Isolde 1/2 - Marika Thommen - E-Book

Isolde 1/2 E-Book

Marika Thommen

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Beschreibung

Isolde - Herzerfrischende und zum Schmunzeln oder auch zu herzhaftem Lachen anregende Geschichte einer unbekümmerten, oft ins Fettnäpfchen tretenden liebenswerten jungen Frau...

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Seitenzahl: 168

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Es wird Frühling

Auf den Frühling

Ich mag Trödel

Radfahren

In der Wildnis

Mutter!

Venedig

Mehr Bewegung

Aufwärmen

Turbofrau

Turboknopf

Jesus

Mein Beinahetot

Eine Wertmarke ist viel wert

Bäckerin

Schaumbändiger

Sender gewechselt

Fleissige Hausfrau

Hauptsache Kuchen

Im Wald ist es viel schöner

Eine gute Tasse Tee

Wie doch die Zeit vergeht

Die Schlange ähhh Gurke

Die Probleme immer

Ich will nur zur Mutter

Mein Hintern brennt

Reich an Knöpfen

vorübergehend reich

Klotzen, nicht kotzen...

Pillen

Mezzi (Schnäppchen)

Mhhh..... eher nicht

Caldo

Olive oder Münze?

Relaxt unter Schönen und Dicken

Richtig angeln

Sonnenstich

Abgeschossen

Alles nimmt seinen Lauf

Cleopatra

Es wird Frühling

Irgendwann, ja, das war mir schon klar, aber ich wollte das eigentlich gar nicht so wahrhaben, musste ich doch meinen Weihnachtsbaum abschmücken. Und was mir aber ein richtig mulmiges Gefühl verursachte, war die Antwort auf die Frage: Wie bekomme ich das Ungetüm wieder aus meiner Wohnung. Mein Baum stand immer noch wie eine Feder gespannt zwischen Küche und Wohnzimmer. Würde er noch leben, hätte er sicher Wurzeln geschlagen und meine Wohnung komplett vereinnahmt. Bestimmt wären die Wurzeln durch den Fussboden gewachsen und hätten auch Frau Kramers Wohnung eingenommen. Wie in den Filmen, wo sich die Natur ihren Platz zurück erobert.

So stellte ich mir das vor. Bald hätte ich dann auch Rehe und Eichhörnchen in meinem Wohnzimmer.

Vögel würden nisten in den Zweigen und nachts würde ich die Eulen hören, die Fledermäuse sehen und die Füchse beobachten können, wie sie sich auf ihre Raubzüge begaben. Nur die Wildschweine machten mir Sorgen. Die würden mein ganzes Wohnzimmer umgraben und meine Vorräte auffressen. In meinen Vorstellungen hatte sich meine Wohnung bereits in einen dichten Dschungel verwandelt. Gerade, als die Sonne aufstieg und der Dschungel zu erwachen schien, wachte auch ich auf.

Isolde! Du verplemperst Deine Zeit, so kommst Du aber nicht voran, tadelte ich mich. So verliess ich meinen Traum - Dschungel und betrachtete meine kahle Fichte. Ja, der Baum war schon lange tot. Vor einigen Tagen hatte ich noch täglich eimerweise, morgens und abends, ausgetrocknete Tannennadeln aufgefegt, die meine Fichte abwarf.

Nun krümelte nur noch ab und zu vereinzelt ein Nadelchen herab. Ja, es wurde Zeit. Ich nickte vor mich hin.

Die Fichte musste weg. Irgendwie. Schliesslich wurden die Schokoladenweihnachtsmänner in den Regalen bereits durch Osterhasen ausgetauscht, die Damen präsentierten sich schon in neuer Frühlingskollektion und die Katzen waren wieder rollig. Und in meiner Wohnung stand immer noch ein geschmückter kahler Weihnachtsbaum. Also begann ich etwas melancholisch die untere Reihe meines Baumes abzuschmücken. Ich kroch auf allen Vieren um den Baum herum. Kleine Äste piksten mich in den Nacken und in die Arme. Die erste Baumschmuckkiste war schnell voll. Da mein vorhandener Weihnachtsschmuck ja gar nicht für so einen grossen Baum reichte, hatte ich weiteren Weihnachtsschmuck gekauft. Ich holte noch 2 grosse leere Kartons hervor und schrieb sie mit „Weihnachtsschmuck“ an. Schneemänner, rote, goldene und lilafarbene Weihnachtskugeln, Engelchen und Weihnachtsmänner, vereiste Zapfen und kleine Holzschlitten lege ich sorgsam in die weiteren Kartons. Dann musste ich mein Höckerchen holen um die 3. Reihe abzuschmücken.

