Innehalten, Masche halten - Karin Erlandsson - E-Book

Innehalten, Masche halten E-Book

Karin Erlandsson

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Beschreibung

Eine inspirierende Geschichte zum Wohlfühlen – nicht nur in der kalten Jahreszeit.

Stricken ist eine uralte Kunst, mit der man nicht nur wunderbare Kleidungsstücke schaffen, sondern auch die Welt verändern kann. Denn gerade in Zeiten, in denen die Welt ins Wanken gerät, bringt uns die Beschäftigung mit der Wolle, den Mustern und den Nadeln dazu, innezuhalten und die innere Balance wiederzufinden. In diesem ganz persönlichen Memoir erzählt Karin Erlandsson ihre eigene Strickgeschichte und darüber hinaus, wie wichtig das Thema von seinen Anfängen bis hin zur Gegenwart ist. Denn: Frauen, die stricken, veränderten schon immer die Welt – und ihren eigenen Lebensweg. Nachahmung dringend empfohlen!

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Seitenzahl: 164

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Buch

Stricken ist eine uralte Kunst, mit der man nicht nur wunderbare Kleidungsstücke schaffen, sondern auch die Welt verändern kann. Denn gerade in Zeiten, in denen die Welt ins Wanken gerät, bringt uns die Beschäftigung mit der Wolle, den Mustern und den Nadeln dazu, innezuhalten und die innere Balance wiederzufinden. In diesem ganz persönlichen Memoir erzählt Karin Erlandsson ihre eigene Strickgeschichte und darüber hinaus, wie wichtig das Thema von seinen Anfängen bis hin zur Gegenwart ist. Denn: Frauen, die stricken, veränderten schon immer die Welt – und ihren eigenen Lebensweg. Nachahmung dringend empfohlen!

Autorin

Karin Erlandsson, geboren 1978, ist eine preisgekrönte finnische Autorin, die im Bereich Belletristik und Sachbuch veröffentlicht. Ihren ersten selbst gestrickten Pullover hat sie im Alter von 14 Jahren angefertigt. Seitdem hegt sie eine Vorliebe für blaue Wolle und macht sich stark für die These, dass Frauen, die stricken, die Welt verändern.

KARIN ERLANDSSON

Innehalten, Masche halten

Wie Stricken unsere Seele wärmt

Deutsch von Lotta Rüegger und Holger Wolandt

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel Det blå garnet bei Schildts & Söderströms, Helsinki.

This work has been published with the financial support of FILI – Finnish Literature Exchange.

Die Zitate von Loretta Napoleoni stammen aus Die Macht der Maschen. Wie Stricken uns durchs Leben begleitet und miteinander verbindet, übersetzt von Christiane Wagler, Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München 2021.

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

1. Auflage 2023

Titel der Originalausgabe: Det blå garnet

Copyright der Originalausgabe © Karin Erlandsson 2022

Published originally in Swedish by Schildts & Söderströms

Published by agreement with Helsinki Literary Agency

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Ingola Lammers

Umschlaggestaltung und -motiv: © www.buerosued.de

StH · Herstellung: sam

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-641-31204-6V001

www.blanvalet.de

Inhalt

Der erste Pullover

Die strickende Madonna

Spinnen

Es war einmal ein Schaf

Darum

Werkzeug

Die Garnwinde

Die Magie

Das Lager

Ein Trend vergeht, Wolle besteht

Eine Ewigkeit aus Tristesse

Strickmustersammeln

Das Schönste

Farben

Das Stricken ist tot. Es lebe das Stricken!

Fehler

Politisches Stricken

Ziele

Stricken in der Literatur

Panik

Eine Sprache

Beschäftigung für die Hände

Gemeinschaft

Die anonymen Strickerinnen

Dank

Literatur

Autorin

Mit 16 sticht sich Dornröschen an einer Spindel und schläft hundert Jahre lang, obwohl der König alle Spindeln verboten hat, um den Fluch der bösen Fee zu vereiteln. Ohne Erfolg.

Dornröschen und alle anderen im Land versinken in einen tiefen Schlaf. Eine hohe Hecke aus dornigen Rosenbüschen wächst um das Schloss herum in die Höhe. Erst nachdem die hundert Jahre vergangen sind, gelingt es einem Prinzen, sich einen Weg durch die Hecke zu bahnen. Er findet die Prinzessin und weckt sie mit einem Kuss.

