Innehalten und Verweilen - Daniel Wilk - E-Book

Innehalten und Verweilen E-Book

Daniel Wilk

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Beschreibung

Trance-Geschichten helfen bei den unterschiedlichsten Problemen: Sie fördern einen guten Schlaf, mindern Ängste, verbessern die Konzentration, führen zu klarerem Denken und aktivieren verborgene Ressourcen. Die in diesem Buch versammelten Geschichten orientieren sich in ihrem Aufbau an der Hypnotherapie, wie sie von Milton H. Erickson entwickelt wurde. Sie führen in eine tiefere Entspannung oder auch in eine Trance und folgen immer dem gleichen Aufbau: Induktion, Vertiefung, Anregungen zum besseren Umgang mit sich selbst und zum Perspektivenwechsel, teilweise posthypnotische Suggestionen und die Rücknahme der Trance. Erfahrene Hypnotherapeuten können die Geschichten abwandeln und an die Bedürfnisse ihrer Klienten anpassen; Neulinge können den reichen Fundus der Geschichten als Anregung nutzen; und jeder an Entspannung Interessierte kann mithilfe der bildhaften Eindrücke eine Auszeit vom Alltag nehmen. Die Geschichten sind in sich abgeschlossen und sollten einzeln angewandt werden.

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Seitenzahl: 366

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Einen herzlichen Dank an meineliebe Tochter Juliette,die mich besonders bei diesem Buchgeduldig und ausdauernd mit ihrerwertvollen Hilfe begleitet hat.

Daniel Wilk

Innehalten und Verweilen

Geschichten, die Veränderungen ermöglichen

Zweite Auflage, 2022

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin ✝ (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel

Umschlagfoto: Daniel Wilk

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Zweite Auflage, 2022

ISBN 978-3-8497-0045-4 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8353-2 (ePub)

© 2014, 2022 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Eine frühere Ausgabe dieses Buches erschien im Juni Verlag, Breisach.

Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax + 49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Einführung

Teil 1: Einige Gedanken zum Hintergrund

Für wen ist dieses Buch gedacht?

Geschichten – was ist das?

Geschichten fördern Veränderungen

Gebundene Energien freisetzen

Sich selbst mögen dürfen

Erholung im Tagtraum

Spannung und Ängste loslassen

Beeinflussende Bedingungen

Der Einsatz der Geschichten

Die Struktur der Geschichten

a) Ablösung vom Alltag (Dissoziation)

b) Bildhafte Erzählung

c) Erfolgserlebnisse

d) Vertiefendes Bild mit Sinnesbeteiligung

e) »Botschaft«

f) Posthypnotische Suggestion

g) Rückorientierung und Erfahrungen mitbringen

Vorstellungsvermögen

Schwierigkeiten

Themen, die in den Geschichten enthalten sind

Teil 2: Die Aufmerksamkeit verändern

Einstimmung

Einleitungstexte

Umgang mit störenden Geräuschen und Gedanken

Geräusche loslassen

Alles wahrnehmen – oder loslassen

In-sich-Gehen

Eingang in die Ruhe

Suche nach der Unruhe

Von der anderen Seite auf die eine

Stufen der Körperwahrnehmung

Inneres und Äußeres

Einfach nur daliegen

Gedanken am Wegrand

Schlafzimmer

Zwischendrin

Nicht gleich

Abstand vom Alltag gewinnen

Alltagsgedanken

Aktenkoffer

Fenster zum Felsen

Dahintreiben

Alltagstropfen

Wasserglas

Gegenwart

Schneestille

Vertiefungen

Federleicht

Aufmerksamkeit und Ameise

Tanz der Gedanken

Sich tragen lassen

Gewichte von den Federn lösen

Betrachtungen

Moos

Weiche Steine

Kirchturmgespräche

Töne

Der Dampfer

Geschenke des Baumes

Gewitterregen

Frühlingsabend

Frühlingserwachen

Herbstspaziergang

Herbstlaub

Waldspaziergang im Regen

Mantel der Nacht

Energieschmetterlinge

Drachenflieger

Hineinversetzen

Der Stein ist ein Stück Ewigkeit

Rasenmäher

Pförtner

Wolkenreise

Einzelheiten

Schneeflocke

Sensibilität für Wahrnehmung

Wärme strömt durch den Körper

Hand

Aufmerksamkeitskreis

Wassertropfen im See

Erinnerungen

Kinder

Schulbank

Kinderspiel

Teil 3: Eigene Kräfte entdecken und entfalten

Bewusst und unbewusst

Wiese (I)

Wiese (II)

Sich spüren

Grenzen

Wertfrei

Innere Sonne

Kirchen

Kontrolle behalten und loslassen können

Ein eigenes Maß der Kontrolle behalten

Das Gewicht der Ansprüche

Geduld

Vergangenheit hinter sich lassen

Erweiterung der eigenen Möglichkeiten

Wachstum

Selbstsicherheit

Adler und Rabe am See

Wunschbach

Ein normales Blatt

Distanz

Muskelbehörde

Traumpäckchen

Sich mögen

Die kleine Bärin

Regenbogen

Tropfsteinhöhle

Schneewanderung

Vergessen

Sternenöffnung

Literatur

Über den Autor

Einführung

Früher waren es Märchen oder Lebensgeschichten, die von mehr oder weniger begabten Mitmenschen erzählt wurden. Wenn sie gut waren, konnten sie bei ihren Zuhörern intensive Bilder und Gefühle hervorrufen. Das Gefühl für die Zeit ging verloren. Sorgen und Schmerzen wurden unwesentlich. Oft gingen die Zuhörer am Ende bereichert und dankbar davon. Die Geschichten konnten von positiv erlebten, entspannenden Inhalten handeln oder von negativ bewerteten, Anspannung auslösenden Inhalten. Beides wirkte fesselnd.

Heutzutage wurde die Funktion der Erzähler zum Teil von Büchern und dem Fernsehen oder Kino übernommen. Allerdings verlangen diese Medien mehr körperliche Anstrengung, als das rein passive Zuhören und Auf-sich-wirken-Lassen, das bei einer Erzählung erlebt wird, zumal wenn in liegender Position mit geschlossenen Augen in einer gelösten Haltung zugehört wird. Außerdem lassen zumindest Fernsehen und Kino der Fantasie weniger Raum, was den Erlebnissen viel von ihrer Individualität nimmt.

In diesem Buch finden Sie eine Sammlung von Geschichten. Sie sollen den Zuhörenden oder Lesenden einen Weg zur Kreativität ihrer eigenen Vorstellungskraft erschließen. Von einem Spaziergang in der Natur oder einer ruhigen Betrachtung einer Pflanze oder von einem fantastischen Traum kann eine außergewöhnliche Wirkung ausgehen. Durch die Erfahrung, dass es innerlich unendliche Freiheit gibt, dass scheinbar unüberwindbare Grenzen dort nicht existieren, wird der Bewegungsspielraum in der Fantasie und dadurch auch in »der Realität« ganz erheblich erweitert.

