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"Eine heitere bildliche Erzählung, mit viel Charme und Ironie. Eine Geschichte, die verzaubert, die amüsiert, belustigt aber auchnachdenklich macht. Die Schriftstellerin Marika Thommen vereint die Kunst des Schreibens, die Wahl der Worte mit einer Leichtigkeit, so, dass der Leser sich im Geschehen wähnt und ihre Bücher gern verschlingt." A. Lebhaus
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Seitenzahl: 157
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Extrasahne für Isolde
Wie bitte?
Wolkenschaukler
Jeder braucht Schuhe
Wer ist sie?
Heute suche ich mir einen Mann
Auch wenn es Winter war
A-a-a, kotki dwa
Schene Probleme
Hund oder Katze?
Ich bin gar keine Trödeltante!
Wie die Zeit vergeht…
…und es kam
Aufgeschlitzt
Ein laues Lüftchen
Fest der Liebe und Überraschungen
Ein Sturm zieht auf
Isolde sieht Rot
Freudiges Ereignis
Ja, ich kaufe gerne ein
So kann ja auch jeder heissen….
Kohlsalat
Ein Prachtkleid
Sportskanone
Gute Pflege
…und ich sage JA!
Die Bohnen sind schuld
Aufgeräumt
Er kommt von allein
Eine gute Entscheidung
Mein Name ist Hase
Casimir
Das Vieh
klein anfangen
Esel
Ein Wunsch frei
Die Erklärungen immer...
Schon von Weitem sah „mein“ Kaffeeladen recht voll aus. Wo kommen denn immer nur all die Leute her, fragte ich mich. Müssen die denn nicht arbeiten? Okay, ich war ja auch unterwegs, aber das ist ja wohl auch was ganz anderes. Ich hatte heute frei. Jawoll! Ich darf und kann mir erlauben, am Morgen halb zehn gemütlich in meinem Kaffeeladen zu sitzen und in meinem Caramel Macchiato zu rühren. Doch als ich durch das Fenster dann das Gewusel vor der Theke entdeckte, verging mir kurzzeitig die Lust auf Kaffee und ich lief an dem Laden vorbei. Allerdings überstürmte mich die Lust geradezu wieder und zwar genau nach zehn Schritten, die ich dann auf dem Absatz kehrt gemacht hatte. Zielstrebig steuerte ich nun wieder auf den Laden zu, in welchem aber zehn Schritte später noch mehr Gewusel war, als zehn Schritte früher. Doch, wieso nicht? Ich hatte doch Zeit! So stand auch ich Zehenspitzen wippend vor der ausladenden Theke, tastete meinen Mund mit der Zunge nach wohltuenden Geschmäckern ab. Einen Lachsbeagle? Oder lieber ein frisches Croissant? Einen Caramel Macchiato – das war klar - und was noch? Klar, ein Lachsbeagle. Ich liebte Lachs. Und ausserdem würde es nicht schaden, mal etwas Gesünderes zu essen. Das war doch der perfekte Tag um mit dem Abnehmen zu beginnen. Und schon war ich dran. Einen Caramel Macchiato und ein Lachsbeagle bestellte ich. "Wir haben eine neueKaffeebohne", ertönte eine leise Stimme hinter der Theke hervor. "Schon probiert? Die Bohne kommt aus Brasilien. Sie wurde sanft geröstet und hat einen vortrefflichen Geschmack!" Die Bohne kommt aus Brasilien haha, so blöd, dachte ich. Wie soll denn eine Bohne den weiten Weg von Brasilien bis hierher schaffen? Noch dazu ganz allein?
Ich zog zum Schmunzeln den rechten Mundwinkel nach hinten und liess meine Augenbrauen nach oben schnellen, als ich mir vorstellte, wie eine Kaffeebohne auf dünnen Beinchen mit Rucksäcklein und Wanderstöckchen, mit einer Kaffeeduft - Rauchfahne schnell zu seiner, natürlich ebenfalls alle mit Rucksäcklein und Wanderstöcken ausgestatteten Kaffeebohnen - Wandergruppe eilte, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Ja…Brasilien…schon recht weit weg für so eine kleine Bohne.