Möglicherweise handelt das Märchen gar nicht von dem sexuellen Erwachen einer jungen Frau, sondern von einem Land, in dem Spinnräder verboten sind?

Alle müssen schlafen und nicht einmal ein kluger Prinz kann das Land befreien. Einer tatkräftigen Frau hingegen könnte es gelingen, die Dornenhecke mit spitzen Stricknadeln statt eines Schwertes zu forcieren, an der schlafenden Prinzessin vorbeizueilen und das angehaltene Spinnrad zu finden.

Sie würde dieses Spinnrad in Gang treten und zwischen ihren Händen würde aus der Wolle ein Faden entstehen. Das Land würde wieder zum Leben erwachen.

Der erste Pullover

An meinem Geburtstag unternimmt die Familie einen Roadtrip. Wir fahren idyllische Landstraßen entlang, biegen bei Badestränden ab, von denen wir bislang nichts wussten, und halten bei Cafés, die wir vergessen hatten.

Mitten auf den Ålandinseln gibt es ein Café, das »Lottas Stickstuga« (Lottas Strickhütte) heißt. Es ist nur im Sommer geöffnet, hat einen riesigen Garten, große Torten mit viel Schlagsahne und bietet von Lotta eigenhändig gefärbte Wolle zum Verkauf an.

Die Familie interessiert sich für die Torten, ich mich für die Wolle. Sie liegt in Strängen in großen Körben und Regalen, nach Farben sortiert. Rot am Fenster, Blau unter dem Ladentresen, Grün und Orange an den Wänden.

Dünne Wolle aus zwei Fäden und dicke, für die man Stricknadeln Stärke 7 benötigt.

So viele ungestrickte Pullover.

In der dritten Klasse habe ich bei einer Handarbeitslehrerin, die Inger hieß, stricken gelernt. In der ersten Stunde war das Maschenanschlagen dran. Was ich damals lernte, das ist mir später klar geworden, war der Kreuzanschlag. Der Faden wird mithilfe der Finger der linken Hand, die als Haken dienen, in vier Linien auf die linke Handfläche gelegt. Mit den Stricknadeln, die in der rechten gehalten werden, nimmt man zwei Fäden auf und so werden die Maschen gebildet.

Das machte mir solchen Spaß, dass ich damit fortfuhr, als ich nach Hause kam. Ich saß im Bett meiner Eltern und nahm eine Masche nach der anderen auf, bis Mama wissen wollte, was ich da tat. Erst in diesem Moment sah ich ein, dass man beim Anschlagen nur lose Maschen erhält und dass wir die Maschen zum Einhaken noch gar nicht gelernt hatten. Im Unterschied zum Häkeln sind die Maschen beim Stricken nicht selbstständig, sondern halten sich gegenseitig von oben und unten, damit sie nicht aufgehen.

Mit 14 entschloss ich mich zum ersten Mal, einen Pullover zu stricken, und zwar heimlich und aus Restwolle, die bei uns zu Hause lag. Ich stellte mir vor, wie ich mit meinem ersten selbst gestrickten Pullover nach unten in die Küche kommen würde. Mama würde Augen machen!

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich natürlich bereits rechts und links stricken und hatte Socken unterschiedlicher Größe und einen Schal angefertigt.

Jede Handarbeit beginnt mit der Wahl des Materials, und das macht mir mit am meisten Spaß. So war es auch dieses erste Mal. Im Schlafzimmer meiner Eltern stand eine Kommode mit Restwolle, die ich nach Farben sortierte. Ich plante einen Pullover mit Streifen, etwas anderes ließen die Wollvorräte nicht zu. Für die Vorder- und die Rückseite konnte ich außerdem nicht dasselbe Gelb verwenden, sondern musste mich mit verschiedenen Gelbtönen behelfen.

Ich besaß kein Strickmuster und plante großzügig, damit der Pullover wenigstens nicht zu klein wurde. Ich saß auf meinem Bett, rechnete und nahm reichlich Maschen auf. Dann begann ich zu stricken.

