Inspector Ghote zerbricht ein Ei - H. R. F. Keating - E-Book

Inspector Ghote zerbricht ein Ei E-Book

H. R. F. Keating

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Beschreibung

Detective Inspector Ghote vom CID Bombay wird aufs Land geschickt. Als Hühnerfuttermittelvertreter getarnt soll er für einen Politiker die Todesursache der Gattin eines Konkurrenten ermitteln. Dummerweise ist besagte Gattin schon fünfzehn Jahre tot und niemand in der Kleinstadt hat die geringste Lust, sich mit dem örtlichen Machthaber anzulegen, der vor keinem Mittel zurückschreckt, um Ghote zu stoppen. Und dann tritt auch noch ein heiliger Mann in den Hungerstreik und wiegelt die Bewohner auf, damit Ghote endlich abreist. Die Situation wird mehr als brenzlig. Inspector Ghote muss sich etwas einfallen lassen, denn er ist zwischen alle Fronten geraten.

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Seitenzahl: 338

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Über dieses Buch

Inspector Ghote wird undercover aufs Land geschickt, um für einen Politiker die Todesursache der Gattin eines Konkurrenten zu ermitteln. Dabei legt er sich mit dem örtlichen Machthaber an, der vor keinem Mittel zurückschreckt, um Ghote zu stoppen. Dieser gerät zwischen alle Fronten, und die Situation wird mehr als brenzlig.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

H. R. F. Keating (1926-2011) war freier Schriftsteller und auch als Krimi-Kritiker eine Autorität. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, für sein Gesamtwerk erhielt er 1996 den Cartier Diamond Dagger.

Zur Webseite von H. R. F. Keating.

Marianne Lipcowitz übersetzt vorwiegend Kriminalromane aus dem Englischen und Französischen.

Zur Webseite von Marianne Lipcowitz.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

H. R. F. Keating

Inspector Ghote zerbricht ein Ei

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Marianne Lipcowitz

Ein Inspector-Ghote-Krimi (1)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 2 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1970 unter dem Titel Inspector Ghote Breaks an Egg bei Collins in London.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1973 unter dem Titel Finger weg von Heiligen Kühen im Rowohlt Verlag, Reinbek.

Die Übersetzung wurde für die vorliegende Ausgabe überarbeitet und ergänzt.

Originaltitel: Inspector Ghote Breaks an Egg (1970)

© by H. R. F. Keating 1970

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Anthony Cassidy/Getty

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30374-4

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 02.03.2022, 12:39h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

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Inhaltsverzeichnis

INSPECTOR GHOTE ZERBRICHT EIN EI

Die Hauptpersonen1 – Um ein Haar hätte Inspector Ghote schon in …2 – Dem Chairman schien Ghotes Erklärung nicht allzu viel …3 – Ghote war darauf gefasst, von der Stimme des …4 – Einen scheußlichen Augenblick lang sah Ghote seinen genialen …5 – Daher nahm Ghote nur eine sehr hastige Mahlzeit …6 – Ghote hatte schon überall gefragt, als ihm schließlich …7 – Ghote war nahe daran, sich sofort wieder auf …8 – In die beruhigende Sachlichkeit der Polizeistation zurückgekehrt …9 – Das Zimmer, in dem Vinayak Savarkar den Inspector …10 – Sie kamen, wie Ghote erwartet hatte. Als unten …11 – Den Blick auf den Jungen gerichtet, stand Ghote …12 – Ghote hatte das Gefühl, sein ganzes Koordinatensystem werde …13 – Ehe Ghote daran ging, die Zeugen ausfindig zu …14 – Ghote wäre beinahe auf der Stelle losgerast …15 – So radelte Inspector Ghote in entschieden eiligem Tempo …16 – Es stellte sich heraus, dass es gar nicht …17 – Benommen von dem tiefen Schlaf, aus dem er …18 – Ghote stand da neben Inspector Popatkars Schreibtisch und …19 – Ghote wartete im Tempel noch eine Stunde …

Mehr über dieses Buch

Über H. R. F. Keating

H. R. F. Keating : »Inspector Ghote, c’est moi!«

Jochen Schmidt: »Ghote, das ist der, der das Beweismaterial nie manipuliert.«

Über Marianne Lipcowitz

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Die Hauptpersonen

Sarojini Savarkargewinnt fünfzehn Jahre nach ihrem Tod auf einmal an WichtigkeitVinayak SavarkarherrschtVasant Savarkarhat ProblemeSwami Gandharvahat mehr Familiensinn, als man von einem Heiligen erwartetRam Dhulup, Janardan Pendharkar, Ram Phalke, Bhatu,Govind Gokhalehaben sich vor fünfzehn Jahren auf Lebenszeit verkauftDr. Hemu Adhikaribesinnt sichDr. Dahabhai Patilist für einen Ortsfremden gut orientiertDr. Surindar Singhüberlistet einen HeiligenDer prominente Politikerdenkt bei aller Politik auch an seine FamilieSuperintendent Chavanlegt Wert auf KorrektheitInspector Ghotezerbricht ein Ei

1

Um ein Haar hätte Inspector Ghote schon in den ersten zwei Minuten nach der Ankunft in der kleinen Stadt die mitgebrachten Eier zerbrochen.

Er verließ den Bahnhof in Hast, zwar müde von der langen Reise im Nachtzug von Bombay, aber entschlossen, trotz der neu einsetzenden Regengüsse dieser sich dem Ende nähernden Monsunperiode keine Zeit zu verlieren, bis er die offenbar kitzligen Fakten seines Auftrags fest im Griff hatte.

Seit man ihm am Nachmittag des vergangenen Tages die Sache aufgehalst hatte, war ihm trotz aller Mühe nichts eingefallen, in das er sich verbeißen konnte, und jetzt, da die Chance dazu näher rückte, durfte ihn nichts und niemand aufhalten.

