Inselmord & Friesentörtchen - Dorothea Stiller - E-Book

Inselmord & Friesentörtchen E-Book

Dorothea Stiller

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Beschreibung

Der Sylter Landfrauenverein steht Kopf: Ein spannender TV-Backwettbewerb lockt die Teilnehmerinnen aus den Dörfern der Insel an. Doch die fröhliche Stimmung wird durch merkwürdige Vorfälle getrübt, und als eine Teilnehmerin auf tragische Weise ums Leben kommt, ahnt Siggi, dass mehr hinter dem vermeintlichen Unfall steckt. Kann es sein, dass jemand den Wettbewerb bewusst sabotiert und dabei auch vor Mord nicht zurückschreckt? Kommissar Christiansen hat wegen einer Politikerhochzeit alle Hände voll zu tun und will von Siggis Mordtheorie nichts wissen. Doch Siggi lässt nicht locker - kann sie den wahren Täter entlarven, bevor es zu spät ist?

Ein neuer Fall für Siggi auf der wunderschönen Nordseeinsel Sylt -Spannung und Humor garantiert.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Torsten Sträter hatte recht

Landfrauen auf Tour

Eine neue Bekanntschaft

Überraschung am Nachmittag

Eier und Schmalz, Zucker und Salz

Ein Zufall zu viel?

Da ist doch was im Busch

Siggi nimmt die Fährte auf

Ein Schock am Morgen

Ein Fall für Siggi

Törtchen auf geheimer Mission

Da ist was faul

Alte Bekannte und neue Spuren

Damen-Gambit

Er war stets bemüht

Eine interessante Entdeckung

Ermittlungen in der Sackgasse

Angenehme und weniger angenehme Überraschungen

Bauchgefühle und Besuch von Tante Rosa

Verdachtsmomente

Siggi greift durch

Geistesblitz auf dem stillen Örtchen

Johoho und ’ne Buddel voll Rum!

Mieses Karma oder so

Eine Bootsfahrt, die ist lustig

Doppelte Gardinenpredigt für Siggi

Die Backfee lässt bitten

Danksagungen

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

Leseprobe

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Über dieses Buch

Der Sylter Landfrauenverein steht Kopf: Ein spannender TV-Backwettbewerb lockt die Teilnehmerinnen aus den Dörfern der Insel an. Doch die fröhliche Stimmung wird durch merkwürdige Vorfälle getrübt, und als eine Teilnehmerin auf tragische Weise ums Leben kommt, ahnt Siggi, dass mehr hinter dem vermeintlichen Unfall steckt. Kann es sein, dass jemand den Wettbewerb bewusst sabotiert und dabei auch vor Mord nicht zurückschreckt? Kommissar Christiansen hat wegen einer Politikerhochzeit alle Hände voll zu tun und will von Siggis Mordtheorie nichts wissen. Doch Siggi lässt nicht locker – kann sie den wahren Täter entlarven, bevor es zu spät ist?

DOROTHEA STILLER

Siggi ermittelt erneut auf Sylt

Torsten Sträter hatte recht

»Torsten Sträter hatte recht«, sagte Törtchen und verzog das Gesicht.

»Bestimmt, aber womit jetzt konkret?«, fragte Siggi.

»›Götterspeise‹ ist ein ziemlich ambitionierter Name für diesen Glibber. Aus der Kindheit hatte ich das besser in Erinnerung.«

»Du sollst das ja auch gar nicht essen!« Siggi nahm ihm die Auflaufform aus der Hand und stellte sie wieder in den Kühlschrank. »Erstens ist die noch nicht richtig fest, und zweitens brauche ich die noch.«

»Wofür?«, fragte Torsten und räumte seinen Löffel in die Spülmaschine. »Veranstaltest du einen Kindergeburtstag, von dem ich nichts weiß? Der ganze Kühlschrank steht voll mit dem Zeug. Eigentlich wollte ich mir nur ein Feierabendbierchen rausholen. Ist Freitag.«

»Das steht jetzt im Kühlschrank unten im Keller«, erklärte Siggi. »Ich hol dir gleich eins rauf. Ich brauchte den Platz.«

»Du hast mir immer noch nicht erklärt, was du mit drei Hektolitern Glibber vorhast.« Törtchen sah sie mit hochgezogenen Brauen an.

»Ich probier da was aus, das habe ich auf Pinterest gesehen.«

»Mit Wackelpudding?« Torsten schüttelte ungläubig den Kopf. »Schätze, dann ist das dieses Mal nicht wieder irgend so ’n neuer Dekotrend.«

»Nee. Kuchen beziehungsweise Torte. Dat nennt sich ›Dschuell-Cake‹.«

»Wat für ’n Cake?«

»Na, ›Dschuell‹. Englisch für ›Juwelen‹. Warte mal.« Siggi zog ihr Handy hervor und tippte auf dem Display herum. »Hier, so sieht das aus. Die Götterspeise muss etwas fester sein als normal. Die wird in Stücke geschnitten und mit einer Creme auf den Kuchenboden geschichtet. Wenn man das dann anschneidet, sieht es aus wie Buntglas.«

»Aha«, machte Torsten. »Und seit wann gibst du hier die Tortenfee? Ich dachte, du backst nicht gern.«

»Nee, tu ich ja auch nicht.« Siggi seufzte. »Das ist ’ne lange Geschichte.«

Torsten lachte. »Weißt du was? Du machst uns ein bisschen was zu knabbern, ich taper in den Keller und hol mir mein Bierchen, und wir treffen uns auf der Couch. Da kannst du mir dann erzählen, warum du plötzlich Pinterest-Torten klöppelst. Soll ich dir ein Bier mitbringen?«

Siggi nickte. »Ja, ich glaub, nach dem Süßkram ist was Herbes gar nicht verkehrt.«

Etwas später saßen sie auf dem Sofa, knabberten Chips und Nüsse und genossen kühles Bier. Siggi hatte die Beine seitlich unter den Körper gezogen und kuschelte sich an ihren Mann.

