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Isolde - man muss sie einfach lieben! Herzerfrischende und zum Schmunzeln oder auch zu herzhaftem Lachen anregende Geschichte einer unbekümmerten, oft ins Fettnäpfchen tretenden liebenswerten jungen Frau.
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Hast Du eigentlich schon was gesagt?
Willkommen in Ägypten
Ich brauche einen Schnaps!
Ich brauche einen zweiten Schnaps!
Art of modern Egypt
Sind wir schon da?
Gut, dass ich nur in Venedig war
Berg ruft
Engelshorn 90 min
Talfahrt
Isolde sieht schwarz
Fällt doch gar nicht auf
Warten Sie schon lang?
Seegang
angefressen
Die Obdachlose
Immer diese Vorurteile
Einmal in der Woche obdachlos
Arme Alte
Rückzug
Wer war ich nochmal?
Zum Fressen gern
In der 9. Reihe oder so, jedenfalls nicht in der 1.
Die Kraft der Natur
Gerettet
Besser Plüsch - Leos als gar nichts
Besuch
Nicht fragen. Laufen!
Hauptsache Tee und Mohrenköpfe
Dudka und Alek
Ich nehme eine Priese Liebe
Wenn der Eismann 2 x klingelt
ausgesperrt
Die Befreiung
Zartbitter
Die schönste Kuh im Stall
Alles im Eimer
Nestbau
Es klopfte an meiner Tür. Müde öffnete ich die Augen und rollte mich auf die andere Seite. „Cleo wach auf!“ rief es vor der Tür. Es war Spitzfinger Maddy. „Cleo, aufstehen! Cleeeeeeooooo.“ Ich konnte diesen Cleo gar nicht mehr hören. Cleo hier, Cleo da. Wusste eigentlich irgendeiner meinen richtigen Namen? „Komm schon Cleo, heute ist dein grosser Tag, unser grosser Tag!“ Ich wollte keine grossen Tage, ich wollte schlafen. Dann war es ruhig. Ich lauschte. Ich hörte nur ein paar Geräusche im Kies. Ach wie nett, Cleo darf weiter schlafen. Ich mummelte mich ein und drückte mich tief ins Kissen. Da klopfte es wieder. Energisch, laut ganz in meiner Nähe. Maddy stand am Fenster und klopfte an die Scheibe. Sie hielt sich die Hand über die Stirn und schaute in mein Zimmer.
Dabei klopfte und klopfte und klopfte sie. Irgendwann wurde mir das zu bunt. Ich setzte mich auf, zog meinen blütenweissen Bademantel über, schlurfte zum Fenster und riss die helle Gardine zur Seite. Mit einem grimmigen Blick schaute ich auf das Nervenbündel am Fenster. „Oh Du bist wach?!“ freute sich Maddy. Natürlich, die Gardine hat sich ja nicht von allein zur Seite gezogen. Maddy strahlte wie ein Apfelkuchen. Sie sah heute ganz anders aus. Ihre Haare waren wild, ihr Lippenstift blau, sie trug ein weisses Kleid in Kindergrösse und hatte blaue Stiefel bis zu den Knien. Um ihre Wespentaille hatte sie einen bunten Glitzergürtel gelegt und an ihrem Arm hingen etliche Armreifen. Sie winkte mir zu, obwohl ich ganz dicht vor dem Fenster stand. Ich winkte nicht zurück und machte nur eine Deutung auf meine nicht vorhandene Armbanduhr. „Es ist halb 6 Cleo.“ Klar, halb 6.
