Irish Destiny - Mona Parker - E-Book

Irish Destiny E-Book

Mona Parker

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Beschreibung

Nachdem Mila den Kampf mit beiden Vampirbrüdern knapp überlebt hat, zweifelt sie an ihrer Entscheidung, das Übernatürliche in ihrem Leben haben zu wollen. Gezwungenermaßen nimmt sie sich mit ihrer Familie eine Auszeit, um wieder zu Kräften zu kommen. Der Kampf hat jedoch in ihrem Leben und in dem der Brüder seine Spuren hinterlassen. Ungewöhnliche Kräfte kommen auf, die nicht nur Mila Schwierigkeiten bereiten, sondern auch Gefahren bringen, welche die Welt für alle Beteiligten vollkommen verändern könnte.

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Die Autorin:

Schon seit ihrer Jugend ist Mona Parker begeisterte Leserin von Fantasyromanen, bis heute nimmt das Lesen von Büchern einen Großteil ihrer Freizeit ein. Der Wunsch, Schriftstellerin zu werden, kam bereits in der Grundschule auf und ist seitdem stets gewachsen. Mittlerweile interessiert sie nicht nur das Genre Fantasy. Auch Klassiker wie Faust von Johann Wolfgang Goethe, Liebesromane oder auch aktuelle Themen in Bücherform finden einen Platz in ihrem großen Bücherregal. Dem Leser das wunderbare Gefühl von einem guten Buch zu vermitteln, das Bauchkribbeln bei Liebesszenen, das rasende Herz bei spannenden Abschnitten und den/die Leser/in für einen Moment die Realität vergessen zu lassen, hat sie sich als Ziel gesetzt. Zusammen mit ihrem Mann und Hund lebt sie in einem kleinen Dorf in Mittelhessen.

Diese Geschichte ist für alle glimmenden Funken, die aus den Tiefen des Wassers entkommen wollen, um wieder vollends zu leuchten.

Inhaltsverzeichnis

Prolog:

Kapitel 1: Luke

Kapitel 2: Tyler

Kapitel 3: Luke

Kapitel 4: Mila

Kapitel 5: Luke

Kapitel 6: Mila

Kapitel 7: Jenna

Kapitel 8: Mila

Kapitel 9: Luke

Kapitel 10: Mila

Kapitel 11: Mila

Kapitel 12: Luke

Kapitel 13: Mila

Kapitel 14: Tyler

Kapitel 15: Tyler

Kapitel 16: Luke

Kapitel 17: Mila

Kapitel 18: Luke

Kapitel 19: Gwen

Kapitel 20: Mila

Kapitel 21: Luke

Kapitel 22: Mila

Kapitel 23: Tyler

Kapitel 24: Mila

Kapitel 25: Tyler

Kapitel 26: Mila

Kapitel 27: Mila

Kapitel 28: Luke

Kapitel 29: Mila

Kapitel 30: Luke

Kapitel 31: Tyler

Kapitel 32: Mila

Kapitel 33: Luke

Kapitel 34: Gwen

Kapitel 35: Mila

Kapitel 36: Tyler

Kapitel 37: Mila

Kapitel 38: Tyler

Kapitel 39: Mila

Kapitel 40: Mila

Prolog:

Wie lange konnte ein Funke leuchten, wenn er in die Tiefen des schwarzen Ozeans gezogen wurde? Konnte er existieren, wenn er nicht für das Wasser aus Tiefe und Tod geboren wurde? Erst war er geschwommen, hatte den Wellen getrotzt, doch dann hatte er versagt. Er war erloschen und untergetaucht. Hatte keine Kraft mehr sich an die Oberfläche zu ziehen und sank immer tiefer. Wie oft hatte der Funke meines Lebens versucht, sich über Wasser zu halten? In der letzten Zeit auf jeden Fall zu oft. Immer kam er mit dem Schrecken davon. Doch diesmal? Diesmal war das Wasser tiefer und kälter als jemals zuvor. Das Leben, da oben schwamm es. Mindestens zehn Meter weiter oben, als der Funke sich in der Tiefe befand. Auch das Leuchten, das ihm immer gehört hatte, war mit dem Leben vereint und schwamm weit weg.

Ich musste es erreichen. Das Leuchten, die Oberfläche, das Leben. Ich musste überleben. Ich musste kämpfen.

