Irrwege der Leidenschaft - Katharina Mohini - E-Book

Irrwege der Leidenschaft E-Book

Katharina Mohini

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Beschreibung

In den unabhängig voneinander zu lesenden Geschichten haben die unterschiedlichsten Protagonisten eines gemeinsam. Die Stürme des Lebens haben ihre ersten Dellen, Ecken und Kanten an ihnen hinterlassen. Und doch geben die Helden der Geschichten nicht auf, ihr kleines, großes Glück für sich zu suchen und zu finden. Den Mut zu finden, über den eigenen Schatten zu springen und sich auf das Abenteuer einer aufregenden, neuen Partnerschaft einzulassen. Da ist die Escort-Lady, für die es um Geld, Beziehungen und Einfluss geht. Und die doch durch die Liebe zu einem kleinen Mädchen ganz andere Werte für sich entdeckt. Ein alleinerziehender Vater, den der Fluch einer einseitigen Beziehung zögern lässt sich erneut zu verlieben. Die vornehme Reederin, die alles hat, was das Leben einem bietet. Nur gelingt es ihr nicht den Menschen zu finden, der ihr Herz vom Eis befreit. Ein Lebenskünstler auf Abwegen, dessen unmoralische Wette nicht nur sein ganzes Leben auf ewig verändern wird. Die beiden Freundinnen, deren Vergangenheit ihr zukünftiges Leben auf ewig beeinflusst. Die Sehnsucht diesen einen besonderen Menschen und eine Familie zu finden. Liebe und Vertrauen zu geben und zu erhalten und doch immer dabei die quälende Frage im Nacken: Wann erzähle ich dem geliebten Menschen, dass er mehr erhält, als er es sich womöglich vorzustellen vermag. Der Vater mit dem Sohn, die so viel mehr miteinander teilen, als die Liebe zum Unternehmen. Die Tücken, sich in eine Frau zu verlieben, die weit mehr Geheimnisse besitzt, als man erahnen kann.

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Nachwort

Ein Wort des Dankes

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Epilog

Katharina Mohini

Sammelband

Irrwege der Leidenschaften

Das Geheimnis der Stadtchronistin

Pflichtjahr bei Helena

Wandlungen – Das Geheimnis besonderer Frauen

Copyright: © 2020 Katharina Mohini

Katharina Mohini c/o Chr. S. Strehse

Ulzburger Str. 316

22846 Norderstedt

[email protected]

Lektorat: Christel Baumgart, Lektorat Mauspfad

Covergestaltung: TomJay – bookcover4everyone / www.Tomjay.de

Bild: (c) NicoElNino / Shutterstock.com

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet die hier enthaltenen Publikationen in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank für Ihr Interesse an diesem Sammelband, in dem ich Ihnen meine drei Romane vorstellen möchte, die allesamt zwischen den Jahren 2017 - 2019 erschienen sind.

Diese Titel sind auch einzeln als Print und als eBook erhältlich und in jeder Buchhandlung Deutschland, Österreichs und der Schweiz zu bestellen.

Zum Buch

In diesen unabhängig voneinander zu lesenden Geschichten haben die verschiedensten Protagonisten doch eines gemeinsam. Die Stürme des Lebens haben ihre ersten Dellen, Ecken und Kanten in und an ihnen hinterlassen. Und doch geben die Helden der Geschichten nicht auf, ihr kleines, großes Glück für sich zu suchen und zu finden. Den Mut zu finden, über den eigenen Schatten zu springen und sich auf das Abenteuer einer aufregenden, neuen Partnerschaft einzulassen.

Da ist die Escort-Lady, für die es um Geld, Beziehungen und Einfluss geht. Und die doch durch die Liebe zu einem kleinen Mädchen ganz andere Werte für sich entdeckt. Ein alleinerziehender Vater, den der Fluch einer einseitigen Beziehung zögern lässt sich erneut zu verlieben.

Die vornehme Reederin, die alles hat, was das Leben einem bieten kann. Nur gelingt es ihr nicht den Menschen zu finden, der ihr Herz von Eis befreit. Ein Lebenskünstler auf Abwegen, dessen unmoralische Wette nicht nur sein ganzes Leben auf ewig verändern wird.

Die beiden Freundinnen, deren Vergangenheit ihr zukünftiges Leben auf ewig beeinflusst. Die Sehnsucht diesen einen besonderen Menschen und eine Familie zu finden. Liebe und Vertrauen zu geben und zu erhalten und doch immer dabei die quälende Frage im Nacken: Wann erzähle ich dem geliebten Menschen, dass er mehr erhält, als er es sich womöglich vorzustellen vermag.

Der Vater mit dem Sohn, die so viel mehr miteinander teilen, als die Liebe zum Unternehmen. Die Tücken, sich in eine Frau zu verlieben, die weit mehr Geheimnisse besitzt, als man erahnen kann.

Alle Personen und Handlungen in diesen Geschichten sind frei erfunden. Zufälligkeiten und Namensgleichheiten sind nicht beabsichtigt.

Zur Autorin

Als freie Autorin veröffentlicht sie seit 2017 im Genre „Adult Romance“. Bücher, die die Thematik „Starke Frauen in außergewöhnlichen Lebenssituationen und der ewige Kampf mit den großen Gefühlen“ behandeln. Dabei würzt sie ihre Geschichten stets mit einer kräftigen Prise Hochspannung und Humor. Des Öfteren stolpern ihre Protagonisten über die Fallstricke ihrer eigenen Handlungen und Taten, oder geraten in bedrohliche Situationen, die praktisch aussichtslos erscheinen.

Ihre ersten drei Bücher werden in diesem eBook-Sammelwerk nun zum ersten Mal gemeinsam veröffentlicht.

Katharina Mohini

Das Geheimnis der Stadtchronistin

Für Christin

Prolog

Was konnte enervierender sein als eine Tagung von Kommunalpolitikern und höchsten Gemeindevertretern des südhessischen Raumes, verwünschte der gepflegt erscheinende Mittfünfziger seine momentane Situation. Er schnaubte unwillig ins Halbdunkel des imposanten Saales hinein, in dem er und annähernd dreihundert Leidensgenossen dem von verordnetem Enthusiasmus getragenen Bericht eines Frankfurter Sozialreferenten lauschten. Gequirlte Hühnerkacke war das!

Manchmal kam es ihm aus den Ohren heraus, dieses Gejammer über die knappe, wenn nicht gar desolate Haushaltslage und die immer weiteren Forderungen von Bund und Land. Natürlich war es anstrengend, eine Gemeinde am Florieren zu halten. Aber es war machbar! Man musste nur eine Portion Mut, Abenteuergeist und die gewissen Beziehungen haben, um selbst eine Stadt wie sein Gernhausen mit einem leichten Gewinn in der Stadtkasse über die Runden zu bringen. Die Art und Weise, wie er dieses bewerkstelligte, würde zwar nie die Grundlage für einen versierten Vortrag sein. Was jedoch zählte, war das Ergebnis. Und das konnte sich allemal sehen lassen …

Nils-Ole Händler spürte das Vibrieren seines iPhones an der Brust, während die leise Melodie von Marilyns „Diamonds are a girl’s best friend“ eine eingehende SMS ankündigte. Ein zufriedenes Lächeln huschte ihm über die Lippen, als er den knappen Text ihrer Antwort las.

