Inspector Ghote reist 1. Klasse - H. R. F. Keating - E-Book

Inspector Ghote reist 1. Klasse E-Book

H. R. F. Keating

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Beschreibung

Es sieht zunächst ganz harmlos aus: Inspector Ghote soll nach Kalkutta reisen, dort einen Meisterverbrecher in Empfang nehmen und ihn nach Bombay eskortieren. Aber weil Ghote die Gelegenheit nutzen und aus der Reise einen Kurzurlaub machen will, nimmt er den Zug. Das hätte er besser nicht getan, denn seine Mitreisenden stellen sich schon bald als äußerst seltsam heraus. Die Reise quer durch Indien wird sehr, sehr aufregend.

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Seitenzahl: 287

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Über dieses Buch

Es sieht zunächst ganz harmlos aus: Inspector Ghote soll nach Kalkutta reisen, dort einen Meisterverbrecher in Empfang nehmen und ihn nach Bombay eskortieren. Aber weil Ghote die Gelegenheit nutzen und aus der Reise einen Kurzurlaub machen will, nimmt er den Zug. Ein Fehler. Die Reise quer durch Indien wird sehr, sehr aufregend.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

H. R. F. Keating (1926-2011) war freier Schriftsteller und auch als Krimi-Kritiker eine Autorität. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, für sein Gesamtwerk erhielt er 1996 den Cartier Diamond Dagger.

Zur Webseite von H. R. F. Keating.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

H. R. F. Keating

Inspector Ghote reist 1. Klasse

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Mechtild Sandberg-Ciletti

Ein Inspector-Ghote-Krimi (2)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 2 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1971 unter dem Titel Inspector Ghote Goes By Train bei Collins in London.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1975 unter dem Titel Inspector Ghote reist 1. Klasse im Rowohlt Verlag, Reinbek.

Die Übersetzung wurde für die vorliegende Ausgabe überarbeitet und ergänzt.

Originaltitel: Inspector Ghote Goes by Train (1971)

© by H. R. F. Keating 1971

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Peter Wilkinson

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30375-1

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 02.03.2022, 12:52h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

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Inhaltsverzeichnis

INSPECTOR GHOTE REIST 1. KLASSE

VorherHinfahrt1 – Inspector Ghote musterte den Mann, der es gleich …2 – Natürlich, sagte sich Ghote, als nun er sich …3 – Noch eine Viertelstunde zuvor hatte Inspector Ghote inbrünstig …4 – Nicht lange jedoch sollte der Schlaf Inspector Ghote …5 – Das Tageslicht weckte Ghote gegen halb sieben …6 – Mit einem vergnügten Lächeln auf den froschähnlichen Zügen …7 – Als der kleine Mann aus Madras Mr …8 – Ghote nahm sich zusammen. Das würde er sich …9 – Schließlich brach die letzte Stunde ihrer langen Reise …Rückfahrt1 – Inspector Ghotes Abfahrt von Kalkutta ging ganz anders …2 – Inspector Ghote schritt über den dicken Teppich zum …3 – Der kleine Mr. Ramaswamy, Verwalter von Formularen und …4 – Inspector Ghote lauschte den Worten A.K. Bhattacharyas …5 – Aus den schwarzen Tiefen lähmenden Schlafs kämpfte sich …6 – Einen Moment lang spielte Ghote mit dem Gedanken …7 – Obwohl A.K. Bhattacharya ihn erwartungsvoll ansah, sagte Ghote …8 – Mrs. Chiplunkar, die echte Mrs. Chiplunkar, Anhängerin Mahatma …9 – Inspector Ghote blinzelte benommen, als er aus den …

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Über H. R. F. Keating

H. R. F. Keating : »Inspector Ghote, c’est moi!«

Jochen Schmidt: »Ghote, das ist der, der das Beweismaterial nie manipuliert.«

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Vorher

Sie lasen beide etwa zur gleichen Zeit die gleiche Meldung in der Times of India. Doch die sorgsam abgeschlossene und verriegelte Luxuswohnung in dem großen, neuen gelben Häuserblock auf dem Cumballa Hill lag ungefähr drei Meilen entfernt von der muffigen, verstaubten Kammer, die Inspector Ganesh Ghote vom Criminal Investigation Department Bombay als Büro diente.

Die kurze Meldung in der Zeitung, die vor ihm auf der zerkratzten, von Tintenflecken übersäten Schreibtischplatte ausgebreitet lag, sollte auf seine Zukunft eine beträchtlich größere Auswirkung haben, als er ahnte. Zugleich sollte sie die Zukunft des anderen Lesers beeinflussen. In diesem Moment jedoch erschien sie Ghote ganz einfach als Markstein in seiner Laufbahn. Sein Bild in der Zeitung! In der Times of India!

Zugegeben, es war kein sehr gutes Bild. Ein graues, verschwommenes Gesicht starrte über den offenen Kragen eines weißen Hemdes hinweg ins Leere; ein kleiner, heller Fleck markierte die Nasenspitze, eine dunkle, starre Linie den Mund. Doch es war ein Erfolg. Es war öffentliche Anerkennung.