„Ähhmmm, Entschuldigung…haben Sie sich entschieden? Möchten Sie die neue Bohne probieren?“ Einen Kaffee zu bekommen war wohl doch schwieriger als ich dachte. „Nein danke“, sagte ich. „Ich nehme eine heisse Schokolade und einen Cheese Cake.“ "Mit Sahne?" wurde ich gefragt. „Nein, nur mit Cheese“, entgegnete ich. Hinter mir kicherte es. „Entschuldigung, ich meinte die Schokolade“. Natürlich ohne Sahne...summte es im Hirn. Ohne! Ohne! Ohne! Isolde, Du hast genug Sahne auf den Hüften! Meine Zunge fuhr über meine Lippen.
„Gern mit Sahne!“ bestellte ich, lächelte breit und beschloss spontan, das Abnehmen auf morgen oder übermorgen zu verschieben. Und den flüchtigen Gedanken von Sport, der ab und an durch mein Hirn fegte, den wollte ich morgen oder übermorgen dann auch mal ganz festhalten, beschloss ich innerlich. „Okayyyy“, sagte der Typ hinter der Theke gedehnt….“Ist das alles?“ Ich nickte. „Auf welchen Namen?“ „Isolde...“ presste ich durch den kaum geöffneten Mund. „I.. was?“. ISOLDE. Ah, Isolde. IIIISSOOOOLLLLLDE buchstabierte der Typ vor sich hin und schrieb die Buchstaben auf den Becher. Er buchstabierte meinen Namen etwas zu laut für meine Begriffe. Viel zu laut. Ich hasste meinen Namen. Und dafür hasste ich meine Eltern. Also, ich hasste sie nicht wirklich. Nur dafür, dass sie mich so genannt hatten. Und ich schämte mich für den Namen. Da liegt nun so ein kleines allersüssestes Baby in der Wiege, lacht und ist einfach oberknuddelig. Die Leute fragen lächelnd: Wie heisst denn der süsse Fratz? Isolde! Kommt dann zurück. Das passt doch einfach nicht! Nun stellt Euch das doch einmal vor. ISOLDE! Und ständig werde ich an meinen Namen erinnert, sogar hier, wo man doch nur einen kleinen leckeren Caramel Macchiato oder eben eine heisse Schokolade trinken möchte. „Danke, Isolde. Der Nächste bitte!“ Ich lief ein paar Schritte weiter zu zwei anderen Typen, die emsig dabei waren, Getränke den Abkürzungen zuzuordnen, die auf den Bechern standen. Galant und flink wurde gerührt, gemixt, mit Kakaopulver verschönt, mit Caramel dekoriert und Sahne aufgeschlagen. Es spritzte und dampfte und roch alles sehr köstlich.
Dann wurden die dazugehörigen Namen aufgerufen: einen grossen Kaffee für Melanie, einen Caramel Macchiato…. Ich machte einen Schritt nach vorn …. für Ben.. Ben kam von rechts, drängte mich ab und griff nach seinem Becher. Ich machte einen Schritt zurück und wartete. Eine Chai Latte für Gernot. Ich verzog den Mund und schob eine (meine rechte) Augenbraue in die Höhe. (Das konnten nicht viele Menschen, aber ich kann das). Chai Latte…wer trinkt denn so was?