Mein Mann. Der Gedanke kam Siggi noch immer ungewohnt vor. Kein Wunder, denn sie hatten schließlich mehr als fünfzehn Jahre als Paar zusammengelebt, bevor sie im vergangenen Jahr den Bund fürs Leben geschlossen hatten. Eigentlich hatte sie sich das als junge Frau ganz anders vorgestellt. Mehr so die Disney-Variante: Traumprinz finden, heiraten, »und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende«. Stattdessen hatte sie sich mit achtzehn in den falschen Kerl verliebt, war nach sieben Jahren On-off-Beziehung von ihm schwanger geworden, hatte geheiratet und sich nur drei Jahre später wieder scheiden lassen. Doch dann hatte sie Törtchen kennengelernt, und heute, mit siebenundvierzig, konnte sie zurückblicken und sagen, dass ihr Leben gut war, genau so, wie es war, mit allen Umwegen und vermeintlichen Fehlern. Dafür war sie dankbar.

Sie liebte es, so zusammengekuschelt mit ihrem Törtchen auf der Couch zu sitzen. Dabei fühlte sie sich wunderbar geborgen. Torsten, ein stattlicher Kerl, der sie um einiges überragte, gab sich gern etwas raubeinig. Im Grunde jedoch war er ein gemütlicher Teddybär. Siggi liebte einfach alles an ihm, sein breites Kreuz, seine patente, zupackende Art und seinen trockenen Humor ebenso wie die kleine Bierplauze und die inzwischen etwas lichter werdende Haarpracht.

»Na, dann erzähl mal. Ich bin schon echt gespannt.« Torsten trank einen Schluck Bier.

»Also, du weißt doch, dass Leevke mir schon ewig in den Ohren liegt, dass ich bei den Landfrauen mitmachen soll.«

»Und dafür machst du jetzt die Torte?«, fragte Torsten. »Ist das so ein Aufnahmeritual?«

»Quatsch!« Siggi lachte. »Aber die Landfrauen haben sich für das Sommer-Special von Das große Backduell beworben. Du weißt schon, diese Show mit Edith van de Madeliefjes.«

»Die immer so verrückte Klamotten anhat?«, hakte Torsten nach.

»Genau. Die Sommer-Edition wird immer in einer Urlaubsregion gedreht«, fuhr Siggi fort. »Und jetzt kommt die Sendung hier nach Sylt. Zehn Kandidatinnen treten an und müssen mehrere Runden bestehen. Die Gewinnerin bekommt einen Geldpreis und darf ihre Rezepte in einem eigenen Backbuch veröffentlichen.«

»Und du bist so scharf drauf, ins Fernsehen zu kommen, dass du jetzt sogar backen lernst?« Torsten schüttelte ungläubig den Kopf.

»Na ja, ist schon irgendwie spannend, mal im Fernsehen zu sein.« Siggi seufzte. »Aber das ist es nicht. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, da mitzumachen.« Tatsächlich hätte Siggi noch vor kurzer Zeit jeden für verrückt erklärt, der gesagt hätte, dass sie einmal bei den Landfrauen mitmischen würde. In Dortmund geboren und aufgewachsen, war sie eigentlich das genaue Gegenteil einer »Landfrau«. Auch optisch passte sie mit ihrem eigenwilligen Look überhaupt nicht ins Klischeebild. Siggis Markenzeichen war die platinblonde Mähne mit der geföhnten Farrah-Fawcett-Außenwelle, und sie liebte knallige Farben und Glitzer.

»Dann lass es doch sein. Gibt doch bestimmt mehr als zehn Landfrauen in deinem Verein«, wandte Törtchen ein.

»Ich erklär’s dir, aber du darfst das nicht weitersagen, ja?«

»Na, du machst es aber spannend.«

»Versprichst du’s mir? Ist nämlich noch nicht offiziell«, erwiderte Siggi.

»Ja, klar. Du weißt doch, ich kann schweigen wie ein Grab.«

»Also, es ist nämlich so«, obwohl sie allein waren, senkte Siggi unnötigerweise die Stimme, »natürlich sollte Leevke da mitmachen. Die hat das ja total drauf. Bloß, jetzt ist sie schwanger, und ihr ist permanent schlecht. Sie weiß es erst seit zwei Wochen und ist noch nicht übern Berg, deswegen ...« Sie legte den Finger an die Lippen.

»Verstehe.« Torsten nickte. »Wüsste zwar nicht, wem ich weitertratschen sollte, dass Leevke ’nen Braten in der Röhre hat, aber gut. Ich sag nix.«

Siggi verdrehte die Augen. »›Braten in der Röhre‹! So ein blöder Macho-Ausdruck! Bis zum Dreh wäre Leevke zwar schon ungefähr im vierten Monat, doch sie meinte, bei Linus war ihr die komplette Schwangerschaft übel, und das will sie nicht riskieren.«

»Und warum sollst ausgerechnet du einspringen? Also, ich möchte ja nix sagen, aber ...« Torsten druckste herum und sah Siggi an. »Die Erfahrung hat gezeigt, dat Backen nicht gerade eines deiner großen Talente ist.«

»Na, das haste jetzt wirklich elegant formuliert.« Siggi grinste. »Kannst es ruhig sagen, wie es ist. Kochen kann ich ja, aber backen? Da bin ich eine Vollkatastrophe. Die zehn Teilnehmerinnen wurden ausgelost. Normalerweise hätte ich mich da rausgehalten, doch Leevke hat meinen Namen in den Lostopf geworfen, und ich bin tatsächlich Platz eins auf der Nachrückliste.«

»Dann versteh ich nicht, warum du deinen Platz nicht einfach der Nummer zwei auf der Liste vermachst«, meinte Törtchen.

»Das ist es ja. Wenn ich zurücktrete, rückt Silke Langheinrich nach. Der blöden Pute möchte Leevke ihren Platz nicht überlassen, sagt sie.«

Torsten lachte. »Das ist ja ein schöner Kindergarten bei euch!«

»Na ja ...« Siggi zuckte mit den Schultern. »Irgendwie versteh ich es. Silke gönn ich es auch nicht, die ist ’ne ziemlich blöde Ziege. Bei der hatte ich mal ein paar Kosmetiktermine. Total unfreundlich und patzig. Na ja, wat macht man nicht alles für seine Freunde?«

»Du blamierst dich also jetzt live im Fernsehen, weil du und Leevke es dieser Silke nicht gönnt?« Torsten grinste.