Wir setzen uns selbst Grenzen, indem wir davon ausgehen, dass unsere Fähigkeiten beschränkt sind. Das ist ohne Zweifel eine sinnvolle Reduktion unserer Strebungen, indem wir unsere Energien nicht auf unerreichbare Illusionen vergeuden. Allerdings verarmen wir uns unnötig, wenn wir uns zu viele Fähigkeiten aberkennen. Eine Zielsetzung dieser Geschichten ist es deshalb, einige Begrenzungen zunächst in der Vorstellung fallen zu lassen. Es wird mehr vorstellbar, die eigene Kreativität kann sich ausdehnen. Bei häufiger Beschäftigung damit wird auch das Verhalten in der realen Außenwelt weniger begrenzt. Der Wanderer in der Innenwelt lernt, dass die vorher als starr erlebte Realität flexibel wird und sich allmählich zu einer neuen Wirklichkeit wandelt, die es ihm gestattet, mit neuem Selbstbewusstsein und mehr Selbstsicherheit die eigenen Fähigkeiten zu entdecken, auszuprobieren und zu leben.

Noch bevor diese Wirkungen sich in der Alltagswelt ausdrücken, sind auf körperlicher Ebene bald konkrete Veränderungen deutlich spürbar. Während der Beschäftigung mit beruhigenden Vorstellungen schaltet der Köper auf Ruhe um. Die Folge ist eine generelle Stressreduktion und alle daraus folgenden gesunden Wirkungen.

In Teil 1 finden Sie Gedanken zum Hintergrund der Geschichten. Durch die Beschäftigung mit den Inhalten können eigene Grenzen hinterfragt und erweitert werden. Anwendungsmöglichkeiten werden angesprochen und der Aufbau der Texte dargestellt. In Teil 2 finden Sie solche Geschichten, die in erster Linie eine angestrebte Distanz vom Alltag mit spielerischen Fantasievorstellungen verbinden. In Teil 3 haben die Geschichten einen stärkeren therapeutischen Anspruch. Das soll heißen, dass hier die kreativen Selbstheilungskräfte direkter angesprochen werden. Dadurch sollen die schützenden und die heilenden Kräfte des Körpers angeregt werden. Innerhalb von 2 und 3 sind die Geschichten noch einmal verschiedenen Themen zugeordnet, die sich schwerpunktmäßig in den Schilderungen wiederfinden.

Teil 1: Einige Gedanken zum Hintergrund

Für wen ist dieses Buch gedacht?

Grundsätzlich ist dieses Buch für jeden gedacht, der Interesse daran hat, seine eigenen Grenzen zu hinterfragen und zu erweitern. Gemeint ist nicht ein Streben nach mehr Leistung oder höheren finanziellen Erträgen. Die Beispiele von Menschen auf der ganzen Welt, aber auch die eigenen Erfahrungen zeigen, dass Lebensqualität nicht nur vom finanziellen Status abhängt. Sobald gewisse Grundbedürfnisse erfüllt sind, wird es viel wichtiger, was der Einzelne mit sich selbst, mit seinen eigenen Möglichkeiten anfangen kann. Wenn er sich immer an den Werten anderer orientiert, wird er kaum zur Ruhe kommen. Das Erkennen und Hinterfragen der eigenen Wertvorstellungen, die Erweiterung der Wahrnehmung seiner selbst und seiner Umgebung sowie der möglichst tolerante, vielleicht sogar liebevolle Umgang mit sich und allem anderen ist erstrebenswert und findet sich in vielen Formulierungen dieser Geschichten wieder.

Alle Leser, die Erfahrung haben im Umgang mit tiefen Entspannungszuständen, können die hier enthaltenen Geschichten als Anleitung nutzen, ihr Erleben in der Ruhe zu vertiefen oder zu erweitern. Psychotherapeuten, insbesondere Hypnotherapeuten und Leiter von Entspannungskursen, können die Ideen in diesem Buch auch mit anderen Menschen einsetzen. Sei es zum Entspannen, zur Wahrnehmungserweiterung oder als therapeutisches Hilfsmittel. Wenn Sie allerdings keine Erfahrung im Umgang mit derartigen Geschichten haben, sollten Sie damit auch nicht bei anderen Menschen experimentieren. Sie können anderen Menschen trotz bester Absichten schaden, wenn Sie versuchen, Veränderungen hervorzurufen, deren Qualität und Intensität dann vielleicht anders verläuft, als Sie es beabsichtigt haben.

Für sich selbst können Sie dieses Buch auch nutzen, indem Sie sich die Geschichten von jemandem vorlesen lassen. Dieser Jemand sollte eine Stimme haben, die beruhigend auf Sie wirkt. Dabei liegen Sie vielleicht auf dem Rücken. Mit geschlossenen Augen werden Sie weniger von Ihrer sichtbaren Umgebung abgelenkt.

Wenn Sie die Texte selbst lesen, formulieren Sie sie nicht laut und lesen Sie möglichst langsam. Versuchen Sie die einzelnen Sätze in sich einfließen und sich in Ihrem Empfinden ausbreiten zu lassen. Achten Sie eher beiläufig auf die Gefühle und Gedanken, die in Ihnen ausgelöst werden. Jedes Mal, wenn eine kleine Pause von wenigen Sekunden eingelegt werden kann, ist das durch Punkte hinter den Worten angezeigt. Leere Zeilen stehen für längere Pausen. Sie können die Texte für den Eigengebrauch auch aufnehmen und sie so sprechen, dass es Ihnen ein gutes Gefühl vermittelt.

Geschichten – was ist das?

Zunächst einmal können wir Spaß daran haben, an etwas Wünschenswertes, Heiteres oder sonst wie Positives zu denken, ohne jeden weiteren Zweck. Dadurch lösen sich Spannungen in uns. Die Stimmung wird freudiger und friedlicher. Wir erleben die Vorgänge im Körper und unsere Gedanken, Gefühle und Wünsche bewusster. Wir erholen uns dabei und fühlen uns hinterher frischer und aktiver.

Das Erzählte kann Sie an die Märchen in Ihrer Kindheit erinnern: In Geborgenheit saßen Sie vielleicht zu Füßen Ihrer Großmutter und lauschten ihren Worten. Die Erzählung entstand als Bilderabfolge vor Ihrem inneren Auge. Von Ihrer Umgebung nahmen Sie nur wenig wahr. Ihre Aufmerksamkeit war auf die Geschichte konzentriert. In diesen Momenten (er)lebten Sie Teile der Erzählungen. Auch hinterher, nachdem die Großmutter geendet hatte, war nicht alles aus Ihrem Bewusstsein verschwunden. Und schon gar nicht aus dem Unterbewussten. Fallen Ihnen nicht sogar heute noch so manche Erzählung, manches Bild oder eine mit dem Erzählten verknüpfte Lehre von damals ein?

Diese Märchen enthalten mehr oder weniger verborgene Botschaften, die den Umgang mit der eigenen Welt und den in ihr enthaltenen Herausforderungen und Problemen erleichtern sollen. Geschichten wurden schon immer genutzt, um Lebensweisheiten und Werte zu vermitteln. Eltern, Erzieher und Lehrer erzählen ihren Kindern Vergleiche, wenn sie etwas Wichtiges erklären wollen. Die Kirche arbeitet mit Gleichnissen. Lebensweisheiten und Erfahrungen werden so vermittelt.

Je nach Begabung und eigenen Interessen nutzen die Erzähler in diesen Vergleichen bildhafte Vorstellungen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer kann durch solche Schilderungen »gefesselt« werden. »Gebannt« hören sie zu. Dem unbeteiligten Zuschauer kann diese Wirkung schon auch unheimlich, ja beängstigend erscheinen.