Es dauerte drei Wochen. Ich versank vollkommen in meine Beschäftigung. Vermutlich war es eines der ersten Male, dass ich meine Gabe zur Besessenheit in die Praxis umsetzte. Diese drei Wochen verbrachte ich ausschließlich mit Stricken. Damals existierte noch kein Streaming, aber es gab Bücher auf Kassetten. Eigentlich waren sie für sehbehinderte Leute vorgesehen und lagen in orangen Plastikschachteln mit Brailleschrift.

Ich hörte beim Stricken ein Buch nach dem anderen. Klassiker, Krimis, Kinderbücher. Die Vorderseite des Pullovers entstand, während ich mir Der Polizistenmörder von Maj Sjöwall und Per Wahlöö und Barabbas von Pär Lagerkvist anhörte.

Rundstricken beherrschte ich noch nicht, also strickte ich zuerst die Vorderseite, maß die Streifen auf gut Glück ab und strickte dazu passend die Rückseite. Bei den Öffnungen für die Arme nahm ich nicht ab, dafür aber beim Halsausschnitt. Danach kamen die Ärmel an die Reihe. Ein dritter Rotton für den linken Ärmel, ein vierter für den rechten. Streifen um Streifen. Buch um Buch.

Dass der Pullover recht groß ausfallen würde, erkannte ich schon früh, aber lieber zu groß als zu klein. Ich vernähte alle Fäden und nähte Vorder-, Rückseite und Ärmel zusammen. Dann strickte ich einen Rollkragen an. Alles ohne fremde Hilfe.

Dann war der Pullover fertig. Zum ersten Mal streifte ich ihn über und betrachtete mich im Spiegel. Er hing weit an mir herunter bis zu den Oberschenkeln. Er war groß, aber nicht zu groß. Er war einfach wunderbar!

Ich ging in die Küche und zeigte mich mit meinem Pullover. Mama fiel aus allen Wolken. Hast du den ganz allein gestrickt? Mit der Restwolle? Ich musste mich um mich selbst drehen und führte alle Streifen vor. Mama befühlte den Pullover und staunte.

Am nächsten Tag zog ich den Pullover in die Schule an. Nach der letzten Stunde bat mich meine Klassenlehrerin, noch einen Moment zu bleiben. Ihr war aufgefallen, dass ich in den letzten Wochen meine Hausaufgaben vernachlässigt hatte. Ob etwas Besonderes vorgefallen sei? Nein, erwiderte ich. Nichts sei vorgefallen.

Im Stillen dachte ich: Aber ich habe einen Pullover gestrickt! Ich habe den Grund für meine geschluderten Hausaufgaben an. Ihre Worte prallten an meinem Stolz ab.

Später hatte ich den Pullover immer dabei, wenn ich bei Freundinnen übernachtete oder ins Sommerlager fuhr. Er war so groß, dass meine beste Freundin und ich zusammen darin Platz fanden. Er gehörte ganz allein mir, er war einzigartig und niemand hatte mir geholfen!

Mein erster selbst gestrickter Pullover stellte einen Initiationsritus in die Welt der Erwachsenen dar. Was Generationen von Frauen vor mir vollbracht hatten, schaffte ich nun also ganz allein.

Besonders billig ist die Wolle in dem Café natürlich nicht. Aber ich habe Geburtstag und das beste Geschenk kaufe ich mir selbst: Wolle für einen richtig komplizierten Pullover, der viel Zeit in Anspruch nimmt.

Ich lege die Wollstränge auf den Boden, kombiniere verschiedene Farben und versuche, mir Muster und Modelle vorzustellen. Die anderen haben ihre Tortenstücke aufgegessen, wissen, dass es noch lange dauern kann, und verschwinden im Garten.

Die Wolle und die Farben auszusuchen macht mir immer noch besonders viel Spaß. Ich ziehe die Entscheidung in die Länge, obwohl ich weiß, wie es ausgehen wird. Blau. Es läuft immer auf Blau hinaus. Wie sehr ich mir auch immer andere Farbkombinationen vorstelle, komme ich stets mit blauer Wolle nach Hause.

Ich kaufe neun Stränge in verschiedenen Blautönen, angefangen mit dem dunkelsten Unwetterblau bis hin zum Sommerhimmelblau. Reichlich. Zu oft habe ich in einer fremden Stadt Wolle gekauft, um festzustellen, dass mir am Ende für den Halsausschnitt ein halbes Knäuel fehlte.

