Inka Bause - Wolfgang Schumann - E-Book

Inka Bause E-Book

Wolfgang Schumann

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Beschreibung

Inka Bause von Wolfgang SchumannBlonder Strubbelkopf zum feschen Dirndl, locker-luftige Moderationen, schön in die Kamera lächelnd – so kennen die RTL-Fans die "Bauer sucht Frau"-Moderatorin Inka Bause. Teenie-Star mit eingängigen Pop-Hits, Modeikone ihrer Generation in der DDR der 80er mit Comeback in den späten 90ern – so kennen Schlagerfans "ihre" Inka. Wer ist Inka Bause heute? In ihrer über 30 Jahre andauernden Karriere professionalisierte sie den Umgang mit den Medien. Es ist schwierig, in ihrem übervollen Terminkalender Zeit für lange Interviews zu finden. Die gibt es regelmäßig per Zuteilung von RTL, gesprochen wird dort über neue "Bauer"-Kandidaten, kaum über Frau Bause. Private Themen umgeht sie elegant, ihr umfangreiches soziales Engagement findet meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Gutes tun, nicht viel drüber sprechen, ist ihr Anliegen. Doch 2018 erfüllt sie sich einen ganz besonderen Wunsch – eine Konzerttournee mit den Liedern ihres Lebens. Für "kurz & bündig" beobachten wir sie bei den Vorbereitungen und finden heraus, wer Inka Bause heute ist.

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Moderatorin. Sängerin. Botschafterin.

 

Inka Bause

von Wolfgang Schumann

 

 

 

 

 

 

kurz & bündig Verlag | Frankfurt a. M. | Basel

Zum Buch

Inka Bause. Moderatorin. Sängerin. Botschafterin.

Inka Bause begann ihre Karriere blutjung: Als 16-Jährige landete sie ihren ersten großen Hit, geschrieben von ihrem Vater Arndt. Vom Erfolg verwöhnt, stürzte sie nach dem Ende der DDR ins Karrieretief – dieses Buch erzählt, wie ihr das furiose Comeback gelang. Offen spricht Inka Bause über Schicksalsschläge, Erfolge und Niederlagen, Familie und Freunde – ihren langen, mitunter steinigen Weg vom Teenie-Star zu einer der beliebtesten deutschen TV-­Moderatorinnen.

Zum Autor: Wolfgang Schumann

Wolfgang Schumann, studierter Journalist, seit drei Jahrzehnten Kulturjournalist in Berlin, ist in der Unterhaltungsbranche gut vernetzt – er begleitete die Karriere von Inka Bause aus nächster Nähe, erlebte ihre Höhen und Tiefen.

»Weißt Du eigentlich, wie stolz ich auf Dich bin?«

(Inka Bauses Vater am Tag vor seinem Tod 2003)

1. Ein Stern geht auf

Sagen Geburtsort und -zeit etwas über das Schicksal eines Menschen aus? Vielleicht sogar das Sternzeichen? Inka Bause, geboren am 21. November 1968 in Leipzig, glaubt nicht an solche Zeichen – obwohl gerade in ihrem Fall das Schicksal alles zu fügen schien. Inka ist stattdessen überzeugt, dass es die schwierigen ersten Lebenswochen waren, denen sie ihre Kämpfernatur und ihren unerschöpflichen Optimismus verdankt. Denn ihr Start ins Leben verlief alles andere als optimal. Als Siebenmonatskind, also als »Frühchen« geboren, wollte die kleine Inka anfangs wohl nicht so recht an eine Karriere als Erdenbürgerin glauben und verweigerte ein paar Sekunden lang das Atmen. Ob es der berühmte Klaps auf den Po war, der ihr schließlich den nötigen Anstoß gab, weiß niemand mehr so recht. Nachdem sie ein paar Wochen im Krankenhaus aufgepäppelt worden war, kam sie nach Hause. »Weihnachten lag ich schon unterm Tannenbaum«, weiß sie aus den Erzählungen ihrer Eltern.

Der 21. November jenes Jahres schenkte Deutschland keine weiteren zukünftigen Promis. Begäbe man sich aber auf eine Reise um den Globus und durch die Jahrhunderte, könnte sie sich ihre Geburtstagstorte teilen mit dem französischen Philosophen Voltaire, ihrer isländischen Sänger-Kollegin Björk und mit Goldie Hawn, die eine ihrer Lieblingsschauspielerinnen ist.