Was wollte denn Madame Nervenbündel am Morgen halb 6 von mir? Mit hängenden Schultern lief ich zur Tür und öffnete diese. Ich setzte mich aufs Bett und wartete. Nach einer Hundertstel Sekunde stand Maddy neben mir. „Cleooo.“ sagte sie gedehnt. „Cleo Cleo Cleoooo.“ wiederholte sie schnell hintereinander. „Bist Du auch so aufgeregt wie ich?“ fragte sie mich. Ich war eher müde als aufgeregt. Aufgeregt müde sozusagen. Sie hatte mich aus einem Traum gerissen. Ich wollte ganz kurz noch überlegen was ich geträumt hatte, doch eine innere Stimme riet mir lieber aufzupassen. Maddy hatte die Angewohnheit wichtige Dinge zu sagen, die ich dann überhörte, weil ich mit eigenen wichtigen Dingen beschäftigt war. Maddy spulte den Tagesablauf hinunter. Frühstücken in 20 Minuten. Frühstücken halb 6 am Morgen? Ich verdrehte die Augen. An und in mir schläft noch alles. Punkt 6:30 Treffpunkt Bungalow. Dann würden wir abgeholt werden und gehen zum Styling. Am Mittag ist die Show. „MaNiMa’s grosser Auftritt!“ Diesen Satz untermalte sie ausdrucksstark mit ihren Armen. „Also, Cleo, auf geht’s!“ An der Tür drehte sie sich nochmals zu mir herum. „Hast Du eigentlich schon was gesagt?“
Nein, hatte ich nicht. Ich hatte ja auch nichts zusagen, zudem kam ich, bei Maddy jedenfalls, nicht zu Wort. Mein Magen grummelte und ganz leicht übel war mir auch. Ich war nicht sicher, ob dies vielleicht an den unbekannten grünen und quietschroten Getränken von gestern Abend lag oder vielleicht auch an dem versehentlich bestellten Frutti de Mare Salat, der dann so gar nicht mein Fall war. Salat hatte ich schon gern, aber woher sollte ich denn wissen, dass dann dieser Salat mit vor an den Armen besetzten Saugnäpfen und weissen pappigen Kügelchen und harten Irgendetwas bestand? Die 3 grünen Salatblätter und die halbe Tomate waren noch das Beste am diesem Salat. Ich blinzelte auf die Uhr. Der Zeiger tickte ruhelos. Und ich schaute ihm zu.
Vielleicht war mir auch übel, weil heute mein, unser, MaNiMa’ s grosser Tag war? Konnte ich mich verstecken? Ich zog mehrere Versteckmöglichkeiten in Betracht, verwarf diese aber wieder. Im Verstecken war ich noch nie gut. Wahrscheinlich komme ich auch gar nicht weit. Halb Venedig kannte mich inzwischen und halb Venedig ist bereits in Vorbereitung der Show. Oh Cleo, ähh Isolde, was hast Du Dir da wieder angelacht. Mir wurde grad noch etwas schlechter, als ich auf die Uhr sah. Der grosse Zeiger hatte sich schon wieder rasant nach vorn geschoben. Wie machen denn Uhren das immer? Halten sich nie an die Zeit. Ticken einfach so herum und überholen einen. Ich warf mich in eine Hose mit Gummibund. Die Hose sass satt, kein Wunder bei diesen Fress - Gelagen jede Nacht. Ich glaube, Maddy wollte mich mästen. Ständig hatte ich ein gefülltes Glas in der einen und Häppchen in der anderen Hand. Und ständig wurden irgendwo essbare Sachen aufgetischt und ein Festessen daraus gemacht. Also, essen ist ja schon toll, dachte ich. Und es gab auch überall Kuchen, okay, kein Käsekuchen, aber in den Zuccotto hab ich mich verliebt. Der besteht aus Schlagsahne und Schokolade. Ich leckte mir die Lippen und schloss die Augen. Halt! Isolde, Augen auf! Okay, ich riss die Augen auf. Blick auf die Uhr. Die Zeiger der Uhr hatte sich inzwischen bedrohlich verschoben. Mist, dachte ich. Ich musste mich wieder einmal beeilen. Oberteil drüber und los. Ach, Zähne putzen wäre auch noch gut. Also, schnell geschruppt, Spiegel und Pullover vollgespritzt. Jetzt aber. Oh nein, Schuhe fehlten. Ich schlüpfte in die Hotel -Pantöffelchen, was anderes hatte ich grad nicht zur Hand. Haha, ich lachte. Ich hatte etwas für den Fuss nicht zur Hand. Ich wollte darüber nachdenken, aber meine Beine liefen schon los.