Wilde, völlig unerwartete Gedanken ergriffen plötzlich Besitz von ihm. Dies würde erst der Anfang sein. In anderen Ländern waren Detektive berühmte Personen. Ihnen wurde mit Respekt begegnet. In Europa, hatte er gelesen, waren sie angesehen wie Filmstars. Gewöhnliche Menschen gaben alles, um ihr Darshan zu empfangen, sich ihrem Einfluss auszusetzen. Und in Amerika wurden ganze Bücher über die Karrieren bekannter Detektive geschrieben.

Er wandte sich dem Text zu.

Bhattacharya zurück nach Bombay.

»Ein Beamter des CID wird A.K.Bhattacharya, der mit Antiquitäten Schwindelgeschäfte im Wert von Rs. 72,85 Lakhs getätigt haben soll, aus Kalkutta zurückbringen, wo er gestern verhaftet wurde. Der Beamte, Inspector G.V.Ghote, fährt heute Abend mit dem Kalkutta-Express ab.«

Der Wortlaut der Meldung riss ihn, als er ihm zu Bewusstsein kam, hart auf den Boden der Tatsachen zurück.

Nun ja, dachte er, so schwierig war die Aufgabe vielleicht nicht. Weder hatte er den Mann verhaftet, noch war er mit dem Fall befasst gewesen. Gut, es konnte sogar Zufall sein, dass diese Aufgabe in seinen Schoß gefallen war. Aber es war trotzdem eine wichtige Angelegenheit. Der Bhattacharya-Fall war die größte Betrugsgeschichte, die das CID Bombay bislang aufgedeckt hatte. Der Commissioner persönlich hatte die Leitung übernommen. Diesen Mann zurückzuholen, damit man ihn vor einem ordentlichen Gericht zur Verantwortung ziehen konnte, war eine Aufgabe, die man nicht jedem Beliebigen übertragen konnte. Und das Bild in der Zeitung war der Beweis für seine Bedeutsamkeit.

Nützlicher allerdings wäre es gewesen, man hätte nicht dieses verschwommene, graue Bild von ihm veröffentlicht, sondern eine gute, scharfe Aufnahme von A.K.Bhattacharya. Doch der legendäre Bhattacharya hatte es immer verstanden, sich dem Auge der Kamera zu entziehen. So eifrig er sich auch in die Gesellschaft der reichen Amerikaner und Europäer, spätere Opfer seiner gigantischen Schwindelgeschäfte, gedrängt hatte, der geistesgegenwärtige Bengale hatte stets zu vermeiden gewusst, mit ihnen fotografiert zu werden.

Er hatte in den Kreisen wohlhabender Kunstliebhaber verkehrt. Er hatte Beziehungen zu den Repräsentanten der großen Händler und Museen des Westens geknüpft. Und hatte ihnen, mit der Auflage strengster Geheimhaltung, alle jene genialen Fälschungen von Tempelstandbildern, ›zweitausendjährigen‹ Götzenbildern, ›antiken‹ Steinfriesen verkauft, die angeblich von ihren Standorten entfernt worden waren und nur darauf warteten, aus Indien herausgeschmuggelt zu werden. Das war jahrelang gut gegangen.

Am Ende jedoch war der große Bhattacharya erwischt worden. Ghote erinnerte sich an die Geschichten, die seine mit dem Fall befassten Kollegen seit einigen Tagen pausenlos erzählten, mit den noch geheim gehaltenen Details seiner Ergreifung, die später vor Gericht als die entscheidenden Beweismittel dienen würden. Bhattacharya hatte seinen Meister in einem Amerikaner gefunden, der sich als wesentlich weniger vertrauensselig entpuppt hatte, als es die anderen Opfer des Schwindlers gewesen waren.

Der bereits zur Legende gewordene Mann war auf ganz simple Weise mit Hilfe eines Feuerzeugs entlarvt worden. Wieder einmal hatte er auf seine gewohnte Art eine Wachsstatue hergestellt und sie dann einem Spezialverfahren unterzogen, das bewirkte, dass das Wachs wie alter Stein aussah und sich beim Berühren auch so anfühlte. Der Amerikaner, ein Professor Frankenheimer, hatte das Standbild wie üblich in einem düsteren Hinterzimmer gezeigt bekommen, wo es zur Verpackung bereitstand. Doch der Professor war misstrauischer gewesen, als er sich hatte anmerken lassen. Im Lauf der Verhandlungen hatte er sich eine Zigarre zwischen die Lippen gesteckt. Und bevor er sie anzündete, hatte er die Flamme seines Feuerzeugs ganz dicht an die Statue herangeführt. Und der jahrhundertealte Stein war weich geworden.

A.K.Bhattacharya war geflohen und wäre dank seiner Gewohnheit, sich niemals fotografieren zu lassen, auch beinahe entkommen. Aber dann war er auf Grund der Personenbeschreibung, die man von Professor Frankenheimer erhalten und an sämtliche Polizeidienststellen Indiens weitergegeben hatte, in Kalkutta erkannt und festgenommen worden. Sobald nun Frankenheimer, der in Kürze in Kalkutta eintreffen sollte, die amtliche Identifizierung vorgenommen haben würde, brauchte man A.K.Bhattacharya nur noch sicher und wohlbehalten nach Bombay zu bringen, wo ihm der Prozess gemacht werden sollte.

Und die Pflicht, A.K.Bhattacharya nach Bombay zurückzubringen, lag jetzt auf Inspector Ghotes Schultern.