Nicht nur Kinder sind faszinierte Zuhörer (oder Zuschauer – auch gespielte Bilder können Botschaften beinhalten, die dem Bewussten verborgen sind, das Unbewusste aber fesseln). Als Erwachsene lauschen wir den unterschiedlichsten Geschichten. Dazu zählen auch die Nachrichten, Auslandsberichte oder sachliche Abhandlungen. Obwohl wir solchen Geschichten leicht eine Beteiligung der Fantasie absprechen möchten, sind sie nicht so beschränkt auf die Sache, wie wir gerne glauben, noch nehmen wir sie ohne Beteiligung unserer Gefühls- und Bilderwelt auf. Selbst besonders gute wissenschaftliche Vorträge sind nicht rein sachlich, sondern sprechen den Zuhörer direkt an, beteiligen ihn über seine Erlebniswelt. Deshalb entdecken einige der »nüchternen« Wissenschaftler farbige Projektionen zur Unterstützung ihrer (angeblich) an das Bewusstsein gerichteten (scheinbar) harten Fakten. Besonders begabte Erzähler fesseln die Aufmerksamkeit allein durch ihre Worte, durch deren Inhalte und durch die Art, wie sie diese Worte sprechen, also auch ihre Sprachmelodie und vielleicht auch noch durch anderes, das sie mehr oder weniger bewusst produzieren. Was sprechen bestimmte Bildberichte in uns an, wenn sie uns »wie gebannt« auf den Bildschirm schauen lassen? Die Politik ist das Spielfeld der begabtesten unserer Mitmenschen, wenn es darum geht, mit Worten unsere Überzeugungen zu beeinflussen. Diese Worte täuschen oft Sachlichkeit vor, bekommen ihre Wirkung aber durch die Gefühle, die sie in uns hervorrufen. So kommt es, dass sich der Verstand wundert, wie manche Politiker immer wieder gewählt werden, wo doch ihre Taten ganz andere sind, als sie durch ihre Worte versprochen haben.

Was geschieht eigentlich in uns beim Lesen, Hören oder Sehen von Geschichten? Warum hören wir bestimmten Menschen besonders gerne zu, auch wenn sie nichts »Wichtiges« erzählen?

Die Wirkung des Erzählten findet in uns statt. Einige Worte können starke Reaktionen in uns hervorrufen. Jede Erzählung fesselt umso mehr, je besser es ihr gelingt, in uns eine Beteiligung hervorzurufen. Sie wird Teil von uns, indem sie sich in unser Erleben einfügt.

Aber auch ohne weitere Einwirkung von außen produzieren wir selbst unsere eigenen Filme. Jede Nacht erleben wir Realitäten, die denen des Tages ähnlich, aber auch ganz anders sein können.

Es ist wie das Überschreiten einer unsichtbaren Schwelle. Wenn Sie Ihre Augen schließen, und sich mehr und mehr auf das einlassen, das dann vor Ihren inneren Augen entsteht, können Sie eine reiche Innenwelt entdecken. Sie betreten diese andere, meist unbewusste Seite Ihres Da-Seins jede Nacht, aber auch tagsüber immer mal wieder, oft ohne es bewusst zu merken und selten absichtlich. Häufig mit offenen Augen.

Die nächtlichen Wahrnehmungen unserer Ausflüge in uns selbst bezeichnen wir als Träume. Meist sind sie gar nicht oder nur in Spuren am nächsten Tag in unserer bewussten Erinnerung. Sehr häufig, sogar auch wenn wir wach sind, beeinflussen sie unsere Stimmungen und unser Wohlbefinden am nächsten Tag. Wir können uns dem Zusammenhang zwischen nächtlichen Trauminhalten und täglichem Fühlen und Verhalten annähern, indem wir die bewusste Erinnerung der nächtlichen Erlebnisse trainieren. Ein Weg dorthin ist das sofortige Erinnern der Träume nach dem Aufwachen. Noch wirksamer ist es, die Erinnerungen gleich zu notieren. Selbst deutliche Träume sind oft schon wenige Minuten nach dem Aufwachen im Vergessen versunken, wenn sie nicht gleich bewusst festgehalten werden. Durch diesen bewussten Umgang mit den nächtlichen Erlebnissen wird ein Einfluss auf Inhalte und Verlauf von Träumen in einem gewissen Umfang möglich. Was aber noch bedeutsamer ist: Die Träume beeinflussen uns dann nicht mehr nur unbewusst, sondern durch die Wahrnehmung der Trauminhalte und ihres Einflusses auf unser Selbstwertgefühl, auf unsere Ängste, unser Streben nach Sicherheit, unsere Vorliebe für manche Menschen, unsere Sehnsüchte usw. können wir bewusst steuernd eingreifen. Zudem werden uns Erkenntnisse zugänglich, die in unserem Unbewussten gereift sind und unserem Bewusstsein durch unsere Träume zugänglich gemacht werden. Eine Fortentwicklung der ganzen Persönlichkeit und eine reichere Wahrnehmung sind die Folge.

Tagsüber treten wir bei verschiedenen Gelegenheiten in eine ähnliche Traumwelt ein. Sie beinhaltet vom Realitätsdenken abgehobene Fantasien, denen sehr weltfremde Elemente beigemischt sein können. Wenn Sie gerade einen Moment Zeit haben oder es Ihnen langweilig ist, dann »verschwindet« Ihr Bewusstsein oft in eine Erinnerung oder in eine (meist) schöne Vorstellung. Dabei können Sie diesen Zustand als eine parallele Wahrnehmung erleben, die deutlich getrennt von der Realität ist, oder aber auch vollständig von ihr absorbiert sein. Im ersten Fall können Sie jederzeit bewusst sich mehr der einen oder der anderen Welt zuwenden. Im zweiten Fall »weckt« Ihr Nachbar Sie oder vielleicht auch das Klatschen der Zuhörer in dem Konzertsaal, in dem Sie sitzen.

Manchmal rufen wir solche Ausflüge hervor, indem wir uns an ein Erlebnis ganz bewusst erinnern oder indem wir etwas planen, wie beispielsweise einen Urlaub, und uns Details dieses in der Zukunft liegenden Ereignisses bildlich vorstellen.

Wenn Sie sich von der Außenwelt abwenden und in Ihrer Innenwelt leben, dann ist das eine Veränderung Ihres Bewusst-Seins. Wenn Sie überwiegend Ihre reale, momentane Umgebung wahrnehmen, dann sind Ihnen andere Bedingungen bewusst, als wenn Sie schlafen oder wenn im wachen Zustand die Vorstellung von einer wohlriechenden, saftigen Pizza in Venedig auf dem Markusplatz das Wasser in Ihrem Mund zusammenlaufen lässt, während Sie in der warmen Sonne sitzen, sich bequem zurücklehnen und sich tief hineinsinken lassen in den Stuhl, der auf warmen Pflastersteinen steht, umgeben von einer faszinierenden Atmosphäre, zwischen gurrenden Tauben und freundlichen, sorglosen Menschen.

Geschichten fördern Veränderungen

Durch Geschichten entstehen Empfindungen. Je nachdem wie eindrucksvoll erzählt wird, beteiligen sich Repräsentationen unserer Sinne. Wenn ein Baum beschrieben wird, sehen wir wahrscheinlich Äste, einen Stamm, vielleicht auch grüne Blätter und eine Umgebung, in der der Baum stehen könnte. Vielleicht sehen wir auch, wie der Wind die Äste und Blätter bewegt. Dazu kann das Geräusch kommen, das die Blätter hervorrufen, wenn sie, vom Wind bewegt, miteinander »flüstern«. Die Rinde des Stammes können Sie in Ihrer Handfläche spüren, vielleicht auch das weiche Moos, das an einigen Stellen wächst. Dieses Moos hat einen typischen Geruch, der Ihnen ebenfalls in den Sinn kommen kann. Und schließlich kann auch Ihr Geschmack beteiligt werden, wenn es vielleicht um einen Walnussbaum geht, dessen Nüsse einen ganz bestimmten Geschmack auf Ihrer Zunge hervorrufen und sogar auch ein ganz typisches Kaugefühl vermitteln.

