hitze- und Stoffwechselprinzip, ist aber auch verantwortlich für das Kontrollbedürfnis eines Menschen – sowohl auf der körperlichen als auch auf der psychischen Ebene. Menschen mit stark ausgeprägtem Pitta-Anteil sind stark »verkopft«, neigen also dazu, alle Angelegenheiten des Lebens wohlüberlegt anzugehen, emotionale und spontane Entschlüsse sind ihnen eher unangenehm. Kapha schließlich ist das Prinzip der Form, es steht für Stabilität und Struktur. Kapha-Typen haben ein stark starkes Bedürfnis nach Frieden und Harmonie – ein Bedürfnis, das man ihnen oftmals schon rein äußerlich ansieht, denn Kapha-Menschen haben eine weiche und sanfte Haut, sie wirken insgesamt körperlich eher rund und ausgewogen, neigen dadurch aber auch zu Übergewicht.

Im Ayurveda zählt Ingwer neben schwarzem und langem Pfeffer zu den »trikatu«, den »drei Scharfen«. Was im Hinblick die drei Doshas bedeutet: Diese Gewürze wirken auf Vata und Kapha, auf Pitta sind sie jedoch ohne Einfluss. Ingwer hilft daher bei der Beseitigung stressbedingter Erregungen ebenso wie bei Antriebslosigkeit und Müdigkeit, er lässt uns einen klaren Kopf, den weder Hektik noch Passivität aus der Ruhe bringen. Er ist für den hageren und konfliktträchtigen Macher ebenso hilfreich wie für den rundlichharmoniesüchtigen Phlegmatiker. Nur wenige Heilmittel können solche unterschiedliche Indikationen abdecken.

STÄRKUNG FÜRS WOCHENBETT

Über China und Indien gelangte Ingwer nach Malaysia und Indonesien, wo man seiner Anwendung als Volksmedizin einen weiteren interessanten Aspekt hinzufügte, der noch heute Gültigkeit hat. Frauen erhalten dort nämlich nach der Geburt ihres Kindes 30 Tage lang eine Ingwersuppe. »Sie soll den durch die Geburt belasteten Müttern helfen, sich warm zu halten und ihre Stoffwechselschlacken auszuschwitzen«, erklärt Prof. Kathi Kemper, Kinderärztin an der Wake Forest University in den USA.

In Arabien galt Ingwer lange Zeit als Aphrodisiakum, doch diesem Ruf konnte er – wie viele andere Heilpflanzen auch – nicht gerecht werden. Dafür wird er in Ägypten noch heute als Abwehrmittel gegen Moskitos geschätzt, und da ist wirklich etwas dran. Denn ätherische Pflanzenöle wirken generell, es ist ja geradezu ihr Sinn. So auch beim Ingwer, der seine saftigen Knollen vor den Attacken unliebsamer Schädlinge schützen muss. Es kann daher durchaus hilfreich sein, sich vor einem sommerlichen Aufenthalt im Freien einen intensiven Ingwer-Snack einzuverleiben. Am besten kombiniert mit Knoblauch, denn dessen Schwefelverbindungen wirken nicht nur auf Insekten abschreckend, sondern auch auf Zecken.

ZURÜCK ZU DEN ANIMALISCHEN WURZELN

Nach Europa kam Ingwer durch Alexander den Großen und die alten Griechen. Sie waren so begeistert von dem Gewürz, dass sie die Knollen in Scheiben schnitten und in ihr Brot einarbeiteten. Als traditionelle Seefahrer schätzten sie den Ingwer natürlich auch als Mittel gegen Reiseübelkeit.

Von Athen aus ging es für die gelbe Knolle weiter ins alte Rom. Der Leibarzt Kaiser Neros schwärmte wegen seiner wärmenden Eigenschaften für Ingwer. Die römischen Legionäre hatten ihn im Reisegebäck, um sich auf ihren Feldzügen vor Darmerkrankungen zu schützen.