Bei diesem Gedanken verharrte er mit einiger Verlegenheit. Sein Vorgesetzter hatte es, als er ihm seine Order gegeben hatte, für selbstverständlich gehalten, dass er fliegen würde. Und als Ghote gefragt hatte, ob er statt des Flugzeugs nicht auch die Bahn nehmen könnte, sehnsüchtig an die lange Zugfahrt denkend, während deren er sich in seine Gedanken verspinnen konnte, war Deputy Superintendent Samant nicht gerade erfreut gewesen. Nachdem sie sich jedoch geeinigt hatten, dass Ghote einen Urlaubstag opfern würde, um die verlorenen Arbeitsstunden einzubringen, hatte der D.S.P. widerstrebend eingewilligt.

»Wenn Sie so großzügig mit Ihrer freien Zeit sein wollen, Inspector, ich werde nicht derjenige sein, der Sie davon abhält.«

Und als Ghote gerade dabei gewesen war, Samants Büro zu verlassen, hatte der ihm noch eine letzte Warnung hinterhergeschickt. »Aber glauben Sie nicht, Sie könnten sich die Flugkosten gutschreiben lassen.«

»O nein, Sir, das ganz sicher nicht.«

Er würde also heute Abend mit dem Kalkutta-Express abfahren. Bei diesem Gedanken hätte er am liebsten einen Freudensprung gemacht.

Zu diesem Zeitpunkt etwa blickte in der verschlossenen Wohnung auf dem Cumballa Hill der andere Leser der kurzen Meldung in der Times of India auf das blassgraue Foto Inspector Ghotes, und ein feines Lächeln der Belustigung zuckte um die Winkel seines breiten, schmallippigen Mundes. Er fuhr sich mit seinen langen Fingern durch das volle schlohweiße Haar, dann stand A.K.Bhattacharya auf und rief in scharfem Ton nach dem zerlumpt gekleideten Jungen, der derzeit sein einziger Bediensteter war.

Als der Junge hereinkam, zog A.K.Bhattacharya eine prall gefüllte Brieftasche heraus und entnahm ihr zwei Hundert-Rupien-Noten. »Du musst mir ein paar Sachen besorgen«, sagte er. »Erstens, ein Haarfärbemittel. Das beste, das es gibt. Dann eine Sonnenbrille, und zwar eine gute. Nimm eine Polaroid. Polaroid. Hast du das verstanden?«

Der Junge stopfte die beiden großen Scheine in seine verschmutzten Khakishorts, während sein Arbeitgeber sich in einem hohen Spiegel betrachtete, der die Rückwand eines Alkovens im Wohnzimmer bildete. Er sah eine hochgewachsene, distinguiert wirkende Gestalt im gut geschnittenen Seidenanzug. Die breite Krawatte war auffallend, aber nicht geschmacklos. Die schwarzen Schuhe aus feinem Leder entsprachen der letzten Mode.

»Und Kleidung brauche ich auch«, fügte er hinzu. »Einen Dhoti. Weiß natürlich. Und einen Kurta – nein, drei Kurtas. Komm mir aber ja nicht mit europäischen Hemden zurück. Gute indische Kurtas will ich haben. Also, mach dich auf den Weg.«

Als er dann den schweren Riegel an der Wohnungstür zurückschob, fiel ihm noch etwas ein. »Sandalen«, sagte er. »Die besten, die du bekommen kannst.«

Als an diesem Abend der lange Kalkutta-Express aus der Victoria Station stampfte, machte es sich Inspector Ghote auf seinem Platz in einem klimatisierten Vier-Bett-Abteil bequem. Es war der Beginn einer Reise, die ganz anders verlaufen sollte, als er zunächst dachte.

Doch davon ahnte Ghote noch nichts, als er sich in die bequemen Polster schmiegte. Vierzig Stunden lang, dachte er, bis der Zug in die Howrah Station in Kalkutta einfuhr, würde er frei von Pflichten und Verantwortung sein. Er würde A.K. Bhattacharya aus Kalkutta holen, und zu diesem Zweck brauchte er vorerst nichts zu tun als zu reisen.

Als er sich vom Fenster abwandte, beugte sich abrupt die einzige andere Person im Abteil nach vorn, ein in Kurta und Dhoti gekleideter Mann mit dichtem schwarzem Haar und dunkel getönter Brille.

»So«, sagte er mit unverkennbar britischem Akzent, »wir sind also Reisegefährten, Sir.«

Hinfahrt

1

Inspector Ghote musterte den Mann, der es gleich zu Beginn seiner zweitägigen Reise so eilig gehabt hatte, ihn anzusprechen. Sein Englisch, das wahrscheinlich den letzten Schliff in England selbst erhalten hatte, verbunden mit dem tiefen Kaffeebraun seiner Haut und einer gewissen Rundlichkeit des Gesichts, ließ vermuten, dass er Bengale war, auf der Rückreise in jenen Teil Indiens, in dem er beheimatet war.

Und Bengale, dachte Ghote mit plötzlicher Beklommenheit, war gleichbedeutend mit Geschwätzigkeit.