Gestern Nachmittag hatte er sich in seinem stickigen kleinen Bürozimmer voller Behagen mit der Fülle von Papierkram beschäftigt, der sich im CID-Hauptquartier Bombay aufhäufte, um sich herum all die vertrauten Dinge – seinen Schreibtisch, dessen Schnörkel und Wirbel im Lack er sämtlichst kannte und liebte, die längliche Messingschale mit Bleistiften, das von ihm selbst angeschaffte Regal mit den Bambuskanten, auf dessen angeschraubten Plastikschildchen noch die Beschriftung des früheren Besitzers stand – »Lieder«, »Tänze«, »Klaviermusik«, »Geistliche M.« und »Verschiedenes« – und, wichtiger noch als alles andere, der auf dem Ehrenplatz auf dem obersten Bord stehende Wälzer Criminal Investigation von Hans Gross, stockfleckig, aber meisterhaft. Als er rau aus seinem Frieden aufgestört wurde.

Zunächst hatte Deputy Superintendent Samant die Tür aufgerissen und ihm zugebellt, er solle sich für den Anruf eines »prominenten Politikers« bereithalten. Und kaum war der DSP gegangen – nicht ohne die warnende Bemerkung, der Anruf bedeute, dass alle andere Arbeit auf unabsehbare Zeit liegen bleiben müsse, und ihn in demselben Atemzug an die »sofortige« Ablieferung seiner Kriminalstatistik zu erinnern –, da war der Anruf des prominenten Politikers auch schon gekommen.

Die Anweisungen, die er erhalten hatte, kamen nicht gleich auf den Punkt, waren aber sonnenklar. Vor fünfzehn Jahren, so war ihm gesagt worden, sei in einem abgelegenen Städtchen an der Grenze des Bundesstaates die Frau eines ehrgeizigen jungen Lokalpolitikers unter äußerst verdächtigen Umständen plötzlich gestorben. Und bald danach habe der aufstrebende junge Mann die Tochter des Municipal Chairman – das einzige Kind des Bürgermeisters – geheiratet, woraufhin er innerhalb eines Jahres nicht nur ein beachtliches Vermögen geerbt, sondern auch beträchtlichen Einfluss im Ort gewonnen habe. Jetzt sei er selbst Chairman, und von seinem Wort allein hingen zehntausend Wählerstimmen ab.

Damals, so hatte der prominente Politiker gesagt, sei offenbar nicht gerade viel unternommen worden, um zu klären, woran die erste Frau des jetzigen Chairman gestorben war.

Was auf ihn wartete, hatte Ghote erst begriffen, als der prominente Politiker hinzugesetzt hatte, eben dieser Chairman sei vor kurzem so unglaublich töricht gewesen, seine politische Richtung zu wechseln, die er viele Jahre lang vertreten habe … Also stand ihm, Ghote, eine Ermittlung bevor, bei der er fünfzehn Jahre alte Spuren wieder aufwärmen durfte und bei der es nur einen Verdächtigen gab, nämlich einen Mann, der in seinem Gebiet so etwas wie absolute Macht hatte, und bei der so schnell wie möglich ein Ergebnis, und zwar nur ein ganz bestimmtes, erzielt werden musste. Eine entschieden heikle Aufgabe.

Und wie heikel das Ganze war, zeigte sich für Ghote daran, dass er mit Eiern beladen die Reise antreten musste.

Es war ein volles Dutzend frischer, besonders großer Eier; in eine klebrig-glänzende Fettschicht eingebettet, lagen sie in einem grellorange Pappkarton, dem diagonal eine leuchtend blaue Aufschrift aufgedruckt war: Grofat Hühnerfutter Pvt. Ltd.

Schuld daran war der prominente Politiker.

»Ich habe mir überlegt, als was Sie auftreten sollen, wenn Sie morgen ankommen«, hatte er gesagt. »Am besten wäre es, wenn so wenig Leute wie möglich etwas von Ihrem Auftrag erfahren.«

Ghote hatte vorgehabt, mit Frau und Sohn am nächsten Tag ins Kino zu gehen und »den spannendsten Thriller in Farbe« zu erleben, »den die Leinwand je gesehen hat – 23. Woche – mit nervenaufpeitschender Musik untermalt«. Stattdessen musste er, ehe es dunkel wurde, zum Bahnhof hetzen, um den Nachtzug zu erwischen.

»Sie gehen«, so hatte der prominente Politiker seine Instruktionen mit seidenweicher Stimme fortgesetzt, »als Vertreter. Genau gesagt: als Vertreter eines neuen Hühnerfuttermittels. Die Durchschnittsgröße des indischen Hühnereis ist, müssen Sie wissen, eine Schande, verglichen mit der des amerikanischen und des britischen Eies – und nichts weniger als eine nationale Katastrophe.«

Hier machte er eine so lange Pause, dass sich Ghote verpflichtet fühlte, etwas zu sagen.

»Ja, Sir. Da haben Sie Recht.«

»Nun hat zufällig vor kurzem ein Neffe von mir eine Futtermühle gekauft, deren Produkt den Umfang des Eies garantiert um vierzig Prozent vergrößert, und ich habe für Sie eine Musterschachtel besorgen können, wie sie seine Vertreter mitnehmen. Ich schicke sie Ihnen sofort hinüber. Es ist genau das, was Sie brauchen.«

»Ja, Sir. Vielen Dank.«

Ghote hatte es sich verkniffen, dem prominenten Politiker zu sagen, dass es in der Umgebung von Bombay Hühnerfarmen geben mochte, die größtenteils von reichen Filmstars als Hobby betrieben wurden, dass aber in dem abgelegenen Bezirk des Bundesstaates, in den er reisen sollte, Hühner eben nur eine andere Sorte von Straßenkehrern waren, die sich von dem ernährten, was sie fanden.

Schließlich musste man für seine Familie sorgen. Das ließ sich nicht leugnen.

Aber er hoffte inständig, dass jetzt, da er angekommen war, die Tarnung genügte, die der grellorange Karton ihm bot.

Als er am Eingang des Bahnhofs stehen blieb, sah er vor sich ein ödes, schlammiges Gelände, von großen Pfützen durchsetzt, die sich unter den dicken Regentropfen in blubbernd siedende Teiche verwandelten. Dreißig Schritte weiter weg stand auf der einen Seite neben einer großen Tamarinde eine traurig aussehende Bude, die einmal ein Kiosk gewesen sein mochte. Auf der anderen Seite schien die in die Stadt führende Straße zögernd anzufangen. Genau an der Stelle, an der sie sich endlich entschied, doch noch eine richtige Straße zu werden, stand eine kleinere Tamarinde, und in ihrem zweifelhaften Schutz warteten zwei Tongas; die Tongawallas hockten auf ihren Sitzen und blickten auf ihre ausgemergelten Gäule hinab, deren bunter Federkopfschmuck schlaff in der feuchten Luft herunterhing.