Alle drei Töchter der Familie Bause kamen in Leipzig zur Welt. Katrin und Anja, Inkas ältere Schwestern, waren 1962 und 1965 geboren worden. Weshalb sich die Familie damals in der Messestadt niedergelassen hatte, hat Inkas Vater in seiner Autobiografie »Auf der Tonleiter in den Schlagerhimmel« geschildert; wir zitieren weiter unten daraus.

Dass sich intellektuell unabhängige und kreative Künstler in der Messestadt Leipzig seit jeher wohlfühlen, mag an ihrer weltoffenen, künstlerfreundlichen Atmosphäre liegen, die auch in DDR-Zeiten zu spüren war. Künstler aus Leipzig bereichern seit Jahrhunderten nicht nur die deutsche Kulturlandschaft, sie strahlten oft auch über die Grenzen hinaus: Richard Wagner, Clara Schumann und Hanns Eisler gehören zu den populärsten der in Leipzig Geborenen. Doch man musste nicht in Leipzig geboren sein, um den Ruhm der Stadt zu mehren: Die Messestadt zog über die Jahrhunderte geniale Kulturschaffende an – Johann Sebastian Bach verbrachte seine künstlerisch fruchtbarste Zeit als Thomaskantor in der Stadt. Johann Wolfgang von Goe­the verhalf »Auerbachs Keller«, seiner Studentenkneipe, zu Weltberühmtheit und noch heute stabilen Umsätzen. Gewandhauskapellmeister Kurt Masur brachte dem Konzerthaus am Augustusplatz nicht nur Weltruhm, sondern rettete mit Gleichgesinnten während der friedlichen Revolution im Herbst 1989 den guten Ruf seiner Wahlheimat.

Auch der Humor kam in der Stadt an der Pleiße nie zu kurz: Der Komiker Paul Beckers sorgte mit teilweise drastischem Humor für Abwechslung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; Lene Voigt dichtete zur selben Zeit deutsche Klassiker in die »Leipzscher« Mundart um und wurde damit zum Kult – zumindest in Sachsen. Und damit auch die spätere Bundesrepublik was zum Lachen hatte, holte sich der begnadete Humorist und Musiker Heinz Erhardt in den 1920er Jahren am Leipziger Konservatorium das Rüstzeug für seine spätere Karriere.

Kommen wir zurück zu den Sternen. Glaubt man Sternendeutern, sind Frauen, die im Sternzeichen Skorpion geboren wurden, ausgesprochene Kämpfernaturen – »Macherinnen« mit hohen Ansprüchen an sich und andere. Mit solchen Zuschreibungen mag Inka sich zwar kaum identifizieren, zumal sie ja zwei Monate zu früh auf die Welt kam, also eigentlich ein anderes Sternbild für sie »vorgesehen« gewesen sei. Aber sie räumt ein, dass manches doch passt. Als Kämpfernatur sieht sie sich durchaus, und sie fährt gern mal ihren Stachel aus, wie es sich für eine Skorpion-Frau gehört. Denn Erkämpftes will mitunter verteidigt werden.

Zeitgeschichtlich war Inkas Geburtsjahr 1968 ein Jahr der Umbrüche und Rückschläge. Was die meisten Zeitgenossen damals wohl mehr interessierte, waren die aktuellen Hits – in Ost wie West: DER Mega-Hit war »Mama«. Das Lied des damals gerade dreizehnjährigen Niederländers Heintje tönte aus allen Radios zwischen Flensburg und Passau, Rostock und Bad Elster. Der ursprünglich aus dem Italien der 1930er stammende Schlager war übrigens ein paar Jahre vorher schon in der DDR ein Hit gewesen – 1965 gesungen von Bärbel Wachholz, dem Topstar des Ostens in jenen Jahren.

Kuriosum am Rande: Die Wege von Heintje und Inka sollten sich ein Vierteljahrhundert später kreuzen. Der Ex-Kinderstar Hein Simons wurde in den 90ern vom selben Management vertreten, das auch das ehemalige Ost-Teenie-Idol Inka im Westen etablieren wollte.