Diese Empfindungen werden sehr stark von unseren bisherigen Erlebnissen gesteuert. Je nachdem, welche Erinnerungen an Bäume wir in unserem Gedächtnis gespeichert haben, entstehen entsprechende Fantasien. Wünsche können verändernd einwirken. Aber auch Ängste. Bei der Gestaltung der Texte wird das berücksichtigt, um beim Zuhörer ein positives Gefühl hervorzurufen.

Alle Empfindungen bewirken im Körper Veränderungen. Das ist leicht nachvollziehbar, wenn Sie an entsprechende Erinnerungen denken. Erleben Sie in Ihrer Fantasie ein unangenehmes Ereignis wieder, dann reagiert Ihr Körper in abgeschwächter Intensität so, als ob das Ereignis gerade stattfindet – mit allen dazugehörigen physiologischen Vorgängen. Der Blutdruck steigt, ebenso Atem- und Herzfrequenz. Muskeln spannen sich an. Ihre Wahrnehmung verändert sich und damit auch Ihr Bewusstsein. Das gilt für kurz zurückliegende Ereignisse, wie z. B. eine gefährliche Situation im Straßenverkehr vor einer Stunde, ebenso wie für weit zurückliegende Geschehnisse wie auch für reine Fantasiegebilde. Oft vermischt sich die Erinnerung an das Ereignis mit der Vorstellung, was dadurch hätte passieren können. Daraus resultierend entwickeln sich dann im günstigen Fall Vorsichtsmaßnahmen: Der Organismus lernt. Im ungünstigen Fall kann einschränkendes Vermeidungsverhalten entstehen. In diesem Fall verschließen Sie sich gegen Einflüsse, die ähnliche unangenehme Reaktionen hervorrufen können. In den meisten Fällen verschließen sie sich aber damit auch gegen Veränderungen, die Ihnen helfen könnten.

Bei einer angenehmen Erinnerung verlaufen die körperlichen Veränderungen weniger anspannend (Wandertour in einer schönen Landschaft in angenehmer Gesellschaft und bei schönem Wetter) oder sogar beruhigend (am Abend desselben Tages in dem Urlaubsdomizil nach einem guten Essen im Liegestuhl liegen und schöner Musik lauschen) für die Muskulatur, den Blutdruck und die Psyche.

Nicht nur Erinnerungen rufen körperliche Veränderungen hervor. Auch Projektionen in die Zukunft haben diese Wirkung. Wohlgemerkt sind das immer angenommene Ereignisse, die noch nicht eingetreten sind und auch keineswegs so eintreten müssen, wie Sie das annehmen. Trotzdem können sie genau die gleichen physiologischen Reaktionen hervorrufen wie real abgelaufene Ereignisse, die erinnert werden.

Die körperlichen Folgen der Fantasievorstellungen können sehr groß sein. Ohne dass Sie einen Schritt getan oder eine Hand bewegt haben, kann Ihre Herzfrequenz sich steigern, als ob Sie gerade 200 Meter gerannt wären. Allein der Gedanke, von dem Turm heruntergefallen sein zu können, auf dem Sie vor sechs Stunden bei Ihrem Ausflug in einer fremden Stadt gestanden haben, kann Atembeklemmungen hervorrufen. (Wenn Sie genau beobachten, hören Sie vielleicht sogar das Pfeifen des Windes während Ihres Absturzes.)

So betrachtet, wird es leicht verständlich, dass Empfindungen – und sie sind immer auch Ergebnisse individuell verschiedener Interpretationen der »Wirklichkeit« – Krankheiten hervorrufen, unterstützen oder aufrechterhalten können, mit der gleichen Macht aber auch schützend oder heilend wirken. Hier unterstützen die in den Geschichten enthaltenen Vorstellungen Körper und Psyche. Diese Wirkung ist nicht nur als Möglichkeit vorhanden, sie ist ein realer Einflussfaktor, der jederzeit unsere Wahrnehmung, unser Befinden und eben auch unsere Gesundheit mitbestimmt. Der Einfluss ist nicht immer gleich groß, aber immer vorhanden. Das Ausmaß der Einwirkung ist allerdings nicht messbar. Deshalb fällt es unserem Verstand leicht, einen derartigen Einfluss verbal zu minimieren oder schlichtweg abzustreiten.

Die vernünftige Prüfung des Wissens, das wir über den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper haben, zeigt, dass jede Bewegung im einen Teil im anderen eine Schwingung hervorruft. Die individuell verschiedenen angeborenen Dispositionen sind dabei nur ein Einflussfaktor, neben den psychischen und körperlichen Belastungen, mit denen das System »Mensch« fertigwerden muss.

Gebundene Energien freisetzen

Über Geschichten gelangen wir in einen Bewusstseinszustand, in dem wir unsere eigenen Potenziale zur Gesunderhaltung oder Heilung verstärkt nutzen können. Durch die Art, wie wir mit uns umgehen, können wir unsere Fähigkeiten beschränken oder fördern.

Wir kennen Tage, an denen uns nahezu alles gelingt. Und andere, da ist es genau umgekehrt. Viele Faktoren wirken zusammen, wenn wir uns fit oder unpässlich fühlen. Über Geschichten können wir lernen, die Fähigkeiten, die in uns liegen, zu wecken und auszuschöpfen. Dazu müssen wir zunächst einmal so sensibel für uns werden, dass wir es fühlen, wenn wir nicht in der Lage sind, bestimmte Leistungen zu erbringen. Zu oft erwarten wir zur falschen Zeit zu viel von uns. Die resultierende Enttäuschung reduziert unsere Selbstsicherheit. Grundsätzlich sollten wir davon ausgehen, dass wir mehr können, als wir gemeinhin annehmen, aber nicht unter allen Umständen. Wir können eine Haltung entwickeln, die einer großen Selbstsicherheit entspricht: Wir gehen davon aus, dass wir fähig sind, mit jeder Schwierigkeit irgendwie fertigzuwerden. Damit meine ich nicht, dass wir uns selbst überschätzen sollen. Wir sollten unserem Unbewussten zutrauen, dass es Wege findet, auch unter scheinbar schwierigen Voraussetzungen ein schönes Leben zu gestalten. Wir sollten uns aber auch die Zeit und die Ruhe geben, die nötig sind, damit die Wege sich in uns abzeichnen können.

Welche Möglichkeiten in uns stecken, zeigt sich unter anderem, wenn durch autogenes Training oder durch Selbsthypnose Schmerzen abklingen und die Durchblutung oder auch der Blutdruck verändert werden. Autogenes Training, Meditationen, Yoga oder auch die progressive Relaxation sind verschiedene Wege zum gleichen Ziel: einer größeren Harmonie zwischen unseren Wünschen und Ansprüchen einerseits und unseren Kräften andererseits. Ist unser Umgang mit uns genügend feinfühlig und rücksichtsvoll geworden, dann öffnen sich die Türen, hinter denen Entwicklungsmöglichkeiten zur Förderung unserer eigenen Person liegen.