Reihe 4 bis 80 hatte ich eh nicht schmücken können, da ich gar keine Leiter im Haus hatte. Sternchen, Weihnachtswichtel, Gips – Kringel, die essbar aussahen, aber sicher nicht schmeckten und tonnenweise Lametta füllten meine Weihnachtsschmuckkisten. Ich hatte kurz überlegt, ob ich den Baum bis zum nächsten Weihnachten gleich geschmückt stehen lassen sollte. Ja ich hatte mich an das Ungetüm gewöhnt und mich mit ihm arrangiert. Schliesslich waren es ja nur noch wenige Monate bis zum nächsten Fest. Aber der Baum hatte keine Nadeln mehr – das sah schon etwas doof aus. Ich könnte ihn aber auch so voll schmücken, dass das gar nicht auffiel, dass er kahl war, überlegte ich, als ich die letzten silbernen Lamettafäden vom Baum zog. Ja, nun war es zu spät.

Nackt und traurig stand mein Prachtbaum vor mir.

Ich steckte alle 4 Ecken jedes Baumschmuckkartons zusammen und stellte mich überlegend in den Türrahmen. Ich hielt den Kopf schief. Mhhh...Baum anzünden oder zersägen – das waren die einzigen beiden Möglichkeiten ihn aus der Wohnung zu bekommen. Beim Anzünden aber war ich mir nicht so sicher, ob das wirklich eine gute Idee war, aber vielleicht wenn man den Baum stufenweise anzündet? So von oben, sodass er von oben nach unten brennt. Ich liebte den Geruch von brennendem Holz. Früher ging Vater mit uns in den Wald. Er machte ein Lagerfeuer und wir steckten Würste auf angespitzte Äste, welche wir dann über das Feuer hielten. Mutter war nie dabei, sie habe Anderes zu tun, pflegte sie immer zusagen. Mhhh oder doch zersägen? So, wie die Holzfäller es tun.

Ich könnte ihn irgendwie festbinden, damit er nicht umfällt wenn ich drauf los sägte. Ich nickte. Ich brauchte eine Säge. Jawoll! So eine Motorsäge, damit geht das sicher ratz fatz! Dann hätte ich sogar noch Feuerholz. Aber zuerst mal Schritt eins: den Baumschmuck versorgen. Ich türmte meine 3 Kartons übereinander und hob sie hoch. Leider konnte ich gar nicht über die oberste Kiste hinweg sehen. Na, bin in den Keller werde ich das schon schaffen, schliesslich laufe ich die Treppen ja täglich mehrere Male hinunter und hinauf. Das konnte ich sicher auch im Schlaf. Ich öffnete die Wohnungstür mit dem Ellebogen und balancierte die Kartons.

Meine Zehenspitzen ertasteten, wie eine Schnecke, den Weg. Ich war in Socken, so fühlte ich mich sicherer. Da, die erste Stufe. Ganz langsam tastete ich mich vorwärts. Treppengeländer rechts, richtig, nur helfen konnte mir das jetzt auch nicht. Stufe um Stufe. Gleich kam der Lichtschalter. Schön langsam.

Vorsichtig kurvte ich herum und betrat die 2.

Treppe. Mein Kartonturm schwankte bedrohlich, aber ich konnte diesen ausbalancieren. Gleich war ich an der Tür von Frau Kramer.

Hinter dieser Tür rumorte es und eigentlich wollte ich lauschen. Doch ich war mit meinem Schwertransport beschäftig. Ich sollte fast schon die letzte Stufe erreicht haben. Ich versuchte über meine Baumschmuckkartons zu spähen, doch keine Chance, der Turm war zu hoch. Zu breit war er auch.

Und schief. Der schiefe Karton Turm von Isolde. Ich hörte Stimmen hinter Frau Kramers Tür.