Der Musik-Erfolg des Jahres 1968 in der DDR kam aus dem Kino: »Heißer Sommer« wurde zum Kult-Musikfilm der DDR, Titel wie »Heißer Sommer« und »Männer, die noch keine sind« zu Hits. Es war ein Jahr temperamentvoller Stimmungslieder mit sinnigen Titeln wie »La Bostella bei Tante Ella« und »Blau ist die Nacht« – sie standen ganz im Gegensatz zur politischen Atmosphäre mitten im Kalten Krieg. Im Westen tobten die 68er Studentenunruhen, in Prag wurde das politische Tauwetter im Ostblock mit dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes brutal beendet.

Die Atmosphäre bei Familie Bause war geprägt von Papas Arbeit als Schlagerkomponist. Ein sonderlich politischer Mensch war Vater Bause nie – er mochte nie in eine Partei eintreten und lebte Zeit seines Lebens für seine Kunst. 1968 hatte er gerade seine Arbeit als Glasapparatebläser an der Deutschen Akademie der Wissenschaften aufgegeben. Endlich konnte er von seiner Musik leben. Er hatte schon Hits für Stars wie Helga Brauer, Thomas Lück, Ina Martell und das DDR-Schlagertraumpaar Chris Doerk und Frank Schöbel geschrieben. Allein in Inkas Geburtsjahr nahm er fast 30 Songs in den Berliner Rundfunkstudios auf. Mit »Verzeih den Kuss«, gesungen von Frank Schöbel, landete er einen großen Hit.

Regelmäßig landeten im Briefkasten Schecks der »AWA« (Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte). Finanziell ging es für die Familie steil nach oben. Aber trotz der Erfolge war es keine leichte Zeit, wie er in seiner Autobiografie schrieb: »Unsere Tochter Inka war als schwierige Frühgeburt auf die Welt gekommen, meine Frau musste sich ganz auf das Kind konzentrieren. Ich habe an der Akademie gekündigt, aufgehört, Musik zu machen, mich um den Haushalt und die Töchter gekümmert, komponiert …« Zusätzlich begann Arndt Bause, damals 32-jährig, kurz nach Inkas Geburt ein externes Studium an der Leipziger Musikhochschule Felix Mendelssohn Bartholdy.

Für Inka ist die Leipziger Zeit nicht mehr als eine kurze Episode ihrer Kindheit. Kurz vor ihrer Einschulung zog die Familie 1975 nach Berlin. Dabei wollten die Bauses eigentlich nicht aus Leipzig weg. Nachdem sie sich zehn Jahre lang eine große Sechszimmerwohnung mit zwei anderen Familien teilen mussten, hatten sie Anfang der 70er Jahre nach einer Eingabe an den Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht endlich eine moderne Vierzimmer-Neubauwohnung beziehen dürfen. (»Eingaben« waren in der DDR einer der wenigen Wege, persönliche Anliegen vorzubringen. Sich gegen die staatlichen Organe vor Gericht durchzusetzen, wäre illusionär gewesen.) Die neue Wohnung lag in einem typischen Ost-Plattenbau, aber äußerst verkehrsgünstig zwischen Bayerischem Bahnhof und Alter Messe nahe der Leipziger Innenstadt. Inkas ältere Schwestern Katrin und Anja waren inzwischen eingeschult, hatten sich einen Freundeskreis aufgebaut und wollten auf keinen Fall aus Leipzig weg.