Siggi schlug ihm sanft auf den Arm. »So schlimm steht es nun auch nicht um meine Backkünste. Und außerdem kohtscht Leevke mich jetzt.«

»Wat macht sie?«

»Sie kohtscht mich, so als Trainerin«, sagte Siggi. »Ich lern dat jetzt alles. Hefeteig, Biskuit, Schokolade temperieren, Baiser, Cremes, all so ein Zeug. Und meine erste Lektion ist, wie man mit Gelatine arbeitet.«

»Aaaah!«, machte Törtchen. »Das erklärt den Glibber. Mann, so langsam krieg ich Kohldampf auf wat Richtiges. Was essen wir denn heute?«

»Ich bin noch nicht zum Einkaufen gekommen. Ich hatte eine Reihe Kosmetiktermine, und dann hab ich den Wackelpudding zubereitet, damit der bis morgen fest wird.«

»Soll ich noch eben fahren?«, fragte Törtchen.

»Ach was, nee, da müssen wir uns erst in Ruhe hinsetzen und ’nen Einkaufszettel schreiben, sonst vergessen wir wieder die Hälfte«, meinte Siggi. »Lass uns einfach Pizza bestellen, ja?«

»Da rennst du bei mir offene Türen ein.« Torsten drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich hol mal den Flyer, dann kannst du schon mal was aussuchen.«

»Die anderen aus deinem Verein sind doch bestimmt so Superbäckerinnen. Hast du da überhaupt eine Chance?«, wollte Törtchen wissen, nachdem er bestellt hatte.

»Na ja, bis zum Drehbeginn sind es ja noch ein paar Monate«, erwiderte Siggi. »Leevke macht mich bis dahin fit. Dann werden wir es denen schon zeigen.«

»Weißt du denn, wer alles dabei ist? Vielleicht könnt ihr ja vorher denen ihre taktischen Schwächen ausloten oder so.«

»Taktische Schwächen!«, Siggi prustete. »Das ist doch kein Fußballspiel.«

»Kann trotzdem nicht schaden, seinen Gegner zu kennen, oder?«, gab Törtchen zu bedenken.

»Ja, vielleicht. Bin ja noch nicht lange dabei, daher kenne ich die bis auf Leevke und Simone noch nicht richtig.«

»Heikos Simone?«, fragte Törtchen.

Siggi nickte.

»Weiß gar nicht, wie die neben der Arbeit noch diese ganzen Aktivitäten schaffen. Ringreiten machen se beide, soweit ich weiß, und er ist ja mit mir bei der freiwilligen Feuerwehr.«

»Ich glaube, Leevkes Schwiegermutter ist noch dabei und eine ganz junge Frau, Carolin hieß sie. Den Rest habe ich mir nicht gemerkt, aber ich werde sie demnächst kennenlernen. Nächsten Monat fahren wir nämlich nach Hamburg. Wir sind bei der Produktionsfirma für ein Wochenende zu einer Vorbesprechung eingeladen.«

»Dann sind Heiko und ich Strohwitwer? Schicko, da wird endlich angegrillt, und wir machen den Stirb-Langsam-Marathon, ohne dass uns einer reinquatscht, wie unrealistisch die Action-Szenen doch sind.«

Siggi lachte. »Ha! Solange es nur das ist ...«

»Was denn sonst? Meinste, wir gehen auf die Piste und reißen uns was auf?« Torsten grinste. »Nee, lass mal. Eine reicht.«

»Charmant wie immer.« Siggi knuffte ihn in die Seite.

»Ach, du weißt doch, mit dir kann keine mithalten. Sonst hätte ich dich wohl kaum geheiratet, oder?«

»Ja, ich weiß. Und außerdem wärst du viel zu bequem, dir eine Neue anzulachen.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Torsten legte sanft seine Hand auf ihr Bein.

»Und wenn du jetzt noch Fernsehstar wirst und vielleicht den großen Preis abräumst, da wär ich ja schön bescheuert, oder?«

Landfrauen auf Tour

Die Damen vom Landfrauenverein hatten drei Vierersitze in der Regionalbahn nach Altona gekapert und warteten nun aufgeregt schwatzend auf die Abfahrt. Siggi hatte sich neben Simone gesetzt, die Frau von Torstens Arbeitskollegen Heiko.

Sie hatten zu viert schon einige Male etwas unternommen, und Siggi mochte die quirlige Frau trotz ihrer Sportbegeisterung und ihrer beständigen Versuche, sie zum Joggen zu motivieren.

Seit sie das Haus ihrer »Tante« Hildegard auf Sylt geerbt hatte und auf die Insel gezogen war, fuhr Siggi zwar gern und viel Rad und ging regelmäßig ausgedehnte Gassirunden mit Candy, ihrer kleinen Yorkshire-Hündin. Für Sport und Fitness hatte sie sich allerdings noch nie besonders begeistern können. Eigentlich war Hildegard noch nicht einmal Siggis richtige Tante gewesen, sondern nur weitläufig verwandt, hatte jedoch engen Kontakt zu Siggi und ihrer Familie gepflegt.

Im Gegensatz zu Siggi und Törtchen waren Simone und Heiko auf Sylt aufgewachsen und gehörten zu den Glücklichen, die sich das Leben auf der Insel noch leisten konnten, da sie das Haus von Heikos Eltern in Morsum übernommen hatten.

Simone arbeitete als Erzieherin in der örtlichen Kindertagesstätte, und beide waren in etliche Vereine und Gruppen eingebunden, sodass sie alles und jeden kannten. Ähnlich wie Leevke war Simone daher für Siggi als Neubürgerin eine wertvolle Informationsquelle, sowohl was die Menschen in der Umgebung anging als auch die dörflichen Strukturen und Gepflogenheiten, die sie als Großstadtgewächs aus dem Ruhrpott oft nicht ganz durchschaute.

Da sie zu zweit in ihrem Vierersitz saßen, nutzte Siggi die Gelegenheit, um ein wenig mehr über ihre Mitstreiterinnen zu erfahren.

Leevkes Schwiegermutter Imke hatte sie zuvor bereits bei einer Feier kennengelernt. Die resolute Mitsechzigerin war genau so, wie Siggi sich früher eine Insulanerin vorgestellt hätte. Mit ihrer frischen, rosigen Gesichtsfarbe, den freundlichen blauen Augen, um die sich zahlreiche Lachfältchen kräuselten, und den immer etwas windzerzaust anmutenden, praktisch kurz geschnittenen Haaren strahlte sie etwas Robustes und Natürliches aus.