Männerstimmen. Die Kramer Tür wurde plötzlich aufgestossen. Dies konnte ich zwar nicht sehen dafür aber hören und fühlen. Mit einem Getöse und lautem Krawall fand ich mich auf dem kalten Hausflurboden wieder. Ich riss die Augen auf. Was war passiert? Ich sass auf dem Hosenboden, mein Kartonturm Baumschmuck war zusammen gefallen.

Der oberste Karton hatte sich über mich ausgeschüttet. Ich sass inmitten goldener, roter und lilafarbenen Scherben meiner Weihnachtsbaumkugeln. Ich war überhangen mit Lametta. Die Wichtel und Weihnachtsmänner hatten es auf dem ersten Blick überlebt, doch meine Gipskringel waren zerbrochen und krümelten vor sich hin. Ich blickte geschockt auf und riss die Augen auf. Rainer? Ja, wirklich, Rainer stand da vor mir und hielt mit 2 Händen das Ende eines Sofas.

Das andere Ende steckte noch in Kramers Wohnung.

Eine unbekannte Stimme aber rief von drinnen.

„Rainer, alles okay?“ Na, lieber Rainer, was nun?

War alles okay oder nicht. Ich war verwirrt, erstaunt, schwieg und wartete. Was macht denn Rainer hier?

Schon lange hatte ich ihn nicht gesehen. Das letzte Mal, als er mir das Kleid zerriss. Und jetzt hatte er mich umgefegt. Macht er das immer so? Sein Hemd war durchgeschwitzt, seine Haut war glänzend und auf seiner Stirn hatten sich Schweissperlen gesammelt. „Abstellen!“ kam das Kommando von Rainer. Rainer war genauso erstaunt wie ich.

„Isolde! Was machst Du denn hier?“ Ich freute mich Rainer zu sehen, obwohl er mich umgehauen hat.

Mein Herz klopfte schneller als ich in seine freundlichen braunen Augen sah und er mich berührte. Er kniete sich vor mich hin und zupfte das Lametta aus meinen Haaren. „Entschuldigung Isolde, ich bin so ein Trottel. Aber.... ich habe Dich echt nicht gesehen.“ Ja, wie sollte er auch. „Hast Du Dich verletzt?“ Ich winkte ab. Nein, alles war okay.

„Wohnst Du hier?“ Und ja, ich wohnte hier, seit vielen Jahren. Aber die Begegnung war so ungeplant, dass ich grad etwas sprachlos war.

Inzwischen erschien zu der unbekannten Stimme die dazugehörige Person. Ein Mann in Monteuranzug lehnte im Türrahmen und zwinkerte mir zu. „Auch Rainer, was machst Du wieder? Da lässt man dich einmal aus den Augen und Du rennst so eine hübsche Dame um.“ Hübsch? Naja, also ich sass da wie ein behangenes Täubchen auf Socken.

Noch immer zupfte Rainer mir Lametta aus den Haaren und von meiner Brust und sammelte es in seinen Händen. Frau Kamer kam. Sie schaute nur wortlos durch ihre dicken Brillengläser an und rührte klappernd in ihrer Tasse. „Was machst Du mit den Weihnachtssachen?“ fragte Rainer. Er hielt meine Hände als wolle er mit mir beten. Sie waren weich und warm. Sie fühlten sich gut an.

„Naja,“ sagte ich. „Ich dachte ich schmückte mal den Baum ab“. Ich spürte so einen Kloss in meinem Hals. Ich schluckte zweimal und sagte leise:

„Schliesslich wird es ja schon Frühling.“

Auf den Frühling

Die Peinlichkeit stand Rainer regelrecht ins Gesicht geschrieben. Er entschuldigte sich mehrere Male und wollte mich als Entschuldigung zum Essen einladen. „Egal wohin.“ sagte er. Er drückte mir sein Visitenkärtchen in die Hand und meinte, ich solle mich bei ihm melden. Unbedingt. Und schon recht bald. Er begann meine Weihnachtsbaumschmuckutensilien zusammen zu lesen und in dem Karton zu verstauen. Ich holte inzwischen Handfeger und Schaufelchen und kehrte meine Scherben zusammen. Dann schaute Rainer auf die Uhr und entschuldige sich schon wieder:

„Sorry Isolde, aber ich muss.“ Noch einen letzten Lamettafaden zog er mir aus dem Haar. „Ich stehe im Halteverbot und muss noch einladen.“ Er zeigte auf das Sofa. Ich liess die Männer ihre Arbeit tun.