Das Frühstück hatte ich verpasst, so traf ich aber dafür fast pünktlich in Maddys Bungalow ein. Nur einen Augenblick zu spät. Das war Rekord, dachte ich. Aber Spitzfinger und Kahlkopf MaNiMa standen bereits parat. MaNiMa legte mir den Arm um den Hals und küsste mich auf die Wangen. „Buongiorno bella Cleo.“ Er schob mich auf das Schnellboot welches bereits mit laufendem Motor auf uns wartete. Mit hoher Geschwindigkeit raste das Boot auf dem Wasser. Hätte ich eine Perücke auf dem Kopf getragen, wäre diese bereits davon geflogen. Wir sassen eng beisammen. Bei jeder engen Kurve rückten wir noch enger zusammen. Maddy, MaNiMa und ich. Ich sass in der Mitte. In der Linkskurve hockte mir MaNiMa auf dem Schoss und in der Rechtkurve besuchte mich Maddy. Beide waren Fliegengewichte. Ich hatte Angst um die beiden. Wahrscheinlich wussten sie, dass sie hätten davon fliegen können, denn sie hielten sich links und rechts fest.
Ich hingegen sass bombenfest auf meinem Platz. Alle machen einen Satz nach vorn, als das Boot plötzlich stoppte. MaNiMa erhob sich als Erster, nahm meine Hand und zog mich ans Ufer. Galant folgte Spitzfinger und das Schnellboot raste wieder davon. Designergott MaNiMa schob die Plane eines grossen weissen Zeltes beiseite und sagte: „Willkommen in Ägypten.“
In diesem Zelt herrschte ein unglaubliches Gewusel. Hier waren wahnsinnig viele Leute. Aber scheinbar hatte jeder eine Aufgabe und wusste was zu tun war. Es wurde geschnattert, gelacht, ausgerufen und gehämmert. Es war warm und roch süsslich. Meine Übelkeit machte sich wieder bemerkbar. Alle hier waren in Vorbereitung der Show und auch ich sollte vorbereitet werden. So nahm man mich gleich in Empfang und brachte mich in einen ruhigeren Bereich. Ich fühlte mich mit dem Getümmel überrumpelt und mein Herz schlug einige Takte schneller. Man drückte mich auf den Stuhl, vor einen Spiegel und brachte mir einen Kaffee. Dann liess man mich allein. Ich schaute mich um und inspizierte meine Umgebung. Die hektischen Vorbereitungen waren in vollem Gange.