Doch Arndt Bause war inzwischen mehr auf der Autobahn zwischen Leipzig und Berlin unterwegs, als ihm selbst und seiner sich sorgenden Ehefrau lieb war. Sein Arbeitsschwerpunkt hatte sich nach Berlin verlagert, seit er sozusagen am Fließband für die damals beliebte maritime TV-Show »Klock Acht, Achtern Strom« immer neue Titel schreiben musste. Die Sendung mit dem sehr populären Moderatoren-Trio Horst Köbbert, Rica Déus und Hans Knauer gehörte 26 Jahre lang zu den erfolgreichsten DDR-Unterhaltungsshows. Eigens für »Klock Acht« wurden mehr als dreieinhalbtausend neue Musiktitel geschrieben, viele davon seit Anfang der 70er Jahre von Arndt Bause. DDR- und internationale Stars gaben sich im Rostocker Ostseestudio die Klinke in die Hand: Lolita und Jonny Hill aus Österreich gehörten ebenso wie die Schwedin Nina Lizell zur »Stammbesatzung« der Hafenbar. Mit »Der Mann mit dem Panama-Hut« aus der Feder Arndt Bauses landete die blonde Nina Lizell 1973 einen Riesenhit, der später auch in beliebten DDR-Shows wie »Ein Kessel Buntes« oder »Da liegt Musike drin« gespielt wurde. Damals junge Nachwuchs­talente wie Monika Herz und Elke Martens bekamen eine Chance, im TV neben etablierten Kollegen wie Peter Albert oder Hartmut Eichler aufzutreten. Noch heute erinnert die Gaststätte »Klock 8« auf dem ehemaligen Rostocker TV-­Gelände an die Sendung.

Angret Bause machte sich jedenfalls Sorgen um ihren Mann, und so tauschten Bauses auf abenteuerlichen, in der DDR damals aber durchaus üblichen Wegen ihre Vierzimmerwohnung in Leipzig gegen ein Plattenbau-Domizil in Berlin-Friedrichshain. Hier konnten sie allerdings nicht lange bleiben, weil die Wohnung ohne ihr Wissen bereits einem Mitarbeiter des SED-Zentralorgans Neues Deutschland versprochen worden war. Aus dieser Zwickmühle »rettete« sie das Unglück des Schlagerstars Thomas Lück. Er wurde just in jener Zeit von seiner Frau Aurora Lacasa verlassen, die sich während einer Kuba-Tournee in ihren Kollegen Frank Schöbel verliebt hatte. Thomas Lück saß allein und unglücklich in seinem großen Haus in Berlin-Biesdorf und wollte es eigentlich nur noch loswerden. Glücklicherweise hatte Arndt Bause bereits so viel Geld mit seinen Hits verdient, dass er Thomas und Aurora den offiziell taxierten Preis bezahlen konnte.

Während Inkas ältere Schwestern mit dem Umzug haderten, sah die Siebenjährige die neue Welt ihrer Familie durch eine rosarote Brille.

Ich habe meinen Papa immer geliebt. Meine Schwestern hatten mit dem Umzug nach Berlin größere Probleme. Sie waren damals schon in der Schule, mussten ihre Freunde in Leipzig zurücklassen. Ich wurde im Jahr unseres Umzugs eingeschult, bei mir war alles auf Anfang und ich empfand den Umzug als großes Abenteuer. Ich, bisher ein Kind der Platte, kam in eine freundliche grüne Gegend voller Einfamilienhäuser. Es gab freundliche Nachbarn, die Handschicks, die für mich schnell zu einer Art Ersatz-Großeltern wurden. Bei den beiden durfte ich schlafen, wenn meine Eltern verreist waren. Das Essen schmeckte köstlich – auch wenn ich den Kaninchenbraten am Tag zuvor im Garten der Handschicks noch liebkost hatte in seinem Stall. Natürlich rückten sie nicht gleich und freiwillig mit dieser Information heraus, und ich wollte danach auch nie wieder ein Langohr aus Nachbars Garten verspeisen. Doch ich konnte nicht widerstehen, es schmeckte einfach zu gut!

Inka erlebte in der Biesdorfer Eigenheim-Idylle eine traumhaft schöne Kindheit, von der sie noch heute mit glänzenden Augen erzählt. »Oma« und »Opa« Handschick waren schnell gute Freunde der Familie geworden und verwöhnten auch Inka gern, nicht nur mit köstlichen Mahlzeiten. Frau Handschick, die als Schneiderin an der Komischen Oper gearbeitet hatte, überraschte die Kleine immer wieder mit prachtvollen Kleidern für ihre Barbie-Puppen. »Sie hatte Brokat-Reste von Kostümen, aus denen sie die herrlichsten Puppenkleider zauberte«, erinnert sich Inka.