Noch immer arbeitete Imke in dem kleinen Lebensmittelladen mit, den mittlerweile ihr älterer Sohn führte. Imke war eine leidenschaftliche Bäckerin und mit Sicherheit eine Konkurrentin, die Siggi nicht unterschätzen durfte.

»Ich frag dich jetzt ab«, flüsterte Simone, als der Zug aus dem Bahnhof rollte. »Die Blonde mit dem Pagenschnitt, dem Pony und der rot gerahmten Brille. Wer ist das?«

»Äh ... Elke?«

»Richtig. Elke Lorenzen. Die Lorenzens betreiben einen Hof bei uns in Morsum.«

»Ach, stimmt. Daher kam sie mir so bekannt vor. Ich war ein paar Mal mit dem Rad bei denen im Hofladen«, erinnerte sich Siggi. »Sie wirkte sehr nett.«

Simone beugte den Kopf näher zu ihr und senkte die Stimme. »Ist aber durchaus mit Vorsicht zu genießen. Sehr taff, hat gelernt, sich durchzubeißen, und ist enorm ehrgeizig. Hat den schwiegerelterlichen Betrieb vor dem wirtschaftlichen Ruin gerettet und das Zepter fest in der Hand.«

Siggi versuchte, sich das Relevante einzuprägen. »Was ist mit den beiden? Der mit den schulterlangen blonden Locken und den Sommersprossen – Jördis hieß sie, glaub ich - und der Dunkelhaarigen mit dem stufigen, kurzen Bob; den Namen hab ich schon wieder vergessen.«

»Die mit den blonden Locken ist Jördis Söberg«, erklärte Simone leise. »Hat von ihren Eltern eine Ausflugsreederei geerbt, die ihr Mann leitet. Und die Dunkelhaarige ist Lisa Dörrmann. Der Familie gehören zwei Hotels.«

»Na, ob ich mir das alles merke? Da fällt mir ein, wer ist denn eigentlich die kleine Zierliche mit den kinnlangen braunen Haaren. Jana, richtig? Die schien mich irgendwie zu kennen. Sie meinte, sie hätte schon viel von mir gehört. Ich kam allerdings nicht mehr dazu, sie zu fragen, weil da gerade der Zug einfuhr.«

»Du meinst Jana Christiansen«, erwiderte Simone.

»Christiansen?« Siggi sah sie mit großen Augen an. »Ist sie verwandt mit Kommissar Christiansen?«

»Ja, Martin Christiansen. Das ist ihr Mann. Der ist bei der Polizei.«

»Auweia!« Siggi lachte. »Dann hat sie vermutlich nicht viel Nettes über mich gehört. Der Kommissar ist nicht gut auf mich zu sprechen, weil ich ihm angeblich immer bei seinen Ermittlungen dazwischenfunke.«

»Ha! Stimmt ja!«, rief Simone. »Ich vergesse ständig, dass du nebenberuflich Privatschnüfflerin bist.«

»Von wegen ›Schnüfflerin‹!«, protestierte Siggi. »Das hat sich bloß so ergeben. Ich bin einfach von Natur aus neugierig und gehe Dingen gern auf den Grund.« Das war ein wenig untertrieben, denn in der Vergangenheit war Siggi bereits dreimal in einen Mordfall hineingestolpert und hatte auf eigene Faust Nachforschungen angestellt – sehr zum Leidwesen des Kommissars.

»Also, ich finde es jedenfalls spannend«, meinte Simone. »Sollen wir weitermachen?«

»Puh! Lass mal. So viel kann ich mir nicht merken. Die anderen werde ich bestimmt nach und nach kennenlernen.« Sie blickte aus dem Zugfenster. »Oh, sieh mal. Gleich sind wir auf dem Hindenburgdamm. Ich weiß, dich als gebürtige Insulanerin kann das nicht mehr hinter dem Ofen hervorlocken, aber ich finde es jedes Mal faszinierend. Da sitzt du im Zug, und links und rechts nur Meer.«

»Ach was, ich finde es auch jedes Mal schön.« Simone lächelte. »Solange man nicht zu den Stoßzeiten fährt, wenn die Leute sich stapeln und du froh sein kannst, wenn du überhaupt noch ins Abteil reinkommst.«

»O ja, da kann Törtchen ja inzwischen ebenfalls ein Lied von singen«, sagte Siggi. »Ab und zu habe ich auch Girlfriendz-Partys oder Kosmetiktermine auf dem Festland, aber da kann ich mir zum Glück aussuchen, wann ich fahre.«

»Stimmt. Das wollte ich dich ja auch noch gefragt haben.« Simone senkte wieder die Stimme. »Du machst wirklich Dildo-Partys?«

Siggi schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Ich wette, das hat Heiko von Torsten. Der nimmt mich immer damit auf die Schippe. Ich veranstalte Girlfriendz-Partys. Dabei verkaufe ich in entspannter und vertrauter Atmosphäre Verwöhnprodukte für Frauen. Kosmetik, Massageöl, Düfte, Dessous und auch Erotikspielzeug, aber eben nicht ausschließlich.«

»Ach so. Klar, dass sich die Männers wieder nur das eine merken.« Simone grinste.

Als die muntere Truppe etwas über drei Stunden später am Bahnhof Altona in die S-Bahn Richtung Neugraben stieg, landeten Siggi und Simone in einem Sitz gegenüber den beiden Küken der Truppe, der Optikerin Mareike Hansen, die Siggi auf höchstens Anfang dreißig schätzte, und der jungen Carolin Kruse, die in Wilhelmshaven Tourismusmanagement studierte und gerade ihr Praxissemester auf der Insel absolvierte.