Überall hingen Kleider. Models wurden gestylt und sassen mit grossen Wicklern im Haar vor Tuben, Dosen, Schachteln, Kisten und Schatullen, Pinseln, Schwämmchen, Bürsten, Klammern, Lockenstäben und grossen breiten Haartrocknern. Ich atmete hektisch und meine Übelkeit stieg in den Hals. Ich nahm einen grossen Schluck vom Kaffee und atmete tief ein und aus. Ich klöpfelte auf mein Herz, als könnte ich mich so beruhigen. Einige Models probierten bereits ihre Outfits an und drehten sich vorm Spiegel. Ihre Outfits waren gewagt, fand ich. Da aber ihre spindeldürren Körper kaum Rundungen einer Weiblichkeit vorweisen konnten, sah ich, wie sie wahrscheinlich auch, kein Problem, diese Kleidungsstücke (konnte man das eigentlich Kleidung nennen?) zu tragen. Zudem trugen sie alle auf dem Kopf den gleichen goldenen ägyptischen Kopfschmuck. Ein breites verziertes Haarband mit langen goldenen Perlen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
„Aufgeregt?“ Spitzfinger Maddy. Sie brachte mir, wie auch schon die Tage zuvor, Häppchen und ein Getränk mit. Diesmal sei es kein Alkohol, betonte sie. Aufgeregt? Also aufgeregt war gar kein Ausdruck. Ich hatte sogar Angst. Angst vor dem, was auf mich zukommen würde. Es sammelte sich bereits Angstschweiss an meinen Schläfen. „Ich erkläre Dir den Ablauf.“ sagte sie und setzte sich auf den kleinen Hocker neben mir. Ich schob mir ein Häppchen in den Mund und hörte kauend zu. „Du wirst gleich geschminkt, gestylt und bekommst Dein Outfit. Dann hole ich Dich ab und los geht’s.“ Ich solle mir keine Sorgen machen. Und dann kamen auch schon meine Stylisten. Zuerst einmal, so sagte Maddy, soll ich meine Kleidung abziehen. So verschwand ich hinter einem Vorhang. Pullover und Gummibundhose stopfte ich in einen Stoffbeutel, welcher mit Cleo angeschrieben war. „Alles!“ rief sie mir nach. Es läge schon etwas zum Anziehen da. Und ja, es lagen 2 Stoffteile, es sollte wohl Unterwäsche sein, für mich bereit. Eine Unterhose, welche mir bis zum Bauchnabel ging und ein knappes Bustier aus Leder. Oh Gott, ich wollte weinen. Maddy reichte mir einen Seidenmantel hinter den Vorhang. „Zieh das drüber.“ gab sie die Anweisung und verschwand. Schweigend setzte ich mich im Mäntelchen wieder auf den Stuhl im Frisierbereich und die Stylisten legten los. Der eine glättete meine wirren Haare und der andere schminkte mich. Dabei tauchte er immer wieder in irgendwelche Töpfchen. Er cremte, strich und schmierte in meinem Gesicht herum. Die beiden redeten kein Wort. Also sie redeten schon, beide redeten, wie ein Wasserfall sogar, aber nicht mit mir. Mein Aussehen veränderte sich zusehends. Mit –Finito – beendeten „meine Stylisten“ ihr Werk. Zwar war ich überrascht, wie man einen Menschen so verändert konnte, dennoch war ich absolut schockiert. Mein Gesicht war weiss getüncht und gleichzeitig bunt, meine Augen und Lippen waren tiefschwarz umrandet. Mein Wangenrouge war dunkelrot, meine Lider blau und schwer durch die künstlichen Wimpern. Meine Augenbrauen hatten sie abrasiert und durch einen fetten schwarzen Strich ersetzt. Zudem malte mir mein Gesichtsstylist einen fetten schwarzen Fleck an mein Kinn. Wofür sollte das denn gut sein? Erstarrt schaue ich auf mein Spiegelbild. Gott, ich sah so schrecklich aus. Das soll Cleopatra sein? Ich war sprachlos. Nur meine Frisur war schön. Ich hatte aalglattes Haar, Henna rot gefärbt und auf dem Kopf trug ich ein goldenes Diadem mit einer Kobraschlange. Mein Blick aber wanderte immer wieder in mein Gesicht und fixierte mein Kinn. Ob ich am aufgemalten Leberfleck reiben sollte? Ich wollte den überhaupt nicht! Aber ich wusste, was ich stattdessen brauchte: einen Schnaps!
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Maddy wieder an meinen Platz. Sie kaute hartnäckig auf einem Kaugummi herum, begutachtete akribisch mein Gesicht und meine Frisur. „Ausgezeichnete Arbeit.“ fiel ihr murmelte sie. „Gefällt es Dir?“ fragte sie mich. Und ihre Frage war wirklich ernst gemeint! Sie starrte mich an und kaute hartnäckiger. Ich biss auf meine Lippen. Sonst hätte ich sicher angefangen zu weinen. Maddy wartete mein Geheule nicht ab sondern sagte: „Du kannst jetzt Dein Outfit anziehen, es hängt auf der Kleiderstange hinter dem Vorhang.“ Sie zeigte auf meinen Umziehbereich, wo ich mich schon meiner gewohnten Garderobe entledigte. Meine Glieder waren steif. Steif vor Angst, vor Anspannung und vor aufgemaltem Leberfleck Schock.