Kapitel 1: Luke

Das Blut rauschte in meinen Adern. Es übertönte jedes einzelne Geräusch der Umgebung, auch wenn ich nicht sagen konnte, ob sich um mich herum viel Lärm abspielte oder Totenstille herrschte.

Ich fühlte mich wie im siebten Himmel: Meine Kraft war vollends hergestellt, meine Sinne geschärft und es kribbelte in jedem einzelnen Finger, als hätte mich ein Blitz durchfahren. Die Muskelfasern in meinen Extremitäten waren bereit zum Kampf, angespannt und im Notfall hätte ich ein Dutzend Bäume ausreißen können, um ans Ziel zu gelangen.

Nachdem ich mich noch ein paar weitere Minuten meiner vereinnahmenden Gier hingab, spürte ich, wie der letzte Splitter des quälenden Tansanits von meinem Körper fiel. Sofort legte sich in mir ein Schalter um - mein bis eben schier unstillbares Verlangen war verschwunden. Natürlich konnte ich das Blut noch immer riechen und es erreichte alle Geschmacksknospen in meinem Mund, aber ich konnte mich nun selbst davon abhalten, weiterzutrinken.

Damit kam jedoch auch etwas anderes wieder an die Oberfläche: Mein Gewissen. Es wurde vom Tansanit und der Gier in den Hintergrund meiner Gedanken gedrängt. Soweit fort, dass ich nicht mehr sagen konnte, wie lange ich schon blutsaugend an Milas verletztem Hals hing oder was zuvor genau passiert war. Nur langsam kamen die Gedanken zurück und ich versuchte, sie zu ordnen.

Du hattest versprochen mich nicht zu töten, entgegnete Mila mir verzweifelt, bevor ich mich ihrem Blut hingab und Tyler mit Willenskraft überzeugte, es ebenfalls zu tun. Ich habe keine Wahl, hatte ich ihr entgegnet. Aber hat man nicht immer eine Wahl?

All diese Geschehnisse sah ich nun erst vor klarem Auge. Mein manipulatives Ich, das abscheulicher nicht sein konnte und meine eigenen grausamen Worte hallten in meinen Gedanken wider. Ich konnte nicht fassen, was ich damit angerichtet hatte. Wie konnte ich das tun? Als hätte das Monster aus mir gesprochen und mich einsam und allein in meinem friedliebenden Körper zurückgelassen. Mit allen Taten und daraus folgenden Konsequenzen, die sich ergaben.

Während ich mich von Milas Hals löste, nahm ich einzelne Umgebungsgeräusche wahr. Ich hörte Tyler an Milas Hals saugen. Mein Gehör täuschte mich nicht. Er gierte immer noch nach ihrem Blut, nachdem ich mich von ihr entfernt hatte und sitzend der Tat ins Auge blickte. Anfangs konzentrierte ich mich nur auf Tyler, denn Mila wollte ich noch nicht ins Auge fassen. Es würde wehtun, da war ich mir sicher. Tylers nackter Oberkörper zeigte keinen Tansanit mehr, der in seinen zuvor tiefen Wunden gesteckt hatte. Sie waren komplett verheilt. Er schien nicht aufhören zu wollen, ihr Blut zu trinken.

Ich atmete einmal tief ein und aus. Jetzt hatte ich keine Wahl mehr. Ich wandte meinen Blick und sah Mila direkt an. Ihre Haut war kalkweiß, bis auf die Stellen, die mit dunkelrotem Blut bedeckt waren. Die Wunde am Hals, die ich hinterlassen hatte, war aufgequollen und feucht. Ihre Augen waren geschlossen, das Gesicht jedoch verkrampft, vermutlich vom Schmerz verzerrt. Ich konnte nicht erkennen, ob sich Milas Thorax noch bewegte. Es war nicht zu erahnen, wie viel Luft ihre Lunge noch beinhaltete oder wie stark ihr Herz versuchte zu kämpfen.

Oder hatte es den Kampf verloren?

„Tyler?”

Mehrmals rief ich den Namen meines Bruders, doch er rührte sich nicht. Er war Mila noch so sehr verfallen und zuckte nicht zusammen, als ich seinen Namen sagte. Bei jedem weiteren Schluck entfuhr ihm ein lustvolles Stöhnen, so sehr genoss er das Blut. Vermutlich hat es sich bei mir zuvor nicht anders angehört, aber bei ihm machten mich die Geräusche wütend.