»Ich bin total aufgeregt. Endlich lerne ich die Juroren mal persönlich kennen«, schwärmte Carolin mit glühenden Wangen. »Yann Carème ist mein großes Vorbild. Hoffentlich lande ich nie im Eliminations-Battle. Die Kreationen von Eveline Lukas nachzubacken ... Das wäre ja schon ohne Zeitdruck eine Herausforderung.«

»Du kennst dich ja richtig aus«, wunderte sich Siggi. »Ich muss zugeben, dass ich die Show bis vor Kurzem noch nie gesehen hatte.«

»Echt nicht?« Caroline wirkte überrascht. »Ich bin totaler Fan und habe keine Folge verpasst. Unglaublich, dass ich jetzt hinter die Kulissen schauen und mitbacken kann! Ich habe schon ein ganzes Notizbuch vollgeschrieben und Rezepte entwickelt.«

»Streberin!« Mareike lachte. »Du steckst uns bestimmt alle in die Tasche.«

»Dass sich so eine junge Frau fürs Backen erwärmen kann ...« Über so viel Enthusiasmus konnte Siggi nur staunen. »Meine Tochter Denise ist ungefähr in deinem Alter. Die hat mit Backen überhaupt nichts am Hut. Müssen meine Gene sein. Ich lerne ja noch. Leevke triezt mich schon seit Wochen.«

»Mit Erfolg?« Mareike musterte sie amüsiert.

Siggi wedelte mit der Hand in der Luft. »So langsam wird es. Ich mache mir ernsthaft Hoffnungen, dass ich nicht gleich als Erste rausfliege.« Sie grinste. »Leevke meint, sie kriegt das bis Drehbeginn noch hin, aber ich bin da skeptisch.«

Ein verschmitztes Lächeln breitete sich auf Mareikes Gesicht aus, und sie legte den Kopf schief. »Das ist doch bestimmt deine Taktik: tiefstapeln, um uns in Sicherheit zu wiegen.«

Mareike war Siggi sympathisch. Offenbar hatte sie einen Sinn für Humor und sah das Ganze nicht zu verbissen. »Schön wär’s.« Siggi lachte. »Törtchen steht kurz davor, mir Backverbot zu erteilen. Der muss ja meine verunglückten Versuche immer probieren.«

»Törtchen?« Carolin sah sie fragend an.

»Torsten, mein Lebensge... mein Mann«, verbesserte sich Siggi. »Hab mich immer noch nicht dran gewöhnt, dass wir jetzt verheiratet sind.«

»Oh! Wie schön!« Carolin strahlte. »Dann nachträglich herzlichen Glückwunsch.«

»Danke. Wir haben in Hörnum auf dem Leuchtturm geheiratet. Das war einfach traumhaft!«, schwärmte Siggi. Tatsächlich dachte sie gern an die Feier zurück, obwohl sie sich ihre Traumhochzeit ursprünglich ganz anders vorgestellt hatte und es auf dem Weg dorthin noch ganz schön holprig geworden war.

Ihre Vorstellungen von der perfekten Hochzeit hatten meilenweit auseinandergelegen, und Siggi hatte sich derart verrückt gemacht, dass sie sich darüber beinahe getrennt hatten. Der Mord an ihrer Hochzeitsfotografin und Siggis Ermittlungsarbeit hatten den Ärger noch verstärkt. Heute konnte Siggi nur den Kopf darüber schütteln, wie stur sie beide gewesen waren. Doch das Drama um die Hochzeit war so gut wie vergessen, geblieben waren nur die schönen Erinnerungen.

»Jungfernstieg.« Mareike deutete auf die Anzeige. »Hier müssen wir raus.«

Von hier war es noch eine Station mit der U-Bahn zu ihrem Hotel am Rothenbaum, in dem die Produktionsfirma sie untergebracht hatte.

Plötzlich wieder an einer vierspurigen, von Bäumen und mehrstöckigen Häusern gesäumten Straße zu stehen war nach der langen Zeit auf der Insel ein merkwürdiges Gefühl, obwohl Siggi eigentlich ein Großstadtkind war.

»Guck mal, das Restaurant da drüben gehört dem Henssler.« Simone zeigte auf die andere Straßenseite. Sie hatte den Stadtplan auf dem Handy geöffnet und schaute, wohin sie gehen mussten.

Siggi blickte sich um. »Sieht auf den ersten Blick gar nicht nach so ’ner schicken Ecke aus.«

»Vertu dich da mal nicht«, entgegnete Simone. »Richtung Alster sind die ganzen noblen Villen und so. Außerdem sitzen hier noch immer viele Medienunternehmen.«

»Kennst du dich in Hamburg aus?«, fragte Siggi.

»Heikos älterer Bruder wohnt in der Stadt, und wir sind ab und an mal zu Besuch«, erklärte Simone. »Der arbeitet hier ganz in der Nähe beim NDR.«

»Oh! Dann ist Fernsehen für dich wohl ein alter Hut.«

Simone winkte lachend ab. »Nee, überhaupt nicht. Ingo arbeitet da bloß in der Buchhaltung, also weder vor noch hinter der Kamera.«

Sie warf abermals einen Blick auf ihr Handy. »Ich glaube, da bei der Apotheke müssen wir rüber, das ist dann schon unser Hotel.«

Eine neue Bekanntschaft

Die Büros der Produktionsfirma befanden sich in einem kastigen, modernen Bau am Mittelweg.

Begrüßt wurde die muntere Frauentruppe von einem jungen Mann mit einer Schiebermütze aus blauem Denim-Stoff. »Willkommen bei Apex Productions. Mein Name ist Bastian Dieckerhoff, ich bin Produktionsassistent beim Großen Backduell. Für euch Basti. Wir sind hier schließlich eine große Familie.« Er lächelte verbindlich. »Ich hoffe, ihr hattet eine schöne Anreise, und mit dem Hotel hat so weit auch alles geklappt. Wir gehen gleich rauf, da haben wir für euch einen kleinen Lunch mit verschiedenen Salaten, Häppchen und Getränken vorbereitet, damit ihr in aller Ruhe ankommen könnt und wir uns kennenlernen.«

Siggi beugte sich zu Simone hinüber. »Häppchen sind nicht verkehrt, ich war so spät dran, dass ich keine Zeit mehr hatte zu frühstücken.«

Basti sah genau so aus, wie Siggi sich jemanden vom Fernsehen vorgestellt hätte. Typ Berufsjugendlicher mit engen, etwas abgetragen wirkenden Jeans, T-Shirt, Lederarmbändern und Festivalbändchen am Handgelenk sowie Dreitagebart.