Wie in Trance lief ich hinter den Vorhang. Doch da war kein Outfit, kein Kleidungsstück, welches ich hätte anziehen können. Lediglich mein Wäschesack und ein Tuch hingen dort. „Hier ist nichts!“ rief ich aus meiner Umziehhöhle heraus. „Natürlich Cleo, ich habe es selbst dorthin gehängt!“ Ich schaute mich um, konnte aber tatsächlich nichts finden. Umziehbereit hatte ich bereits den Seidenmantel und meine Pantöffelchen abgezogen. Nun tappte ich in geliehener Unterhose und knappen durchsichtigem Tüll Bustier hinter dem Vorhang hervor. „Also, tut mir leid, aber ich finde nichts.“ Maddy musterte mich. „Wieso nicht?“ Ohne eine Antwort abzuwarten stakste sie hinter den Vorhang und reichte mir den Kleiderbügel mit dem Tuch. „Da ist es doch.“ sagte sie vorwurfsvoll. „Cleo, Du solltest Dich etwas beeilen, wie sind schon alle ready.“ Sie hielt ihr Handy ans Ohr und flüsterte: ”Ich komme Dich in 5 Minuten holen. Du brauchst nicht länger, es gibt nicht viel zum anziehen.“ Dann lief sie schnatternd und gestikulierend davon. Ich nahm den Lappen vom Bügel und breitete „mein Outfit“ aus. Es war ein viereckiges Stück Stoff, mit einer goldenen Kante und einem Loch in der Mitte. Und es war durchsichtig. Mit 2 Fingern hielt ich das Teil in die Höhe. Keiner hätte erahnen können, dass es sich hierbei um ein Kleidungsstück handeln sollte. Das war der Zeitpunkt, an dem ich einen zweiten Schnaps brauchte.
Zögerlich stülpte ich dieses Tuch über meinen Kopf. Es reichte mir bis zu den Knien und bedeckte nur knapp meine Schultern. Was mir allerdings mehr Sorge bereitete, war die Tatsache, dass es durchsichtig war. Ich zupfte an dem Überwurf herum, damit es nicht so anliegend war, aber zwischen Tuch und meinem Körper war nicht besonders viel Spielraum. Ich zog mir das Seidenmäntelchen wieder über und meine Pantöffelchen an und wartete auf dass, was da kommt. Maddy kam. Ich folgte ihr nach draussen vor das Zelt. Dort wurden Models sortiert und aufgestellt. Die Models hatten allesamt Riemen - Stiefel an, mit einem dicken hohen mächtigen Absatz. Ich staunte. Ich hatte meine Pantöffelchen an den Füssen und war froh, nicht so Ungetüme tragen zu müssen. Allerdings entdeckte Maddy meine Pantöffelchen. „Ausziehen, schnell!“ kam ihr Befehl. Sie zupfte am Seidenmäntelchen: “Das auch!“ Ich schüttelte energisch den Kopf. Auf keinen Fall das Mäntelchen. Grimmig schaute Maddy auf mich. Sie löste einfach den Gürtel und wollte selbst Hand anlegen. Mit beiden Händen hielt ich den Mantel zu. „Cleo was soll das? Die Show beginnt und Du bist nicht bereit!“ Von Weitem hörte ich MaNiMa. Er zupfte an den Models herum und gab hie und da noch eine Anweisung. Mit einem Klaps auf den Po und einem „Go“ wurde dann ein Model nach dem anderen auf Lauf geschickt. „Cleo, Du bist unser Hauptakt. Wir haben doch alles besprochen.