Er schluckte einen schwer verdaulichen Kloß der Enttäuschung hinunter. Es war nicht etwa so, dass er erwartet hatte, auf einer Bahnfahrt nicht in ein Gespräch gezogen zu werden, nach seiner Person, seiner Familie ausgefragt zu werden. Aber doch nicht damit, stundenlang das Opfer solcher Verhöre zu werden! Er hatte sich viele schöne Stunden ausgemalt, in denen er, während der Zug Meile um Meile verschlang, seinen Gedanken nachhängen konnte. Und jetzt sah er sich einem Bengalen gegenüber; sah sich ihm gegenüber im wahrsten Sinn des Wortes. Der Mann hatte sich auf jenem der drei freien Plätze niedergelassen, der sich direkt ihm gegenüber befand. Über dem Sitz neben dem Bengalen hing eine Karte, auf der stand, dass der Platz von Jabalpur bis Kalkutta reserviert war; aber Jabalpur war noch an die sechshundert Meilen entfernt.

Schnell schloss Ghote die stumme Katalogisierung ab, zu der er sich auf Grund seines Berufs unweigerlich getrieben fühlte, wenn er einen Fremden vor sich hatte. Alter: sechzig. Nein. Jünger bei diesem üppigen schwarzen Haar. Kaste: wahrscheinlich Brahmane, wenn er auch unter dem feinen weißen Musselinkurta keine Spur des schwarzen, heiligen Fadens entdecken konnte. Vermögensverhältnisse: wohlhabend, trotz des einfachen Dhoti, sonst würde er nicht klimatisierte Klasse reisen und besäße nicht diese Selbstsicherheit. Augen: Die Sonnenbrille – eine Polaroid, wie wiederum nur eine vermögende Person sie sich leisten konnte – verwehrte leider den Blick auf diesen verräterischen Teil des Gesichts, doch es würde sich bestimmt noch eine Gelegenheit ergeben. Stirn: hoch. Nase: kräftig und fleischig. Zähne: gut, weiß und regelmäßig, hinten links vielleicht eine Spur Gold.

»Ja«, antwortete er dem fragenden Gesicht, das sich starr vor das seine geschoben hatte. »Es sieht ganz so aus, als wären wir Reisegefährten. Sie fahren auch nach Kalkutta?«

»So ist es«, bestätigte der Bengale mit Genuss. »Nach Kalkutta; in diese großartige, diese schreckliche Stadt … Ist es nicht so, verehrter Sir? Ist es nicht so?«

»Ich kenne Kalkutta nicht«, versetzte Ghote kurz, in der Hoffnung, den zu erwartenden Erguss bengalischen Patriotismus wenigstens eindämmen zu können.

»Mein Herr, Sie kennen Kalkutta nicht? Dann wird es mir ein großes Vergnügen sein, Ihnen etwas – ach, was sage ich! – Ihnen eine Menge über diese Stadt zu erzählen, wenn ich auch argwöhne, dass Sie sich im Stillen bereits gegen einen Ausbruch bengalischen Patriotismus wappnen.«

Der lange Zug kroch mit kaum mehr als Schrittgeschwindigkeit aus Bombay hinaus. Langsam legte er Tempo zu, als er sich auf das Hauptgleis schob und die zahlreichen Vorortbahnhöfe passierte, Masjid, Sandhurst Road High Level, Dockyard Road, Reay Road, Cotton Green. Und die ganze Zeit hörte Ghote dem verworrenen Loblied zu, das der Bengale auf die Tugenden und Laster Kalkuttas (die irgendwie auch Tugenden waren) sang, jener Stadt, in der er selbst in zwei Tagen einige kurze Stunden zubringen würde, während Professor Frankenheimer, dieser scharfblickende Amerikaner, A.K. Bhattacharya offiziell identifizierte, und von wo er, den legendären Bhattacharya in seinem Gewahrsam, nach Bombay zurückreisen würde.

Sie fuhren an der alten P&O-Werft in Mazagaon vorbei. Bei zunehmender Geschwindigkeit passierten sie Getreide- und Reislager, endlose Reihen hoher Speicher und aufragender, rostiger Krane. Und während die Räder unter ihnen geräuschvoll über die Schienenstöße sprangen, gelangten sie auf den Sion-Damm, der meilenweit über düstere Sumpflandschaft hinwegführte. Dann hatten sie die fruchtbare Erde von Salsette Island unter sich, wo jeder Zentimeter Boden bebaut war.

»Doch genug von mir«, sagte der Bengale und entblößte seine weißen Zähne zu einem Lächeln. Dabei hatte er während der guten halben Stunde seines Vortrags nicht einmal von sich selbst gesprochen. »Genug von mir. Kommen wir zu Ihnen, mein Lieber.«

Ghote wurde klar, dass ein Mensch von so erdrückender Persönlichkeit wie dieser hochgebildete, energische und gewandte Bengale sich nicht mit der schlichten Auskunft zufriedengeben würde, dass sein Mitreisender Polizeibeamter war. Er würde genau wissen wollen, was er jetzt, in diesem Moment, in diesem Zug zu tun hatte, der nun wichtigtuerisch zu rattern und zu schwanken begann, während er an den Baumwollmühlen von Kurla vorbeifuhr.

Jede Frage nach seiner Mission war schwer zu beantworten. Sagte er rundheraus, dass er jener Inspector G.V.Ghote war, den man mit der Aufgabe betraut hatte, den berüchtigten A.K. Bhattacharya zurückzuholen, diesen dreisten Schwindler, der wegen Betrügereien über den außergewöhnlichen Betrag von Rs. 72,85 Lakhs vor Gericht gestellt werden sollte, so nähme er damit für seine Person eine Wichtigkeit in Anspruch, die durch die simplen Tatsachen seiner Reise nicht gerechtfertigt war. Und wenn er erst einmal den Zweck seiner Reise eingestanden hatte, dann würde dieser in die Tiefe schürfende Mensch unzählige Einzelheiten wissen wollen, die er einfach nicht enthüllen durfte.