Nach der kleinen Stärkung wurden sie in einen Meeting-Raum mit einem langen Konferenztisch und einem Smartboard geführt und nahmen auf den mit quietschgrünem Kunstleder bezogenen Stühlen Platz.

»Wir drehen an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden jeweils von sieben Uhr morgens bis mindestens um sechs«, erklärte Basti. »Die Woche über seid ihr also ganz normal zu Hause, könnt arbeiten und euch auf die Aufgaben vorbereiten. Nicole Huppert, unsere Aufnahmeleiterin, erklärt euch jetzt noch einmal kurz die Wettbewerbsregeln, die ja bei der Sommer-Sonderedition ein bisschen anders sind als sonst.« Er deutete zu einer Frau mit raspelkurzen blonden Haaren und auffälligem roten Lippenstift, die nun aufstand und das Wort ergriff.

»Jede Kandidatin hat ihren eigenen Backplatz mit Herd, Ofen und Kühlschrank«, sagte sie. »Die erste Aufgabe in jeder Episode ist vorher bekannt. Dafür könnt ihr zu Hause die Rezepte vorbereiten und üben. Wichtig ist, dass ihr uns rechtzeitig die Zutatenlisten und eventuell benötigtes Zusatzequipment durchgebt, damit wir alles in ausreichender Menge bereitstellen können. Natürlich dürft ihr auch eigenes Werkzeug mitbringen; das solltet ihr vorher aber auch angeben.«

Siggi notierte sich die wichtigsten Punkte.

»Wenn eure Gebäcke fertig sind, müsst ihr das Zelt verlassen. In der Zwischenzeit kümmert sich die Reinigungscrew um eure Backplätze, und die Kameraleute nehmen die Beauty Shots von euren Werken auf. Danach kommt ihr wieder rein für die Verkostung der Jury, die ihr gleich auch noch kurz kennenlernen werdet.«

»Habe ich das richtig gelesen, dass es nur zwei Aufgaben pro Sendung gibt?«, fragte Carolin.

»Genau. Nach der ersten Challenge benennt die Jury die beste und die beiden schlechtesten Bäckerinnen der Runde«, erwiderte Nicole. »Die Beste darf auf den Tortenthron, die beiden Schlechtesten treten im Battle gegeneinander an. Sie backen ein zuvor unbekanntes Rezept der Juroren nach.«

»Und die Verliererin muss gehen?«, vermutete Simone.

»Richtig.« Nicole nickte. »In jeder Episode scheidet also eine Kandidatin aus, die letzten drei treten im großen Finale gegeneinander an.«

Siggi fühlte sich von der Information ein wenig erschlagen. Doch sie war optimistisch, dass sie mit intensivem Coaching vielleicht wenigstens die ersten beiden Drehtage überstehen würde.

Nach einer kleinen Kaffeepause lernten sie die Juroren kennen. Yann Carème kannte Siggi schon aus dem Fernsehen. Mit seiner Glatze, dem dünnen, gezwirbelten Oberlippenbärtchen und dem eigenwilligen Kleidungsstil im Look der Sechziger- und Siebzigerjahre war der bekannte Patissier schließlich eine auffällige Erscheinung und ein häufiger Gast in diversen TV-Formaten. Siggi fand, dass er etwas manieriert wirkte, so als stünde er permanent vor einer Kamera. So etwas gewöhnte man sich als Promi wahrscheinlich leicht an.

Eveline Lukas hingegen wirkte sehr bodenständig und zugänglich. Mit ihren dunkelbraunen schulterlangen Haaren, dem fransigen Pony und dem zurückhaltend femininen Kleidungsstil hätte man sie eher für das Klischee einer Grundschullehrerin halten können. Doch von ihrer freundlichen und mütterlichen Ausstrahlung durfte Siggi sich nicht täuschen lassen. In den Episoden der Show, die Siggi sich zur Vorbereitung angesehen hatte, war die berühmte Konditorin eine strenge Kritikerin gewesen.

Den Nachmittag hatten sie zur freien Verfügung, und Siggi unternahm mit Simone, Carolin und Mareike einen Bummel durch die Innenstadt über die Mönckebergstraße, den Rathausmarkt und zur Binnenalster. Dort würden sie später im Restaurant mit den anderen zusammentreffen.

Insgesamt hatte Siggi den Eindruck, dass die anderen Kandidatinnen ein nettes Trüppchen waren, mit dem man Spaß haben konnte, und sie fragte sich, ob Konkurrenzdruck und Rivalität noch zunehmen würden, wenn es erst einmal um die Wurst ging. Immerhin konnte man zehntausend Euro gewinnen und einen Vertrag für ein eigenes Backbuch. Zwar hatte Siggi nicht die geringste Ahnung, was man mit so einem Buch verdiente, aber wenn der Name der Show vorne draufpappte, verkaufte es sich bestimmt nicht allzu schlecht.

Beim Abendessen wurde die Truppe noch einmal ein bisschen durchgemischt, und Siggi fand sich zwischen Jana Christiansen und einer dunkelhaarigen Frau wieder, von der sie bisher nur wusste, dass sie Paula Schönrock hieß. Zumindest auf den ersten Blick wirkte sie etwas spröde, auch wenn sie mit ihren langen dunklen Haaren, den großen blauen Augen und der zarten Figur eine sehr attraktive Erscheinung war. Sie hatte sich den Tag über immer ein wenig abseits gehalten und wenig mit den anderen geredet.

Die Frau des Kommissars hingegen wirkte herzlich und offen. Das perfekte Gegenstück zu ihrem bisweilen recht brummeligen Gatten, fand Siggi.

»Ha!«, machte Jana. »Siggi, richtig? Jetzt habe ich doch endlich mal Gelegenheit, mich näher mit dir zu unterhalten. Ich war total neugierig, schließlich habe ich so viel von dir gehört.«

Siggi grinste verlegen. »Vermutlich nicht viel Gutes«, wiederholte sie ihre Worte aus dem Zug.

Jana lachte und schüttelte den wuscheligen braunen Lockenkopf. »Na ja, sagen wir mal so: Martin hatte nicht immer die beste Laune, wenn er von dir erzählt hat. Aber das darf man bei ihm nicht so ernst nehmen, der ist eben immer ein bisschen gniesgnaddelig.«

»Gnies... was?«

»Gniesgnaddelig. Grummelig. Ein Brummelkopf. Wie Oskar aus der Mülltonne.« Jana grinste. »Aber meistens meint er es nicht so. Eigentlich ist er ein großer kuscheliger Teddybär.«

Genau wie Torsten, dachte Siggi. Das machte ihr den brummigen Kommissar wieder sehr sympathisch.