Jede einzelne der in diesem Buch aufgeführten Reisen fördert die eigenen kreativen Möglichkeiten. Bestimmte Formulierungen erleichtern den Übergang von der strengen, überwiegend bewussten Tagessteuerung zu einer gelassenen (los-gelassenen) Haltung, die mit körperlicher Entspannung einhergeht. In dieser inneren Haltung sind wir fähig, die Kontrolle allgemein zu lockern und viele Dinge laufen zu lassen, ohne die Hilfe von Medikamenten, Alkohol oder anderen Drogen. Es fällt uns dann auch leichter, Ziele ins Auge zu fassen und zu verwirklichen, die uns im Alltagsbewusstsein zu hochgegriffen erscheinen.

Worte haben einen Einfluss auf unsere Gefühle, die wiederum körperliche Reaktionen hervorrufen. Dabei wird nicht nur der Spannungszustand der Muskulatur beeinflusst, sondern viele weitere physiologische Faktoren auch, wie z. B. Blutdruck und Herzfrequenz. Diese sogenannten Stressreaktionen empfinden wir ab einer gewissen Dauer oder Intensität als sehr unangenehm, sie führen bekanntlich auch zu körperlichen Schädigungen, wenn sie zu lange anhalten oder zu häufig zu massiv auftreten. Um das zu vermeiden, setzen wir uns mit problematischen Teilen unserer Geschichte nicht oder nur ungern auseinander, denn sie rufen unangenehme Gefühle wie Ängste, Traurigkeit und Wut in uns wach, wenn wir sie in unser Bewusstsein kommen lassen. Deshalb meiden wir solche Erinnerungen.

Indem wir uns verschließen, uns nicht an das Beängstigende in uns heranwagen, nehmen wir uns auch die Chance, diese Teile unseres Lebens in unsere Person zu integrieren. Das Vermeidungsverhalten bleibt erhalten. Wir bauen ein großes Gefängnis in uns, in dem die Angst auslösenden Erinnerungen eingesperrt werden. Dieses Gefängnis muss bewacht werden. Das verbraucht Energie und bindet einen Teil der Aufmerksamkeit gerade an jene Inhalte, die wir doch so dringend vergessen wollen. Ein Gefängnis ist immer von Angst und Unfreiheit umgeben. Erst eine neue und sinnvolle Integration nimmt den Erinnerungen ihre schädliche Wirkung. Das Gefängnis öffnen, mit dem Mut und der Zuversicht, die Dinge regeln zu können. Um diesen Mut, aber auch die nötige Kompetenz entwickeln zu können, ist manchmal Hilfe nötig. Hilfe durch liebevolle Menschen, die das Richtige tun, durch Psychotherapeuten oder auch durch Geschichten. An dieser Stelle können die in den Erzählungen vorhandenen Vorstellungen eine manchmal wunderbar anmutende Wirkung entfalten. Heiler nutzen die Kenntnis dieser Zusammenhänge: In der Geschichte wird ein allgemeiner oder spezieller Konflikt aufgegriffen und es wird wenigstens eine Lösung dafür angeboten. Alles zusammen verpackt in einem Gleichnis, einer Metapher, sozusagen an der bewussten Beurteilung vorbeigemogelt. Bewusst haben wir dann oft das Gefühl, dass an der Geschichte »was dran ist«. Auf diese Weise können mithilfe von Lösungsangeboten, die in den Metaphern enthalten sind, auf unbewusster Ebene vergangene Erlebnisse durchgearbeitet und neu eingeordnet werden, wodurch sie einiges von ihrer destruktiven Wirkung verlieren. Es entsteht das bewusste Erleben, einen wesentlichen Schritt weitergekommen zu sein in seiner persönlichen Entwicklung, das Gefühl, eine andere Perspektive bekommen zu haben. Ein neues Fenster hat sich geöffnet, wir haben Einblick bekommen, sind weniger beschränkt, aufgeschlossener. Diese eine Gefängniszelle ist unnötig geworden. Die Energie, die zur Bewachung nötig war, wird frei und steht zur Verfügung.

Die Metapher, die an der bewussten Kontrolle vorbeigeleitet wird, bietet die Freiheit, ähnlich zu fühlen, wie es in der Geschichte vorgeschlagen wird, ohne die Beschränkungen, die unsere Sozialisation in uns entstehen ließ. Auf unbewusster Ebene wird in Form eines Vergleiches ein beispielhafter Umgang mit dem Angstgefängnis und seinem Inhalt angeboten. Das Unbewusste bekommt die Freiheit, dieses Beispiel auf seine Anwendbarkeit zu überprüfen und es gegebenenfalls anzuwenden, anzupassen, für eine spätere Anwendung aufzuheben, oder auch zu verwerfen. Die Geschichten haben also eine Lernfunktion, die Kreativität freisetzt und uns unserer Gesundung bzw. unserer freien Entfaltung (was vielleicht nicht identisch, aber doch sehr verwandt ist) näher bringt.

Sich selbst mögen dürfen

Nur wenige von uns haben in ihrer Kindheit vermittelt bekommen, dass sie als Wesen uneingeschränkt wertvoll und liebens-wert sind. Als Säuglinge wurden wir im guten Fall noch umsorgt und verhätschelt. Später begann dann immer mehr die »Erziehung«, was normalerweise bedeutete, dass wir uns den Wertvorstellungen unserer sozialen Umgebung unterzuordnen hatten. Wenn wir an einer gerade nicht passenden Stelle unsere eigene Identität entwickeln wollten, dann waren wir trotzig oder »böse«. »Lieb-Sein« und Gehorsam waren meist die Voraussetzung für Wertschätzung. Das durchzieht auch noch unser Leben als Erwachsene in unseren Beziehungen. Allerdings wird nicht mehr so offensichtlich gestraft.

Da war und ist nicht viel Raum für Individualität, der doch so nötig ist, damit wir uns entfalten könnten. Wir haben die in der Kindheit massiv vermittelten Werte in unserem Gewissen verinnerlicht und behandeln uns entsprechend. Geben oder nehmen dürfen wir uns erst etwas, wenn wir vorher brav waren. So entsteht ein hohes Maß an Disziplin und Leistungsbereitschaft, das sicher sein Gutes hat für manche Lebensbereiche. Gefördert werden aber auch Migräne, Herzinfarkt, Rückenbeschwerden und andere Krankheiten.

Sich selbst zu mögen ist deshalb zunächst ein fremder Gedanke. Wenn ich Klienten frage, ob sie sich selbst mögen, dann bekomme ich fast immer als Antwort, dass dazu bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen. Diese Bedingungen beziehen sich auf das eigene Äußere, die eigene Leistungsfähigkeit, Kompetenz und die Wertschätzung durch andere. Die Idee, jeder Mensch sei zunächst einmal wertvoll, ohne jegliche Bedingung, ist für die eigene Person kaum denkbar. Mit welchen Vorbehalten wir uns betrachten, können Sie überprüfen, wenn Sie sich selbst im Spiegel anschauen und dabei Ihre Gefühle beobachten. Fassen Sie sich an, streichen Sie über Ihre Haut, Ihre Haare – mit der Absicht, sich etwas Gutes zu tun, liebevoll. Versuchen Sie das einmal mit Genuss und mit offenen Sinnen zu tun. Beobachten Sie dabei Ihre Gefühle.

Wenn Sie an Menschen denken, die Sie sehr mögen, würden Sie Ihnen das Ausmaß an Leistung, Schmerztoleranz und Wunschversagen abverlangen, das Sie normalerweise von sich erwarten?

Sich zu mögen bedeutet auch, sich selbst Zeit zu lassen, Zeit zu geben, sich zu spüren. Das wird gefördert durch den Inhalt der Geschichten in diesem Buch, alleine schon dadurch, dass Sie die Geschichten aufmerksam lesen, sich die Zeit dafür nehmen.