Und wer zum Kuckuck heisst denn Gernot? Das ist ja fast noch schlimmer als Isolde. Der süsse Fratz in der Wiege…und so…Gernot? Ich blickte mich um und suchte Gernot. Gernot war schnell erspäht. Er steckte sich gerade ein Röhrchen in seine Chai Latte und zog genüsslich am Halm. Seine Umhängetasche, die quer über den mit Stoff verhangenen Oberkörper hing, war ziemlich abgegriffen. Die weite bunte Baumwollhose, die mittig ca. einen Meter weiter unten zusammen genäht war und ich immer das Gefühl hatte, die haben die Hosen voll, hatte grosse Taschen. Diese waren vollgestopft mit irgendwas. Jedenfalls waren die ziemlich ausgebeult, so, dass die weite Hose noch weiter und wuchtiger wirkte. Sein Haar war locker zu einem Zopf gebunden und seine Füsse steckten in weichen … Adidas Sneakers? Stirnrunzelnd betrachtete ich die Fehlkombination. Aber ja, solche Gernots trinken wohl Chai Latte. Und weiter gings…Eine kleine Latte für Josy. Ach wie herzig, eine kleine Latte für die kleine Josy. Huiii, die kleine Josy war aber gar nicht so klein. Sie sah aus wie eine Gazelle. Geschmeidig und galant erhob sie sich aus dem Sessel. Ihre Haut war dunkel…sie war samtig und glänzend…Und dieser Name…JOSY…wie Schokosplitter auf der Zunge. Schmelzend und süss. Wahrscheinlich starrten alle Augenpaare sie an, ich eingeschlossen. Ganz in der Ferne vernahm ich meinen Namen: Isolde. Aber ich war gedanklich gerade woanders…Josy…hauchte ich. Wie wohlklingend. Wie eine Wolke. So schön. Das Baby in der Wiege … Josy…ja, das passte. „Eine heisse Schokolade mit Sahne für Isolde!“ hörte ich laut rufend. Was?? Verdattert blickte ich zum Ausgabetyp und kam zur Besinnung. Klar nicht nur, dass jetzt wirklich auch Jeder im Raum weiss wie ich heisse, alle wissen nun auch noch, dass ich eine Schokolade MIT Sahne bestellt hatte, obwohl meine Proportionen eindeutig darauf hin zeigten, mindestens 10 - 20 Jahre auch nicht das kleinste Häufchen Sahne zu mir zu nehmen. „Und noch einen Cheese Cake für Isolde“. rief der penetrante Typ laut. Noch einen? Das war doch meine erster! Meine Güte!! Keinen Mucks machte ich. Isolde? Ich blickte mich um. Ja, wo steckte sie denn, die Isolde? Die Isolde, die Schokolade mit Sahne bestellt und dazu noch einen Cheese Cake? Mh… keiner kam. Der Ausgabetyp schaute in die Runde und rief nochmal laut nach Isolde. Neben mir raunte es „Das ist doch deiner. Du bist doch Isolde“. Ne, sicher nicht! „Ich warte auf Josy", antwortete ich und nickte bestätigend. Der Ausgabetyp, der das hörte, sagte: „Also, Josy ist schon weg.“ „Nagut“, sagte ich, "dann nehm ich eben Isolde.“ Gelangweilt nahm ich ihm die heisse Schokolade und den Käsekuchen ab, schnaubte ein "Danke!" und lief zielstrebig auf den einzig freien Tisch am Fenster zu. Aus den Augenwinkeln sah ich allerdings, wie zwei Gestalten sich auch für meinen Tisch interessierten und auf ihn zeigten. In meinem Hirn ratterte es. Und zwar Mathe. Ich rechnete und schätzte, also versuchte zu schätzen, wer von uns schneller den Tisch erreichen würde. Bei meiner Rechnerei bezog ich auch ein, wie schwer beladen das jeweilige Tablett war, wieviel Beinfreiheit unsere Kleidung hatte, wie vertieft die beiden in ihr Gespräch waren und so weiter. Was ich nicht mit einberechnete, waren die Gehstöcke von Ben (War es nicht Ben? Ben und….mein! Caramel Macchiato?) Also, die Gehstöcke von Ben, die da so angelehnt an seinem Ledersessel standen. Ben, der versunken im grossen Ohrensessel, der mich