Als jedoch das Römische Reich zerfiel, wurde es erst einmal still um den Ingwer. Die mitteleuropäische Kultur hatte zunächst keine Verwendung für ihn. Hildegard von Bingen (1098–1179) riet sogar vom Gebrauch der Pflanze ab, da sie angeblich das Triebhafte im Menschen stärke und ihn so »zu dem macht, was man sich unter einem trotteligen Alten vorstellt, der nichts anderes mehr im Kopf hat als das Animalische«. Eine Einschätzung, die vermutlich von der arabischen Medizin inspiriert war, die den Ingwer als Aphrodisiakum schätzte. Und so etwas musste Hildegard als Äbtissin des Benediktinerordens natürlich ablehnen. Immerhin gestattete sie eine Ausnahme von ihrem Ingwer-Verdikt. Denn sei der Mensch stark geschwächt und dem Tode schon nahe, könne »das Animalische noch einen Stoß gebrauchen«. Und dann, so die berühmte Kräuter-Expertin weiter, »soll man eine Ingwersuppe essen«.

Hildegard von Bingen konnte freilich nicht verhindern, dass die mittelalterlichen Kreuzritter neben Pfeffer und Zimt auch reichlich Ingwer aus dem Orient mit nach Hause nahmen. Seine Beliebtheit in Europas Küchen wuchs. Allerdings war er noch recht teuer, sodass er in erster Linie dem Adel und reichen Kaufleuten vorbehalten war. Im 16. Jahrhundert brachten jedoch die Spanier den Ingwer nach Mittelamerika, wo er als Tropengewächs natürlich optimale Anbaubedingungen vorfinden sollte. Er entwickelte sich so prächtig, dass die spanischen Siedler in Jamaika bereits Anfang des 17. Jahrhunderts das Gewürz in großen Mengen nach Europa verschiffen konnten. Die Folge: Das Ingwerangebot stieg, und damit sanken seine Preise, sodass er nun auch für Normalsterbliche erschwinglich wurde. Plötzlich wollte fast jeder den Ingwer in seinem Essen haben. Eigentlich eine begrüßenswerte Entwicklung. Die explodierende Nachfrage führte allerdings dazu, dass unseriöse Händler ihr Ingwerpulver mit Sand, Mehl oder Brotkrümeln streckten. Einige Ärzte sahen sich daher genötigt, vor pulverisiertem Ingwer zu warnen. Dieser Ansicht kann man sich übrigens auch heute nur anschließen. Zwar wird jetzt genug Ingwer produziert, sodass er nicht mehr gestreckt werden muss, doch das Pulver ist im Hinblick auf seine Würzkraft nur ein mäßiger Ersatz für frisch abgeschnittene Wurzelstücke. Ganz zu schweigen davon, dass pulverisierte Gewürze heute manchmal mit Röntgen-, Gamma- oder Elektronenstrahlen behandelt werden, um ihre Haltbarkeit zu steigern. Dies müsste zwar ausdrücklich auf der Verpackung zu lesen sein, doch leider »vergessen« das einige Hersteller immer wieder.

Die Pflanze der Schamanen

In Ecuador wird der »ajej« genannte Ingwer von den dortigen Ureinwohnern, den Shuar, nach wie vor als Pflanze für Rituale eingesetzt. Die Schamanen etwa zerbeißen Ingwerwurzeln, um magische Kraft zu gewinnen.

Auf der indonesischen Insel Siberut müssen angehende Schamanen eine regelrechte Ingwer-Prüfung absolvieren. Sie gehen dann mit ihrem Lehrmeister an eine verschwiegene Stelle, wo ihnen ein Fläschchen beißender Ingwersaft in die Augen geträufelt wird. Der Schamanen-Novize soll dadurch ein »Sehender« werden. Wieso unter den Hunderten von Nutzpflanzen des Urwalds (unter denen auch einige ganz schön scharf sein und zu Tränen reizen können) ausgerechnet der Ingwer zu diesem Zweck auserkoren wurde, weiß niemand genau. Möglich, dass sich die Schamanen durch die fingerförmigen Strukturen des Ingwer-Wurzelwerks an eine göttliche Hand erinnert fühlten, ähnlich wie Ginseng-Wurzeln die Gestalt eines Menschen nachzuahmen scheinen. In jedem Falle ist es ein interessantes Ritual – doch vor Nachahmung sei gewarnt!