Sie trugen Kramers Sofa und einige Kisten vors Haus, um dann alles im Transporter verschwinden zu lassen. Ich war noch eine Weile mit dem Hausputz beschäftigt und trug dann alle Kisten einzeln in den Keller. Rainer und sein Kollege waren dann auch fertig. Rainer verabschiedete sich, um sich dabei abermals zu entschuldigen. An der Haustüre rief er mich nochmals. Er hielt seine Hand an sein Ohr und bewegte seine Lippen: „Melde Dich.“ sagte er tonlos. Dies konnte ich von seinen Lippen ablesen.

Dann war er weg und es war wieder ruhig im Haus.

Nur Frau Kramers schlurfende Schritte in ihrer Wohnung waren zu hören. Rainer. Ich lächelte und schüttelte den Kopf währen dich die Stufen zu meiner Wohnung hinauf stieg. So ein Zufall.

Ausgerechnet in meinem Haus. Er möchte mich zum essen einladen. So ein Netter, dachte ich. Und ja, er war auch wirklich nett. Und, der Gedanke an ihn bereitete mir ein warmes wohliges Gefühl im Bauch.

Mhhh ich überlegte. Klar, ich hätte Lust mich mit ihm zu treffen. Wann sollte ich mich melden? Gleich morgen? War das zu früh? Sollte ich eine Woche warten? Oder 2 Wochen? Und wohin sollten wir gehen? Er hatte mich ja eingeladen. Ich wollte ein Zwischending wählen. Nicht zu teuer und auch nicht zu billig. Am besten etwas Hausgemachtes oder Pasta, Pasta ist auch immer gut. Oder vielleicht Pizza. Pasta oder Pizza. Mit einem Dessert hinterher.

Das musste sein! Nachdenkend betrat ich meine Wohnung und bleib vor meinem abgeschmückten Baumungetüm stehen. Ich werde Rainer fragen, ob er mir helfen kann den Baum zu zersägen. Vielleicht hatte er ja sogar auch eine Säge und ich musste keine kaufen. Ja, Isolde, so machen wir das, flüsterte ich. Ich brühte mir einen Tee auf und schaute aus dem Fenster. Die Sonne schickte bereits zaghaft ihre Strahlen. Diese sammelten sich am Fensterglas und verbreiteten wohltuende Wärme. Ich schloss die Augen und ich sah plötzlich Rainer, wie er vor mir kniete. Ein schönes Bild. Ups!

Erschrocken riss ich meine Augen wieder auf. Es klopfte an der Tür. Magdalena stand davor. „Oh Frau Isolde, ich freue mich zu sehen.“ Sie umarmte mich und spazierte in meine Wohnung. Sie brachte eine Flasche Wein und 2 Gläser mit. Aus einem Karton zauberte sie noch eine Pizza hervor.

Irgendwie war diese Frau genial, denn, als ich den Wein sah, hatte ich grosse Lust auf ein Glas Wein.

Und als der Pizzaduft sich im Raum breit machte, spürte ich, wie hungrig ich war. Von meinem aufgebrühren Tee werde ich ja auch nicht satt, dachte ich und wollte Besteck aus der Schublade holen. „Ach Frau Isolde, das brauchen wir nicht, haben schon Besteck an unsere Hände.“ Sie hob ihre Hände hoch und zappelte mit allen 10 Fingern.

Ich lachte. Ja, wie Recht sie hatte. Ich bat sie an den Tisch und gleich fiel ihr Rainers Visitenkarte auf, welche auf dem Tisch lag. Fragend schaute sie mich an. Ich lächelte nur. „Nu erzählen, schnell. Ich bin immer so neugierig.“ Und ich musste erzählen. Bei meinen Erzählungen hatte ich ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Magdalena nickte vielsagend.