Für Arndt Bause war 1975 ein erfolgreiches Jahr. Er schrieb für Stars wie Frank Schöbel, Chris Doerk, Andreas Holm, Monika Herz, Thomas Lück und das Duo Hauff/Henkler, und auch für einige der damals in der DDR populären Interpreten aus den »sozialistischen Bruderländern« wie Alla Pugatschowa aus der Sowjetunion und Kati Kovacz aus Ungarn. Sein größter Hit in jenem Jahr war »Dreh dich nicht mehr um« mit Peter Albert – siebzehn Wochen stand die wehmütige Ballade des damals 29-jährigen Sängers auf Platz 1 der DDR-Hitparade »Schlagerrevue«. Bereits jedes Jahr davor waren Songs von Arndt Bause regelmäßig ganz vorn in den Hitparaden gelandet. Immer wieder bewies Inkas Papa ein sicheres Gespür für »Ohrwürmer« – wie zum Beispiel 1974 mit Chris Doerks »Die Erinnerung bleibt«, 1973 »Ich geh vom Nordpol zum Südpol« mit Frank Schöbel oder im Jahr zuvor »Einmal fang ich Dich ein« mit Britt Kersten und »Zwilling sein ist schwer«, interpretiert von den ungarischen Vari-Zwillingen, die allerdings ein »One-Hit-Wonder« blieben, wie man heute sagt.

Familie Bause bescherte der anhaltende Erfolg des überaus produktiven Vaters einen für die DDR nicht gerade üb­lichen Wohlstand. Einen »Volvo 244DLS« hatten in der DDR nur Künstler, Funktionäre und Handwerker in der Garage; vom schwedischen Luxus-Auto wurden in den 70er Jahren nur tausend Exemplare importiert. Später schwebte eine der wenigen Mercedes-Limousinen mit Ostberliner Kennzeichen als Bauses Familienkutsche durch Berlin – was nicht nur überraschte Blicke, sondern auch Neid und Diskussionen auslöste. Inka gesteht unumwunden, dass sie nie Probleme mit dem Wohlstand ihrer Eltern hatte, im Gegensatz zu ihren Schwestern.

Katrin und Anja wollten nicht mit dem Volvo oder dem Mercedes bis zur Schule gefahren werden. Wenn sie nicht drum herumgekommen sind, musste Papa drei Querstraßen vor der Schule halten, damit das keiner sieht. Ich dagegen war naiv, stolz, dass mein Papa einen Volvo hatte. Ich war noch viel zu blöd, zu begreifen, dass sich nicht jeder in der DDR einfach solch ein Auto kaufen konnte. Für mich war klar, mein Vater kann, was nicht jeder kann. Dafür wird er belohnt. Das war für mich eine einfache Rechnung, Recht oder Unrecht waren keine Kategorien. Ich wusste nur, mein Vater arbeitet Tag und Nacht wie ein Verrückter, während meine Mutter versucht, den ganzen Laden zusammenzuhalten. Für mich stand nie in Frage, dass er das Recht hatte, diesen Luxus zu haben.

Auch den Umzug nach Berlin empfand Inka als logisch.

Musikstudios, Fernsehen und Radio waren in Berlin, mein Vater konnte sich seiner Arbeit widmen und musste nicht mehr so viele Stunden auf der Autobahn verbringen. Ich sah es ganz einfach: Papa ist nicht mehr so oft weg, wir mussten keine Angst mehr haben, dass er nachts irgendwo übermüdet an einen Baum kracht.

Ihre Freunde und Mitschüler in Berlin-Biesdorf, so erzählt sie, wohnten zum großen Teil ebenfalls mit ihren Familien in eigenen Häusern.

Im Osten musste man nicht reich sein, um ein eigenes Haus zu besitzen. Es kam auf die Beziehungen an. Arbeitete man an der richtigen Stelle oder kannte die richtigen Leute, kam man auch an ein Häuschen mit Garten. Oder man hatte eben geerbt. Ich bin mit 25 anderen völlig normalen Leuten zur Schule gegangen, und das ist mir gut bekommen. Ich hatte Mitschüler jeder Art, vom Alkoholiker-Kind über den Fleischersohn bis hin zum Anwaltssohn und zur Künstlertochter. Das war das Tolle. Deshalb habe ich auch meine Tochter später nicht auf eine Privatschule oder aufs Internat geschickt. Anneli besuchte eine ganz normale Grundschule, später ein Gymnasium. Obwohl mir viele Bekannte in den Ohren lagen, ich solle sie auf ein Internat schicken. Ich sei doch so viel unterwegs und könne es mir leisten. Ich finde jedoch, ein Kind braucht eine Sozialisierung mit so vielen sozialen Spektren wie möglich.