»Ich hatte da bereits meine Vermutungen«, meinte Siggi. »Er geht jedes Mal an die Decke, wenn er findet, ich mische mich in seine Ermittlungen ein, aber eigentlich ist er eine Seele von Mensch.«

»Das beschreibt ihn ganz gut.« Jana nickte. »Jedenfalls toll, dass ich dich endlich mal kennenlerne. Wenn du beim Backduell mitmachst, kann das ja nur spannend werden! Wer weiß, welche Verbrechen du hinter den Kulissen aufdeckst.«

»Um Gottes willen!« Siggi winkte ab. »Bloß nicht! Ich muss mich aufs Backen konzentrieren, damit ich mich nicht vollends blamiere.«

»Siggi ist unsere Sylter Miss Marple«, erklärte Jana an Paula gerichtet. »Siggi hat nämlich schon drei verzwickte Mordfälle auf Sylt gelöst, dabei wohnt sie erst zwei Jahre bei uns.«

Paula wirkte ein wenig erschrocken. »Du bist Privatdetektivin?«

Siggi bemerkte, wie sich ihr einige neugierige Gesichter zuwandten. »Äh, nein, nicht wirklich. Ich bin Kosmetikerin und veranstalte Girlfriendz-Partys, wo ich Kosmetik und Verwöhnprodukte für Frauen verkaufe. Also so ähnlich wie eine Tupperparty, nur mit anderen Produkten.«

»Ach, das klingt ja interessant«, kommentierte Paula.

»Das andere ... Na ja, das hat sich per Zufall ergeben. Ich habe eben in ein paar kniffligen Fällen einen guten Riecher gehabt und die Polizei auf die richtige Spur gebracht.«

»Ach so«, sagte Paula. »Dann machst du das nicht beruflich.«

»Nein, nein«, wehrte Siggi ab.

»Trotzdem solltet ihr besser keine krummen Dinger drehen, wenn Siggi in der Nähe ist«, scherzte Jana. »Ihr entgeht nichts.«

Siggi war die Aufmerksamkeit ein bisschen unangenehm, und sie wechselte schnell das Thema. »Apropos: Ihr habt noch gar nicht erzählt, was ihr eigentlich beruflich macht.«

»Ich bin Sekretärin«, erwiderte Paula, »und arbeite im Büro bei einem Touristikveranstalter in List.«

»Und du?«, fragte Siggi an Jana gewandt. »Bist du auch bei der Polizei wie dein Mann?«

»Nein! Zum Glück nicht.« Jana wedelte mit der Hand in der Luft herum. »Ein Polizist in der Familie reicht. Ich arbeite in einem Bestattungsunternehmen.«

Siggi machte große Augen. »Du bist Bestatterin?«

Jana schüttelte den Kopf. »Nur im Büro. Mein Bruder ist der Bestatter. Ein Familienbetrieb in der mittlerweile dritten Generation. Bestattungsinstitut Michaelis. Hast du bestimmt schon mal im Vorbeifahren gesehen.«

»Stimmt, kommt mir bekannt vor«, meinte Siggi. »Also, dann habt ihr also quasi beide mit Leichen zu tun, dein Mann und du.«

»Na ja, wie man es nimmt. Eigentlich hat Martin es auf Sylt selten mit Mordfällen zu tun, mehr mit Körperverletzung, Fahrraddiebstählen, Wohnungseinbrüchen ...«

»Außer ich stolpere wieder mal über eine Leiche«, meinte Siggi lachend. »Aber keine Angst, ich habe nicht vor, das in der nächsten Zeit zu wiederholen.«

»Na, dann bin ich ja beruhigt.« Jana grinste.

Überraschung am Nachmittag

»Ein Gedicht, Siggi!« Inge legte die Kuchengabel ab und küsste Daumen und Zeigefinger, die sie zu einem Ring zusammengelegt hatte. »Einfach nur ein Gedicht. Mit dem Rezept habt ihr euch selbst übertroffen.«

Auch Carla war begeistert. »Die Blätterteigböden sind richtig knusprig und die Kombination mit der Creme und dem Kirschgelee - göttlich.«

Törtchen nickte eifrig und schluckte. »Ja, die kann was. Schön fruchtig. Ein bisschen Wumms mit dem Kirschwasser, aber nicht penetrant.«

»Und das Thema wirklich gut umgesetzt, finde ich«, ergänzte Carla. »Westfalen meets Sylt mit dem Pumpernickel und den Schokostückchen in der Mascarpone-Sahnecreme. Perfekt!«

»Ich bin erleichtert!«, rief Leevke. »Da hat sich das wochenlange Coaching ja gelohnt.«

Siggi strahlte. Zur Verkostung ihres Meisterstücks hatten sie extra Carla und Inge eingeladen. Leevkes beste Freundin Carla hatte zu der munteren Damenrunde gehört, die Siggi gleich zu Beginn ihrer neuen Karriere als Girlfriendz-Beraterin auf Sylt kennengelernt hatte. Inzwischen waren die drei Frauen unzertrennlich.

Ingeborg, ebenfalls alteingesessene Sylterin, war die Schwägerin von »Tante« Hilde, die Siggi das Haus in Keitum hinterlassen hatte. Die elanvolle, warmherzige Inge führte trotz ihrer mittlerweile einundsiebzig Jahre noch immer die Maklerfirma ihres verstorbenen Bruders und strotzte vor Energie und Lebensfreude. Siggi mochte sie sehr und war ihr dankbar, dass sie ihr und Törtchen geholfen hatte, sich hier heimisch zu fühlen.

»Den Blätterteig hast du auch selbst gemacht?«, fragte Inge, und Siggi nickte stolz. »Alle Achtung! Leevke, als Back-Coach bist du ein wahres Weltwunder.«

»Allerdings.« Siggi lachte. »Leevke hat Übermenschliches geleistet und mir tatsächlich auf meine alten Tage noch halbwegs dat Backen beigebogen.«

»Na ja«, relativierte Leevke, »an dem Rezept für die erste Aufgabe haben wir gemeinsam getüftelt.«

»Ich hoffe, damit kann ich auch die Juroren überzeugen«, sagte Siggi.