„Montpellier 18 Uhr. Weiße Rose und die Elle in der Hand.“

Was zum Henker war die Elle? Egal, er war sich sicher, die richtige Frau auf Anhieb zu erkennen. Zufrieden ließ sich Nils-Ole Händler in seinem „Kinosessel“ zurücksinken und gönnte sich den Luxus, gedanklich abzuschalten. Den kommenden Abend im Geiste zu planen und durchzugehen, war wichtiger als jeder Vortrag.

***

Mit weitaus gemischteren Gefühlen legte die Absenderin der SMS ihr Handy beiseite und betrachtete diese wunderschöne, selbstbewusst wirkende Frau, die sie aus dem großen Spiegel heraus ansah. Einzig der skeptische Blick aus dunkelbraunen Augen spiegelte noch eine Spur von Verunsicherung wider.

Es war immer so, wenn es zu einem neuen „Klienten“ ging. Selbst nach Jahren in diesem Geschäft. Die immer wiederkehrende Frage, ob sie mit ihm Glück hatte oder ob sie nicht doch irgendwann an einen Psychopathen geriet. Die Erinnerung an seine Stimme gestern am Telefon ließ ihr einen wohligen Schauer über den Rücken laufen. Dunkel, markant und geheimnisvoll, mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Christin Thorstraten rief sich nochmals seine Worte in Erinnerung, während sie ihr langes, in Wellen fallendes Haar ausgiebig mit einer Bürste bearbeitete. Er hatte sich ihr unter den Namen Nils-Ole vorgestellt. Er sei Geschäftsmann aus der Nähe Frankfurts und hätte ein verlängertes Wochenende in der Stadt – mit einsamen Abenden. Wenn sie nicht abgeneigt sei und Zeit habe, würde er sich freuen, ihre Dienste für die kommenden zwei Tage in den späten Nachmittags- und Abendstunden in Anspruch zu nehmen.

Auf ihre Frage hin, wer sie empfohlen habe und für seinen Leumund garantieren könne, hatte er mit einer Spur Bedauern in der Stimme geantwortet, dass er ihre Adresse und Profession von einem guten alten Freund faktisch geerbt habe. Hartmut Schneider und er seien viele Jahre enge Freunde gewesen. Auf dem Sterbebett habe ihm sein Freund von seinen amourösen Abenteuern mit einer sehr netten und vor allem sehr verschwiegenen jungen Dame erzählt.

Christin konnte sich sehr wohl an Hartmut erinnern. Und auch jetzt, als sie an das gestrige Gespräch dachte, erfüllte es sie mit einer Spur von Traurigkeit, dass dieser nette und vor allem sehr spendable Mann nicht mehr unter ihnen weilte.

»Scheiß drauf«, knurrte sie ihr Spiegelbild an. Irgendwann traf es jeden. Und wenn Hartmut ihr einen „Erben“ vermittelte, dann wollte sie ihn sich zumindest anschauen. Zumal es in ihrem Geschäft – wie jetzt im Februar – immer recht flau war. Außerdem war da, wie gesagt … seine Stimme. Sie hatte etwas an sich, das sie nicht ruhen ließ. Ein letzter Blick in den Spiegel. Fast perfekt, wenn auch das halbe Pfund Concealer unter ihren Augen dem aufmerksamen Beobachter offenbarte, dass die letzte Nacht recht kurz gewesen war. Wer konnte auch ahnen, dass zwei kleine Japaner so viel Ausdauer besaßen. Christin Thorstraten gönnte dieser selbstbewussten Frau ein letztes siegessicheres Lächeln und verließ ihr Bad.

***

Kurz vor sechs Uhr erschien Nils-Ole Händler in der Bar des Montpellier, eines Hotels in Frankfurts Toplage und eines erfolgreichen Politikers würdig. Ein prüfender Blick in einen der reichlich vorhandenen Spiegel. Perfekt! Fehlte nur noch die junge Frau, die annähernd der erwarteten Beschreibung entsprach. Mit einem Anflug von Grauen registrierte er die genüsslichen Blicke dieser Matrone in Eingangsnähe. Herr im Himmel, flehte alles in ihm, hoffentlich geriet er nicht an so etwas! Da konnte er gleich daheim seine Alte beglücken. Händler schenkte der Frau ein geringschätziges Lächeln und strebte an ihr vorbei in die Mitte der Lounge.

Ein Kellner trat geflissentlich an die Sitzgruppe heran, machte aber sofort kehrt, als der Gast ihm mit einem Wink zu verstehen gab, dass er zu warten gedachte.

Nils-Oles Geduld wurde nicht lange strapaziert. Langstielige cremefarbene Rose und eine aufgerollte Zeitschrift in der Hand. Schon mit dem ersten Blick registrierte er, dass diese grazile Blondine atemberaubend schön war. Ein knapper Blick zur Uhr. Er schätzte Pünktlichkeit. Sie sah sich suchend um, bis ihr Blick auf seiner Wenigkeit ruhen blieb. Mit einem selbstbewussten Lächeln ließ sie den einen oder anderen allein stehenden Herrn an der Bar links liegen stehen und nahm mit langsamen, andächtig wirkenden Schritten Kurs auf ihn. Diese Frau hatte eindeutig Geschmack. Ein edles baumwollfarbenes Kleid, kniefrei, goldbraune Beine, in beigefarbenen Wildlederstiefeln endend. Nichts an ihr war von der Stange, erkannte er selbst als Laie.

»Guten Tag.« Das dunkle Timbre ihrer Stimme drang bis in seine Lenden hinein. »Nils-Ole?«

Wann hatte er jemals solch ein Herzklopfen verspürt, fragte er sich, als er sich erhob und sie mit einem angedeuteten Handkuss begrüßte. »Frau Thorstraten?«

Sie nickte mit vornehmer Zurückhaltung und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln.

Andächtig nahm er die Feinheiten ihrer Erscheinung in sich auf. Ein perfektes Make-up, wenn er das beurteilen durfte. Die unterschiedlichen Töne ihres Lidschattens, der ihre dunklen, verruchten Blicke untermalte und sie doch so sinnlich wirken ließ. Er fühlte sich in einen Zustand versetzt, den Dichter verspüren mussten, wenn sie Meisterwerke schufen.

Sie ließ seine stille, im Grunde genommen unhöfliche Musterung über sich ergehen. Wie jemand, der es gewohnt ist, immer wieder aufs Neue oberflächliche Bekanntschaften zu schließen.

»Offenbar sagen Ihnen meine äußeren Reize zu«, stellte seine Besucherin mit einem leisen, ja rauchigen Lachen fest und setzte sich mit einer fließenden Bewegung.