Kurzerhand schnellte ich zu Tyler herüber, packte ihn an der Schulter und riss ihn von Mila weg. Keuchend lag er vor mir und starrte mich entsetzt an, als hätte ich ihm den Sinn des Lebens geraubt. Aber Tyler wehrte sich nicht. Vielleicht begriff er ebenfalls, was er getan hatte.

Kommentarlos ließ ich meinen Bruder wenige Meter neben Mila liegen und näherte mich ihrem verletzten Körper. Das Gefühl, das ich in Milas Nähe verspürte, ließ meine Finger erzittern, während ich versuchte, Milas Puls am Handgelenk zu ertasten.

Selbst mit Fingerspitzengefühl, ohne Zittern, hätte man den schwachen Puls nur schwer fühlen können - aber er war noch da.

Gott sei Dank.

Tyler hatte sich mittlerweile aufgerichtet und schaute auf Mila und mich herunter. Nachdem ich mich ihr widmen wollte und mich von Tyler abgewandt hatte, stöhnte er kurz schmerzerfüllt auf, was mich zu ihm herumfahren ließ.

Er hatte sich in sein eigenes Handgelenk gebissen. Mit seinen Blicken deutete er mir an, Mila das Blut geben zu wollen. Sekundenschnell bewegte Tyler sich um mich herum und hielt sein Handgelenk in die Nähe ihres Mundes.

„Stopp, Tyler!”, schrie ich und schlug das Handgelenk aus der Reichweite ihres Mundes. Tyler schaute irritiert.

„Sie würde sich zum Vampir verwandeln, sie ist schon auf der Schwelle vom Leben zum Tod”, murmelte ich. Mein schlechtes Gewissen überkam mich. Soweit hätten wir nie gehen dürfen.

Mein Bruder stand nun keuchend neben Mila, ratlos wie er weiter verfahren sollte. Das Blut tropfte rhythmisch von seinem Handgelenk zu Boden und bildete eine kleine Lache direkt vor Tylers Füßen.

Konnte das Übernatürliche nicht helfen, mussten wir das Problem auf die menschliche Weise lösen: Wir mussten ein Krankenhaus aufsuchen.

Ich bat Tyler geschwind ein paar T-Shirts aus Dr. Mantus Kleiderschrank zu holen, um die klaffenden Wunden an Milas Hals zu komprimieren, damit sich der Blutfluss verringerte. Lange würde ihr Körper den übermäßigen Blutverlust nicht mehr verkraften. Außerdem mussten wir uns etwas überziehen, um im Krankenhaus nicht aufzufallen.

Tyler erschien mit zwei übergroßen Oberteilen des Doktors, die ich Mila mit einer seltenen Verbandstechnik anlegte, wie ich es bei ihr im Seminar getan hatte. Kurz blitzte die Erinnerung in meinem Gedanken auf, wie Mila vor mir stand, während ich ihr gefühlvoll den Verband um den Hals legte. Damals wusste sie noch von nichts. Von rein gar nichts. Nun schwebte Mila wirklich in Lebensgefahr und wir waren der Grund dafür.

Mit Schwung nahm ich ihren bereits unterkühlten Körper in meine Arme und näherte mich der großen dunklen Tür, die einen Spalt offenstand. Während jedes einzelnen Windstoßes, den meine Schritte verursachten, wehte mir der verführerische Duft von Milas Blut in die Nase. Auch wenn ich genug davon getrunken hatte, war es nicht einfach ihm zu widerstehen. Tyler lief hinter mir her. In meinem Windschatten schien es ihm einfacher zu fallen, sich nicht erneut auf Mila zu stürzen.

Im Auto angekommen, legte ich Mila behutsam auf die breite Rückbank und versuchte den Anschnallgurt vorsichtig um ihren Körper zu legen. Tyler nahm auf der Fahrerseite Platz und startete den Motor.