Doch was genau wollte sie sagen? Ich hielt meinen Kopf schief und schaute sie an. Mit einem fragenden Blick. Doch die Gute lächelte nur. Ich sprach auch gern über Rainer. Er war ruhig und zurückhaltend und irgendwie so wie ein grosses Kind. Eigentlich konnte man ihn nur mögen. Als ich von Rainers Einladung erzählte und seiner Bitte, ich solle mich bei ihm melden, klopfte Magdalena mit der flachen Hand auf den Tisch. „Musst Du sofort machen, Frau Isolde.“ „Aber das ist alles erst 2 Stunden her! Nein, das ist zu früh.“ Ich lachte. „Nix früh, Frau Isolde, gerade richtig“. Sie umfasste meine Hände und drückte sie. Ich war etwas im Zweifel. Sah das nicht komisch aus? Aber eigentlich hatte junge Polin Recht. Er hatte mich ja nur zum Essen eingeladen und Hunger kann man schliesslich jeden Tag haben. „Was soll ich ihm schreiben?“ fragte ich hilflos. Magdalena nahm wortlos mein Telefon, tippte lächelnd rasch und galant etwas ein und überreichte mir dann stolz den übersetzten Text: „Lieber Rainer. Ich habe mich gefreut Dich zu treffen und nehme die Einladung an.

Morgen 19:00 im Indian Rain. Freue mich auf Deine Antwort. Liebe Grüsse Isolde.“ Wow, so einfach.

Aber Indisch? Okay, also ich hatte Indisches Essen gern. Aber morgen schon? Morgen hatte ich sogar Zeit, woher wusste Magdalena das? Naja, irgendwie wusste sie eh immer alles. Ihr konnte man vertrauen, ich war in den allerbesten Händen. „Los, abschicken.“ Die Polin biss energisch in ein Stück Salamipizza. Ich tippte Rainers Nummer ein, kopierte den Text und...senden! Hah! Gesendet! Ich hatte es getan. War ich verrückt!? Das passte so gar nicht zu mir! Warum tat ich das? Ich runzelte die Stirn und schaute Magdalena fragend an. Ich fühlte mich komisch.

Aufgeregt und irgendwie auch angsterfüllt. Die junge Polin aber lachte. Sie schaukelte unter dem Tisch mit ihren Beinen. „Liebe ist wie Ball spielen.

Einmal Ball in Deine Hände, einmal bei Mann. Muss immer hin und her gehen, sonst schlafen der Ball“.

Innerhalb Sekunden kam schon die Antwort. Bernd:

„Liebe Isolde, 19:00 h im Indian Rain ist perfekt. Ich freue mich! Liebe Grüsse Rainer.“ Ein Seufzer entfloh meinem Munde. Jetzt freute ich mich auch.

Mein Herz klopfte wie wild. Oh welch ein wunderbares Gefühl. Ich lächelte und hob mein Glas und stiess mit Magdalena an. „Auf den Frühling.“

Ich mag Trödel

Am nächsten Tag schon sass ich also mit Rainer schon im Indian Rain. Rainer war schick. Er hatte ein blaues Sakko an, dunkle Jeans und ein Streifenhemd.

An den Füssen trug der Sneakers die alles etwas auflockerten. Solche Kombinationen mochte ich.

Auch obenrum sah er gestriegelt aus. Ich kam im Blumenkleid daher. Magdalena hatte sich um meine Kleidung gekümmert. Ich war nämlich völlig überfordert. Auf meinem Bett türmten sich meine Kleidungsstücke aber nichts davon gefiel mir an mir oder war meiner Meinung nach passend. „Mach einfach, Frau Isolde. Kleid immer ist sehr sexy und macht aus Frau eine Frau.“ Ja, Magdalena mit ihren Weisheiten. Sie hielt mir das grüne Blumenkleid hin und her schwenkend vor die Nase. „Das hier Du anziehen Frau Isolde. Sehr schön mit Farbe für Dich.