»Wenn nicht, haben die se nicht mehr alle«, meinte Torsten.

»Na ja, ich muss die Torte ja noch live vor laufender Kamera und ohne Leevke als Publikumsjoker hinkriegen«, gab Siggi zu bedenken. »Hoffnung auf die zehntausend Euro mach ich mir nicht. Die Konkurrenz ist nicht ohne. Allerdings bin ich inzwischen ganz zuversichtlich, dass ich nicht gleich am Anfang rausfliege.«

»Bestimmt nicht«, beruhigte sie Leevke. »Du machst das schon. Ich bin stolz auf dich, meine Musterschülerin.«

»Und nächstes Wochenende geht es schon los?«, fragte Carla. »Ich bin auch schon ganz aufgeregt, schließlich konnte ich die Juroren und Edith van de Madeliefjes für ein Interview im Sylter Boten gewinnen. Das ist dann mal was anderes als Ringreiten, Biikebrennen, Kammerchor und Seemannsmission.«

»Apropos Promis«, schaltete sich Inge ein. »Was sagt ihr denn dazu, dass der Buchner seine Hochzeit ausgerechnet hier auf Sylt feiern muss?«

»Buchner? Chrisander Buchner? Dieser Politiker?«, fragte Törtchen. »Das hab ich ja noch gar nicht mitbekommen.«

»Echt nicht?« Siggi schüttelte den Kopf. »Stand doch überall in der Zeitung. Das wird ein ganz schöner Zirkus mit den ganzen Sicherheitsvorkehrungen. Da reist die gesamte Politprominenz an. Und dann noch die Presse.«

»Ach, du dickes Ei!«, rief Torsten. »Kann der nicht irgendwo in Berlin heiraten oder meinetwegen in Las Vegas? Muss doch nicht sein, dass die sich hier alle auf der Insel die Füße platt treten.«

»Sein Parteifreund, der von Gnietschfleth, wohnt in Kampen. Vielleicht deswegen«, mutmaßte Inge.

»Ach, stimmt. Dein von Gnietschfleth!«, erinnerte sich Torsten. »Mit dem hatten wir ja beide schon das Vergnügen.«

»Erinner mich nicht daran.« Siggi seufzte. Mit dem konservativen Politiker hatte sie im Zusammenhang mit dem Mord an Lenka zu tun gehabt. Siggi war ein großer Fan der jungen Schlagersängerin und hatte ihren tragischen Tod, an deren Aufklärung sie nicht unmaßgeblich beteiligt gewesen war, und die damit verbundenen dramatischen Ereignisse noch immer nicht ganz verdaut.

»Das wird sicherheitstechnisch jedenfalls ein Mordsaufwand«, erklärte Carla. »Ich habe da einen Bericht für den Boten geschrieben. LKA, BKA und private Sicherheitsfirmen sind involviert, gepanzerte Limousinen bringen die Gäste zu den Veranstaltungen, sogar Scharfschützen sollen vor Ort sein.«

»Unglaublich!« Torsten schüttelte den Kopf. »Und alles von unseren Steuern. Hoffentlich bleiben die schön in Kampen oder am besten gleich in List!«

»Ich fürchte, da muss ich dich enttäuschen«, entgegnete Carla. »Standesamtliche Trauung hier in Keitum im Sylt-Museum, Polterabend in Kampen, Trauung in St. Severin, anschließend Feier in der Sansibar.«

»Ach du Kacke!«, entfuhr es Siggi. »Na klar, hätte ich mir ja denken können, dass die in St. Severin heiraten. Wenn die ganze Meute hier einfällt, kommen wir bestimmt nicht mal mehr aus dem Haus. Dann ist hier garantiert alles abgeriegelt und zugeparkt.« Die evangelisch-lutherische Kirche St. Severin befand sich nur wenige Minuten Fußmarsch von Siggis Haus entfernt und das Sylt-Museum etwa zehn Minuten in die andere Richtung auf Morsum zu.

»Also, ich für meinen Teil werde mich zu Hause verschanzen«, meinte Torsten.

»Und dann noch die Touris und die vielen Punker, die jetzt mit dem Neun-Euro-Ticket herkommen«, ergänzte Carla. »Das werden einige nutzen, um sich das Spektakel hier anzuschauen. Dann ist das Chaos perfekt.«

»Über die Punker bei der Wilhelmine kann ich mich ja nicht aufregen«, wandte Ingeborg ein. »Ist mal was anderes, nicht? Solange sie nicht ihren Müll liegen lassen, sollen sie man machen.«

»Wann ist die Hochzeit noch mal genau?«, fragte Siggi.

»Am Wochenende in drei Wochen. Am Donnerstag, dem Siebzehnten, geht es los«, erwiderte Carla.

»Das ist dann das zweite Wochenende vom Backduell-Dreh.« Siggi verzog das Gesicht. »Na ja, Drehbeginn ist um sieben, da sind die Politpromis bestimmt noch nicht wach. Da komm ich hoffentlich noch gut durch nach Morsum, wenn ich dann nicht ohnehin schon rausgeflogen bin.«

»Wo wird denn überhaupt gedreht?«, fragte Inge. »Das habe ich noch gar nicht gefragt.«

»Auf dem Gelände vom Hotel Widmanns Hof in Morsum.« Siggi schenkte Kaffee nach. »Da ist Platz genug, um das Backzelt aufzubauen. Sie können dort das Lager für die Lebensmittel mitbenutzen, und die Crew wird während des Drehs auch in dem Hotel wohnen.«

»Widmanns Hof?«, fragte Törtchen. »Ist das nicht da, wo du dein Skelett aufgegabelt hast?«

»Mein Skelett!«, rief Siggi. »Es war nicht mein Skelett, aber ja. Da hat die Sache mit dem vertauschten Koffer ihren Anfang genommen. Mich schaudert, wenn ich daran denke. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen.«

»Na ja, rein statistisch betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass du dort noch ein weiteres Skelett findest«, entgegnete Torsten trocken. »Außerdem bist du mit Backen beschäftigt. Da hast du überhaupt keine Zeit, nach Leichen zu suchen.«