Mit viel zu hoher Geschwindigkeit fuhren wir die Strecke zum Krankenhaus, ohne viele Worte miteinander zu wechseln. Welche Worte wären für solch eine Situation passend? Zwei Vampirbrüder fuhren eine Frau ins Krankenhaus, die kurz vor dem Tod stand. Ich musste gestehen, dass es mir unangenehm war. Wäre Tyler nicht gewesen, wäre Mila dem Tod viel eher begegnet. Vorerst hatte er mich abgehalten, bis ich ihn dann wieder dazu verführte.

Wir beide brachten ihr das Leid, das wir nun abwenden mussten. Sie musste die kurze Zeit, bis wir das Krankenhaus erreichten, noch überstehen, damit ihr Körper den Blutverlust ausgleichen konnte.

Am Parkplatz vor der Notaufnahme hielt Tyler das Auto mit quietschenden Reifen an. Derweil versuchte ich Mila aus dem Auto zu heben. Tyler blieb reglos auf seinem Platz sitzen, bis ich ihn wartend antippte.

„Ich kann nicht mitkommen. Das Personal hat mich hier schon viel zu oft erwischt - vor allem Jenna. Sie hatte bereits die letzten Male geglaubt, mich zu kennen, auch wenn ich sie abschließend immer manipuliert hatte”, entgegnete mir Tyler. Während er sich rechtfertigte, färbten sich seine Fingerknöchel immer weißer, derweil er sie nervös knetete.

Ich brachte ihm ein Nicken entgegen und trat mit meinem Fuß gegen die Hintertür des Autos, um sie mit einem Schlag zu schließen.

Sobald ich die Notaufnahme mit Mila betrat, schien mir die gesamte Aufmerksamkeit zu Füßen zu liegen, da sich den Angestellten ein schlimmes Bild bot.

„Was ist passiert?”, fragte eine der angestellten Ärztinnen, die mit ihrer Frage zwar keine Aufregung verbreitete, in ihr jedoch Nervosität mitschwang.

„Ich habe sie bei einem Spaziergang im Wald gefunden. Es muss sich ein Tier an ihr vergangen haben. Sie hat tiefe Bisswunden an ihrem Hals”, versuchte ich mit der Aufregung eines sterblichen Menschen zu sagen, der den Vorfall angsteinflößend empfinden würde.

Während ich meine Antwort an die in weiß gekleidete Ärztin richtete, kamen zwei weitere Krankenhausmitarbeiter mit einem rollenden Krankenbett um die Ecke. Gekonnt platzierten sie es direkt vor mir, sodass ich Mila noch vorsichtig darauf ablassen musste. Nicht eine Sekunde später fuhren die Angestellten das Bett in den nächsten freien Raum, um Mila zu versorgen. Die Scharen an Mitarbeitern begaben sich direkt dorthin und ließen mich an Ort und Stelle stehen.

Bevor ich mich auf den Heimweg machte, teilte ich einem der Mitarbeiter die Adresse von Milas Familie mit, die sie bei mir einmal beiläufig erwähnt hatte. Diese sollte das Krankenhaus informieren, wenn sich Milas Zustand wieder besserte - oder eben nicht. Der Gedanke daran, dass Mila diesen Tag nicht überleben würde, verursachte ein schmerzerfülltes Stechen in meinem Herz. Sie musste es schaffen.

Ich beschloss, in ein paar Tagen erneut im Krankenhaus vorbeizukommen. Doch erst einmal brauchte sie einige Tage Ruhe, damit ihr Körper hoffentlich zum richtigen Leben zurückkehrte. Zurück zu einem menschlichen Leben oder zum Tod. Das waren die beiden Optionen. Tylers gewagter Versuch kam nicht infrage, auch wenn es ihn vermutlich weniger stören würde. Ich wollte ihr das nicht antun.

Ohne einen weiteren Blick auf Milas geschundenen und mit etlichen Kabeln und Nadeln versehenen Körper zu werfen, verließ ich das Krankenhaus.

Ich ging durch dieselbe Tür, durch die ich Mila zuvor in die Notaufnahme hineingetragen hatte. Doch vor ihr wartete kein Auto mehr. Tyler war bereits davongefahren. Um ehrlich zu sein, war es gar nicht bedauerlich. Ich wollte heute niemanden mehr zu Gesicht bekommen.