»Das habe ich noch nie gemacht, das geht sicher gut«, sagt Pippi und wir lachen, weil es die Worte eines kleinen Mädchens sind. Aus dem Mund eines Mannes, der zum ersten Mal einen Reifen wechselt, wäre es eine Selbstverständlichkeit.

Mein Selbstvertrauen, was das Stricken betrifft, ist wie Pippis unerschütterlich. Denn weil ich schon als 14-Jährige einen ganzen Pullover aus Restwolle geschaffen habe, war und ist alles möglich. Daher verheißt die blaue Wolle, die ich kaufe, eine Meisterleistung.

Die strickende Madonna

Auf einem Altar aus dem späten 14. Jahrhundert ist die Jungfrau Maria zu sehen. Das Bemerkenswerte ist jedoch, dass die Madonna strickt. Mithilfe von Strumpfstricknadeln entsteht zwischen ihren Händen ein Pullover, während Jesus mit einem Heiligenschein vor ihr liegt und ein Buch liest.

Der Altar stand ursprünglich in der Sankt-Petri-Kirche in Buxtehude und befindet sich heute in der Kunsthalle Hamburg. Da im 14. Jahrhundert die wenigsten Menschen lesen und schreiben konnten, dienten die Kunstwerke in den Kirchen einem pädagogischen Zweck: Die Gottesdienstbesucher sollten beim Betrachten der Bilder etwas lernen.

Es handelt sich um eine der ersten Darstellungen vom Stricken. Die Forschung fasziniert, dass ausgerechnet die Jungfrau Maria strickt. Das muss etwas bedeuten. In der katholischen Kirche ist sie schließlich über alle anderen Frauen erhaben.

Soll man das Stricken als Fleiß oder Überheblichkeit deuten? Stellt die strickende Maria für die Kirchenbesucher ein Vorbild der Tugend dar? Natürlich ist sie die Mutter des Erlösers, aber sie strickt eben auch. Bei dieser Deutung soll sich die Betrachterin des Gemäldes mit Maria identifizieren. Sie ist wie wir, da wir ebenfalls stricken.

Die Alternative wäre das Gegenteil: dass sich Maria mit ihrem Strickzeug von den normalen Kirchenbesuchern distanziert. Diese Deutung sieht das Stricken als eine Beschäftigung der Oberklasse und Jesu Mutter als unnahbar, weil sie einer Beschäftigung nur für reiche Menschen nachgeht. Der Pullover, den sie auf dem Gemälde strickt, wirkt dünn, möglicherweise ist er aus Seide, was für die zweite Deutung spräche.

Die Technik, der sich die Maria des Gemäldes bedient, entspricht der heutigen. Sie strickt rund mit Strumpfstricknadeln. Das Werkzeug hat sich weiterentwickelt, nicht jedoch die Arbeitsweise. Sie strickt glatt rechts, eine Technik, deren Ergebnis einem gewebten Material am ähnlichsten ist.

Wer hat im Laufe der Geschichte gestrickt? Wie und wann kam die Technik zu uns? Was strickte man?

Um ein Beispiel aus meiner Region zu nennen: Über russische Truppenbewegungen Anfang des 19. Jahrhunderts wissen wir sehr viel, bis hin zur Uhrzeit, zu der die russische Armee die Ålandinseln einnahm. Aber über die Kleider, die diese Armee trug, wissen wir nichts.

Das Oxford Unabridged English Dictionary verzeichnet für das Verb »to knit« im 15. Jahrhundert eine erste Nennung. Die Verben »to spin« und »to weave« sind älter, wir finden sie bereits in der Dichtung der Antike. Bis das Stricken ein selbstverständlicher Teil der europäischen Sprachen wird, dauert es bis zur Renaissance. Weder Griechisch noch Latein besitzen Wörter für »gestrickt«, aber Altphilologen meinen, in antiken Dichtungen mögliche Techniken und Andeutungen gefunden zu haben.

In Die Macht der Maschen. Wie Stricken uns durchs Leben begleitet und miteinander verbindet schreibt Loretta Napoleoni, »Stricken ist das Handwerk der einfachen Leute«, womit sie sagen will, dass Stricken allen zugänglich ist, auch den Armen. Fischernetze wurden mit einer frühen Variante dieser Technik geflickt. Das Material stammt von schmutzigen Schafen und der hauptsächliche Zweck eines gestrickten Kleidungsstücks ist, seinen Träger zu wärmen.