Ghote behielt die Tongas im Auge und war im Begriff, hinüberzurennen, um in die erste einzusteigen, die sich ihm anbieten würde.

Und genau in dem Augenblick, in dem er losrannte, passierte es. Eine elende Gestalt, die – von ihm kaum beachtet – am Bahnhofseingang gehockt hatte, wollte ausgerechnet in demselben Moment wie er in die Welt aufbrechen, und Ghote, Beine und Arme von sich streckend, stolperte – ob über einen Fuß, ein Knie oder einen Ellbogen, wusste er nicht. Eine Sekunde lang balancierte er auf dem zertrampelten morastigen Boden vor dem Bahnhof, und lebhaft stellte er sich vor, wie wütend der prominente Politiker sein würde, wenn er je erführe, dass ein Karton mit extra großen Eiern, auffallend mit dem Firmennamen des Neffen bedruckt, Minuten nach dem Eintreffen an seinem Ziel zu klebrigen Trümmern zerschmettert worden wäre.

Er konnte den Karton gerade noch retten, und während der heftige Regenschauer auf ihn niederprasselte, stand er mit klopfendem Herzen da und versuchte, die ruhige Entschlossenheit zurückzugewinnen, die ihn Augenblicke zuvor noch erfüllt hatte.

Er blickte hinter sich, um zu sehen, über was oder wen er gestolpert war.

Es war eine alte Frau, eine hoffnungslos elende Unberührbare, in einem Sari, der früher einmal bunt gewesen sein musste, jetzt aber durch jahrelanges Tragen zu staubgrauen Lumpen geworden war. Die Alte rappelte sich auf, und ihr krummnasiges Gesicht, um das spärlich drahtig-krauses graues Haar spross, verriet giftige Wut.

Sie musste im Zug mitgefahren sein, dachte Ghote.

Ihren ganzen Besitz hatte sie bei sich, halb in einem großen Glasgefäß – seinem noch unversehrten Etikett nach hatte es einmal Ovax, das eihaltige Abendgetränk enthalten – und halb in einem irdenen Topf, der durch den Zusammenstoß umgekippt war und seinen Inhalt über den glitschigen, zertrampelten Morast verstreut hatte.

Aber die Alte, die sich von dem Zusammenprall schon erholt hatte, kümmerte sich nicht um ihren verstreuten Besitz, sondern stürzte sich hinkend und Flüche zischend auf eine überraschend sauber aussehende Zeitschrift, die sie aus schwer begreiflichen Gründen mit einer Hand umklammert gehalten hatte.

Ein Windstoß oder der herabpeitschende Regen hatte die Zeitschrift über den Boden getrieben, sodass sie jetzt einen Schritt vor Ghote lag. Während er sich bückte und sie aufhob, fragte er sich, ob er in einer so abgelegenen Gegend nicht Ärger bekommen würde, wenn er der Berührung mit einer Harijan-Frau nicht auswich. In kleinen Orten wie diesem waren die alten Sitten noch sehr lebendig.

»Meins, meins«, zischte das alte Weib ihn an.

»Ja, ja, ich geb sie Ihnen schon«, antwortete er und glättete dabei die flatternden Seiten.

Genau da sprangen ihm aus der kostbaren Zeitschrift zwei Worte entgegen, und vor Verblüffung erstarrte er.

In der Mitte einer schmalen Textspalte stand mit großen Buchstaben sein eigener Name.

Ein Irrtum, ein Missverständnis war ausgeschlossen. Ghote kommt. Und dann folgten die Worte: »Bombays bester CID-Mann, Ganesh Ghote, wird ausgeschickt, um …«

Ohne in seiner Verblüffung auf die Alte zu achten, die ihn jetzt am Hemdärmel zupfte, blickte er zum oberen Rand der Seite, um zu sehen, welche Zeitschrift um Himmels willen es war, die da aus unvorstellbaren Gründen etwas über ihn brachte.

Time war es. Das Nachrichtenmagazin Time. Er kannte es. Er hatte DSP Samant es lesen sehen.

Aber warum? Warum stand sein Name imTime?

Schnell suchte er die Überschrift des Artikels. Heiliger gegen CID. Was war das? Mit Lichtgeschwindigkeit las er weiter.

Viel war es nicht, sagte er sich, nachdem er den Bericht einer raschen, schneidbrennerscharfen Analyse unterzogen hatte. An Tatsachen war offenbar schwer heranzukommen gewesen. Aber das Wenige, was an Tatsachen berichtet wurde, war schrecklich. Der Artikel handelte tatsächlich von dem Fall, den er in diesem Augenblick in Angriff nehmen wollte, und doch enthielt er ein Detail, von dem er keine Ahnung gehabt hatte: Es sah so aus, als hätte sich ein hiesiger heiliger Mann aus ungeklärten Gründen in den Kopf gesetzt, die Ermittlung im Fall der verstorbenen ersten Frau des Municipal Chairman zu verhindern. Der heilige Mann protestierte durch Hungerstreik gegen jegliche weiteren Nachforschungen, er schien entschlossen, »bis zum Tod zu fasten«. Es war auch ein Bild dabei, nicht von dem »Heiligen« und auch nicht von dem »besten CID-Mann« – dem Himmel sei wenigstens dafür Dank –, aber von dem Chairman: scharfgeschnittenes Gesicht mit Krokodilsgrinsen unter schmalem weißem Kongresskäppchen, ein gutes Foto, kristallklar bis zu dem Muttermal am Kinn. Chairman Savarkar: Unter dem Schutz eines Swami.

Plötzlich durchzuckte ihn Zorn auf den prominenten Politiker, der ihn am Tag zuvor so hinterlistig instruiert hatte. Von dieser Schwierigkeit war kein Wort gesagt worden. Und sie musste in dieser Gegend hier ziemlich bekannt sein, wenn ein aufmerksamer Korrespondent davon erfahren und das Ganze als amüsanten Beitrag – als amüsanten Beitrag! – an Time geschickt hatte. Und schlimmer noch: Der Beschluss, ihn zu Ermittlungen hierherzuschicken, musste vor Tagen gefasst worden sein. Er war der Letzte, der es erfahren hatte.