Ich rannte nach Hause. Während ich mich bewegte, ballte ich meine Hände zu Fäusten und spannte all meine Muskeln an. Der Hass auf mich selbst zwang sie dazu. Er zwang sie, sich bis aufs Äußerste anzuspannen, weil mein Körper es verdient hatte zu leiden - weil ich es verdient hatte. Meine Zähne knirschten, als ich meinen Kiefer vor Wut zusammenpresste. Ein Schwall an Gefühlen übermannte mich. Ich versuchte sie, mit aller Macht zurückzuhalten. Ihren Ausbruch konnte ich heute nicht verkraften und ich war mir sicher, dass sie mich zerstören würden. Ich konnte nur noch an eines denken:

Ich hatte es versprochen. Versprochen, Mila nicht zu töten. Würde sie diese Nacht nicht überleben, könnte ich mir das niemals verzeihen.

Kapitel 2: Tyler

Die Motorengeräusche meines Wagens wurden zunehmend ohrenbetäubender, je schneller ich fuhr. Auf den Seitenstraßen spürte ich, wie die Reifen, die ich noch immer nicht gewechselt hatte, den Grip zum Straßenbelag verloren. Für wenige Sekunden hob das Auto ab, bis es wieder auf dem Teer haftete. Auch wenn ich mich dadurch in Gefahr begab, fuhr ich genauso weiter. Es interessierte mich nicht. Natürlich würde ich durch einen Autounfall nicht sterben oder verletzt werden. Höchstens ein paar Blessuren würde ich bekommen, aber das war mir egal. Ich musste wieder nach Hause. Ich wollte einen klaren Kopf bekommen, meine Gedanken ordnen.

Selbst im inneren des Wagens spürte ich die Kälte, die durch die Lüftung von außen eindrang. Auf meinem blutverschmierten Oberkörper, der von dem viel zu großen T-Shirt bedeckt war, bildete sich nach und nach Gänsehaut, bis mein ganzer Körper bebte. Selbst diesen Zustand hatte ich nicht mehr unter Kontrolle. Ich hatte mein Leben nicht mehr im Griff.

Angespannt fuhr ich die restliche Strecke zum Haus zurück, wo ich das Auto in die Einfahrt stellte. Luke schien noch im Krankenhaus zu sein.

Im Wohnzimmer spürte ich noch eine wohlige Wärme, obwohl wir den Ofen die letzten Tage nicht angeheizt hatten. Sofort legte sich meine Gänsehaut nieder. Vampire froren nicht im eigentlichen Sinne. Ich würde bei Minusgraden nicht erfrieren. Aber mein Herz schien gerade kältere Temperaturen aufzubringen, als es das Wetter je könnte.

Ich schritt durch das unordentliche, jedoch nicht mehr verwüstete Wohnzimmer auf dem Weg zum Bad.

Dort angekommen, verschloss ich die quietschende Tür hinter mir und verriegelte sie zusätzlich. Ich wollte allein sein, so ungewöhnlich dies auch für mich sein mochte.

Ich entledigte mich meiner mit Blutflecken übersäten Jeans und meiner Unterwäsche. Vor dem großen Ganzkörperspiegel blieb ich stehen. Dort beobachtete ich meinen blutverschmierten Körper, der durch die letzten Tage verändert wirkte. Einem Außenstehenden würde es nicht auffallen, doch meine Haare waren verfilzt und Blutreste verklebten die feinen Härchen. Staubpartikel aus Dr. Mantus Keller hafteten an meiner Haut und ein abstoßender Geruch hing in meiner empfindlichen Nase.

Gedankenverloren überkam mich plötzlich Wut. Die Erregung durchfuhr meinen gesamten Körper und breitete sich in allen Arterien und Venen aus.

So ein verdammter Mist!

Mit einem gezielten Faustschlag traf ich die Mitte des gläsernen Spiegels, seine Splitter verteilten sich in Sekundenschnelle im gesamten Badezimmer. Sie fielen mit hellklingenden Tönen zu Boden. Das gesamte Konzert verstummte mit einem Mal, nachdem sich das Glas in alle Einzelteile um mich herum zerstreut hatte.

Mein Oberkörper bebte noch immer vor Wut, während ich mich einmal um meine eigene Achse drehte und über die scharfkantigen Scherben Richtung Dusche bewegte. Die einzelnen Splitter bohrten sich nach und nach immer tiefer in meine Fußsohlen und damit hinterließ ich dunkelrote Fußabdrücke auf dem cremefarbenen Fliesenboden.