Erholung im Tagtraum

Wenn Sie sich an ein Kind aus Ihrer Umgebung erinnern, das besonders viel geträumt hat, dann finden Sie in seiner Geschichte vielleicht auch eine familiäre Umgebung, die besonders wenig Verständnis hatte. Instinktiv versucht das Kind, seine innere Welt so zu ordnen, dass es die Freude am Leben nicht verliert. Es lebt lieber in Träumen, die lebenswert sind, als in einer Realität, die ihm überwiegend Leid antut. Durch diesen inneren Rückzug des Kindes wird es den Menschen in seiner Umgebung allerdings noch fremder. Leider wird dann mit Unverständnis reagiert. Leicht entsteht ein Teufelskreis. Wenn wir davon ausgehen, dass jegliche Aktion unseres Körpers und auch unserer Psyche sinnvoll ist (auch wenn uns der Sinn häufig verborgen bleiben mag), dann können wir es uns erlauben, darüber nachzudenken, was es uns für Vorteile bringt, wenn wir nicht ständig an dieser einen Realität orientiert sind, die oft genug durch andere zu deren Vorteil definiert wird. Als Erwachsene handeln wir oft ähnlich, wie die träumenden Kinder, wenn die Belastungen zu hoch werden und das Verständnis unserer Mitmenschen zu gering ist. Dann ziehen wir uns zurück, auch innerlich.

Die Geschichten erlauben und fördern das Träumen und stärken gleichzeitig die Verbindung zur wachen Präsenz im Alltag. Sie bieten andere Sichtweisen an. Zunehmend häufiger finden wir so einen zuvor unsichtbaren Pfad, der zu einer Lösung führt.

Spannung und Ängste loslassen

Spannungen spielen eine wesentlich größere Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer und physischer Krankheiten, als allgemein angenommen wird. Jede Sorge, jeder Ärger und jede Angst werden sinnvollerweise in der Muskelspannung gespiegelt. Sinnvoll ist die begleitende Anspannung insofern, als eine Bedrohung häufig durch eine körperliche Reaktion abgewehrt werden kann. Ängste binden Energie also ganz konkret fühlbar in Form von Muskelspannungen. Kann diese Spannung über einen längeren Zeitraum nicht losgelassen werden, ist mit der Entstehung von körperlichen Erkrankungen zu rechnen.

Angst und Entspannung können nicht nebeneinander existieren, denn sie widersprechen einander. Wenn es uns also gelingt, uns zu entspannen, reduziert sich auch die jeweils aktuelle Angst. Oder aber es gelingt uns, eine aktuelle Angst aufzulösen, dann sinkt die Spannung im Körper, die durch diese Angst hervorgerufen wurde. Um im Bild zu bleiben: Wenn sich die Spannung im Körper reduziert, löst sich die Aufmerksamkeit von der gerade aktuellen Gefängniszelle. Alleine dadurch kann sich eine Angst in nichts auflösen, noch bevor sie so recht ins Bewusstsein dringen kann. Das vermittelt ein sehr befreiendes Gefühl. Es passiert uns hin und wieder unwillkürlich: Wir sind aus irgendwelchen Gründen (gut ausgeschlafen, erholsamer Urlaub, Bewältigung einer großen Belastung usw.) im Moment besonders gelöst und angstfrei. Ein vormals bewachter Inhalt kann ins Bewusstsein dringen, wird dort ohne Angst, d. h. ohne Vorurteil betrachtet – und das Monster erweist sich als interessantes Studienobjekt oder als völlig überschätzte Bedrohung oder sonst wie als nicht Angst auslösend. Damit ist ein Schritt zu einer weiteren Erlebnisfähigkeit getan. Eine Zelle weniger verbaut den Blick auf die Welt.

Aber auch ohne diese Ereignisse ist die Entspannung die Voraussetzung, um sich einmal von behindernden Einstellungen – die als notwendiger Schutz erlebt werden, es tatsächlich auch sein können – zu lösen. Dann können die innere und die äußere Welt aus anderen Perspektiven betrachtet werden. Vormals Angst Auslösendes kann nun in einem anderen Licht gesehen und auf sinnvolle Weise integriert werden. Energie wird frei. Das Selbstwertgefühl steigt. Der Mensch wird offener für sich und für andere. Er kann liebevoller mit sich und anderen umgehen, weil er seine durch Angst entstandene Abwehr gegen mögliche Verletzungen nicht mehr aufrechterhalten muss.

Erreichbar sind solche Entspannungen unter anderem durch Entspannungsverfahren wie das autogene Training, aber natürlich auch durch schöne Musik, eine Massage, eine schöne Erzählung der Oma aus der Kindheit, einen guten, liebevoll ausgeführten Gottesdienst, ein Sonnenbad und vieles mehr.

Das Gefühl der Geborgenheit in sich selbst (der ideale Fall) oder in dem Schutz Gottes, des Staates, der Familie ermöglicht es, sich dem Fluss der Dinge angstfrei hinzugeben und Ängste, Spannungen, hindernde Einstellungen loszulassen, sich fallen zu lassen. Energie wird frei. Jetzt entsteht Raum für die Kreativität des Unbewussten. Das wiederum vermittelt ein gutes Gefühl, wodurch das kreative Potenzial des Unbewussten weitere Energie zur Verfügung bekommt.

Der Zweck der Geschichten liegt auch in einer Hilfe zum Sichlösen von den mehr oder weniger verhärteten Abwehrhaltungen, um sich fallen lassen zu können und zur Freisetzung und Ideenlenkung der unbewussten kreativen Möglichkeiten.

Als unmittelbares Ergebnis werden Sie fast immer Ruhe, ein erfrischendes Wohlgefühl, ein gesteigertes Bewusstsein des Körpers und eine insgesamt positive Lebenseinstellung wahrnehmen können. Mittel- und längerfristig erhöhen sich Selbstsicherheit und -bewusstsein, die Konzentration wird deutlich besser. Die Beeinflussbarkeit des Körpers wird stark verbessert. Die Aufmerksamkeit lässt sich leichter lenken und halten.

Beeinflussende Bedingungen

Die Wirkung der Geschichten wird von einigen Faktoren beeinflusst. Der Grad unserer Müdigkeit hat einen wesentlichen Einfluss auf die Geschwindigkeit, mit der wir die Realität verlassen, auf die Tiefe und auf die Inhalte unserer Vorstellungen. Ich erlebe es häufig, dass Teilnehmer einer Entspannungsgruppe während der ersten Geschichte völlig wegtauchen. Hinterher haben sie den Eindruck, geschlafen zu haben, und können sich oft nur noch an die ersten Worte erinnern. Diese Entspannung wird meist als sehr tief geschildert. Wahrscheinlich wird hier ein großes Ruhebedürfnis befriedigt. Die zweite Geschichte, die einige Minuten später folgt, wird dann oft mit größerer bewusster Aufmerksamkeit verfolgt. Bilder werden gesehen, eigene Wege gegangen. Diese Entspannung wird als weniger tief geschildert, häufig aber als sehr erlebnisreich wahrgenommen. Der Körper nutzt die Möglichkeit der Entspannung also je nach Bedarf unterschiedlich zu seinem Besten.