Er stand mit dem Gesicht zum Eingang des Bahnhofs und war nahe daran, wieder hineinzugehen und sich nach dem nächsten Zug nach Bombay zu erkundigen.

Wie sollte er einen so heiklen Auftrag erfüllen, wenn der ganze Ort ihn erwartete? Wenn jeder wusste, dass er hierher geschickt worden war, um Ermittlungen gegen Vinayak Savarkar zu führen, den mächtigsten Mann am Ort? Dieser Mann konnte doch im Handumdrehen dafür sorgen, dass jeder städtische Angestellte, der sein Missfallen erregte, für immer von der Bühne verschwand … konnte jedem, dem er verpflichtet war, tausenderlei Gunst erweisen – konnte zum Beispiel dem einen in kürzester Frist einen Sitzplatz im Zug besorgen oder dem Sohn eines andern einen Platz in einer angesehenen Schule verschaffen … Wie konnte er selbst, Inspector Ghote aus Bombay, auf Auskünfte über dubioses Verhalten des Chairman vor fünfzehn Jahren hoffen, wenn alle Leute auf diese Weise vor ihm gewarnt worden waren?

Die Hand, die an seinem Ärmel zupfte, wurde hartnäckiger. Das zu ihm aufblickende Gesicht mit den Haarstoppeln verzerrte sich vor Angst und Ärger.

»Sahib, das ist meins, meins. Ich muss es wiederhaben. Sahib.«

Er drückte der Alten die verdammte Zeitschrift in die Hand und blickte ihr nach, als sie weghinkte, in der einen Armbeuge den irdenen Topf, in der andern das Ovaxglas.

Dann drehte er sich um und ging auf die wartenden Tongas zu. Schließlich hatte er einen Auftrag, den er erfüllen musste.

Doch Ghote war eher verzweifelt denn tatendurstig, als die Tonga in die Hauptstraße einbog, zumal ihn auf der Fahrt zum Zentrum der verschlafenen, stickigen Stadt die Langsamkeit der Fortbewegung und der anhaltende Regen, der durch die ungeflickten Risse im Tongadach tropfte, noch gereizter machten.

Durch die Hauptstraße, die breit und von Pfützen pockennarbig war, fuhren hin und wieder Ochsenkarren und Radfahrer; hier und dort suchten Kühe nach Futter, hockten Kinder und wühlten streunende Hunde herum; kaum der Rede wert waren hingegen die beiden Zugeständnisse an den Geist der modernen Zeit in Gestalt zweier geparkter Autos: das eine ein Wrack am Rande des Verfalls, das andere prahlte zum Kontrast mit spiegelblank lackierten Wölbungen.

Aber da tauchte endlich das Polizeigebäude auf. Mit allen seinen Verzierungen von oben bis unten weiß gekalkt, erhob es sich zwischen dem Kino namens Palace Talkies – dort lief der Rekord brechende Hitfilm, in den Ghote vor etwa einem Jahr seine Frau hatte locken können – und der Rao-Apotheke (Inhaber: Dr. R. Rao). Und als die Tonga ihre ohnehin bleiern langsame Fahrt noch mehr verlangsamte, nahm Ghote mit leicht steigender Stimmung das tadellose Äußere der Polizeistation zur Kenntnis.

Polizei war eben überall Polizei.

Schon hatte er sich von dem nach hinten blickenden Sitz der Tonga erhoben und balancierte den lästigen orange Eierkarton auf der flachen rechten Hand, da machte das Fahrzeug einen heftigen Satz vorwärts.

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit der freien Hand an die wackelige Seitenwand der Tonga zu klammern, um nicht herauszufallen. Und nach ein paar Sekunden musste er feststellen, dass das Gefährt immer noch durch die breite Straße holperte, und zwar doppelt so schnell wie auf der ganzen Fahrt bisher.

Er manövrierte den Eierkarton auf den mit Lederflicken übersäten Sitz und ließ sich daneben nieder. Als er sich umdrehen wollte, um sich wütend bei dem Tongawalla zu beschweren, kam die Tonga abrupt zu schwankendem Halt, genau vor dem geparkten, lackglänzenden Straßenkreuzer.

Ein Mann mit weißem Gandhikäppchen auf dem Kopf beugte sich aus dem Fenster im Fond, eine Zigarre zwischen breit grinsenden Zähnen. Ghote wusste sofort, wer das war, obwohl er ihn nur an dem großen, fleckigen Muttermal links unten an der Wange erkannte – es sah aus wie ein Boot mit Bugschnabel. Der Municipal Chairman.

Und da begriff Ghote plötzlich, was mit dem Tongawalla los war. Der Mann war nicht vom plötzlichen Wahnsinn befallen worden. Nein – seine Tonga war nur deshalb so abrupt losgeprescht, weil sich Vinayak Savarkar aus dem Fenster seines großen Wagens gelehnt und ihn herangewinkt hatte. Und wenn in dem Ort hier der Chairman winkte, dann setzte man sich in Galopp.

Zu Ghotes Verblüffung wurde er jetzt von dem Chairman, der die lange Zigarre aus den grinsenden Zähnen entfernte, angeredet – mit Namen.

»Inspector Ghote, wenn ich nicht irre? Direkt von Bombay eingetroffen?«

Ghote sah ihn stumm vor Wut an.

Woher in aller Welt wusste der Bursche, dass er, ein absolut unauffälliger Mann in weißem Hemd und weißer Hose, der mit einer gewöhnlichen Bahnhofstonga in die Stadt fuhr, Inspector Ghote vom CID Bombay war?

»Sie wundern sich, wieso ich weiß, dass Sie der berühmte Inspector Ghote sind, über den die Presse lange Artikel bringt?«, fragte der Chairman jetzt und grinste schon wieder.

»Nein«, brüllte Ghote.

»Aber Sie sind doch Inspector Ghote?«

Ghote überlegte rasch, ob er es abstreiten sollte.