Der helle Boden der Dusche zeichnete meine Fußabdrücke genauso ab, bis ich den Wasserhahn aufdrehte und das kalte Wasser meine Spuren mit sich in den Abfluss zog. Das kühle Nass beruhigte meinen vor Wut aufgeheizten Körper ein wenig, jedoch immer noch nicht genug.

Mit aller Gewalt versuchte ich die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich wollte im Moment nicht mehr denken, weder an Luke noch an Mila - vor allem nicht mehr an Mila.

Ich ließ einen lauten Schrei los, der selbst durch das fließende Wasser nicht mehr gedämpft werden konnte. Ich schrie meine ganze Wut hinaus, so laut wie nur möglich. Doch meine Gedanken ließen sich nicht verbannen. Sie wollten, dass ich über sie grübelte. Sie waren der Teil von mir, der sich niemals von mir lösen würde, denn er war fest verankert. Das mit Blut versetzte Wasser drehte seine Kreise auf dem Boden der Dusche, bis es sein Ende im grau melierten Abfluss nahm. Jeder einzelne kleine Glassplitter, der sich in meinen Füßen festgesetzt hatte, wurde mit dem Wasser mitgezogen. Alles wurde mitgezogen, außer meine Gedanken.

Und dieser Teil meiner Gedanken sagte eines ganz deutlich: Hätte ich noch wenige Schlucke von Milas Blut getrunken, dann wäre alles wieder einfacher gewesen.

Erneut schrie ich auf und hatte das Gefühl, dass der Schrei mein Herz, wie in den letzten Tagen schon viel zu oft, bis aufs Mark erschütterte.

Kapitel 3: Luke

Es war nun eine Woche vergangen, seitdem ich Mila in ihrem todesnahen Zustand in die Notaufnahme gebrachte hatte. Auch wenn ich ihr in dieser Zeit nicht körperlich nah war, waren meine Gedanken stets bei ihr. Je länger sich der Zeitraum, in dem ich keine Nachricht von Mila erhalten hatte, ausdehnte, umso eher zeigten meine Gedanken ein düsteres Ende als ein gutes.

Während ich in den sieben Tagen mein noch nicht vollständig wieder hergerichtetes Wohnzimmer erneuerte, beschloss ich Mila im Krankenhaus zu besuchen. Dass sie meinen Besuch völlig ablehnen könnte, stand noch im Raum, jedoch musste ich sie sehen. Meine Sehnsucht war größer denn je, da ich sie durch meine Gefangenschaft seit Wochen nicht mehr in einer normalen Situation antreffen konnte.

Aber was war bei uns schon normal?

Vor meiner Entführung befanden wir uns in einer Beziehung, auch wenn nicht in einer alltäglichen zwischenmenschlichen. Aber in einer Beziehung, die jeden Tag um einen glücklichen Verlauf kämpfte.

War diese Beziehung nach dem schlimmen Vorfall überhaupt noch lebensfähig? Ich wusste nichts, rein gar nichts. Wenn alles in Ordnung wäre, hätte sie sich dann aber nicht gemeldet? Mich angerufen oder Bescheid gegeben, dass sie überlebt hat.

Uns überlebt hat.

Ebenfalls wusste ich nicht, welche Rolle Tyler dabei spielte. Er verlor immer noch kein Wort darüber.

Seine für mich grausamen Worte hallten fast in Dauerschleife in meinen Ohren wider.

„Und leider muss ich dir recht geben. Nicht nur ihr Blut ist verführerisch … ”

Als ich zu diesem Zeitpunkt Tylers Blut kostete, war es wundervoll und abgrundtief schrecklich zugleich. Ein Schauer durchfuhr auf meinen Gedanken hin meinen Körper.

Mittlerweile stand ich in meinem Schlafzimmer, knöpfte mir mit großer Sorgfalt das bordeauxfarbene Hemd zu und krempelte die Ärmel bis zu den Ellbogen hoch. Draußen zeigte sich bereits der Winter, was uns Vampiren aber nichts ausmachte.

Ich schnappte mir den kleinen zusammengebundenen Blumenstrauß, der aus himmelblauem Vergissmeinnicht bestand und verließ das Haus in Richtung meines Wagens.