Für einen Moment brachte ihn ihre Offenheit zur Besinnung. Er setzte sich ebenfalls und enthüllte ein selbstbewusstes Lächeln, das sich mit ihrem messen konnte. »In der Tat. Ich würde sogar sagen, dass Sie mir mehr als sympathisch sind. Wenn es nach mir geht, soll es uns an netten Gesprächen und interessanten Unternehmungen nicht mangeln.«

Ehe Christin darauf antworten konnte, trat der Barmann auf sie zu. Sie bestellte sich einen Chardonnay, während ihr Gastgeber einen sauer Gespritzten orderte. Gelegenheit, um den Klienten für sich zu prüfen. Das Ergebnis fiel mehr als vielversprechend aus. Gepflegte Erscheinung, bis hin zu den manikürten Händen. Volles dunkelblondes Haar, in das sich vereinzelt silberne Fäden schlichen. Gepflegter Vollbart in einem gebräunten Gesicht; bei dem zu dieser Jahreszeit – es sei ihm verziehen – ein Turbobräuner mitgewirkt hatte. Das Imponierende an ihm waren jedoch seine geheimnisvollen grauen Augen. Augen, die ihr das Gefühl gaben, als könnten sie bis in die unergründlichsten Tiefen ihrer Seele hineinschauen. Ja, jetzt passierte es ihr sogar, dass sie ertappt und errötend die Augen niederschlug. Herr im Himmel, wann war ihr das das letzte Mal einem Mann gegenüber passiert?

»Das mit der Sympathie scheint zumindest beiderseitig zu sein«, stellte er mit einem leicht spöttischen Ton fest, der ihr dennoch nicht ihre Würde raubte.

»Ja, das lässt sich nicht leugnen.« Christin Thorstraten gab sich die Blöße, etwas tiefer durchzuatmen, und zauberte ein zufriedenes Lächeln hervor. Schnell hatte sie sich wieder im Griff. »Nachdem das erste Eis also gebrochen ist …« Sie schlug die Beine übereinander. »Hartmut hat mit Ihnen über meine Gebühren und Prämissen gesprochen?«

Nils-Ole Händler nickte und sagte mit leiser und dennoch fester Stimme. »Zwei Stunden Essen gehen, Smalltalk vierhundert aufwärts. Die Nacht elfhundert und definitiv kein ungeschützter Verkehr.«

Sie nickte ernst und ergänzte zum besseren Verständnis. »Nebenkosten gehen zulasten des Kunden. Und Verkehr, nur wenn ich selbst dazu bereit bin.«

Der hinzutretende Kellner ließ das Gespräch stocken. Als sich der Störenfried endlich abwandte, erhob Händler sein Glas. »Ich finde, das ist eine vernünftige Grundlage, auf der wir gemeinsam arbeiten können. Ich bin der Nils.«

»Christin«, übertönte sie das leise Klingen der Gläser und zwinkerte ihm zufrieden zu. »Auf gute Zusammenarbeit.«

Kapitel 1

Die rapshonigfarbene Frühjahrssonne setzte sein Büro in ein ganz besonderes Licht. Wie ein göttlicher Beistand, der ihn und seine Gedanken begleitete und segnete. Es waren die Szenen ihres ersten Treffens, derer er sich erinnerte. Wie auch die der weiteren Stunden und folgenden Treffen, resümierte Nils-Ole Händler zufrieden und gönnte sich den Luxus, sich zufrieden in seinem imposanten Chefsessel zu aalen.

Alles, aber auch einfach alles lief für ihn seitdem wie am Schnürchen. Der Vertrag mit der Plast-Modrow AG war in dieser Woche unter Dach und Fach gebracht worden. Ein Jahrhundertgeschäft, das er fast im Alleingang für die Stadt an Land gezogen hatte. Das bedeutete Gewerbesteuer – nicht zu viel, denn das war ja unter anderem der Deal – und viele neue Arbeitsplätze. Natürlich fiel auch für ihn etwas ab, erinnerte er sich an die erkleckliche Summe, die heute auf seinem persönlichen Nummernkonto in Zürich eingegangen war. Spielgeld! Er lächelte zufrieden. Christin und er würden eine schöne Zeit miteinander haben. Christin von seiner Idee zu überzeugen, erinnerte er sich ernüchtert, war rückblickend aufreibender gewesen, als ein Unternehmen mit neuen Arbeitsplätzen anzusiedeln. Erst war sie seinen Ideen gegenüber gar nicht aufgeschlossen und wollte ihre Selbstständigkeit und Entscheidungsfreiheit auf keinen Fall aufgeben. Doch wer konnte schon einem Nils-Ole Händler widerstehen. Jeder Mensch war käuflich, auch eine Christin Thorstraten. Die sich, wie er sich eingestehen musste, teuer verkauft hatte. Fünfzehntausend im Monat, plus freie Wohnung. Dafür würde sie ihm allein zur Verfügung stehen; Diskretion natürlich inbegriffen.

Ein Schauer der Erregung lief Händler über den Rücken, als er für sich feststellte, dass sie Seelenverwandte waren. Herzlich zueinander, dabei doch nie den Blick aufs Wesentliche verlieren. Geld, Macht, gute Beziehungen und ungeteilte Hingabe. Dass besonders Letzteres zwischen ihnen stimmte, im Bett und an allen möglichen und unmöglichen Orten, darüber gab es nichts zu klagen. Etwas, das längst über alles Geschäftliche hinausging. Er schloss die Augen und genoss die Erinnerungen, bis ihn die Alltagsgeschäfte eines Bürgermeisters wieder einholten.

Nur kurz sollte es Nils-Ole Händler an diesem Tag noch vergönnt sein, an seine Geliebte und eine rosige Zukunft zu denken. Der Moment, an dem ihm Frederik, seine rechte Hand und engster Vertrauter, mitteilte, dass die Wohnung für eine gewisse Dame hergerichtet sei und bezogen werden könne. Das war wohl sein größter persönlicher Coup gewesen, bei dem er sich ob seiner Gerissenheit auf die Schulter klopfen konnte. Und ein Bilderbuchbeispiel dafür, dass alles in der Stadt nach seiner Pfeife tanzte. Er hatte es der Stiftung „Historisches Gernhausen“ ermöglicht, das ehemalige Torschreiberhaus, das am Waldtor in der historischen Altstadt gelegen war, zu übernehmen. Unter der Bedingung, dass Stadt und Stiftung ein Stipendium einrichten, die es einem jungen, vielversprechenden Historiker ermöglichten, für ein Jahr – bei Kost und Logis – an der ausführlichen Chronik ihrer wunderschönen Heimatstadt Gernhausen zu arbeiten. Welch ein „Zufall“, dass eine gewisse Frau Thorstraten eine Vorliebe für Historie besaß und ein begonnenes Studium in Sachen Geschichte vorweisen konnte. Ja, alles lief nach seinen Wünschen. Und die Miete für ein exklusives Appartement konnte er sich dadurch ebenfalls sparen.

Kapitel 3

Als Tobias Herder an diesem Morgen völlig zerschlagen in der Küche erschien, stand das Frühstück auf dem Tisch. Selbst Brötchen hatte Jutta besorgt. Fast wie sonntags, dachte er. Dabei war er mit Grausen längst bei der Planung eines langen Arbeitstags.