»Wie ich sehe, überlegen Sie sich, ob Sie es abstreiten sollen«, fuhr der Chairman fort. »Aber glauben Sie mir – es ist zwecklos. Ich weiß zu viel.«

Er lutschte an seiner Zigarre mit konzentriertem Eifer wie ein Straßenjunge, der an einem Stück Zuckerrohr lutscht.

»Sie wundern sich immer noch? Ja? Oder nein?«

»Ja«, sagte Ghote mit Würde und straffte sich auf dem abgeschabten Tongasitz. »Ja, ich wundere mich.«

»Furchtbar einfach«, erklärte der Chairman mit der Miene eines sehr intelligenten Lehrers, der einen erwiesen dümmlichen Schüler vor sich hat. »Ein gewisser prominenter Politiker in Bombay mag seine Agenten hierherschicken, aber er vergisst, dass ich meine Agenten zu ihm schicken kann. Und kaum war Inspector Ghote gestern Abend auf dem VT-Bahnhof in den Zug gestiegen, da hat mich sofort ein guter Freund angerufen. Wenn der Zug also bei uns eintrifft, und ich sehe, dass nur eine von den Bahnhoftongas in die Stadt kommt, dann ist es für mich keine Kunst, zu erraten, wer darin sitzt.«

»Na gut«, sagte Ghote und stellte gleichzeitig mit einem Funken neu erwachender List fest, dass wenigstens der schreiend bedruckte Eierkarton außer Sichtweite auf dem Tongasitz stand. »Na gut, ich bin also da. Ich habe Anweisung, den Todesfall Ihrer verstorbenen Frau näher zu untersuchen, und ich habe die Absicht, meinen Auftrag auszuführen.«

Der Chairman warf die Zigarre auf die schlammige Straße. Sie war nur zur Hälfte aufgeraucht.

»Inspector Ghote«, sagte er, »soll ich Ihnen verraten, warum ich mir die Mühe gemacht habe, Sie sofort nach Ihrer Ankunft sprechen zu können?«

»Wenn Sie wollen …«, sagte Ghote.

Der magere Gaul in der Deichsel stolperte plötzlich einen halben Schritt vorwärts, um an eine Mangoschale heranzukommen, auf der schon viel herumgetrampelt worden war. Die wackelige Kutsche schwankte und drehte sich auf ihrer einzigen Achse. Ghote hielt sich rechts und links fest.

Er sah, wie der breite Mund des Chairman den kleinen Vorfall aufschnappte wie eine Geckoeidechse, die sich eine zufällig vorbeischwirrende Mücke schnappt.

»Also gut, Inspector. Ich habs getan, weil ich Ihnen einen Rat geben will. Einen guten Rat, ehe es für Sie zu spät ist. Hören Sie zu. In Bombay mögen die Dinge anders sein, aber hier läuft alles so, wie ich es will. Ich bin der Boss. In diesem Ort gibt es keinen einzigen verdammten Beamten, der seinen Posten nicht mir verdankt: der Distriktrichter, der technische Leiter der städtischen Werke, der Boss des Krankenhauses, der Chef der Bauverwaltung und der von der Wohnraumbehörde – alle, durch die Bank. Fragen Sie also, wen Sie wollen, fragen Sie, was Sie wollen – Sie werden nicht das Geringste erfahren. Ist das klar?«

Sein breites Grinsen, undurchdringlich wie ein Schild aus gehärtetem Stahl, strahlte Ghote entgegen.

»Nun bin ich jedoch«, fuhr er so heiter wie bisher fort, »ein vernünftiger Mann, Inspector. Ich weiß, dass Sie Ihren Auftrag haben und dass Sie ihn erfüllen müssen. Bleiben Sie also hier. Reisen Sie nicht ab. Amüsieren Sie sich ein bisschen.«

Mit dem Blick wies er auf die andere Straßenseite.

»Gehen Sie ins Palace Talkies«, sagte er. »Eintrittskarte nicht nötig. Nennen Sie dem Geschäftsführer nur Ihren Namen. Ich sorge dafür, dass er Bescheid weiß. Bester Platz jeden Abend. Und anschließend gehen Sie in das Restaurant Krishna Bhavan, oder wenn Ihnen das nicht gefällt, versuchen Sie es mit dem Royal Hindu. Beide Restaurantbesitzer sind gute Freunde von mir. Beide verzichten darauf, Ihnen etwas zu berechnen.«

Die Regentropfen gut gelaunt missachtend, die am Saum des abziehenden Schauers heruntertröpfelten, schob der Chairman den Kopf noch weiter aus dem Wagenfenster.

»Ah so, Inspector«, sagte er mit ekelhaftem Zwinkern, »falls es eine Frage gefälliger Mädchen ist – Francis Street ist das Richtige. Egal, welches Haus. Alle gehören mir. Berufen Sie sich nur auf mich. Und dann, nach einer Woche oder auch nach zehn Tagen, fahren Sie nach Bombay zurück und sagen, das Ganze sei zwecklos. In Ordnung?«

Der Kopf verschwand hinter dem Autofenster. Langsam hob sich die Scheibe.

»Nein«, schrie Ghote, und wieder schwankte die Tonga gefährlich. »Nein, das ist ganz und gar nicht in Ordnung.«

Abrupt wurde das Fenster wieder heruntergekurbelt.

Wie ein Peitschenschlag traf ihn das Grinsen des Chairman.

»Hören Sie, Inspector«, sagte er. »Nicht nur die Männer an der Spitze sind meine Freunde. Es gibt auch Goondas hier, die ich kenne. Üble Kerle, Inspector, einer wie der andere. Männer, die keinerlei Skrupel haben, einen völlig schuldlosen Mann nachts auf der Straße so zusammenzuschlagen, dass es ihm pechschwarz vor Augen wird.«

Ghote stand kerzengerade in der leicht schwankenden Tonga.

»Ich bin Polizeibeamter«, sagte er.

Mehr nicht.

2

Dem Chairman schien Ghotes Erklärung nicht allzu viel auszumachen. Und doch war sein blitzendes Grinsen vielleicht ein wenig gedämpfter, während er das Fenster des großen Wagens langsam heraufkurbelte. Er brummte dabei: »Wie Sie wollen, ganz wie Sie wollen.« Und als das mächtige Fahrzeug langsam und spritzend durch den Matsch und die großen Pfützen davonfuhr, sah Ghote, dass das Muttermalgesicht hinter der Scheibe entschieden nachdenklich wirkte.