»Aber Sie«, warf er eilig ein, »haben ja gar nicht von sich gesprochen, Sir. Nicht einmal Ihren Namen weiß ich.«

»Ich, mein Freund? Ich bin ein völlig unbedeutender Mensch. Sie dagegen … Ich sehe Sie, ich weiß nicht recht warum, als einen Mann, der eine Mission zu erfüllen hat. Eine wichtige Mission. Sagen Sie mir, verehrter Herr, wie ist Ihr Name?«

Ghote kannte sich. Er wusste, dass ihm einfach die Unverfrorenheit fehlte, eine solche Frage auf die Weise zu übergehen, wie der Bengale sie übergangen hatte, als er, Ghote, nach seinem Namen gefragt hatte. Deshalb haschte er nach dem erstbesten Strohhalm, von dem er sich Rettung erhoffte. »Verzeihen Sie«, sagte er, »gehört der Damm, den wir jetzt sehen können, zum Vehar-See?«

»Richtig«, bestätigte der Bengale und warf einen flüchtigen Blick über das Urwaldgebiet hinweg zur fernen Linie des langen Staudamms. »Das ist der Vehar-See, die Heimat der berüchtigten Krokodile.« Er lehnte den Kopf mit dem schwarzen Haar, das für sein Gesicht irgendwie zu jugendlich wirkte, an das Polster.

Ghote stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Eine Krise schien gemeistert.

Aber schon fuhr das etwas schwammige Gesicht gegenüber mit einem Ruck nach vorn, und die halb verborgenen Augen öffneten sich ganz. »Aber es überrascht mich, dass Sie den berühmten Vehar-See nicht kennen. Gehe ich vielleicht recht in der Annahme, dass Sie Bombay per Zug bisher noch nie auf diesem Weg verlassen haben?«

Einen Moment lang spielte Ghote mit dem Gedanken, die Frage in dreister Lüge zu bejahen, obwohl er diese Strecke häufig gefahren war, als er noch die Polizeiakademie besucht hatte. Ebenso rasch verwarf er die Idee. Er würde sich nur im Netz der eigenen Lügen verfangen. »O doch«, erwiderte er, »ich kenne die Strecke noch aus der Zeit, als ich – ich bin die Strecke oft gefahren, aber in letzter Zeit nicht mehr. Ich war nicht ganzsicher, ob das der Vehar-See ist.«

»Er ist es«, versicherte der Bengale und ließ die langen Zähne blitzen. Einige Augenblicke lang betrachtete er Ghote aufmerksam. »Und Sie sagen, dass Sie diese Gegend seit längerer Zeit nicht mehr gesehen haben. Hm, das gibt mir einen ersten Anhaltspunkt über Ihre Person, mein Lieber.« Abwehrend hob er eine Hand. »Um eines möchte ich Sie jetzt bitten. Sagen Sie mir nichts, absolut nichts darüber, wer Sie sind oder was Sie tun.«

Er schien auf eine klare Zusicherung zu warten. Nach kurzem Schweigen verdrängte Ghote seine düsteren Ahnungen. »Gut«, sagte er. »Wenn Sie es so wollen, werde ich kein Wort über mich selbst sagen.«

Der neugierige Herr rieb sich voller Eifer die Hände. »Ausgezeichnet. Das verspricht spannend zu werden.« Er warf einen Blick auf die teure Uhr, die er auf der Innenseite seines Handgelenks trug. »Lassen Sie mich überlegen. In fünfzehn Minuten müssten wir bei Thana den Fluss überqueren. Ich wage zu wetten, mein Freund, dass ich bis dahin Ihren Beruf erraten haben werde. Wie steht es? Schlagen Sie ein? Ja oder nein?«

Da Ghote keine Möglichkeit sah, wie er den Vorschlag ablehnen sollte, willigte er vorsichtig ein; aber er hatte ein ungutes Gefühl dabei.

Der Bengale faltete in ekstatischem Vergnügen die Hände auf dem Bauch. Sein Körper schwankte in sacht wiegender Bewegung hin und her wie der eines Ringers, der einen Ansatzpunkt sucht. Dann ging er zum Angriff über. »Ein Beruf, der einen Menschen zwingt, sich in der Stadt aufzuhalten«, sagte er, »der ihn Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat dort festhält. Also nicht gerade ein angenehmer Beruf, oder?«

Ghote saß starr da und verzog keine Miene.

»Aha, ich sehe, Sie wollen es mir nicht einfach machen, ich habe hier ein Pokerface vor mir. Ja, ich würde sogar sagen, Sie sind ein professioneller Spieler, nur, nein, ich kann Ihnen sofort sagen, dass Sie eine seriösere Person sind.«

Auf diese Bemerkung hin konnte sich Ghote eine Andeutung von vergnügtem Lächeln nicht verkneifen. Sofort zog er seine Mundwinkel jedoch wieder streng nach unten.