nicht kommen sah, wie ich so zielstrebig, nur den Fensterplatz im Blick und die Stöcke schleunigst hätte aus dem Weg räumen konnte. Nun, dies konnte er wohl wahrscheinlich auch gar nicht schleunigst tun, denn, es waren ja GEHstöcke – sprich, er kann wohl momentan oder überhaupt nicht schleunigst gehen oder springen. Wie auch immer. So kam es, wie es kommen musste. Die Gehstöcke stellten mir ein Bein, oder wahrscheinlich auch beide Beine. Ich stolperte und fiel mit einem großen Radau der Länge nach hin. Mitten in meinem Kaffeeladen! Das war einer der peinlichsten Momenten in meinem leben. Und, ich hatte recht viele peinliche Momente. Hinter den grossen Ohren des Ohrensessels kam ein verwuschelter Kopf zum Vorschein. Es war Ben. Der schaute ziemlich verblüfft auf mich herunter, nahm langsam die Kopfhörer aus seinen Ohren und fragte, ob was passiert sei. Nö…ich suche die brasilianischen Kaffeebohnen. Die müssen doch hier irgendwo sein, antwortete es in meinem Kopf. Suchend blickte ich mich um und stand dabei auf. Meine heisse Schokolade hatte sich gut gehalten, dank des Deckels, aber der Cheese Cake war gestorben. Der klebte nämlich unter meiner Brust. Okay, dachte ich, dann gibt’s heute eben keinen Kuchen. „Alles okay!“ lachte ich „Da standen nur so Dinger im Weg…weiss gar nicht wo die herkommen…“ Ich zeigte auf die Stöcke. Ben stürmte los…flink, galant und schnell sprang, ja, er sprang über die Lehne des Ohrensessels und griff nach mir. Nein, also er griff nicht direkt nach mir, sondern eher an mir vorbei, nach der Frau, die im nächsten Sessel sass. „Laura! Bist Du es wirklich?“ Und ja, Laura war es wirklich! Das Mädchen stiess einen quietschenden Freudenschrei hervor und liess ihre mit Silberkettchen behangenen Handgelenke um Bens Hals gleiten und zog ihn an sich. Ben küsste sie mitten auf die Stirn. „Ich hab Dich Ewigkeiten nicht gesehen. Wo warst Du denn so lange?“ „In Brasilien!“ antwortete Laura und strahlte Ben an. Ich fand, heute war kein guter Kaffeehaus-Tag und verliess den Laden mit einem Käsekuchenfleck unter der Brust und einem halben Becher lauwarmer Schokolade. Ich setzte mich auf die nächste Bank und pustelte die Käsekuchenbröckchen von meiner Jacke. Die Spatzen freuten sich über die verklebten Reste, die ich ihnen zuwarf und ich kramte nebenbei aus meiner Tasche einen zerdrückten
Schokoladenriegel.
Als ich das verdrückte Teil aus dem Plastik popelte, fielen kleine Stückchen der Schokolade auf meine Jacke und gesellten sich zu den Käsekuchenresten. Als ich die Schokoladenstückchen wegwischte, hinterliessen sie schöne hellbraune Streifen, die recht gut zu dem hellen Gelb des Käsekuchens auf meiner neuen Jacke passten.
Ich zog einen Flunsch. Ich war sauer. Sauer auf mich und auf alle anderen. Heute war irgendwie ein doofer Tag. Vielleicht nicht doofer als sonst, aber doch doof. Durch meine Augenschlitze sah ich ein Paar die Straße entlang humpeln. Also, eine Person von beiden humpelte. Ich blinzelte zweimal um klarer sehen zu können und erkannte Laura und Ben aus dem Kaffeehaus. Ben lief mit Kopfhörer im Ohr und Laura mit Gehstöcken. Ben nickte die ganze Zeit.
Ich konnte nicht erkennen, ob er nach dem Takt der Musik nickte oder das Gesagte von Laura bestätigte. Auf alle Fälle hatte ich neue Menschen kennengelernt. Und nächste Woche werde ich mir einen Caramel Macchiato und ein Lachsbeagle bestellen. Lachs und Kaffee machen nicht so gemeine Flecken wie ein Käsekuchen und Schokolade.