Wenn Probleme bestehen, drehen sich die Gedanken zu Beginn häufig um diese Inhalte. Geübte Teilnehmer lösen sich nach wenigen Minuten davon. Oft werden die erzählten Inhalte im Verlauf der Geschichte dann auf die Probleme bezogen. Manchmal schildert der Teilnehmer danach eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten. In den meisten Fällen sind hinterher eine angenehme Distanz zu den Gedanken und eine körperliche und geistige Frische zu spüren. Manchmal auch eine positive Energetisierung in Bezug auf das gewälzte Problem, in dem Sinne, jetzt einen Weg zur Lösung gefunden zu haben, der nun innerlich vorbereitet oder angegangen wird. Selten empfindet der Teilnehmer die Zeit als zu kurz und wirkt hinterher müde. Dieser Zustand ist bekannt aus einem abgebrochenen Mittagsschlaf, nach dem ein Gefühl der Schläfrigkeit bleiben kann. Wenn Sie sich dann noch einmal zurücklegen und sich für ein bis zwei Minuten zurücktreiben lassen in den Zustand, aus dem Sie eben kamen, mit der Absicht, die Dinge für den Moment abzuschließen, fühlen Sie sich hinterher deutlich frischer.

Werden die Geschichten in einem Zustand ausgeglichener Ruhe gehört, werden schöne Erlebnisse beschrieben. Der Zuhörer nutzt das Angebotene spielerisch. Er scheint seine Möglichkeiten angstfrei auszutesten und wird dabei oft erfreulich kreativ. Seine Schilderungen wirken hinterher sehr energiereich und werden meist begeistert und fasziniert vorgetragen.

Der Einsatz der Geschichten

Für entsprechend ausgebildete und erfahrene Therapeuten sind die Geschichten als Anregung für Kurse in den verschiedenen Stufen des autogenen Trainings oder in anderen derartigen Verfahren sehr geeignet. Im autogenen Training können manche schon in den ersten Unterrichtseinheiten vorgelesen werden, um die beabsichtigte Konzentration auf den Körper zu fördern (Wilk 1998; 1999). Der nötige Abstand vom Tagesgeschehen wird erleichtert. Einige Geschichten sind direkt so formuliert und abgestuft, dass sie die Formeln mit Bildern anreichern, was die Wahrnehmung der körperlichen Reaktionen erleichtert.

An die Grundstufe des autogenen Trainings anschließend können Geschichten kombiniert oder Wesentliches aus ihnen extrahiert werden, um im Sinne von formelhaften Vorsätzen angewandt zu werden.

Wenn bereits ein Entspannungsverfahren erlernt worden ist, bauen die Geschichten darauf auf. Sie können auch als Einleitung oder Rahmen genutzt werden, um psychotherapeutische Prozesse einzuleiten oder ihren Verlauf zu unterstützen. Wie aus dem Text schon hervorging, können die Geschichten bei körperlichen oder psychischen Problemen wie Ängsten oder Schmerzen zur Linderung oder sogar Heilung beitragen. Häufige Wiederholungen eines Inhalts – der sich in mehreren Geschichten wiederfinden kann oder im wiederholten Vorlesen ein und derselben Geschichte – verstärken die erwünschte Wirkung.

Für jede Geschichte sollten Sie fünfzehn bis zwanzig Minuten Zeit einplanen.

Interessant ist eine Beobachtung, die ausgelöst wurde, nachdem Teilnehmer im autogenen Training immer mal wieder betont hatten, wie wichtig doch eine geeignete Stimme sei, um eine beruhigende Wirkung auszuüben. Tief sollte sie sein und vielleicht auch noch monoton. Aber vor allem tief. Andere Teilnehmer in weiterführenden Kursen, in denen die vorliegenden Texte Inhalt waren, erzählten, dass sie meine Worte nicht mehr hörten, sondern nur noch die Stimme. Aus der Stimme würden Bilder entstehen, die sich synchron mit der Stimme veränderten. Oder aber auch kinästhetische Empfindungen wurden ausgelöst, die Stimme berührte, bewegte den lauschenden Körper. Ich selbst habe vor vielen Jahren einmal die Erfahrung gemacht, dass eine hohe Frauenstimme eine außergewöhnlich beruhigende Wirkung auf mich hatte. Die Sprecherin vermittelte eine positive Stimmung.

Aus diesen und anderen Erfahrungen entwickelte sich bei mir der Eindruck, dass über das Sprechen wenigstens auf zwei relativ unabhängigen Informationsebenen etwas mitgeteilt wird. Da ist zum einen das gesprochene Wort, das sich an das Bewusste und an das Unbewusste richtet. Zum anderen aber teilt die Melodie der Stimme etwas mit. Diese zweite Ebene ist dem Sprecher nicht unbedingt bewusst. Auf ihr werden Informationen über den Sprecher selbst gegeben, was seine eigene Stimmungslage oder seine Energien, die er in dem Moment zur Verfügung hat, anbelangt. So kann ein Einverständnis zwischen Sprecher und Hörer entstehen, das über das Verstehen von Worten weit hinausreicht. Ich könnte mir vorstellen, dass auf diesem Wege die therapeutischen Wirkungen gefördert werden.

Die Struktur der Geschichten

In jeder Geschichte wiederholt sich ein bestimmter Aufbau. Die in dieser Struktur enthaltenen Elemente und ihre Aufeinanderfolge sind sinnvoll. Wesentliche Quellen für die Struktur und die Formulierungen in den Texten sind die Ideen, die durch die Arbeit von Milton H. Erickson entwickelt wurden. Dazu zählen auch das Neurolinguistische Programmieren (NLP) und andere Ansätze. Am Ende dieses Buches findet der interessierte Leser entsprechende Literaturempfehlungen.

a) Ablösung vom Alltag (Dissoziation)

Die Teilnehmer sollen in ihrem Alltag abgeholt werden. Dabei gehe ich davon aus, dass noch ein relativ hohes Spannungsniveau vorhanden ist und immer wieder Gedanken zum bisherigen und künftigen Tagesgeschehen auftauchen. Es wird dazu ermutigt, Geräusche, Gedanken und Empfindungen nicht zu verdrängen, sondern zu erleben. Vielleicht sogar ihre Bedeutung und ihre Berechtigung zu würdigen.

b) Bildhafte Erzählung

Vom Alltag weg werden die Teilnehmer in ein »Bild« hineingeführt, das sie in ihrer Fantasie mit allen Sinnen erleben. Dieser Übergang wird durch Formulierungen, die der Hypnotherapie nach Milton H. Erickson entstammen, wesentlich erleichtert. Die Bilder sollten den aktuellen Erfahrungen der Teilnehmer entsprechen, können aber auch in die Fantasie führen. Wahrnehmungen, Vorstellungen und auch Suggestionen der Ruhe und der damit verbundenen körperlichen Empfindungen können mit den Bildern verwoben werden.

c) Erfolgserlebnisse

Angestrebte Ziele sind in unserem bisherigen Leben immer mal wieder Thema gewesen, weil wir aus unserem Wesen, aus unserer unbewussten Bestimmung heraus danach streben, möglichst viele unserer Möglichkeiten zu realisieren. Und immer wieder auch sind wir diesen Zielen nahegekommen oder haben sie sogar erreicht. Irgendwo in unserem Gedächtnis sind diese Erlebnisse gespeichert. Sie fühlen sich alle gut an. Durch geeignete Formulierungen sollen diese Erfahrungen aufgerufen werden, um daran anzuknüpfen. Durch das Gefühl, etwas Derartiges schon einmal erlebt zu haben, entsteht das Vertrauen, es wieder erleben zu können.