Mit schöne Kette bist Du gleich wie Königin.“ Sie drehte sich im Kreis und lachte. So sass ich nun also wie eine Königin im grünen Blumenkleid und schien Rainer zu gefallen. Er bestellte eine Flasche Wein und eine Vorspeise. Wir stiessen auf den Abend an und Rainer war doch recht gesprächig. Der sonst so ruhige Rainer war offen, lustig, ironisch, unterhaltsam und aufmerksam. Wir redeten über Dies und Jenes, über Lustiges aber auch über Nachdenkliches. Nach der Vorspeise machte Rainer mir ein Kompliment: „Du siehst gut aus heute. Also, nicht, dass Du sonst nicht gut aussiehst, aber heute schaust Du besonders gut aus.“ Er hatte die Kurve noch gekriegt. „Das Kleid steht Dir gut. Richtig schick bist Du.“ Ich bedankte mich für dieses ernst gemeinte Kompliment. Ja, Magdalena hatte da doch ein gutes Werk getan. Sie schminkte mich, frisierte mich und wählte auch die passenden Schuhe aus und stellte meine ausgesuchten Turnschuhe wieder ins Schuhregal zurück. Zudem trug sich dieses Kleid wirklich wunderbar. Nichts drückte und quetschte.

Meine Speckrollen waren zwar da, aber sie waren nicht zu sehen und ich konnte ihnen den Platz lassen, den sie brauchten. Ich freute mich über das Zusammensein mit Rainer und genoss den Abend.

Dann kamen unsere bestellten Hauptspeisen. Als die Kellnerin uns beim Bestellen fragte, ob wir es scharf möchten, sagten wir beide „Ja, und wie!“ Dabei kicherten wir wie kleine Kinder, der Wein wirkte. Die Kellnerin verzog nur den Mundwinkel und kritzelte etwas auf ihren Zettel.

Und das Essen, mein lieber Schwan, also das Essen war so was von scharf, dass es schon gar nicht mehr scharf war. Für das Wort scharf müsste man ein neues Wort erfinden, so scharf war es. Wir keuchten und hechelten, lachten aber darüber und spülten mit Wein und Wasser nach. Wir schwitzen um die Wette, pusteten und wedelten uns Luft zu.

Um alles essen zu können brauchten wir definitiv mehr Wein zum Spülen und Kühlen. Man konnte eigentlich gar nicht andeutungsweise erahnen, worum es sich bei dem Essen handelte. Es sah gut aus, roch lecker, schmeckte aber gleich. Einfach nur scharf. Ich erzählte zwischen den Ess - Erholungspausen von meiner Weihnachtsbaumkaufaktion und meinem daraus folgendem Weihnachtsbaumentsorgungsproblem.

Rainer amüsierte sich extrem. Nach dem Hauptgang beendete ich meine Geschichte und er lachte immer noch. Aber, er versprach mir zu helfen und sich um mein Ungetüm zu kümmern. Darüber war ich mehr als froh. Wir tupften uns mit den Servietten die Schweissperlen von der Stirn und die Tränen aus den Augenwinkeln. Beim Kaffee fragte ich ihn nach Susi. Susi hatte sich von ihm getrennt, das wusste ich. „Susi hatte keine Lust mehr. Ich bin ihr zu langweilig.“ erzählte Rainer. „Sie braucht das Abenteuer.“ Bei ihm hatte Susi keine Abenteuer.

Susi war eine spindeldürre quirlige Person, die viel redete und immer lachte. Sie war nett, ohne Frage, aber ich konnte mir vorstellen, dass sie nun mal kein Mauerblümchen war und auch keines sein wollte. Sie hatte immer kunterbunte Kleider oder Hosen an, trug ihre roten Haare nach oben mit einer Blume zusammengesteckt und an ihren Handgelenken klirrten Armreifen und Ketten. Um ihren Hals hing ihre Brille, befestigt an einer goldenen schmalen Kette. Sie war immer barfuss, auch im Winter. Das fand ich sehr erstaunlich. Sie erzählte mir von den Urvölkern. Die kennen gar keine Schuhe. lachte sie. Zudem braucht der Mensch doch keine Schuhe, wir haben Füsse. Sie nahm eine Yoga Haltung ein und erklärte mir: Nur wer barfuss läuft, ist geerdet. Geschützt und im Reinen. „Susi will immer etwas was erleben, sie will reisen und sich spüren. Sie ist ein unruhiger Geist, immer auf der Suche, immer auf Achse. Sie will halt keinen Mann mit einem Trödelladen.“ Rainer rubbelte auf einem unsichtbaren Fleck auf der Tischdecke herum.„Aber, ich habe halt nur meinen Trödel.“ sagte Rainer leise. Ich legte meine Hand auf seinen Arm: „Also, ich mag Deinen Trödel.“

Radfahren