Der Bengale lehnte sich in seinem Sitz zurück. »Nun, in einer Großstadt wie Bombay gibt es natürlich Tausende von Tätigkeiten, die einen Menschen daran hindern, zu reisen. Es gibt Spinnereiarbeiter, Büroangestellte, Postboten …« Er brach suchend ab.

Ghote zwang sein Gesicht zu Ausdruckslosigkeit.

Sein Gegenüber hatte wieder ein breites Lächeln aufgesetzt. »Aber nein, das ist natürlich lächerlich«, rief er. »Solche Leute könnten niemals klimatisierte Klasse fahren. Nicht einmal, wenn die Fahrt aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden würde.«

Ärgerlich fragte sich Ghote, ob er vielleicht durch ein kleines Aufflackern in seinen Augen etwas verraten hatte.

»Ja«, fuhr der Bengale fort und bestätigte so seine Befürchtung, »gehen wir spaßeshalber einmal davon aus, dass Sie auf Staatskosten reisen. Was weiter?« Er legte eine längere Pause ein. Dann kam die Erleuchtung. »Ah, ich habe es. Wir müssen hinzufügen, dass Reisen bei Ihnen nicht an der Tagesordnung sind. Nein, im Prinzip üben Sie eine Tätigkeit aus, die Sie an die Stadt fesselt. Aber jetzt reisen Sie. Diesen Gedankengang müssen wir weiterverfolgen.«

Ghote, der kerzengerade dasaß und sich bemühte, eine steinerne Fassade zu bewahren, merkte, dass sein eigener Verstand fieberhaft zu arbeiten begann. Und zwar in Einklang mit dem des Bengalen. Er war ebenso eifrig bemüht wie dieser, sein eigenes Rätsel zu lösen.

Mit einem heftigen Ruck riss er sich in die Wirklichkeit zurück. Er war Ganesh Ghote, und er war auf dem Weg nach Kalkutta, um einen Strafgefangenen zurückzubringen, einen gewissen A.K. Bhattacharya, über den er auf keinen Fall auch nur ein Wort verlieren wollte. Es war daher seine Pflicht, hier zu sitzen und sich in Schweigen zu hüllen. Sollte dieser Mensch sich den Mund fusselig reden.

Und der Mann redete sich den Mund fusselig. Unzählige Berufe schlug er vor, die Ghote innehaben könnte, und mit jedem Vorschlag war er weiter von der Wahrheit entfernt.

Zu Beginn war sein Einfallsreichtum belustigend, wenn auch Ghote entschlossen war, sich von Belustigung nichts anmerken zu lassen. Aber es war ja auch wirklich etwas Komisches an der Vorstellung, er könnte als ›Cricket- und Rennberichterstatter‹ tätig sein. Als die Vermutungen jedoch immer absurder wurden, fand Ghote sie nicht mehr so amüsant. Glaubte der Mensch allen Ernstes, er könnte ›Hofpornograf eines Maharadschas‹ sein, beauftragt, ›neueste Informationen aus dem Sündenpfuhl Kalkutta‹ zu bringen?

Verärgert runzelte er die Stirn, und sofort hakte der Bengale ein. »Aber, mein Lieber, ich fürchte, ich habe Sie beleidigt. Und um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, ich fürchte, ich habe meine Gedanken ein wenig vom eng begrenzten Pfad zum Ziel abschweifen lassen.«

Er blickte zum Fenster hinaus, durch das jetzt die Außenbezirke von Thana sichtbar wurden. Jenseits der Stadt lag das Flüsschen. »Und wir haben schon fast die Ziellinie erreicht«, sagte er. »Du meine Güte, es sieht so aus, als hätte ich meine Wette verloren und dürfte mir auf unserer ganzen langen Reise nicht mehr gestatten, Ihnen all die Fragen zu stellen, die ich jetzt schon in mir brodeln fühle.«

Er seufzte tief und schien in der Tat von der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen völlig niedergeschlagen. Sein Kopf sank an das Polster, und er hörte ganz zu sprechen auf. Der Zug durchfuhr ohne Aufenthalt den Bahnhof von Thana, und die Brücke, die über den kleinen Fluss führte, wurde sichtbar. Wider besseres Wissen begann Ghote Hoffnung zu schöpfen.

»Ich habe es«, sagte der Bengale, ohne den zurückgeneigten Kopf mit der tiefschwarzen Mähne zu bewegen.

»Ja?«, fragte Ghote und spürte schon ein Rückfluten des Unbehagens. Hastig wandte er sich dem Fenster zu, um nachzusehen, ob sie die Brücke schon erreicht hatten.

Der Bengale sprach bedächtig, wie träumerisch. »Eine Tätigkeit, die einen Mann jahrein, jahraus an die Stadt fesselt. Und die ihm dennoch erlaubt, ganz plötzlich auf Staatskosten eine lange Bahnreise in der klimatisierten Klasse zu unternehmen. Darauf gibt es nur eine Antwort.«

Waren sie schon ganz auf der Brücke? Es war nicht leicht festzustellen. Nein, noch nicht ganz.

»Ein Polizeibeamter. Sie sind Polizeibeamter. Habe ich es erraten, werter Herr?«

Ghote nickte.