Strickwaren haben etwas Raues, Strohreste in der Wolle, Lanolin, das die Hände weich macht, und der Geruch, wenn die Wolle nass wird, die Kleidungsstücke, die durch das Tragen einen eigenen Charakter entwickeln. Ein gewebter Stoff dient ganz anderen Zwecken. Gobelins hängen sowohl in Kirchen als auch Schlössern, manchmal aus Seide mit eingewebten Perlen. Ein Gobelin dient als Objekt der Bewunderung und nicht dazu, bei praktischen Sorgen wie kalten Füßen Abhilfe zu leisten.

Das älteste Fragment eines Stoffs, der gestrickt wirkt, ist vermutlich etwa 8500 Jahre alt und wurde in einer Höhle in Israel gefunden. Ein anderes etwa 6200 Jahre altes Fragment stammt aus einem Fischerdorf in Dänemark.

Jesus besaß eine Vorliebe für Gleichnisse mit Schafen und verankerte seine Geschichten gerne im Alltag seiner Zuhörer. Wir können also davon ausgehen, dass es viele Schafe gab und dass ihre Wolle verarbeitet wurde.

In den Sprüchen Salomos im Alten Testament heißt es über die tüchtige Hausfrau: »Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gerne mit ihren Händen.« Und zwar, damit die ganze Familie sich in Wolle kleiden kann. Im dritten Buch Mose steht im 19. Kapitel, dass man kein Kleid anlegen soll, das aus Wolle und Leinen gewebt ist (»zweierlei Faden«), auch Umhänge aus Wolle werden in der Bibel erwähnt, aber es gibt bedeutend mehr Schafhirten als Weberinnen im Alten und Neuen Testament, was schade ist, denn ich hätte gerne mehr über die Verarbeitung der Wolle erfahren.

Nadelbinden und Häkeln (die Variante, die beispielsweise noch in Tunesien und Afghanistan praktiziert wird) sind Techniken, die beide dem Stricken ähneln, und es ist schwer, Unterschiede zwischen Techniken in den wenigen Textilfragmenten, die erhalten geblieben sind, auszumachen. Es lässt sich nicht erkennen, ob diese Fragmente mit einer Nadel, mit Stricknadeln oder einem Haken angefertigt wurden. Hätten diesen Funden auch die verwendeten Werkzeuge beigelegen, wäre es kein Problem, die Technik zu ermitteln.

Die Werkzeuge zum Nadelbinden sehen aus wie winzige Weberschiffchen mit Loch, die Nadeln zum Stricken sehen aus wie heute, zum Häkeln ist nur eine Nadel oder Häkelnadel mit einem Haken nötig. Die Werkzeuge waren aus Knochen oder aus Holz und verwitterten schneller als die mit ihnen hergestellten Textilien.

In der Geschichte des Strickens werden oft Gräberfunde aus den südlichen Niederlanden und koptische Strümpfe aus dem 5. und 6. Jahrhundert erwähnt, aber diese Strümpfe sind mit der Technik des Nadelbindens hergestellt.

Die Anfänge des Strickens sind also etwas unklar. Einige Quellen machen geltend, dass in Peru im 4. Jahrhundert Mützen und Schals gestrickt wurden, andere hingegen besagen, dass die Technik des Strickens im alten Ägypten entwickelt wurde.

Zum Nadelbinden braucht es eine Nadel, während zum Stricken (mindestens) zwei benötigt werden. Eine Theorie besagt, dass die Stricktechnik in Ägypten entwickelt wurde, weil es dort tüchtige Nadelbinderinnen gab, die mit Socken handelten. Stricken mit zwei Nadeln geht schneller als Nadelbinden mit einer Nadel. Also liegt es nahe, dass sich das Stricken aus dem Nadelbinden entwickelte, als die Handarbeiterinnen einer schnelleren und damit billigeren Methode bedurften, um Socken herzustellen.

Vermutlich brachten die Araber, die Spanien im 8. Jahrhundert eroberten, das Stricken nach Europa. In spanischen Gräbern wurden gemusterte Kissen und Strümpfe aus dem 12. Jahrhundert entdeckt.