Krampfhaft versuchte ich während der Fahrt eine Entschuldigung zu formulieren. Nachdem sich dort mehrere Wörter zusammengefügt hatten, verfielen diese zu einem Haufen grübelnder Gedanken, der sich immer weiter türmte. Diesen Vorfall konnte man nicht entschuldigen. Krampfend hielt ich mich am schwarzen kalten Lederlenkrad fest, um so ein wenig meinen Frust zu verdrängen.

Schnell ließ ich locker. Ich musste mich zügeln, sonst würde ich das Auto in Kleinteile zerlegen.

Seit dem Vorfall hatte ich keinen Schluck Blut mehr getrunken, somit war ich leicht reizbar. Zu leicht. Aber ich wollte es nicht noch einmal riskieren, meiner Gier zu erliegen. Bis dato konnte ich mich ihr ab und an hingeben, den Moment genießen. Vor allem das Blut genießen. Aber Mila brachte das Gleichgewicht zum Kippen. Es war nicht mehr das „ab und an”, dem ich meiner Gier unterlag, nein, die Gier bezwang meine Vernunft und hatte zu oft gesiegt.

Ruckartig stoppte ich auf dem Besucherparkplatz des Krankenhauses. Diesmal nahm ich nicht den Eingang über die Notaufnahme, sondern den Haupteingang des Krankenhauses, der zu den verschiedenen Stationen führte. Ich versuchte die Angst erneut zu verdrängen, Mila auf der Intensivstation oder gar in der Pathologie wiederzufinden. An der Information, an der alle Besucher koordiniert von einer braunhaarigen jungen Frau zu den verschiedenen Bereichen geschickt wurden, wollte ich mich über Mila erkundigen.

„Guten Tag, wo finde ich denn Mila?” Ich räusperte mich kurz. „Mila Brennan.” Ohne vorerst eine Antwort zu bekommen, tippte die Frau Milas vollständigen Namen in den veralteten Computer vor sich ein und wartete, bis dieser Ergebnisse ausspuckte.

An dem Gesichtsausdruck der jungen Frau konnte ich erkennen, dass sie versuchte, ihre Worte hinauszuzögern oder sie wusste nicht genau, ob sie mir überhaupt eine Auskunft geben durfte. Letztendlich begann sie stotternd zu sprechen.

„Schauen Sie auf Station 2, Zimmer 2510. Es ist jedoch möglich, dass Ms. Brennan das Krankenhaus bereits verlassen hat.” Den letzten Satz wisperte sie so leise, dass man meinen konnte, er hätte ihren Mund gar nicht verlassen. Für einen Menschen möglicherweise unhörbar, doch ich schnappte ihn auf und schnappte danach erleichtert nach Luft. Verlassen konnte nur positiv sein.

Ich bedankte mich und setzte mich zugleich in Bewegung, um den Aufzug zur Station zu nehmen.

Während er sich entgegengesetzt der Schwerkraft bewegte, erfreute ich mich an der Aussage der Informationsfrau. Wenn Mila das Krankenhaus verlassen hatte oder auf dem Weg war, es zu verlassen, war sie dem Tod entkommen. Das war im Moment alles, was für mich zählte. Hauptsache es ging ihr den Umständen entsprechend gut.

Nachdem ich die verzweigten Gänge hinter mir gelassen hatte, stand ich regungslos vor dem Zimmer 2510 und ließ den Blumenstrauß von einer Hand in die andere wandern. Würden meine Hände in solch emotionalen Situationen schwitzen können, würden sie es tun.

Ich atmete noch einmal tief ein und aus. Mit der freien Hand klopfte ich zaghaft an die Holztür, die nur wenige Macken in den lackierten Holzmaserungen aufwies. Eine Unversehrtheit, die ich auch Mila wünschte.

Auch nach kurzem Warten bekam ich keine Antwort, die auf ein gewünschtes Hereinkommen hinwies.

Ohne mich ein weiteres Mal bemerkbar zu machen, öffnete ich die Tür.

In dem hauptsächlich mit weißen Möbeln eingerichteten Zimmer befand sich zwar eine junge Frau, jedoch nicht Mila. Es war Milas Freundin Jenna, die das leere Bett mitten im Zimmer zurechtmachte.