Er war selber recht nachdenklich.

Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass an einem solchen Ort Ermittlungen nur gegen zähe Opposition vorangetrieben werden konnten. Aber gerade die Offenheit, mit der der Chairman seine Karten auf den Tisch gelegt hatte, ließ die vor ihm liegenden Schwierigkeiten zu einem noch höheren Gebirge anwachsen.

Bestimmt hatte der Bursche aber auch ein bisschen geprahlt. Dass er einen Distriktrichter ganz und gar in der Tasche hatte, war unwahrscheinlich. Und sicher waren ihm auch nicht alle anderen Beamten, die er da angeberisch aufgezählt hatte, so stark verpflichtet, wie er behauptete. Andererseits … ein so vermögender Mann wie Vinayak Savarkar hatte selbstverständlich einen Haufen Goondas, die nur auf einen Wink seinerseits warteten. Und er konnte es mit Leichtigkeit arrangieren, dass sie wegen einer Schlägerei unbehelligt blieben. In einem solchen Fall würden genügend Anwälte bereit sein, etwas Nachteiliges über den Constable auszugraben oder sich aus den Fingern zu saugen, der sie festgenommen hatte.

Und wenn ein Mann wie der Chairman sogar, wie es den Anschein hatte, von den Kräften des Guten unterstützt wurde, in Gestalt eines heiligen Mannes, der tagelang fasten wollte, um ihn vor allen weiteren Nachforschungen zu bewahren, dann waren die Aussichten wirklich düster.

Aus der Tonga ausgestiegen, verschaffte sich Ghote ein wenig Genugtuung dadurch, dass er dem Kutscher das bloße Minimum zahlte. Dann ging er auf der schlammigen Straße zum Polizeigebäude zurück, wobei er, so gut es ging, den auffallenden Eierkarton unter dem angewinkelten Arm verbarg, solange man das verdammte Ding noch mit dem Inspector in Zusammenhang bringen konnte, mit dem soeben der Chairman gesprochen hatte.

Wenn dieser Bursche nicht mit allem durchkommen sollte, so sagte er sich, dann hatte er selber nur eine Chance: Er musste so verflucht rasch sein, dass sogar der Chairman sich verkalkulierte.

Im Innern der Polizeistation verstärkte sich der tröstliche Eindruck, den ihm schon die frisch gekalkte Fassade vermittelt hatte. Eingangshalle und Gänge waren im Zustand handgeschrubbter Sauberkeit – jede scheuerbare Fläche war gescheuert und alles, was sich polieren ließ, auf Hochglanz poliert. Die wachhabenden Constables sahen jeder wie aus dem Ei gepellt aus, ordentlich bis zur letzten tadellosen Turbanfalte.

Einer trat sofort vor, als sich Ghote dem aufgeräumten Anmeldepult näherte, und kaum hatte Ghote mit absichtlichem Unterton seinen Namen genannt, da kam prompt und aufmerksam die erwartete Reaktion.

»O ja, Sahib. Sonderbefehl von Superintendent Chavan. Man soll Sie ek dum zu ihm führen.«

Ghote spürte in sich erfreuliche Wärme aufsteigen. Er befand sich auf vertrautem Boden.

Ghote folgte dem Mann durch einen Gang in das Innere des Gebäudes – sorgfältig gestrichene Türen, an jeder in schimmernd poliertem Messingrähmchen eine saubere Karte mit Namen und Dienstgrad. Nicht lange, da blieb der Constable stehen, klopfte respektvoll an die letzte Tür, wartete auf das gebellte »Koi hai?« und antwortete schneidig: »Inspector Ghote, Superintendent Sahib. Laut Befehl sofort hergeführt.«

Gleich darauf wurde die Tür von innen aufgerissen, und auf der Schwelle stand Superintendent Chavan.

Der Superintendent war groß, gut einen halben Kopf größer als Ghote. Trotz dem gewichtigen Körperbau und dem breiten, ein wenig aufgedunsenen Gesicht wurde der unpolizeimäßige Eindruck, den dies hervorrufen mochte, durch die absolute Korrektheit der Uniform vollkommen aufgewogen. Sie war zu äußerster Glätte gebügelt, was ihrem Träger das ideale Aussehen gab.

Während der Constable die Hacken zusammenschlug und grüßte, bat der Superintendent breit lächelnd Ghote in sein Büro.

»Nehmen Sie Platz, mein lieber Inspector, nehmen Sie Platz. Sie rauchen?«

Eine auf Hochglanz polierte Messingdose wurde ihm hingeschoben. Ghote ließ sich auf dem Stuhl nieder, der genau im rechten Winkel zu dem mächtigen Schreibtisch stand. »Sehr freundlich«, sagte er, »aber ich rauche nicht.«

»Nein? Sehr vernünftig. Ich wünschte, ich könnte mir die verdammte Sache auch abgewöhnen.«

Superintendent Chavan rückte geschäftig seinen gut gepolsterten Stuhl näher an den Schreibtisch. Er streckte die Hand aus und schob die mit Litzen besetzte Uniformmütze zurecht, die auf der einen Seite der gut aufgeräumten Tischplatte lag.

»Mein lieber Inspector«, sagte er, »ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie verdammt froh ich bin, Sie hier zu sehen.«

»Ich freue mich ebenfalls, hier zu sein«, sagte Ghote.

Superintendent Chavan blickte überrascht auf. »Sie freuen sich, hier zu sein?«, fragte er. »An diesem Ort? Gerade jetzt?«

Ghote lächelte ein wenig schuldbewusst. »Nicht eben das, nein«, gab er zu. »Aber ich bin wirklich froh, in einer Polizeistation zu sein, und besonders in einer so gut in Stand gehaltenen.«

Der Superintendent dehnte unauffällig die breite Brust. »Ich darf wohl sagen, dass ich weiß, wie eine Polizeistation geleitet werden muss, selbst wenn wir hier von euch Burschen in Bombay meilenweit weg sind«, sagte er.

»Ihre Station hier scheint tatsächlich so gut geleitet zu sein, dass ich mich wundere, wieso man es überhaupt für nötig gehalten hat, mich hierherzuschicken«, antwortete Ghote.