Der Erfolg schien den Bengalen gesättigt zu haben. Er verfolgte nicht, wie Ghote befürchtet hatte, die Frage, was ein Polizeibeamter, der um diese Zeit hier im Kalkutta-Express saß, vorhaben mochte. Stattdessen nahm er aus seinem Koffer, abgenützt, aber aus erstklassigem Leder, ein großes, schwer aussehendes Buch und vertiefte sich in die Seiten. Ghote fand es merkwürdig, dass sein Reisegefährte die Polaroid-Sonnenbrille nicht abnahm. Es musste doch schwierig sein, durch die dunklen Gläser die Wörter auf dem cremefarbenen Papier zu erkennen. Was für eine lächerliche Show.

Gereiztheit brodelte in ihm, während der Zug dem Knotenpunkt Kalyan entgegenfuhr und dann den steilen Anstieg in die Western Ghats begann, wobei die kraftvolle Diesellokomotive heftig zu keuchen schien.

Ghote spähte zum Fenster hinaus, um einen Blick auf die wilde Landschaft zu werfen, die er von seinen früheren Fahrten zur Polizeiakademie in Nasik kannte. Doch die Schleier der Dunkelheit hatten sich schon über das Land gesenkt, und das Einzige, was er im Fenster sehen konnte, war das Spiegelbild seines eigenen Gesichts. Es wirkte unruhig.

Unvermittelt wandten sich seine Gedanken wieder seinem Mitreisenden zu. War es möglich, dass sich der Mann, der ihn ins Verhör genommen hatte, von Anfang an an das Foto in der Zeitung erinnert und sich mit dem Beruferaten auf Ghotes Kosten amüsiert hatte? Er verscheuchte diesen Gedanken. Das Bild war schließlich nicht so auffallend gewesen, und weshalb sollte ein harmloser Reisender so etwas überhaupt tun?

Aber was las der Mann? Ganz langsam neigte er sich nach vorn, in der Hoffnung, den Titel des Buches erkennen zu können, der in winzigen Lettern auf den oberen Rand jeder linken Seite gedruckt zu sein schien.

Ohne aufzublicken, legte der Bengale gelassen einen langen Finger über die lockenden kleinen Lettern.

Konnte das Absicht –

Ärgerlich schüttelte sich Ghote. Er war drauf und dran, sich von diesem Menschen aus der Ruhe bringen und zu allen möglichen Hirngespinsten hinreißen zu lassen. Der Mann war doch nichts weiter als ein Fremder, der rein zufällig im selben Zug saß wie er.

Der Zug zuckelte mühsam bergan, stampfte schwankend über Viadukte, die im Licht, das durch die Zugfenster fiel, gerade noch auszumachen waren, tauchte in die undurchdringliche Finsternis zahlreicher Tunnel. Die ganze Zeit saß der Bengale ruhig da, in sein dickes Buch vertieft, mit einem Finger immer noch den Titel verdeckend. Und Ghote lehnte aufrecht in den Polstern und starrte vor sich hin.

Schließlich erreichten sie Igatpuri auf der Höhe des Passes, wo die Diesellokomotive gegen eine Dampflokomotive ausgetauscht werden sollte, die sie quer durch Indien bis knapp vor Kalkutta mit seinem elektrischen Eisenbahnnetz bringen sollte. Lautes Klirren und ferne Rufe hallten durch die Nacht, als sie anhielten. Ghote drückte die Nase gegen die Fensterscheibe und spähte hoffnungsvoll hinaus.

»Aber eines muss ich Ihnen sagen«, erklang eine Stimme hinter ihm. »Ich finde es recht ungewöhnlich, dass Sie, ein Polizeibeamter, der in wichtiger Mission unterwegs ist, auf diese altmodische Art und Weise reisen. Wissen Sie, wie schnell man mit dem Flugzeug von Bombay nach Kalkutta kommt?«

Ghote ließ sich widerstrebend in die Polster zurücksinken, sodass er seinem Peiniger wieder ins Gesicht sah. Ein Funke des Zorns sprühte in ihm auf. »Und Sie«, explodierte er, »warum fliegen Sie nicht?«

»Mit dem Flugzeug reist man nicht nur schneller«, fuhr der Bengale fort, ohne von der Unterbrechung Notiz zu nehmen, »man fühlt sich bei der Ankunft auch wesentlich frischer. Sie müssen doch einsehen, guter Freund, dass zwei lange Nächte im Zug, selbst klimatisierte Klasse, nicht das Richtige sind, wenn man am Ende der Reise fit sein will. Und Sie müssen doch Ihre fünf Sinne beisammen haben, wenn Sie in Kalkutta ankommen, Sie holen doch diesen schrecklichen Burschen, diesen A.K. Bhattacharya, nicht wahr?«

Ghote neigte traurig bestätigend den Kopf. Jetzt, dachte er, wird das wahre Verhör beginnen.