»Guten Morgen!« Jutta Kellermann schenkte ihrem Schwiegersohn ein Lächeln, aus dem eine gehörige Spur Schadenfreude hervorblitzte. »Du siehst nach wenig Schlaf aus.«

»Nach sehr wenig«, stöhnte Tobias. »Der Hund … Balu«, erinnerte er sich an den Namen, den seine Tochter gestern für das jüngste Familienmitglied gefunden hatte. »Er hat die halbe Nacht über gefiept und das Fräulein da oben hat wie ein Stein geschlafen. Ich musste dreimal mit diesem Quälgeist hinaus.«

»Die Geister, die ich rief.«

»Altes Lästermaul«, erwiderte er und musste selber schmunzeln. »Hättest du das arme Tier dort angebunden gelassen? Außerdem … Hannah kann wirklich einen Spielkameraden gebrauchen.«

Damit hatte Tobias etwas angesprochen, was ihn und der Mutter seiner verstorbenen Frau immer wieder Sorgen bereitete. Hannah war an und für sich ein lebenslustiges Kind, bei dem selbst die Psychologen festgestellt hatten, dass es den Verlust der Mutter kompensiert und stattdessen in der Großmutter einen vollwertigen Ersatz gefunden hatte. Nur wenn es darum ging, dass seine Tochter von sich aus Kontakt zu anderen Kindern suchte oder auf andere Erwachsene zuging, schien sich die Sechsjährige in sich selbst zu verkriechen.

»Du hast recht«, erlöste Jutta sie aus ihren gemeinsamen betrübten Gedanken. »Ich werde nachher mit Hannah zusammen unser neues Familienmitglied „einkleiden“ gehen.«

»Danke, Mama. Ich lasse dir Geld da.«

»Du sollst nicht immer Mama zu mir sagen!«, fauchte Jutta und drohte ihm schmunzelnd mit der Faust. »Das macht mich immer so alt.«

»Gerade einmal dreiundfünfzig, meine Liebe. Soll ich dir erzählen, wie viele Männer allein im letzten Jahr bei mir um deine Hand angehalten haben?«

»Null, du lieber Spinner. Und nun sieh zu, dass du dein Frühstück einnimmst und zur Arbeit kommst.«

Sie flüchtete sich aus der Küche und ließ ihn mit sich und seinen Gedanken allein. Dankbarkeit, unendliche Dankbarkeit durchströmte ihn, als er wieder einmal daran dachte, dass Jutta damals alles stehen und liegen gelassen hatte, als Sina – ihre Tochter und seine Frau – bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Damals hatte er plötzlich allein dagestanden. Allein mit einer vierjährigen Tochter und diesem ständigen Spießrutenlauf ausgesetzt, der Sinas Verlust nur noch schlimmer machte und ihr einziges dunkles Vermächtnis war. Dann kam Jutta und sorgte mit ihrer burschikosen Direktheit innerhalb kürzester Zeit dafür, dass den Lästerern und sogenannten „guten Freunden“ das Mundwerk gestopft wurde. Jutta war geblieben und hatte sich ans Werk gemacht, das aus dem Zweifler und Versager, der er einmal war, der Mensch wurde, der ihn heute aus dem Spiegel heraus anblickte. Ernsthafter, selbstbewusster und ein kräftiges Stück gereifter.

Vom oberen Stockwerk her wurde es lebendig. Hannah kam die Treppe herunter und in die Küche gestürmt. In ihrem Gefolge der grässliche Quietscher, wie er Balu heute Nacht getauft hatte. Wie sehr sich der Kleine über das Wiedersehen mit ihm freute, spürte Tobias, als es um seinen Knöchel herum sehr feucht wurde.

***

Rasende Kopfschmerzen!, war Christins erste und leider auch einzige Empfindung. Sie weigerte sich standhaft, dem Wunsch zu folgen, die Augen zu öffnen. Stattdessen schickte sie ihre Hand über das leere, kühle Laken neben sich. Nils hatte sich irgendwann in der Nacht fortgeschlichen. Den traurigen Gedanken, die sich kurz in ihr breitzumachen versuchten, erteilte sie eine Abfuhr. Das war eben das Los einer Teilzeitgeliebten. Aber das war nicht der Grund für ihren miesen Allgemeinzustand. Es war mehr der impertinente Geruch nach Farbe und der reichlich genossene Schampus, die ihren Preis forderten.

Nur langsam fügten sich die Bilder in ihrem Kopf zu einer Erinnerung zusammen. Ihre Ankunft in Gernhausen, die neue Wohnung, die wilde Nacht mit Nils-Ole und wie er sie begrüßt hatte. Herrlich, spürte sie dem Kribbeln und Aufbäumen ihres malträtierten Körpers nach. Jeder Muskel protestierte. Aber es war schön gewesen … Schön wie lange nicht! Christin dachte an ihrem „Traummann“, den sie sich – Nils zuliebe – zusammengebastelt hatte. In Dingen wie ein einfallsreicher Liebhaber zu sein, kam sie zum Schluss, hatte er sich dieses Prädikat ehrlich verdient. Sie konnte schließlich ein Lied davon singen, wie viele Artisten und Möchtegernliebhaber sich an ihr versucht hatten und gescheitert waren. Hinzu kamen letztlich die fünfzehn Mille plus Apanage im Monat … Zwei zu Null für Nils. Aber war das wirklich Liebe? Sie wagte nicht daran zu denken, obwohl sein ganzes Auftreten, seine Aufmerksamkeiten und ganz besonders die Blicke aus seinen eindrucksvollen grauen Augen viel davon sprachen und sie im Grunde ihres Herzens berührten.

Geblendet von der gnadenlos hereinscheinenden Sonne schloss sie gleich wieder die Augen. Hatte Nils ihr nicht voller Stolz berichtet, er habe extra eine Innendekorateurin engagiert? Was musste das für eine Null sein! Oder war ihr das Geld bei den Jalousien ausgegangen? Sie zog sich das zweite Kopfkissen über das Gesicht und schenkte sich weitere zehn Minuten. Es roch noch nach ihm. »Fünfzehntausend«, murmelte sie in die Federn hinein, als müsse sie sich selbst davon überzeugen, dass es das alles wert war.

Gerade war Christin erneut hinweggedämmert, als ihr Smartphone zum Leben erwachte. Mit einem wenig druckreifen Fluch nahm sie das Gespräch an. Es war die Spedition, die ihr mitteilte, dass sich die Ankunft ihrer Möbel auf den Abend, wenn nicht gar bis zum folgenden Morgen verzögerte. Shit, wenn man einmal auf andere angewiesen war! An Schlaf war nicht mehr zu denken. Außerdem war es bald zwölf Uhr und ein nagender Hunger klopfte bei ihr an. Stöhnend rappelte sie sich auf. Paracetamol, ein Knäckebrot mit Hüttenkäse und zwei dicke Scheiben Tomaten. In genau der Reihenfolge!

Nur, was nützte der schönste Kühlschrank mit Biofach und hast du nicht gesehen, wenn in ihm nur eine Betriebsanleitung vor sich hin kühlte? Nils hatte an fast alles gedacht. Nur nicht daran, dass sein Liebchen nicht allein von Luft und Sex leben konnte. Es fing alles wirklich sehr gut an.

***

Heute gönnte sich Tobias den Luxus, die Mittagspause im gut besuchten Café am Markt zu verbringen. Die Zwiebelsuppe und auch die reichlich belegten Baguettes waren hier unübertroffen. Wenn man einen lukrativen Job fast abgeschlossen hatte, durfte man sich auch mal verwöhnen. Zumal wenn man, wie an diesem schönen und sonnigen Tag, einen der begehrten Plätze an der Straße vor dem Café ergatterte.