“ Jaaaa, Maddy hatte zwar alles gesprochen, aber ich hatte nicht zugehört. Tja, mein Fehler. Also warf ich meine Pantöffelchen von den Füssen und zog missgelaunt mein Mäntelchen ab. In der Sonne konnte man meine Speckrollen, Dellen und Abdrücke gut sehen. Die geliehene Unterhose war eng und quetschte alles ab und da gab es Einiges zum abquetschen. Mein Angstwurm sass mir im Hals. Ach, sagte ich mir plötzlich, spiel einfach mit, das ist wie ein Film. Bist halt heute mal eine Schauspielerin. Zudem interessierte sich hier keiner für meine Figur, meinen Schwabbelbauch, alle waren mit sich selbst beschäftigt. Es kennt Dich ja hier so quasi auch keiner. Sie kannten ja nicht einmal meinen richtigen Namen. Am Boden stand ein kleines Holzfloss, ägyptisch bemalt und golden verziert. Links und rechts waren lange Holzstangen angebracht. In diesem Floss hatte es eine schmale Holzbank. „Los, steig ein!“ Maddy war nun recht streng mit mir. Wortlos und mustig setzte ich mich in dieses Holzteil. Ich hatte jetzt aufgegeben und wollte nun alles tapfer über mich ergehen lassen. Sekunden später kamen einige junge braungebrannte Männer in knappen weissen Wickel - Shorts und weissen Tüchern auf dem Kopf angerannt. MaNiMa rannte mit. Er begutachtete mich, nickte anerkennend, klopfte auf das Holzschiffchen. „Go!“ Ich, also das Holzschiffchen und ich, wurden in die Höhe gehoben. Es schaukelte etwas und genau so schaukelte mein Herz. Ich hielt mich an den Kanten fest. Jetzt geht’s los, dachte ich und wollte mich vor Angst übergeben. Je 2 Männer auf jeder Seite trugen diese Sänfte. Auch hinten lief ein männliches Wesen in Wickelhöschen mit einem grossen Palmwedel und begann zu wedeln. Ich drehte mich hilflos nach Maddy um: „Muss ich irgendwas tun?“ Sie rief etwas zurück. „Was?!“ Ihre Antwort klang wie - sinken -. Ich rieb mir die Stirn. Sinken? Trinken? Waaaaas?? Ich überlegte. Sprinten? Stinken? Nee. Winken? Winken! Klar winken! Ich muss winken. Also das schaffe ich bestimmt. Ich holte tief Luft, zog den Bauch an, was zwar nicht viel brachte, dachte nicht an meinen halbtransparenten Oberkörper und winkte. Meine Reise „Art of modern Egypt“ begann.
Sie begann und endete mit einem sehr lauten tiefen Gongschlag. Er hallte lange nach und summte in meinen Ohren. Eigentlich gongte es die ganze Zeit, unentwegt. Beim ersten Gong erschrak ich. Etwas weiter vor mir liefen 2 Männer. Einer von ihnen zog einen kleinen Wagen. Darauf stand eine grosse goldene Scheibe. Die zweite Person schlug in bestimmten Abständen mit Kraft auf die Scheibe, wie auf eine grosse Metall Pauke und es gongte gewaltig laut. Und beim ersten Gong wurden wir alle in den Bann gesogen. Ich auch. Absolut. Denn als wir aus der Gasse auf den Markusplatz schritten, also ich wurde ja getragen, von meinen 4 wunderbaren stattlichen männlichen Wesen, wurde ich aufgesogen.