In Paris wurde im 12. Jahrhundert eine Gilde der Stricker gegründet, England bekam im 16. Jahrhundert seine Strickergilden. Nur Männer waren als Mitglieder zugelassen, also konnten nur diese mit Strickwaren Geld verdienen. Frauen strickten ebenfalls, aber nur zu Hause und ohne damit Geld zu verdienen.

Die erste gestrickten Textilie im Ostseeraum wurde in einem Grab in Estland gefunden und datiert aus dem 13. Jahrhundert. Es handelt sich um den Teil eines Handschuhs in Rot und Blau. Die ältesten Reste eines Gestrickes auf der anderen Seite der Ostsee datieren aus dem späten 16. Jahrhundert: Bei einer Grabung in einer Schlackenhalde in Falun stieß man auf einen Handschuh, der mit zwei Fäden gestrickt war (»Tvåändsstickning«), diese Technik hat eine geringere Dehnbarkeit der Kleidungsstücke zur Folge, die mehr an gewebte Stoffe erinnern.

In Finnland verlief die Entwicklung des Strickens wie in der übrigen Welt. Auch hier gab es zuerst das Nadelbinden, das dann zum Stricken weiterentwickelt wurde. Als das Egentliga Finlands landskapsmuseum 1998 eine Grabung auf dem Gelände der Åbo Akademi durchführte, fand man dort sieben Stofffetzen, die Ende des 14. Jahrhunderts mittels des Nadelbindens hergestellt worden waren.

Man weiß, dass die Nonnen aus dem Kloster in Nådendal im 15. Jahrhundert Handschuhe strickten, da der Mönch Johannes Bernhard im Jahr 1443 einem Schreiben an das Mutterkloster in Vadstena ein Paar beilegte, aber es ist nicht bekannt, ob diese Handschuhe gestrickt oder genäht waren. Hingegen ist überliefert, dass die Nonnen im 16. Jahrhundert mit Strickwaren ihre hauptsächlichen Einnahmen erzielten.

Die ersten Strickmuster stammten ursprünglich von gewebten Textilien und waren recht kompliziert, da sie an andere Techniken angepasst waren. Die gestrickten Kleidungsstücke waren hart und unförmig, weil sie wie jene aus Stoff gestaltet wurden, bis man einsah, wie viel einfacher es war, sich in einem gestrickten Kleidungsstück zu bewegen, das nicht so dick wie Loden war. Daraufhin wurde die beste Eigenschaft der Strickwaren entwickelt: die Geschmeidigkeit.

Das Stricken erlebte im 16. Jahrhundert seinen Durchbruch, als man begann, rechte und linke Maschen zu stricken. Damit wurden Strickwaren eleganter und ließen sich einfacher an verschiedene Körperteile anpassen. Durch Verwendung von vier oder fünf Nadeln, einem Nadelspiel, konnten Strümpfe ohne ärgerliche Nähte hergestellt werden.

Diese Strümpfe ohne Nähte wurden in Italien produziert und erfreuten sich bei den Königshäusern großer Beliebtheit. Die Strümpfe, die sich der schwedische König Erik XIV. aus dem Süden kommen ließ, kosteten so viel, wie sein Kammerdiener im Jahr verdiente. Es handelte sich natürlich nicht um Wollstrümpfe, sondern um golddurchwirkte und mit Perlen verzierte Seidenstrümpfe.

Das Nordiska Museet in Stockholm besitzt einen kostbaren in England im 17. Jahrhundert aus gelber Seide und Goldfäden gestrickten Pullover mit Tulpenmuster.

Tulpen waren zu dieser Zeit in Mode, kostbar und äußerst rar. Muster mit Nelken, einer einfacheren Blume, verbreiteten sich mithilfe von Kaufleuten gleichzeitig in Schweden.

Die Strickindustrie wurde im 16. Jahrhundert von Männern betrieben und war gewissermaßen exklusiv. Alle wohlhabenden Leute in Europa trugen gestrickte Kleidungsstücke aus Fabriken, die von italienischen und spanischen Kaufleuten betrieben wurden, und die Männer der europäischen Strickgilden dieser Zeit genossen ein hohes Ansehen.