Superintendent Chavan klopfte nachdenklich mit den langen Fingern auf den Rand seiner Litzenmütze.

»Ja«, sagte er. »Da liegt das Problem.«

Ehe er fortfuhr, gab er der Mütze einen abschließenden kleinen Klaps, als zöge er aus der Berührung Kraft.

»Vielleicht haben Sie, mein lieber Inspector, keine allzu genaue Vorstellung davon, was es heißt, in einem Ort wie diesem zu leben. Wir sind hier nicht in Bombay, wissen Sie. Wir sind hier nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Hier sehen Sie keine Frauen in langen Hosen, hier gibts keine Heiraten zwischen den Kasten. Und hier kommen wir nicht darum herum, dass ein gewisser Jemand unbestreitbar der Boss ist.«

Die Bestätigung dessen, was der »gewisse Jemand« ihm schon selbst gesagt hatte, legte sich kalt auf Ghotes wiedererwachten Optimismus.

»Er mag der Boss sein«, versuchte er sich trotzig selbst Mut zu machen. »Aber er steht nicht über dem Gesetz.«

»Gewiss nicht, gewiss nicht«, versicherte der Superintendent. »Hoffentlich denken Sie nicht, ich hätte das sagen wollen.«

Ghote spürte, wie die Wärme in ihn zurückkehrte. Wie stark der Druck von außen auch sein mochte – bei der Polizei wenigstens herrschte völlige Solidarität.

»Nein«, sagte er. »In dem Augenblick, in dem ich Ihre Station betreten habe, war mir klar, dass es kein Problem dieser Art ist.«

Der Superintendent bedachte seine Litzenmütze mit einem beglückwünschenden kleinen Klaps.

»Trotzdem …«, sagte er. »Es gibt schwer wiegende Probleme. Stellen Sie sich diesen Ort vor, mein lieber Inspector. Wir bilden eine sehr kleine Gemeinschaft und sind in vieler Hinsicht isoliert. Wir haben hier unsere Arbeiter von der Baumwollspinnerei und -verarbeitung. Und dann haben wir unsere oberen Gesellschaftsschichten. Unsere Akademiker, unsere Leute mit eigenem Vermögen. Aber – und darauf will ich hinaus, mein lieber Inspector – es gibt hier nicht allzu viele von uns.«

»Und deshalb kennen Sie sich alle untereinander sehr gut?«, sagte Ghote.

Der Superintendent nickte beifällig.

»Genau, genau. So ist es in der Tat.« Die langen Finger streckten sich wieder in Richtung der Mütze, doch er versagte es sich im letzten Moment, sie zu berühren.

»Infolgedessen, verstehen Sie«, fuhr er fort, »wäre es für mich nicht leicht, in einem Fall zu ermitteln, in dem sich womöglich herausstellt, dass die führende Persönlichkeit der kleinen Gruppe, zu der ich auch gehöre, ein Verbrechen verübt hat, und es war auch für meinen Vorgänger nicht leicht, vor fünfzehn Jahren. Er lebt nicht mehr, der Arme.«

Abwehrend hob er die Hand.

»Nicht dass ich davor zurückgeschreckt wäre, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, da sie nun einmal fortgesetzt werden müssen«, fuhr er fort. »Aber wie weit käme ich denn? Natürlich könnte ich den Mann, von dem die Rede ist, ins Verhör nehmen. Ich könnte ihn sogar scharf verhören. Aber ich würde nichts erreichen, und dann müsste ich auch seinen Freunden Fragen stellen. Und wie sieht es damit aus, hm?«

»Sie würden auf große Schwierigkeiten stoßen, wenn Sie Leute vernehmen, mit denen Sie selbst befreundet sind«, sagte Ghote, »und die wiederum würden alles tun, um Sie zu hindern, die Dinge für ihre eigenen Freunde zu erschweren.«

»Besser hätte man es nicht ausdrücken können, Inspector.«

Superintendent Chavan stieß einen langen Seufzer aus.

»Und deshalb bin ich so froh, dass die Ermittlungen ab heute von Ihnen fortgesetzt werden«, sagte er. »Offen gesagt, mir waren praktisch Hände und Füße gebunden.«

Ghote hätte gern gewusst, wie weit sich der Superintendent durch das Fasten des heiligen Mannes behindert gefühlt hatte. Aber dieses Thema anzuschneiden hieß bestimmt, beträchtliche Schwierigkeiten heraufzubeschwören.

»Es wird auch für mich nicht ganz leicht sein«, sagte er vorsichtig.

»Mein lieber Inspector, das weiß ich. Aber ich darf Ihnen eines versichern: Sie können auf jede Hilfe rechnen, die ich Ihnen von Polizeibeamten zu Polizeibeamten geben kann.«

Ghote nahm die Schultern zurück und straffte sich im Sitzen.

Vielleicht war es das Beste, abzuwarten und selbst herauszufinden, wie sich der Kreuzzug des heiligen Mannes auswirkte, ehe er die Sache erwähnte. Es wäre leichtfertig, die Kameradschaft zu gefährden, die ihn und Superintendent Chavan verband.

»Ja«, sagte er, »Sie könnten mir in vielem helfen. Ich habe mir die Geschichte gestern Nacht im Zug, als ich nicht schlafen konnte, schon überlegt.«

»Und was können wir für Sie tun?«, fragte der Superintendent, wieder nach seiner Mütze greifend.

»Es müssen Protokolle vorhanden sein, von den Ermittlungen vor fünfzehn Jahren«, antwortete Ghote. »Würden Sie die für mich raussuchen lassen? Und auch anderes Material muss es geben – Aufzeichnungen von Vernehmungen, Durchschläge der Aufnahme des Tatbestandes und sonst alle möglichen Unterlagen.«

»Aber das alles betrifft doch nur, was vor fünfzehn Jahren festgestellt worden ist«, wandte der Superintendent ein.

Und Ghote spürte kurz ein Triumphgefühl aufflammen. Damit bestätigte sich, dass die Erfahrungen von Bombay eben doch etwas wert waren. Hier hatte niemand daran gedacht, dass diese verstaubten Papiere Hinweise enthalten konnten … Er war sicher, dass er darin etwas Brauchbares entdecken würde.