»Ich habe über die Festnahme gelesen«, sprach der Mann munter weiter. »Äußerst lobenswert. Aber ich sage Ihnen, nach allem, was ich über Ihren Bhattacharya weiß, wird es nicht leicht sein, diesen Vogel einzufangen. Wenn da nun ein von der langen Reise erschöpfter Polizeiinspector –«

Der Bengale wackelte bekümmert mit dem Kopf. Ghote wollte ihn gerade barsch fragen, woher er wisse, dass er Inspector war – hatte der Bursche doch die Fotografie erkannt? –, als der forsche Herr ihn wieder mit seinen blitzend weißen Zähnen anlächelte. »Ich nehme doch an, dass Sie Inspector sind, mein Bester? Dieser Rang scheint mir der Aufgabe, mit der man Sie betraut hat, angemessen.«

»Ja«, erwiderte Ghote. »Ich bin Inspector.«

»Gut, gut … Kommen wir noch einmal auf das Fliegen. Es ist natürlich ausgeschlossen, dass Sie Angst haben, an Bord eines Flugzeugs zu gehen? Dazu sind unsere Polizeibeamten zweifellos viel zu unerschrockene Leute.«

»Es ist nur so, dass ich die Bahn vorziehe«, versetzte Ghote. »Ich halte nichts davon, mit Höchstgeschwindigkeit von einem Ort zum anderen zu eilen. Das ist unrecht.«

»Unrecht? Mein lieber Freund, Sie reden Unsinn, wenn Sie die unverblümte Ausdrucksweise eines älteren Mannes verzeihen wollen. Wenn man in unserem großen Land, das sich vom Arabischen Meer im Westen bis zur Bucht von Bengalen im Osten, von den Gipfeln des Himalaya im Norden bis zum grenzenlosen Indischen Ozean im Süden erstreckt, wenn man in diesem Land in seiner unermesslichen Weite innerhalb von Stunden von einem Ort zum anderen gelangen kann, wie können Sie da behaupten, das sei unrecht?«

Ghote war unglücklich. Er fühlte, dass Fliegen nicht richtig war. Hatte er nicht einen ganzen freien Tag geopfert, um auf Grund eben dieses Gefühls mit der Bahn reisen zu können? Hatte er nicht auch auf ein gewisses Kribbeln verzichtet, das sich bei der Aussicht auf eine Flugreise bemerkbar gemacht hatte; ein Kribbeln, das echt gewesen war, wenn sich auch gleichzeitig bei dem Gedanken zu fliegen sein Magen zusammengezogen hatte? Doch er mochte sich bemühen, wie er wollte, er konnte dieses Gefühl, dass am Fliegen etwas nicht richtig war, einfach nicht in präzise Worte fassen.

Noch etwas machte ihn nachdenklich. Der Bengale hatte auf autoritäre Weise von sich selbst als älterem Mann gesprochen, doch er schien gar nicht so viel älter zu sein als Ghote. Wie kam es nur, dass der Bursche es verstand, sich solche Gewichtigkeit zu geben?

Doch mit der Beantwortung dieser Frage musste er warten. Jetzt kam es darauf an, dass er seine Einstellung zum Fliegen klarstellte.

»In vielen Fällen«, bemerkte er etwas zaghaft, »ist es gar nicht notwendig, eine Reise in so kurzer Zeit zu absolvieren.«

Der Bengale machte eine wegwerfende Bewegung mit seiner Hand. »Vielleicht … Aber überlegen Sie sich Folgendes, mein lieber Freund. Fliegen ist Abenteuer. Eine Bezwingung der Elemente. Bahnfahren ist Plackerei. Im Zug, mein Freund, gibt es nur einen Platz, an dem zu sein sich lohnt.«

Er beugte sich vor und blieb so, Ghote herausfordernd, den Platz zu erraten, von dem er sprach.

»Und wo ist das?«, fragte Ghote, der nicht wusste, wie er auf höfliche Weise die Frage umgehen konnte.

»Im Führerhaus.«

»Nun«, meinte Ghote nach einem Moment des Überlegens, »wir können nicht alle im Führerhaus reisen.«

»Nein, lieber Freund, das können wir nicht«, versetzte der unverfrorene Bengale. »Wir können aber etwas tun, was noch besser ist. Wir können fliegen. Fliegen, überlegen Sie. Die Schwerkraft besiegen. Unsere Unabhängigkeit bestätigen. Ich habe vorhin gesagt, dass unser Land unermesslich groß ist. Und wir armseligen Sterblichen können jetzt diese ganze Unermesslichkeit wirklich erleben. Indem wir zu Höhen aufsteigen, die selbst den Kanchenjunga übertreffen. Dank der Macht des Flugzeugs.«

Er hielt inne, beide Hände mit gespreizten Fingern zu einer theatralischen Geste erhoben. Ghote hätte ihn am liebsten mit den Worten ›Aber warum sitzen Sie denn jetzt im Zug?‹ durchbohrt.

Doch zu rasch ließ der Bengale beide Hände auf seine Knie niedersausen und schoss selbst eine Frage ab. »All das, und Sie ziehen es vor, in einem Zug dahinzukriechen. Warum?«

Die Frage reizte Ghote. »Nein, nein«, entgegnete er. »Das ist ja das Unrechte. Ich sage Ihnen, es ist unrecht. Unrecht, so hoch aufzusteigen, unrecht, so viel sehen zu wollen, unrecht, Geschwindigkeit für so wichtig zu halten. Unrecht, unrecht.«

Seine Stimme war übermäßig laut geworden, viel lauter als notwendig gewesen wäre, um die Geräusche des sich jetzt langsam wieder in Bewegung setzenden Zugs zu übertönen. Doch er war nicht imstande gewesen, sich zu bremsen.

»Mein lieber Freund«, sagte der Bengale und lehnte sich behaglich in seinen Sitz zurück, »Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie das simple Geschehen einer Flugreise mit dem Übermut des Ikarus gleichsetzen?«