Ich wohne sehr ruhig in einem Hinterhaus - das Vorderhaus wurde bereits abgerissen. Gleiches blüht auch unserem Haus, aber das dauert noch, sagte der Verwalter. Ja, es ist ein ruhiges Haus, also ein ausgestorbenes Haus sozusagen. Nur zwei Wohnungen in dem Haus sind noch bewohnt. Unter mir wohnt Frau Kramer, sie wird achtzig, ist fast blind und noch tauber. Dafür haben wir immer gute Gespräche. Ich bin ja auch ein freundlicher Typ. Frau Kramer traf ich oft vor dem Haus. Sie hatte immer die gleiche Schürze um, eine blaue mit gelben Sonnenblumen, so eine Kittelschürze ist das. Brav hatte sie alle Knöpfe bis obenhin zugeknöpft. Und immer hatte sie eine Tasse dabei. Die ist zwar leer, aber Frau Kramer rührte mit ihrem Löffel darin herum. Immer. Pausenlos. Unentwegt.
Sie sass unter dem kleinen Vordach, bei jedem Wetter. In Schürze, mit Tasse. „Frau Kramer“, begrüsste ich sie dann wenn ich sie antraf. „Wie geht es Ihnen?“. Frau Kramer blickte misstrauisch auf: „Kenne ich Sie?“.
„Natürlich, Frau Kramer, ich bins, Isolde, ich wohne über Ihnen, hier in diesem Haus.“ Die alte Frau nickte stumm und fixierte mich durch ihre dicken Brillengläser. Einen Moment lang vergass sie das Rühren in ihrer Tasse. „Es ist nett von Dir, dass du mir Gesellschaft leistest“, sagte Frau Kramer und legte ihre Hand auf meinen Arm. „Ich bin so allein. Herbert ist immer so lange unterwegs. Ich warte auf ihn.“ Frau Kramer erinnerte sich an das Rühren in der Tasse und rührte begeistert los. „Ich habe Milch gekauft, für Herbert. Er mag Milch. Besonders am Abend.“ Gedankenverloren starrte Frau Kramer in die Ferne. „Die ganze Wohnung haben sie mir ausgeräumt“, flüstert sie. „Nicht einen Stuhl haben sie mir gelassen, sogar das Bett ist weg!“ Frau Kramer musterte mich von oben bis unten und fragt mich „Wer sind Sie?“ „Isolde. Ich bin Isolde und wohne hier im Haus.“ „Hä?“
Die alte Frau klemmt sich das Ohr mit ihrem knorrigen Zeigefinger nach vorn. „Hä?“ „Isolde! ISOLDE. Ich wohne hier im Haus. In der Nummer 7.“ Unwirsch winkte Frau Kramer ab: „Er wird nicht kommen, Kindchen, er wird nicht kommen.“ Frau Kramer legte den Löffel neben die Tasse und schaute mich ernst an: „Er ist ganz bestimmt tot.“ Die Augen hinter ihren dicken Gläsern waren hellblau, oder grau, vielleicht auch beides. Aber sie waren so klar wie ein Bergsee. Sie umschlang mein Handgelenk und betonte nochmals: „Er kommt nie wieder zurück.“. Dann rührte sie in ihrer Tasse weiter und ich verabschiede mich. „Tschüss Frau Kramer, ich muss los. Schönen Tag noch. Und, Ihr Herbert kommt sicher bald.“
Frau Kramer klemmt sich den Finger hinters Ohr. „Hä?“ „Tschüss“, rufe ich und laufe los. „Wer sind Sie denn?“ ruft Frau Kramer mir nach. Haben Sie mein Bett gestohlen?“ Ja, die Frau Kramer ist ja schon eine Nette.