Sein zufriedener Blick glitt die Wallhofstraße hinauf, Gernhausens kleine, aber feine Fußgängerzone. Wenige Läden der Art, wie man sie in diesen monotonen, ewig gleichen Shoppingcentern fand, in denen man nicht wusste, ob man sich gerade in Oslo oder in Palermo aufhielt. Nein, kleine, aber exklusive Geschäfte mit speziellen Waren aus der Region oder mit den sogenannten Nischenangeboten, wie man sie in den großen Städten kaum mehr fand. Dank seiner Mithilfe gab es nun bald ein weiteres schönes Geschäft, in dem sich besonders die Damenwelt wohlfühlen konnte. Er behielt seine anhaltende Skepsis für sich, ob die Niedermeyers mit ihrer Dessous- und Wäscheboutique den rasenden Umsatz machen würden. Bei einer eher prüde eingestellten Einwohnerschaft war das fraglich. Am Ergebnis seiner Arbeit sollte es jedenfalls nicht liegen. Er hatte das Innenleben des aus dem siebzehnten Jahrhundert stammenden Bürgerhauses speziell nach den ausgefallenen Wünschen seines Auftraggebers umbauen können. Herr Niedermeyer war ihm heute bei der Abnahme des Ergebnisses beinahe um den Hals gefallen. Er hatte ihn zur Eröffnungsfeier in zwei Wochen herzlich eingeladen und ihm für seine Gattin, wie er sagte, einen Gutschein über hundert Euro in die Hand gedrückt. Es bereitete Tobias bereits jetzt eine diebische Freude, sich Juttas Gesicht vorzustellen, wenn er ihr diesen Gutschein überreichte.

»Hallo Tobi.« Die junge, attraktive Kellnerin blieb vor seinem Tisch stehen. »Du hattest die Zwiebel und das überbackene Käsebaguette bestellt?«

»Ja. Hallo Zoe, wie geht es dir?«, grüßte er seine Nachbarin, die hier halbtags jobbte, und schenkte ihr ein offenes Lächeln.

»Gut! Gut, wenn ich so wie jetzt ein paar Stunden Ruhe vor meinen wilden Rangen habe«, sagte die Mutter von Zwillingen.

Tobias nickte verstehend und nahm den heißen Steinguttopf entgegen. Heiß … Er biss sich auf die Lippen und begann andächtig umzurühren. Dabei sah er dem Treiben auf der Straße zu, bis er es wagen konnte, die Suppe ohne Brandblasen auf der Zunge zu genießen. Das Schuhgeschäft Hagen auf der anderen Seite hatte ein großes Plakat im Schaufenster. Ballerinas, dreißig Prozent auf den Neupreis, konnte er bis hierher lesen. Er würde Jutta eine SMS schicken. Erst vorgestern hatte sie ihm gesagt, dass Hannah erneut aus ihren Schuhen wuchs und dass der Sommer kam.

Das Geräusch, das mit einem Male an seine Ohren drang, riss ihn magisch aus seinen Gedanken. Das metallische Klacken von Absätzen auf Stein, das wohl in jedem normal denkenden Mann unterschwellig den Jagdinstinkt weckt, alarmierte auch Tobias. Die Trägerin dieser hochhackigen Botschaft blieb vor ebendem Schuhgeschäft stehen. Mein Gott, solch rassiger Anblick hatte sich ihm lange nicht geboten. Dabei konnte er von seinem Platz aus gerade einmal ihre Rückfront sehen. Kurven an den richtigen Stellen, die ihre Trägerin mit einem engen Rock und hellen Strümpfen mit Naht besonders betonte. Ihr langes, goldblondes Haar fiel ihr in anmutigen Wellen bis über die Schultern hinab. Er war ehrlich traurig, als sich die unbekannte Schönheit dazu entschloss, das Schuhgeschäft zu betreten und seinen Röntgenblicken zu entschwinden. Wenigstens hatte seine Mahlzeit die richtige Temperatur erreicht, versuchte er sich zu trösten. Doch die Traumfrau, wie er sie insgeheim für sich getauft hatte, ließ ihm keine Ruhe. Während seine Augen in ihrem Beobachterjob langsam anfingen zu tränen, versuchte sein Geist, ihre Erscheinung mit einer ihm bekannten Frau zu verknüpfen. In einer Stadt mit kaum zwanzigtausend Einwohnern kannte man sich mehr oder weniger; und wenn es nur vom Sehen war. Er war nicht wirklich ein wahrer Womanizer. Weder vor der Zeit mit Sina und erst recht nicht danach. Doch diese Frau wäre ihm bestimmt nicht entgangen. Negativ, kamen seine Rezeptoren zu einem für ihn unbefriedigenden Ergebnis. Zumindest besaß sie Ausdauer, was das Shoppen anging, dachte er, dankbar, dass Jutta und Hannah sich damit sehr gut allein beschäftigten und ihm diese Tortur ersparten. Tobias hatte sein Mahl fast beendet, als seine Ausdauer belohnt wurde. Die Traumfrau verließ den Schuhladen. Hinter einem Berg aus Taschen und Tüten war sie kaum zu erkennen. Hatte sie das wirklich alles in der kurzen Zeit und in diesem einen Geschäft eingekauft? Oh Gott, ihre Kreditkarte musste ja glühen.

Sie trug nun flache Schuhe, als sie die Straße zielstrebig überquerte und das Café und somit seine Nähe ansteuerte. Das Fluchen und Pöbeln eines Fahrradkuriers, der das plötzliche Hindernis im letzten Moment umkurven musste, verlor sich unbeachtet im Wind. Die Frau sah einfach nur atemberaubend aus, entschied Tobias ohne Wenn und Aber. Andere Vergleiche wären Makulatur. Ihr schmales Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen wurde von einer wahren Flut goldblonder welliger Haare umrahmt. Ihre sinnlichen, leicht verkniffenen Lippen … Am liebsten wäre er jetzt auf der Stelle zum Bildhauer geworden.

Sein Herzschlag setzte ungefähr zu dem Zeitpunkt wieder ein, als er ihren Blick aus dunklen Augen auf sich gewahrte. Erwischt! Hm, ein verlegenes Lächeln kam immer an. Es war vielleicht nicht gerade höflich, sie so zu mustern. Aber das herablassende »Bauernlümmel«, mit dem sie seine Aufmerksamkeit honorierte, war auch nicht wirklich nett. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, rauschte sie an seinem Tisch vorbei, dass ihm ihre Einkäufe nur so um die Ohren flogen.

»Trampeltier«, murmelte Tobias leicht gekränkt und widmete sich dem Rest seiner Mahlzeit. So eine eingebildete Zicke.

Die „Zicke“ drapierte ihre Einkäufe in zwei der Korbstühle am Nebentisch und ließ sich seufzend in den dritten fallen.