Dann beschließt sie energisch dieses Kapitel ihrer Kindheitserinnerungen:

Ich mag diese ewigen Diskussionen um Bildung und Erziehung in der DDR nicht. Wir sollten heute mal drüber nachdenken, was alles gehörig schiefläuft. Fast jedes Kind wohlhabender Eltern wird sofort aussortiert, kommt auf eine Privatschule oder ein Internat. Bildung hängt am Geld. Wer arm ist, bleibt ungebildet, wer reich ist, hat alle Chancen. Das gab es bei uns nicht.

Obwohl ihre musische Ausbildung schon in ihrer frühen Kindheit viel Zeit beanspruchte, findet Inka das Talente-Suchsystem der DDR im Rückblick hervorragend. Bereits in der ersten Klasse wurde sie von einem Talente-Scout der Musikschule Berlin-Friedrichshain entdeckt, lernte dort Geige, spielte später im Laienorchester und nahm Klavier- und Gesangsunterricht. Von Musik war das begabte Mädchen also ständig umgeben. Sie erinnert sich:

Häufig kamen die Künstler, für die mein Papa schrieb, zu uns nach Hause. Ich hörte ihn sehr oft Klavier spielen. In Leipzig hatte er seinen Arbeitsraum im Keller, später im Haus direkt neben meinem Zimmer. Hier wachte ich sonntags mitunter von seinem Spiel auf. So manchen späteren Hit von Stars wie Wolfgang Lippert, Helga Hahnemann, Frank Schöbel oder Monika Herz hörte ich damals im Halbschlaf in seiner Entstehungsphase. Was aber bei mir nicht etwa für große Freude sorgte – ich war mitunter stocksauer, weil der Sonntag der einzige Tag war, an dem ich ausschlafen konnte.

»Ich bin ein leidenschaftlicher Bio-Esser, mein ganzes

Umfeld wird immer ökologischer mit Solar-Anlage

auf dem Haus, Wasserfilter und so weiter. Ich möchte so

gesund wie möglich leben.«

Aber ganz egal, ob Papa Bause am Sonntag früh um kurz nach sieben schon seine ersten Melodie-Ideen in die Tasten haute oder nicht – lange schlafen war ohnehin nicht drin, denn das gemeinsame Frühstück mit den drei Töchtern war den Eltern wichtig. »Sonntag hin oder her«, lacht Inka, »wenn meine Mama flötete ›Der Papi freut sich doch so, wenn wir alle gemeinsam essen‹, durften wir nicht Nein sagen.«

Mitte der 70er Jahre sprudelten die Hits aus Arndt Bauses Feder scheinbar pausenlos. 1976 landete das für die DDR exotisch anmutende Duo Sandra Mo und Jan Gregor mit »Hätt’ ich nochmal die Wahl« einen Riesenhit – insgesamt entstanden während der Zusammenarbeit von Arndt Bause und dem Gesangspaar drei Alben, von denen eine halbe Million Exemplare verkauft wurden. Im selben Jahr katapultierte sich der junge, anspruchsvolle Chansonnier Jürgen Walter mit dem leichtfüßig daherkommenden Schlagerchanson »Schallali Schallala« in die erste Riege der ostdeutschen Unterhaltungs-Interpreten.

Doch das kleine Land zwischen Elbe und Oder hatte bekanntlich noch ein anderes Gesicht als jenes, das im offiziellen Staatsfernsehen und -rundfunk gezeigt wurde. Ereignisse im selben Jahr wie die Ausbürgerung Wolf Biermanns, die Selbstverbrennung des oppositionellen Pfarrers Oskar Brüsewitz und der Hausarrest des Wissenschaftlers Robert Havemann gelten heute als der Anfang vom Ende der DDR. Der nach der Biermann-Affäre beginnende Exodus vieler namhafter Künstler und Publikumslieblinge wie Manfred Krug, Nina Hagen, Katharina Thalbach und Eva-Maria Hagen riss schmerzhafte Lücken in die DDR-Kulturlandschaft.