Gerne ging ich in den Park. Dort war immer viel los. Mamis und Papis mit Kindern oder Mamis ohne Papis mit Kindern oder umgedreht. Oder auch Papis, die gar keine sind, es aber (noch) nicht wissen oder Papis, die gar keine sein wollen, sich aber trotzdem anstrengen und dann hinter der Schaukel stehen und ihr Kind beschaukeln. Ist gut so? Höher! Jubelte das schaukelnde Kind. So ist gut? Höher! Jauchzte das Kind. Und der Papa stiess immer fester am Schaukelsitz. „Ist es hoch genug“? schrie er in den Himmel hinauf, in welchem das Kind auf dem Schaukelsitz fast verschwindet. Schwach tönte es aus den Wolken: Noch höher! Der Papa wartet einige Sekunden, bevor das Kind wieder auf Landeanflug ist und stiess sein Kind mit aller Kraft an. Die weniger mutigen Muttis mit den vermeintlich weniger mutigen Kindern liessen ihr Kind nicht so hoch schaukeln. Niemals. Nur wenige Zentimeter vor und zurück bammeln sie dann, und die Mütter fragten sehr oft nach der Angst des Kindes. Wenn diese Kinder dann mit dem Papa im Park sind, sind sie wohl auch Wolkenschaukler.
Etwas missbilligend schauten die ängstlichen Mütter die Papas der Wolkenschaukler an und setzten eine ernste Miene auf. Eine sehr ernste Miene. Sie spitzten ihren Münder, sie hüsteltn vor sich hin und tauschten mit den anderen unmutigen Muttis Blicke aus. Wenn das froh geschaukelte Kind dann genug geschaukelt hatte gab es noch den Sandkasten zu entdecken. Zwar war der Sandkasten gross, doch irgendwie war er immer etwas zu klein für einen Papi, ja und noch für das Kind. Die hübschen weiss bemützten Mädchen in schicken Kleidchen sollten sich ja eigentlich gar nicht schmutzig machen, sie sollten nur schön aussehen. So kamen die Muttis aller zwei Minuten, hoben ihr Prinzesschen aus dem Sand, schüttelten es im Ganzen und klopfen es ab, bevor es wieder in den Sand gesetzt wurde und mit rosaroten Schaufelchen und bunten Eimerchen spielen durfte. Schaukelkind und Papi hingegen waren inzwischen mit einem Bulldozer auf Ketten angerückt. Dieses gigantische Teil konnte sogar tiefe Nebelhörnertöne von sich geben. Also, das Nebelhorn war der Papa und das Kind der Schaufler. Gekonnt drehte der Papa an der Kurbel und hornte laut vor sich hin, damit Sohnemann die grosse Schaufel durch den Sand gleiten lassen konnte.
Und natürlich möchte auch mal Papi baggern und so wechselten sie die Plätze. Ungeduldig fragte das zum Hilfsarbeiter degradierte Kind, wann es denn nun auch mal wieder baggern durfte, und erst, wenn es dann mit dem Fuss aufstampft und weinen wollte – dann wurde wieder getauscht.
Um nicht übersandet zu werden, löseten sich einige Muttis aus sichtlich wichtigen Gesprächen mit anderen Muttis, kamen angerannt, um ihren Sonnenschein vor dem Sandsturm zu schützen. Und es wurde immer ein grosser Sandsturm; denn daheim finde ich nach jedem Parkspaziergang noch ein paar Sandkörner in meinen Jackentaschen.
Ich brauchte Schuhe. Ich brauchte wirklich Schuhe und nein, die 25 Paar, die ich zu Hause hatte, reichten nicht. Ich brauchte ein Paar hohe schwarze Riemchenschuhe, Sandalen, sozusagen, aber mit Absatz und eben mit Riemchen. Offen, sollten sie sein. Schwarz. Passend zu dem roten Kleid, welches seit zwei Jahren im Schrank hing. Nun endlich konnte ich es tragen. Basti heiratet. Ja, mein kleiner Bruder vermählt sich. Er war verliebt. Und, Angie, wie sie sich nannte, die er in Thailand kennengelernt hatte, wohl auch. Eigentlich hiess sie ja Sunisa - Malee. Doch das kann sich hier keiner merken, darum nannte sie sich eben Angie.
Jedenfalls wollte sie ganz schnell zu ihm ziehen und dafür nach Europa kommen. Und für diese Hochzeit brauchte ich das 26. Paar Schuhe. Jawoll. Ich schaue aus dem Fenster und freue mich. Nichts zu sehen