Wie hingezaubert stand die freundlich lächelnde Zoe neben ihrem neuen Gast und wurde von ihr angefaucht, bevor sie auch nur zwei Worte herausbrachte. »Sie sehen doch wohl, dass ich gerade erst Platz genommen habe, oder? Nun gut, dann bringen Sie mir eben einen Espresso und die Speisekarte. Aber ohne Zucker!«

Zoe und Tobias hatten sich noch nie so stumm verstanden wie in diesem Augenblick. Still in sich hinein lächelnd folgte Tobias scheinbar interessiert dem Treiben auf der Straße. Insgeheim dankte er – der eigentliche Atheist – dem lieben Herrgott dafür, dass er ihn vor solch einer keifenden Furie bewahrt hatte … und weiterhin bewahren möge.

»Wie können Sie mir jetzt sagen, dass Sie vor dem Haus stehen!« Erschrocken zuckten die Gäste im weiten Umkreis zusammen. Aber das schien die Frau am Nebentisch nicht zu bemerken oder zu interessieren. »Ihr Chef selbst hat mich vor nicht einmal zwei Stunden angerufen und auf heute Abend vertröstet!«

Ihre Blicke trafen sich ein weiteres Mal und stürzten den jungen Mann diesmal in ein Wechselbad der Gefühle.

»Nein, Sie warten jetzt dort. Ich bin in ein paar Minuten da.« Erst jetzt gaben ihre Blicke ihn frei. Mit einer wütenden Verwünschung erhob sie sich, verstaute ihr Telefon und griff ihre Einkäufe.

Überflüssig zu erwähnen, dass Tobias’ Schulter genau der Tasche am nächsten war, die ihre abgelegten High Heels beinhalten mussten.

»Wo ist die denn hin?« Die konsternierte Zoe stand mit ihrem Tablett im Durchgang.

»Hat sich auf ihren Besen geschwungen und ist abgerauscht«, kam es lakonisch von Tobias.

Zoes Gesichtsausdruck wechselte ins Weinerliche. »Und der Espresso? Ich habe heute schon vier Storno. Der Chef reißt mir den Kopf ab.«

»Was für ein Glück. Zoe, wie konntest du wissen, dass ich gerade jetzt einen Espresso dringend nötig habe? Nur mit doppeltem Zucker, sonst werde ich auch noch giftig wie diese Spaßbremse.«

***

Als Tobias am Abend heimkehrte und die Parade von Balus Grundausstattung für über zweihundert Euro bewundert hatte, berichtete er seinen Mädels von den günstigen Ballerinas im Schuhhaus Hagen. Von seinen Erlebnissen mit einer unheimlich attraktiven, aber leider auch völlig durchgeknallten Frau erzählte er dann lieber doch nichts.

Wie hätte er auch zu diesem Zeitpunkt wissen können, dass ihm sein Schicksal nur noch zwei erholsame Tage zugestand.

Kapitel 4

Es war Freitagabend. Anstrengende Tage voller Auspacken und Einräumen lagen hinter Christin. Doch so langsam konnte sie für sich mit Fug und Recht behaupten, dass sie sich wohlzufühlen begann.

Seufzend und mit einer gehörigen Portion Selbstkritik betrachtete sie ihr Outfit und das eigentlich gut gelungene Make-up für den Abend. Besonders der Smokey-Eyes-Effekt war ihr geglückt. Dieser neue Lidschatten mit dem nicht zu aufdringlich wirkenden Glitzern brachte die Goldsprenkel in ihren dunkelbraunen Augen richtig zur Wirkung. Nicht nur Nils-Ole würde sich nach ihr umdrehen. Sie malte sich aus, wie seine Selbstsicherheit, mit der er sie in Besitz genommen hatte, auf ein vernünftiges Maß gestutzt wurde. Ein bisschen Eifersucht konnte nicht schaden. Der Lippenstift. Er wirkte ein wenig zu dunkel. Aber das ließ sich nun nicht ändern. Morgen würde sie zu dieser gut sortierten Drogerie gehen, die sie längst ausfindig gemacht hatte. Wenn sie denn bis zum Mittag aus dem Bett kam. Christin … bleib bei der Sache, rief sie sich zur Ordnung und begutachtete ihren Gesamteindruck im Spiegel, der eigentlich viel zu klein war. Das Kleid saß wie angegossen. Elegant und etwas zu bieder. Genau der richtige Stil für dieses Kaff! Da war es wieder, dieses Gefühl von Unlust. Dabei hatten Nils-Ole und dieser Kulturverein den Abend extra für sie auserkoren, um die neue Stadtchronistin der Öffentlichkeit und Presse vorzustellen. Sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Aber es war nun einmal ihre Tarnung. Offiziell würde sie nun ein Jahr lang als Chronistin die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner erforschen. Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, so freute sie sich sogar auf diesen Job. Nicht nur, weil sie faktisch zwei Semester Geschichte studiert hatte! Okay, nicht wirklich, aber ihr damaliger Freund und Gönner war Professor für Geschichte gewesen. Zumindest hatte sie so etwas um die Ohren, wenn Nils-Ole ihre Dienste nicht benötigte.

Ein Blick zur Uhr. Noch immer reichlich Zeit. Sie als „Star“ des Abends wollte schließlich nicht die Erste sein. Womöglich noch beim Aufbau der Kulissen helfen. Langsam begann sie zu bedauern, dass sie Nils’ Vorschlag abgelehnt hatte, Frederik solle sie standesgemäß vorfahren. Aber das wäre ein Zuviel des Guten. Außerdem war es ein so schöner Abend, dass es sich von allein anbot, gemütlich zu Fuß zum Empfang im historischen Rathaus zu gehen. Die Ballerinas, die sie vor Kurzem gekauft hatte, mussten eh eingelaufen werden.

Erneuter Blick zur Uhr. Zwei Minuten später. Ein anderer Gedanke. Etwas, das sie bereits gestern Abend geplant hatte.

Christin lächelte ihrem Spiegelbild ein letztes Mal zu und stieg die Treppe ins darunterliegende Wohnzimmer hinab. Hier fühlte sie sich bislang noch am wohlsten. Irgendwie hatte sie es vollbracht, diesem verhältnismäßig großen Raum ihre persönliche Note zu geben. Lachend drehte sie sich mit ausgebreiteten Armen einmal im Kreis und huschte dann zur Balkontür. Der Balkon, das wäre in der kommenden Woche ihr nächster Job. Christin schwebten schon so viele Ideen durch den Kopf. Wilder Wein wäre schön. Ja, und schnell wachsende Pflanzen. Besonders schnell wachsende! Alles was half, um diesem neugierigen Volk, das sich Nachbarn nannte, die Einblicke in ihr Leben zu verwehren. Erst gestern stand so eine impertinente Frau vor ihrer Tür und wollte sie willkommen heißen. Dabei hatte sie einen Hals gemacht, dass eine Giraffe vor Neid erblasst wäre. Christin schloss die Tür und zog die langen Stores vor. Jalousien! Die hätte sie heute wirklich bestellen können, ärgerte sie sich über sich selbst und über diese sogenannte Innendekorateurin, die ihr die Wohnung eingerichtet hatte. Sie selbst hätte sich in Grund und Boden geschämt, solch halb fertige Sachen abzuliefern. Schluss jetzt, warf sie sich energisch vor. Wenn sie nun anfing, sich über alles aufzuregen, würde sie in diesem Kaff nie zur Ruhe kommen!