In den Bann der Fantastischkeit, der Festlichkeit und des Schauspiels. Ich kann Euch sagen, es war grandios. Es war so überwältigend, dass ich vor Schreck und Anspannung vergass zu winken. Der nächste Gong erinnerte mich aber wieder daran. Beidseitig des Zuges säumten Menschenmassen den Platz, sie schrien, klatschen und jubelten. Sie kreischten mir zu und schrien immer wieder. Cleo! Cleo. Sie zeigten auf mich und winkten. Ich winkte erstarrt zurück. Sie warfen mit Blumenblüten und kleinen Fläschchen aus Plastik. Viele landeten in meiner Sänfte. Auch kleine Cleo – Püppchen fielen mir in den Schoss. Wir durchquerten Bögen aus Feuer und es wurden Kanonen auf uns gerichtet. Daraus flogen nach einem lauten Knall Blumen und Blüten in allen Farben. Alles war bunt. Ich drehte mich herum. Hinter mir lief der Palmwedler und wedelte und hinter ihm lief MaNiMa und winkte den Zuschauern. Neben ihm lief Maddy.
Die Leute bejubelten ihn und mich auch. Das war ein sehr ungewohntes Bild. Ich war der Mittelpunkt und ich glaube, MaNiMa machte heute nur den Zweiten. Bunt geschminkte Jongleure mit Masken auf Stelzen säumten die Strasse und kamen auf mich zu. Sie umarmten mich und überreichten mit eine Blumenkette. Sie waren auf ihren Stelzen so gross, dass sich noch fast zu mir in meine Sänfte hinunter bücken mussten. Ich war völlig überwältigt. Aber, irgendwie gewöhnte ich mich auch an das Gekreische meiner Fans und mein Herz pochte nicht mehr in meinem Hals, sondern rutschte wieder ein Stück in die vorgesehene Richtung. Mein rechter Arm tat schon weh vom Winken, so wechselte ich. Ich winkte freundlich, aber zurückhaltend, schliesslich war ich Cleopatra. Cleopatra hatte Durst und öffnete beim nächsten Gong so ein kleines Plastikfläschchen. Sangria stand drauf und Sangria schmeckte gut. Etwas warm, aber süss.
Bei jedem weiteren Gong trank ich ein kleines Fläschchen leer. Nachschub gab es ja genug, die Leute warfen mir diese Fläschchen in die Sänfte. Wenn sie in meine Sänfte trafen, ging ein Freudenschrei durch die Massen. Ich schaukelte so also vor mich hin, winkte, lächelte und war begeistert. Wir durchschritten einen weiteren Bogen, kleine Feuersterne glitzerten und zischten über mir. Ich kam mir etwas vor wie auf einem Schiff. Wie auf sanften Wellen. Zwischen meinen Füssen tummelten sich Sangriafläschchen, Blumen und kleine Cleopüppchen. Fröhlich winkte und schaukelte ich. Da entdeckte ich Feuerspucker, die ihre Künste zu besten boten. Auch denen winkte ich zu. Meine Mundwinkel hatten sich inzwischen schon weit auseinander gezogen und blieben dort. Ich zeigte ihnen den Daumen nach oben und winkte weiter. Ich winkte vielleicht nicht mehr so koordiniert, denn ich war etwas kraftlos von der ganzen Winkerei.
Aber ich war tapfer. Leider hatte ich nur 2 Arme und könnte nur mit der linken und rechten Hand abwechseln. Leger lag ich schräg in meiner Sänfte, die Beine von mir gestreckt. Noch immer standen Massen von Zuschauern und waren begeistert. Meine Muskelpakete in Windelhöschen trugen mir sicher durch die Massen. Dem einen, zu meiner Rechten, welcher mit an der Kopfseite trug, tätschelte ich die Schulter. „Bravo, Bravo.“ Aber er reagierte nicht. Ich stupste ihn an. Seine Schulter war hart wie Stein. Ich pikste mit meinen Fingern. Keine Reaktion. Erst als ich ihm mit einem Fläschchen Sangria auf seiner Schulter klopfte und „Hallo“ rief, warf er mir einen steinernen Blick zu. „Auch n Slücksen?“ Mhhh hörte sich so falsch an, das Wort. Ich versuchte es nochmals. „Ssssschhhhüüüüüückchen!“ Hicks. Oh, pardon. „Okay okay!“ abwehrend hob ich die Hände. Dann halt nicht.