d) Vertiefendes Bild mit Sinnesbeteiligung

Um das ganze Erleben, die ganze Ansprechbarkeit der Person zu nutzen, ist die Geschichte durchwoben von Eindrücken, die aus der Erinnerung oder der Fantasie des Zuhörers entstehen. Diese Wahrnehmungen – sie sind vor allem visuell und kinästhetisch – sollen einen ganzheitlichen Bezug zum Ziel herstellen. Gerade durch sie wird es vielen Hörern erst möglich, sich von alten, engen Mustern zu lösen und andere Bereiche des eigenen Selbst zu nutzen. Die bereits bestehende Ablösung vom Alltagsdenken wird vertieft.

e) »Botschaft«

Die »Botschaft« ist eine Erkenntnis, die der Verstand vielleicht schon gewonnen hat, die ganze Person jedoch noch nicht. Gut erkennbar wird dies am Beispiel des bekannten Satzes »Der Weg ist das Ziel«. Jeder versteht ihn. Aber seine Bedeutung, sozusagen die Verinnerlichung, die Verwirklichung durch jede einzelne Zelle, jedes Streben im Körper, ist alleine durch den Verstand nicht erreichbar. Das ganzheitliche Erleben des Satzes kommt aber näher durch die Erfahrung der Geschichten. Facetten dieser Botschaft können an verschiedenen Stellen immer wieder auftauchen, von möglichst vielen verschiedenen Seiten beleuchtet und mit möglichst ähnlichen sinnlichen Erfahrungen verbunden werden.

f) Posthypnotische Suggestion

In einer Trance kann der Auftrag gegeben werden, das angestrebte Ziel in einer bestimmten Weise später weiterzuverfolgen. Der nächtliche Schlaf bietet dazu viel Raum und wird ohnehin genutzt, um die Möglichkeiten der Persönlichkeit zu erweitern.

g) Rückorientierung und Erfahrungen mitbringen

Die Formulierungen am Schluss beziehen sich auf die Anweisung an den Leser oder Zuhörer, sich nun wieder in die Alltagsrealität zurückzuorientieren. Dabei kann er positive Erfahrungen bewusst werden lassen und mitbringen.

Die einzelnen Schritte im Aufbau der Geschichte sind selten klar voneinander getrennt. Auch ist die Reihenfolge nicht in jeder Geschichte gleich. Im Idealfall ist die Geschichte ein in sich stimmiges, möglichst fein verwobenes Netz mit einer einheitlichen und deutlich fühlbaren Absicht.

Vorstellungsvermögen

Es gibt anfangs große Unterschiede in der Fähigkeit, innere Bilder zu sehen, Töne zu hören, Bewegungen und Berührungen zu spüren und etwas zu riechen oder zu schmecken. Vielleicht spielt auch in diesen Fähigkeiten, sinnliche Wahrnehmung innerlich repräsentieren zu können, Begabung eine gewisse Rolle. Übung ist auf jeden Fall hilfreich.

Ein Mensch, der von Kindheit an stark in Fantasien verwurzelt ist, die vielleicht durch die Eltern oder die Großeltern bei allabendlichen Vorlesestunden geschult wurden, wird wahrscheinlich auch als Erwachsener noch mehr Lebensfreude daraus schöpfen als ein anderer Mensch, der diese Erinnerungen nicht hat.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, sich an Wahrnehmungen zu erinnern und seine Fantasie zu gebrauchen. Diese Fähigkeiten füllen unsere nächtlichen Träume mit Leben. Sie müssen zugelassen werden, damit sie entstehen können. Eine gewisse – wenn auch nur partielle – Entspannung ist dafür Voraussetzung. Bei geduldiger Anwendung der Geschichten schult sich der Weg in die eigene Fantasie. Mir persönlich ist kein Misserfolg bekannt. Allerdings sind die Ergebnisse verschieden – je nach Begabung und Übung.

Schwierigkeiten

Die Geschichten in diesem Buch sollen Entspannungszustände ermöglichen, die von alltäglichen Sorgen und Ängsten befreien, damit man offen sein kann für Wünsche und konstruktive Veränderungen. In den angestrebten Ruhezuständen können allerdings auch unerwünschte Gefühle, Gedanken oder Empfindungen ins Bewusstsein kommen. Dazu gehören Schmerzen, innere Unruhe, Traurigkeit und Ängste. Diese Empfindungen sind aber sehr selten und meist nur von kurzer Dauer. Wenn sie auftreten, klingen sie in nahezu allen Fällen schnell ab. Sollten sie bestehen bleiben oder häufiger auftreten, sind sie ein Anzeichen für tiefer gehende psychische oder körperliche Probleme. Dann sollte ein Psychotherapeut oder Arzt aufgesucht werden.

Wer zu schnell aus einer tiefen Entspannung auftaucht, fühlt sich vielleicht müde und matt. Jeder kennt so etwas beispielsweise von einem abgebrochenen Mittagsschlaf. Dann sollten Sie sich noch einmal zurücklegen, die Augen schließen und sich für ein oder zwei Minuten alle Zeit nehmen, die sie brauchen, um die Dinge abzuschließen, um danach wieder frisch und ausgeruht wach zu werden.

Themen, die in den Geschichten enthalten sind

Wie bereits oben beschrieben, soll nicht nur eine Entspannung vermittelt werden, sondern auch Einfluss genommen werden auf die Art, wie der Zuhörer mit sich und seinen Schwierigkeiten umgeht. In aller Regel gelingt es während der Geschichten, körperliche und psychische Verspannungen zu lösen. Bei häufiger Anwendung, vielleicht in Verbindung mit einem Entspannungsverfahren wie dem autogenen Training, wird schon nach wenigen Wochen ein verändernder Einfluss auf die auslösenden Bedingungen erkennbar. In allen Geschichten sind Formulierungen enthalten, die psychische und körperliche Spannungen lösen.

Einige Geschichten verfolgen in erster Linie das Ziel, die anspannenden und ängstigenden Anteile des Alltags loszulassen. Es geht darum, von der gewohnten Sicht der Dinge Abstand zu nehmen, um sich für neue Lösungsmöglichkeiten und eine insgesamt kreativere Sicht auf die Welt zu öffnen. Dabei lässt der Zuhörer wie von selbst auch seine Ängste in einem gewissen Umfang los. Immer auch geht es darum, sich selbst differenzierter zu spüren und den eigenen Körper sowie die eigenen Gefühle vorurteilsfreier wahrzunehmen und schließlich auch zu akzeptieren und zu mögen. Es wird nahegelegt, dass Veränderungen zum Positiven möglich und manchmal sogar sehr einfach sind.

Einzelne Geschichten befassen sich schwerpunktmäßig mit der Reduktion von Schmerzen und von Ängsten. Andere bieten an, Ängste als Grenzerfahrung zu sehen, die lehrreich ist. Das Selbstbewusstsein soll durch wieder andere Geschichten gezielt gestützt oder auf eine festere Grundlage gestellt werden.

In diesem Sinne richtet sich die Untergliederung der Geschichten nach ihrem jeweiligen Schwerpunkt.

Die eigenen Möglichkeiten werden durch jede der folgenden Reisen durch die Fantasie erweitert. Bei manchen Geschichten ist dieses Ergebnis ein willkommenes Nebenprodukt, wenn zum Beispiel der angestrebte Abstand von den Tagesgedanken im Vordergrund steht. Dieser Abstand ist bei den anderen, bei denen gezielt eine Erweiterung der eigenen Möglichkeiten (in der Wahrnehmung beispielsweise) beabsichtigt ist, eine notwendige Voraussetzung.

Teil 2: Die Aufmerksamkeit verändern

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