Christin trat an das kaum bestückte Bücherregal. Das Buch mit dem wundervoll gestalteten Einband lag gut in der Hand. Irgendwie schade, dass es nicht für die Ewigkeit war, dachte sie mit einer Spur schlechten Gewissens. Ganz bestimmt würde es später besser brennen als ihr letztes Tagebuch, sagte sie sich und setzte sich mit dem jungfräulichen Band an den Tisch.

Mit was sollte sie die erste Seite füllen? Wenn es auch das Schicksal all seiner Vorgänger erleiden würde, sobald sie hier ihre Zelte abbrach, so wollte sie es doch mit Respekt führen und behandeln. Ein zufriedenes Lächeln huschte über ihr Antlitz und ließ eine selten gespürte Sanftheit zutage treten.

Christin legte den Stift nieder und schloss für einen Moment die Augen. Herunterkommen, das waren die richtigen Worte. Wie oft hatte sie sich das in den letzten Jahren in schwachen Augenblicken gewünscht. Und doch war es nie eingetroffen. Sie musste an ihre erste Nacht mit Nils-Ole denken; hier oben – sie sah zur Decke – im Lotterbett. Es drehte sich natürlich nur um ihn und seine Männlichkeit. Als Quintessenz dessen blieb die Frage, was sie selbst noch vom Leben erwartete?

Nun ist es wieder so weit. Ich habe einen neuen Lebensabschnitt begonnen, der mich von Frankfurt fortgeführt hat. Hierher nach Gernhausen. Eine wunderschöne Altstadt gibt es hier, in der ich nun lebe. Es ist alles viel kleiner und hübscher als in meinem alten Leben. Und … ja, auch entschleunigter! Aber ist das so verkehrt? Ein wenig Hoffnung trage ich schon in mir, dass ich etwas ruhiger werde und vor allem auf den Boden komme. Ich bin nun dreißig Jahre alt und spüre immer öfter, dass das Leben auf der Überholspur zwar schön, aber auf Dauer nicht ertragbar ist.

Ich glaube, dass ich eine reelle Chance habe. Ich muss sie nur nutzen. Nils-Ole Händler – so heißt mein derzeitiger Gönner – ist ein erster guter Anfang auf dem Weg dorthin. Ich hätte es schlimmer erwischen können. Dieser Mann hat etwas für sich. Er ist hübsch anzusehen, ein wunderbarer und vor allem potenter Liebhaber, immer gut aufgelegt und in so vielen Dingen bewandert. Anders herum ist er gerissen, selbstbewusst und weiß, was er will. Besser gesagt, er ist mehr als das. Was hinter seiner gutmütigen Fassade schlummert, möchte ich gar nicht wissen. Es soll mir auch egal sein. Er ist kein Mann auf Dauer. Nicht nur, weil er verheiratet ist und seine eigentlich hübsch anzusehende Frau verächtlich „dicke Matrone“ nennt. Was also ist verlässlich an ihm? Nein, Nils ist für mich nur Mittel zum Zweck. Obwohl mich unsere tiefschürfende Plauderei in der ersten Nacht seitdem häufig beschäftigt. Was erwarte ich wirklich von einem Mann, den ich liebe und mit dem ich alt werden möchte? Wenn ich meinen Traumprinzen jemals finden würde. Christin, du bist dreißig und es ist absehbar, wie lange du noch „Gute Zeiten“ haben wirst …

***

Freitagabend. »Endlich Wochenende«, stöhnte Tobias Herder erlöst. Solch anstrengende und zeitraubende Termine wie heute mit dem Ehepaar Leisner gab es zum Glück nicht so oft. Aber die ganze Vorarbeit hatte sich rundherum gelohnt. Die Leisners hatten endlich den Vertrag für die Restaurierung und Modernisierung ihres Hauses aus der Zeit um 1650 unterzeichnet. Ein Auftrag, der sicher mehr als vier Monate Beschäftigung versprach. Es würde ein richtiges Schmuckstück werden, dachte Tobias zufrieden und schloss umständlich das Garagentor. Dabei versuchten sich die Baupläne und Zeichnungen, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, erneut selbstständig zu machen. Warum nur hatte er nicht erst das ganze Backbeermus zu Hause abgeliefert und war dann zur weit entfernten Garage gefahren? Egal, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Es hetzte ihn niemand – Wochenende!

Zumindest war er so geistesgegenwärtig gewesen, den Haustürschlüssel in der Hand zu behalten, beglückwünschte sich Tobias, als er sich und seine Last durch die schmale Haustür zwängte. Ehe er sich versah, huschte etwas Kleines, Flinkes an seinen Beinen vorbei. Quietschende Reifen und zorniges Hupen gingen einher mit der Erkenntnis, dass Balu auf die Straße gerannt war. Tobias warf alles von sich, schmiss sich herum und prallte dabei wie eine Flipperkugel gegen beide Türrahmen.

»Balu!« Die Panik, dem Kleinen könne etwas passiert sein und Hannah gar dessen blutige Überreste sehen, trieben ihn mit einer affenartigen Geschwindigkeit auf die Straße. Wo er erneut mit etwas Spitzem, Knochigem zusammenprallte. Ein schmerzhafter Aufschrei ließ ihn erschrocken nach Halt suchen. Er bewahrte sein Hindernis zwar vor dem Stürzen, dafür wirbelten sie walzerartig über das Kopfsteinpflaster, ehe beide ihr Gleichgewicht wiederfanden.

»Das kann ja wohl nicht wahr sein! Sie ungehobelter Klotz!«

Bevor Tobias überhaupt begriff, mit wem er zusammengeprallt war, spürte er ein heftiges Brennen auf der linken Wange.

»Was fällt Ihnen ein, mich über den Haufen zu rennen!«

Wutentbrannt, mit zorngerötetem Gesicht und wildem Haar stand sie wie eine Rachegöttin vor ihm. Balu auf dem Arm, ihre Rechte zur Faust geballt. So als wolle sie sich umgehend auf ihn stürzen. Erst jetzt erkannte Tobias in diesem Racheengel die Traumfrau von vor zwei Tagen wieder. Und wieder pöbelte sie herum wie ein Bierkutscher. Nur dass er diesmal ihr auserkorenes Opfer war.

»Sie müssen vielmals entschuldigen, aber der Kleine ist einfach hinausgestürmt. Ich wollte Sie …«

»Dann sorgen Sie gefälligst dafür, dass es dem armen Tier nicht möglich ist, Sie … Sie Tierquäler, Sie!«

Als wenn Balu ihre Vorwürfe noch unterstreichen wollte, bedachte er das Kinn seiner Lebensretterin mit Hundeküsschen. Dieser Verräter! »Hören Sie, ich kann ja verstehen, wie sehr Sie sich erschrocken haben …«

»Sie Hohlpfosten sehen nicht danach aus, als würden Sie überhaupt etwas verstehen.«

Ja, konnte dieses Weib einen nicht ausreden lassen! »Eines verstehe ich sehr wohl.« Nun war das Maß der Geduld auch bei Tobias überschritten. »Dass Sie eine selbstherrliche alte Krawallschachtel sind!«

»Krawallschachtel!?!«

»Meinetwegen auch Gewitterziege, Scharteke oder wie man Sie sonst noch zu nennen pflegt.« Er trat bestimmt auf sie zu und streckte verlangend die Hand aus. »Ich entschuldige mich ein letztes Mal für mein „stürmisches“ Verhalten. Doch nun geben Sie mir endlich den Hund zurück und schwingen sich wieder auf ihren Besen.«

Ihre Empörung schlug in Verwirrung und Schnappatmung um, registrierte er zufrieden. So etwas hatte sich Madame – oh Gott, sah sie toll aus – bisher bestimmt nicht oft anhören müssen. Er nahm ihr das Tier ab, ohne dass sie dagegen erneut aufbegehrte. Ein trauriges Lächeln war sein Dank. Mit den Worten »Es tut mir leid, dass man sich auf diese Art kennenlernen musste« wandte er sich ab und kehrte mit Balu zum Haus zurück.