Natürlich konnte ich mir denken, dass Mila das Krankenhaus bereits verlassen haben könnte, sie hier aber nicht anzutreffen, machte mir dennoch Gedanken.

„Jenna?”, fragte ich vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, da sie mein Klopfen womöglich nicht gehört hatte.

Wie erwartet schreckte Jenna mit einem Mal zu mir herum und schaute mich mit großen Augen an.

„Oh, entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht kommen hören. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?”, fragte Jenna freundlich.

Ich hatte vergessen, dass Jenna mich zuvor nur mit der Maske auf dem Maskenball gesehen hatte.

„Hallo, ich bin Luke, Milas …” Ich verstummte, während ich Jenna meine Hand zur Begrüßung entgegenstreckte, da ich nicht wusste, ob ich mich noch länger als Milas festen Freund betiteln konnte.

„Mila hat vielleicht schon von mir erzählt. Wo kann ich sie denn finden?”, erfragte ich, mit dem Versuch meine misslungene Beschreibung meiner selbst zu übertünchen.

„Schön, dich endlich kennen zu lernen”, erwiderte Jenna grinsend, „Mila ist nicht mehr hier. Sie wird so schnell nicht wiederkommen …” Das zuvor erleuchtende Lächeln in Jennas Gesicht verschwand und eine dunkle Miene zeigte sich mir.

Fragend blickte ich in ihre Augen, die begannen, Tränen in den Rändern zu sammeln. Bevor ich auch nur eine weitere Frage dazu stellen konnte, brach es bereits aus Jenna heraus.

„Sie ist bei ihrer Familie”, wisperte sie.

Erleichtert atmete ich auf, da die Information im ganzen Trubel nicht untergegangen war. Es hatte also funktioniert.

„… Bei ihrer Familie in Irland. Ihre Mutter meinte, eine Auszeit würde ihr guttun und sie sind gemeinsam mit ihrem Vater zu ihrem alten Haus gereist”, sprach Jenna in der Stimme immer trauriger werdend.

Ich versuchte, die Informationen zu verarbeiten. Die Information, dass Mila den Vorfall überlebt hatte und nicht tot war. Dafür befand sie sich aber am anderen Ende der Welt und war im Moment genauso unerreichbar für mich.

Kapitel 4: Mila

Ich schwenkte die Tasse Tee in meiner Hand und starrte gedankenverloren an die weiße Wand. Vielleicht lag es an dem unbehaglichen Gefühl, dass sich seit meiner Ankunft in Irland in meinem Bauch ausgebreitet hatte.

Das Letzte, an was ich mich erinnern konnte, als ich im Krankenhaus erwachte, war der grausame Schmerz, den Luke und Tylers Vampirzähne mir zugefügt hatten, während sie mir die letzten Tropfen meines Blutes raubten.

Sie hatten das getan, was Luke nicht mehr tun wollte. Mich verletzen.

Noch immer war mein Körper geschwächt, doch die Schwindelattacken wurden weniger und die Migräne, die sich die letzten Tage in meinen Schädel gebohrt hatte, war gänzlich verschwunden.

Mit einem dumpfen Geräusch schob ich den schweren Holzstuhl zurück und näherte mich der großen Fensterfront. Noch nie hatte ich diesen Ort wirklich vor mir gesehen. Bis jetzt kannte ich ihn nur aus den lebhaften Erzählungen meiner Eltern oder den wunderschönen Polaroidfotos meines Vaters. Der Blick aus dem Fenster zauberte ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Der Ausblick war wunderschön, sogar noch besser als aus den Erzählungen. Saftige Wiesen zogen sich über das gesamte Festland, das sich durch das hochgelegene Haus weit erblicken ließ. Vereinzelt tummelten sich kleine Schafherden auf dem grünen Land, das nicht eingezäunt war. Sie waren frei und das zeichnete das atemberaubende Panorama aus, das sich vor mir darstellte: Freiheit.

Vielleicht war es genau das, was mir beim Fällen meiner Entscheidung geholfen hatte. Ich musste meinen Gedanken Freiraum verschaffen, sie mussten sich nicht mit komplizierten Fragen befassen, bei denen es um Leben und Tod ging, da übernatürliche Wesen ein Teil davon waren.