»Ich muss alles lesen, Seite für Seite«, sagte er energisch. »Eine wirklich gründliche Überprüfung fördert ganz sicher etwas zutage, das übersehen worden ist.«

Der Superintendent machte ein ziemlich belämmertes Gesicht.

»Sie haben Recht – das hätte ich schon längst machen sollen«, sagte er. »Aber jetzt sorge ich dafür, dass morgen früh jeder Papierfetzen für Sie bereit liegt, der mit diesem Fall zusammenhängt.«

»Nein!«, sagte Ghote.

»Nein?«

»Ich fange sofort mit der Arbeit an«, sagte Ghote und erhob sich.

»Aber mein lieber Inspector – Sie haben doch gerade gesagt, Sie hätten im Zug kaum geschlafen. Essen Sie erst einmal richtig, und dann, nach ein, zwei Stunden Ruhe, können Sie vielleicht heute noch anfangen.«

»Nein«, wiederholte Ghote halsstarrig. »Ich will sofort beginnen.«

Seufzend nahm der Superintendent die Mütze vom Schreibtisch, setzte sie auf und trat vor den Spiegel neben der Tür, um zu prüfen, ob sie auch gerade saß.

»Na gut, mein Freund«, sagte er. »Wenn Sie darauf bestehen, dann sehe ich zu, was sich machen lässt. Aber es gibt eine Schwierigkeit, die ich Ihnen nicht verhehlen will.«

»Und die wäre?«, fragte Ghote etwas schroff.

»Das Problem der Unterbringung, mein lieber Inspector. Morgen geht zum Glück mein Inspector Popatkar in Urlaub, und dann können Sie in sein Büro ziehen. Aber es wäre unfair, ihn schon heute hinauszusetzen. Er steckt bis über die Ohren in Aufräumungsarbeiten. Wissen Sie, ich verlange immer von meinen Leuten, dass keiner in Urlaub geht, ehe er mir nicht einen blitzblanken Schreibtisch vorweisen kann.«

»Ausgezeichnet«, sagte Ghote. »Aber das Problem der Zimmerzuteilung braucht mich nicht an der Arbeit zu hindern. Sind alle Ihre Zellen besetzt?«

»Zellen? Zellen?«

Einen Augenblick klang es, als habe der Superintendent überhaupt keine Ahnung, was eine Zelle ist. Dann kam ihm die Erleuchtung.

»Aber mein lieber Inspector – Sie können doch nicht in einer Arrestzelle arbeiten?«

»Warum denn nicht?«, fragte Ghote. »Sind sie dreckig?«

»Aber ganz und gar nicht!« Der Superintendent war empört. »Mein lieber Inspector, Sie können in dieser Station in jeder Zelle, ob besetzt oder nicht, vom Fußboden essen. Das dürfen Sie mir glauben.«

»Gehen wir also und suchen wir eine als Büro für mich aus«, sagte Ghote. »Und vielleicht könnten Sie veranlassen, dass eine stärkere Birne als die vorschriftsmäßige aufgetrieben wird. Ich werde wohl die Nacht arbeiten.«

»Die ganze Nacht?«, wiederholte der Superintendent entsetzt. »Mein lieber Inspector …«

Er riss sich die Mütze vom Kopf und hielt sie mit beiden Händen fest, als brauchte er in einer plötzlich aus den Fugen geratenen Welt die beruhigende Gewissheit, dass wenigstens sie noch vorhanden war.

In Wirklichkeit verbrachte Ghote zwar den Rest des Tages, nicht aber die ganze folgende Nacht mit der Durchsicht der Papierstöße, die man ihm nach und nach in die isoliert liegende Einzelzelle brachte, die der Superintendent für ihn ausgesucht hatte. Chavan, jetzt auf das richtige Gleis gesetzt, war unermüdlich, und seine suchenden Constables schleppten nicht nur die Tagesprotokolle und die Durchschläge der Aufnahme des Tatbestandes an, sondern auch unzählige zerknitterte Formulare, die vor fünfzehn Jahren ausgefüllt worden waren, und dutzende von eselsohrigen Kopien der umständlichen Aussagen, die man von allen möglichen Leuten, darunter den Dienern in Vinayak Savarkars früherer Wohnung, eingeholt hatte. Außerdem gab es da noch den Bericht des Pathologen des Krankenhause der Stadt über die Anordnung, die bezüglich der Leiche getroffen worden war, sowie die umfangreichen, schlecht geordneten Sitzungsberichte des Coroner’s Committee, des außergerichtlichen Komitees, das sich von Anfang an mit dem Fall befasst und schließlich die Genehmigung gegeben hatte, die Leiche »nach hinduistischer Vorschrift« einzuäschern.

Ghote hatte Stunden damit verbracht, darüber nachzudenken, was es beispielsweise bedeuten mochte, dass die Verstorbene kurz vor ihrem Tod eingelegte Limonen gegessen hatte, oder wie eine Bemerkung zu bewerten sei, die der längst verstorbene Schwiegervater Vinayak Savarkars, der ehemalige Chairman, seinem späteren Schwiegersohn gegenüber gemacht haben sollte – nämlich, er bedauere, dass der junge Mann schon verheiratet sei und nicht sein Erbe werden könne. Oder warum Vinayak Savarkar unmittelbar vor der plötzlichen Erkrankung seiner Frau eine kurze Reise nach Bombay gemacht hatte. Diese und hundert andere Fragen beschäftigten ihn in seiner Zelle.

Gegen drei Uhr morgens jedoch, nach nur zwei kurzen Essenspausen, waren ihm die Lider derart schwer geworden, dass er sich einfach auf der nackten Holzbank an der Zellenwand ausgestreckt und geschlafen hatte.

Er hätte tatsächlich schon früher zu arbeiten aufgehört, wenn er nicht von Gewissensbissen geplagt worden wäre. Seine Ankündigung, erst schlafen zu wollen, wenn er jeden Fetzen Papier geprüft habe, entsprang nämlich nicht nur seiner Entschlossenheit, den Chairman durch das bloße Tempo seines Angriffs matt zu setzen – mitgewirkt hatte auch, dass er die Nacht nicht dort verbringen wollte, wo er dessen Anweisungen nach hätte übernachten sollen.