»Einen Moment, bitte.«

Er blieb stehen, als würde er gegen eine Wand laufen. Was für eine Stimme … Wenn sie denn nur normal sprach oder gar wie jetzt flehend klang. Er sah über seine Schulter. »Ja?«

»Darf ich erfahren, wie er heißt?«

»Ich?«, kam er nicht umhin, sie zu foppen und schickte ein hoffnungsvolles Lächeln hinterher. Ihre sinnlich-verrucht geschminkten Augen leuchteten gefährlich auf.

»Den Hund meine ich.«

»Balu.« Es war ihr anzusehen, wie sie grübelte. »Versuchs mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit«, sang er die erste Strophe von Balu, dem Bären aus Disneys Dschungelbuch und setzte gehässig hinzu: »Das würde Ihnen auch gut stehen.« Gleich schreit sie wieder los, arbeitete es in ihm – Gehör dämmen!

»Vielleicht haben Sie sogar recht«, überraschte sie ihn mit ungewohnt milder Stimme.

»Ich habe immer recht«, bestätigte er ihr mit ernstem Nicken. »Schönen Abend noch.« Er wandte sich endgültig ab, ohne eine weitere Entgegnung ihrerseits abzuwarten. Im Grunde hatte er Angst davor, sie könne bemerken, wie sehr ihn ihre plötzliche Freundlichkeit faszinierte.

Tobias warf die Haustür extra kräftig ins Schloss und übergab Balu an Hannah. »Das nächste Mal passt du auf deinen Hund gefälligst besser auf, sonst wird er doch noch überfahren!«

Hannah zuckte bei dem wütenden Unterton ihres Vaters erschrocken zusammen und verkrümelte sich mit Balu auf ihr Zimmer.

Tobias sammelte die im ganzen Flur verstreuten Pläne auf, deponierte diese im Büro und begab sich im Anschluss in die Küche.

»Meinst du nicht, dass du Hannah gegenüber ein wenig zu harsch warst?« Jutta, die damit beschäftigt war, für ihre kleine Familie das Essen zuzubereiten, hielt sich wohlweislich zurück, Tobias auf das anzusprechen, was eben auf der Straße geschehen war. Die Blicke und Reaktionen ihres Schwiegersohnes hatten etwas an sich, das sie in den letzten Jahren so sehr an ihm vermisst hatte.

***

Das Opfer der Rempelattacke hatte derweil noch immer Mühe, ihre Fassung zurückzugewinnen. Nicht allein, dass ihre Schulter, gegen die dieser Berserker geprallt war, immer noch schmerzte. Es waren diese Blicke, die Christin verwirrten und die so gar nicht zu seinem kindischen Gehabe passten. Diese dunkelgrünen Augen, die doch so unendlich traurig wirkten. Sie hatte sie schon einmal auf sich ruhen gespürt. Nur, wo war das?

Als Christin die große Freitreppe des historischen Rathauses erreichte, hatte sie den Vorfall erfolgreich verdrängt. Was für ein Pomp, beurteilte sie die Kulisse, die sich ihr bot. Fehlte nur noch ein livrierter Page, der sie empfing, oder der Haushofmeister. Ein gut gelaunter Bürgermeister tat es aber auch. Nils-Ole begrüßte sie auf eine herzliche, aber betont offizielle Art. Keineswegs so innig, wie er sie in ihrer ersten Nacht empfangen hatte. Ein wohliger Schauer durchrieselte Christin bei dem Gedanken, wie sehr er sich freuen würde, wenn sie ihm ihre Überraschung präsentierte. Seine fantasievollen Wünsche der letzten Nacht waren nicht ungehört geblieben.

***

In den folgenden Stunden genoss es Christin, der Star des Abends zu sein. Zum ersten Male seit Langem gelang es ihr, zur Höchstleistung aufzulaufen und ihrer Rolle gerecht zu werden. Da waren viele neue Gesichter aus Wirtschaft, Politik und Presse, die ihr durch die Bank weg Hilfe und Unterstützung für ihre Arbeit anboten. Ganz zu schweigen von den Visitenkarten zweier Herren mittleren Alters mit besonders schwerem Bankkonto. Beide hatten sich wie selbstlos angeboten, ihr zur Seite zu stehen, sollte sie sich einsam fühlen.

Es ging bereits auf Mitternacht zu. Die Gesellschaft war zwischenzeitlich auf eine kleine, illustre Runde geschrumpft, als dem Herrn Bürgermeister einfiel, dass er noch etwas in seinem Büro zu erledigen habe. Auch Christin sah auf ihre zierliche Armbanduhr. Cartier, nur wer besaß hier schon ein Auge dafür. Erschrocken stellte sie fest, dass es längst an der Zeit war aufzubrechen. Heinrich – sein Nachname war ihr längst entfallen, aber er hatte irgendetwas Leitendes bei diesen Geschichtsfreunden – erbot sich lauthals, sie heimzugeleiten. Weitere Herren schlossen sich an, die schöne Chronistin selbstlos heimzubringen.

»Meine Herren, Sie werden Frau Thorstraten in den nächsten Wochen und Monaten noch genug mit Rat und Tat zur Seite stehen«, sprach Nils-Ole Händler ein unerwartetes Machtwort. »Doch heute Abend wird es mein Privileg sein, Frau Thorstraten zu begleiten.« Er wandte sich ihr zu. »Wenn Sie mir bitte kurz in mein Büro folgen wollen. Es dauert nicht lang, dann werden ich Sie heimbringen.« Er bot ihr elegant den Arm, den sie dankbar ergriff, während sie sich mit einem entschuldigenden Lächeln von ihren Galanen verabschiedete.

Sie gingen einen kurzen Flur entlang. Hinter sich hörte Christin den feierlichen Abgesang auf eine wunderschöne Frau. »Ihr seid hier allesamt ganz große Schwerenöter«, stellte sie Nils-Ole gegenüber heiter fest.

»Bei solch einer Frau läuft „Mann“ zu Hochtouren auf«, erwiderte er trocken und öffnete eine der Türen. »Wie man mitkriegt, sammelst du bereits Visitenkarten mit Privatnummern.«

Christin stutzte bei seinem Tonfall und sah ihn verwundert an. »Das hast du mitbekommen?«

»Markus Winter und Hans-Walter Puls. Ja, das habe ich sehr wohl mitbekommen!« Der Griff, mit dem er sie mit sich ins Büro zog, war hart. »Mir entgeht selten etwas. Das solltest du dir ein für alle Male einprägen. Und vor allem ernst nehmen.«